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- Erscheinungsdatum
- 1921-06-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192106167
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19210616
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19210616
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1921
-
Monat
1921-06
- Tag 1921-06-16
-
Monat
1921-06
-
Jahr
1921
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Gareis' Beerdigung und Streikfchluß. Unter überaus starker Beteiligung der Münchener Arbeiterschaft fand Montag die Beisetzung des ermordeten Abgeordneten Gareis auf dem Ostfriedhof in München statt. Sie ist ohne besondere Zwischenfälle verlaufen. Am Grabe sprachen mehrere sozialistische Führer. Der Streik wurde am selben Abend abgesagt. Die Blätter sind wieder erschienen. Nach dem Tode des Abgeordneten Gareis wird nach dem Ergebnis der Abstimmung bei den letzten Landtagswahlen Ernst Toller Abgeordneter des baye rischen Landtages. Toller befindet sich in Festungshaft in Niederschönenfeld; der bayerische Landtag müßte seine Haftentlassung verlangen, damit Toller seinen Platz im Landtag einnehmen könnte. Die Auslieferung Kaiser Wilhelms abermals verlangt. Im französischen Senat hat Senator Duplantier eine Interpellation eingebracht über die Maßnahmen, die die Negierung zu treffen gedenkt, um die Erfüllung der Ver tragsbestimmung betreffend die Aburteilung des früheren Deutschen Kaisers und der andern, die die Kriegsgesetze zum Nachteil der Untertanen der alliierten Länder über treten haben, herbeizuführen. Der „Figaro" glaubt nicht, daß die holländische Regierung den Kaiser ausliefern wird. Entdeckung eines geheimen Munitionslagers. Beamte des Staatskommissars fanden zwischen Gera und Ronneburg ein Lager von Infanterie- und Maschinen gewehrmunition. Zwischen 30 009 und 40 000 Patronen wurden beschlagnahmt und der Reichstreuhandgesellschaft in Erfurt zugeführt. Mehrere Personen, darunter zwei Wachtmeister der Abteilung Gera der Thüringer Landes polizei, wurden verhaftet. Sie fallen, nach der Magde burger Zeitung, den Kommunisten nahestehen. Nordamerika. X Der Friedensschluß mit Deutschland. Das Reprä sentantenhaus hat mit 305 gegen 61 Stimmen die Ent schließung Porter angenommen, die den Kriegszustand mit Deutschland und Österreich beendet, ohne, wie die Ent schließung Knox, die Kriegserklärung zu widerrufen. Die Angelegenheit geht nun an den Verhandlungsausschuß der beiden Häuser. Aus Zn- und Ausland. Berlin. Der Präsident der Reichsrücklieferungskommis sion, Kommerzienrat Dr. jur. Guggenhetmer, ist mit der auftragswcisen Wahrnehmung der Geschäfte des Reichskom missars zur Ausführung von Ausbauarbeiten in den zerstör ten Gebieten im Ehrenamt betraut worden. Warschau. Der außerordentliche Gesandte und bevoll mächtigte Minister Paderewski wurde von seinem Posten als erster Delegierter beim Völkerbunde sowie von dem Posten als Vertreter der polnischen Regierung beim Völkerbunde ent hoben. Bern. Der Bundesrat hat den Bundesbeschluß vom 31. Mai 1918 betreffs des Verbots der Ausfuhr von schweize rischen Banknoten und Kassenscheinen der Dar- lehnskafsen der Eidgenossenschaft mit sofortiger Wirkung auf gehoben. Deutscher Reichstag. <113. Sitzung.) LL Berlin. 14. Juni. Die heutige Sitzung wurde vom Präsidenten Loebe damit eröffnet, daß er, gestützt aus Pressenachrichten, mitteilte, ein zweites Mitglied des Reichstages, der Abg. Bias-Beuthen (Soz.) sei von den Polen verschleppt worden. Der Reichs kanzler, fügte der Präsident hinzu, hat mich verständigt, daß amtliches Material in dieser Angelegenheit noch nicht vor liegt, Graf Praschma aber sofort mit der Einleitung von Schritten bei der Interalliierten Kommission beauftragt wor den ist. Der Präsident schloß mit der Hoffnung, daß diese Schritte von Erfolg begleitet sein möchten. — Bevor man zur Tagesordnung kam, beantragte der Abgeordnete Cri spien (U. Soz.), eine Interpellation seiner Partei über die Er mordung des bayerischen Abgeordneten Gareis und die Aufhebung und Entwaffnung der Orgesch- organisationen auf die Tagesordnung zu setzen. Abg. Geyer (Komm.) schloß sich diesem Anträge an. Ein Widerspruch da gegen erhob sich nicht, und der Minister des Innern Dr. Gradnauer erklärte die Bereitwilligkeit der Regierung, die Interpellation so rasch wie möglich zu beantworten. Aber es schwebten noch Verhandlungen mit den Regierungen der Einzelstaaten, vor deren Abschluß eine Beantwortung nicht Mag auch die Liebe weinen... 22f Roman von Fr. Lehne. Oop^rixkt 1913 bv Greiner k. Gomp., Leriin W 30. Elftes Kapitel. Ueber Nacht weck Schnee gefallen, weicher, flockiger Schnee. Gleich einem schimmernden Tuche lag er ausgebreitet auf den weiten Rasenflächen und Wegen des englischen Gartens und deckte mitleidig die kahlen nackten Aeste der Bäume und Sträucher. Die Kinder jubelten laut, als sie beim Erwachen diese weiße Pracht sahen. Und die Aussicht, nach den Unterrichtsstunden mit „Fräulein" spazieren gehen zu dürfen, nahm ihnen beinahe die Aufmerksamkeit zum Lernen. Nun war es so weit. Ossi sah in seinem weißen Mäntelchen mit der weißen Wollkappe, die tief über die Ohren gezogen war, bildhübsch aus. Sein Gesichtchen strahlte vor Freude. Gräfin Lella gab der jungen Erzieherin tausend Ermah nungen, ja darauf zu achten, daß die Kinder sich nicht erkälteten. Thekla schloß sich von diesem Spaziergange aus; sie wollte die Mama begleiten, die viele Besorgungen hatte. Das machte ihr Spaß: einkaufen und in den Läden wie eine große Dame be handelt zu werden. Langsam ging Lora Berger, die Kinder an der Hand hal tend, den breiten Weg nach dem Monoyteros zu. Unermüdlich plapperte das Mäulchen Ossis; er beobachtete andere Kinder und sah, wie sie sich in dem weichen, weißen Schnee kugelten, ihn zusammenrafften und sich damit warfen. Dieses Beispiel wirkte ansteckend. Er ritz sich von seiner Begleiterin, griff auch in den Schnee und warf seinem unbeholfenen Schwesterchen eine Hand voll ins Gesicht. Die zahlte es ihm heim; dann vereinigten sich beide gegen Lore, die sie jauchzend mit Schnee überschütteten, so daß sich das junge Mädchen kaum des Ueberfalls wehren konnte. Sie bückte sich, formte Schneebälle, warf die Kinder damit und bald hatte sich ein regelrechtes Gefecht zu aller Freude entwickelt. Gutmütig ließ Lore sich alles gefallen. Ihre blaue ge strickte Jacke war über und über mit Schnee bedeckt. Ossi warf ihr die weiche kühle Masse ins Gesicht, daß sie in Flocken an ihrem Haar und an den Wimpern hing, wo sie zu grotzen schim mernden Perlen austaute. Und wenn beide das „Fräulein" besonders gut getroffen mögnch sei. Die Beantwortung werde aber noch im Laufe Die ser Woche geschehen. Nun kam man zu den kleinen Anfragen. Auf eine Anfrage der kommunistischen Abgeordneten wegen angeblicher unmenschlicher Grausamkeiten der Sipo an in Mitteldeutschland gefangenen Arbeitern und wegen Erschie ßung eines Bürgermeisters wird von der Regierung erwidert, daß die Reichsregierung nach Eingang der erforderlichen Unterlagen antworten werde. Aus eine Anfrage des Abg. Deglerk (Deutschn.) wegen der Überführung deutscher Krieger leichen aus französischer Erde erwiderte ein Regierungsver treter, daß die Anffindung der Gräber bei der großen Zahl Gräber sehr schwierig sei und daß die Überführung sich auf mindestens 20 000 Mark stelle. Die Regierung glaubt daher, sich in dieser Frage Zurückhaltung auferlegen zu müssen. Des halb könne sie sich vor einer allgemeinen Konferenz mit den Ententeländern, die morgen in Brüssel beginnen soll, über ihre Stellungnahme noch nicht äußern. Endlich ist die Ansrage des Abg. Freiherrn v. Lersner (Deutschn.) wegen der deutschen Gefangenen in Avignon zu erwähnen. Es wurde von feiten der Regierung darauf ge antwortet, daß sich noch 115 Gefangene in Avignon befinden. Auf Intervention der Reichsregierung sind bisher 16 davon entlassen worden. Zu weiterem Entgegenkommen hat sich die französische Regierung noch nicht bestimmen lassen. Die Reichs regierung hofft, daß die Protcstversammlung in Berlin dazu beitragen wird, die französische Regierung zum Einlenken zu bewegen. Regelung des Verkehrs mit Getreide. Der in zweiter Beratung vorgenommene Gesetzentwurf sieht eine Umlage von 3 Millionen Tonnen Getreide für den Bedarf der versorgungsberechtigten Bevölkerung vor. Reichsernährungsminister Hermes leitete die Verhand lungen mit einer längeren Rede ein, in der er die Notwendig keit der Sicherstellung der versorgungsberechtigten Bevölkerung zu erschwinglichen Preisen betonte. Gegen die Zwangswirt schaft haben sich Landwirtschaft, Industrie und Gewerbe aus gesprochen sowie einzelne Verbraucherkreise. Dazu kommt, daß die Erfassung der erforderlichen Getreidemengen bei der Reichsgetreidestelle auf den vierten Teil der im Jahre 1913 erfaßten Menge zurückgeht. Schuld daran ist die Abneigung der Landwirtschaft gegen die weitgehende Fesselung. Wir brauchen in diesem Jahre 3X> Millionen Tonnen Jnlaudgc- treide, das ist auf dem bisherigen Wege nicht möglich. In seinen weiteren Ausführungen betonte der Minister' u. a., ein künstliches Niedrighalten der Preise durch Reichszu schüsse zum Äuslandsgetrcide ist praktisch undurchführbar. Es seien dazu an 14—15 Millionen M. erforderlich. Der Fleisch verbrauch kann eingeschränkt werden, nicht aber der für Brot und Mehl. Die inländische Viehcrzeugung scheint den Bedarf decken zu können, dasselbe gilt aber nicht für unsere Getreide erzeugung. Wir sind daher zu dem Umlageverfahren gekom men, dessen Schwierigkeiten wir Wohl anerkennen. Eine Ver teilung der Umlage, die allen Betrieben gerecht wird, ist tat sächlich kaum möglich. Wenn aber die Änderungen des volks wirtschaftlichen Ausschusses in dem Entwurf angenommen Werden, werden die Bedenken an Gewicht verlieren. Wir sehen in dem Umlageverfahren den besten Übergang zur freien Wirtschaft, eine Förderung der Produktion und das Ende des Schleichhandels. Wie sich die Preise gestalten werden, hängt von der Frage der Reichszuschüfse zur Verbilligung des Meh- les ab. Die Festsetzung der Preise für das Umlagegetreide stehe vor dem Abschluß. Die Ausführungen des Ministers wurden mit Beifall ausgenommen. Der Bericht des Ausschusses für Volkswirtschaft über Ge treidebewirtschaftung wurde mit der Vorlage verbunden. Eine große Zahl von Abänderungsanträgen ist zu dem Entwurf eingegangen. Ein Antrcq Dusche (D. Volksp.) fordert glatte' Ablehnung der Vorlage und Einführung der freien Wirtschaft. Ein Antrag Dr. Hertz (U. Soz.) forderte dagegen Beibehal tung der Zwangswirtschaft und Maßnahmen zur besseren Er fassung der Getreidemengen. Nach dem Minister sprach zuerst der Abg. Edler von Brann (Deutschn.). Er verurteilte die Zwangswirtschaft aufs schärfste und trat für die Durchführung der freien Wirtschaft ein. Der nächste Redner, Abg. Schmidt-Köpenick (Soz.), for derte schärfere Erfassung des Getreides und erklärte sich im übrigen für die Vorlage. Hölz vor Gericht. 8 Berlin, 14. Juni. Nach der Vernehmung der medizinischen Sachverständi gen gab der angcklagte Bandenführer Max Hölz noch einmal eine zusammenhängende Schilderung der Vorgänge in Mittel deutschland. An sich, sagte er, seien Kommunisten gegen alle Vernichtungen und Verheerungen, da sie ja alles, was vor handen sei, als ihr Eigentum betrachteten. Aber es könne j Vorkommen, daß man genötigt werde, gegen diese Grundsätze zu yanvein. Als eine solche Durchbrechung des Prinzips seien auch die kommunistischen Brandstiftungen, die sich in erster Linie gegen vornehme Villen richteten, aufzufassen. Sie seien erfolgt, damit dem Bürgertum ein heilsamer Schreck ein- gcjagt würde. Nach diesen Darlegungen, in deren Verlauf sich Hölz ein mal als „Gefühlskommunisten" bezeichnete, begann die Beweisaufnahme, die schon in ihren Anfängen erkennen ließ, daß eine Anzahl Zeugen, offenbar aus Furcht vor kommunistischen Racheakten, nur zaghaft und ungern aussagte. Der Steiger Hennicke aus Kloster Mansfeld erzählte, wie Hölz am 20. März im Zirkelschacht erschienen sei und unter fürchterlichen Drohungen die Arbeiter aufgefordert habe, innerhalb einer Viertelstunde die Arbeit niederzulegen. Der Herr Bataillonsschreiber. Es erschien dann in der Person des Kaufmannes Alfred Letz aus Berlin ein Zeuge, dessen Abenteuer mit Hölz ein bißchen komisch anmuten. Leß war zufällig in Mansfeld, als dort der kommunistische Aufruhr ausbrach, und ging nach dem „Goldenen Ring", um sich den „roten General", der dort sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte, einmal gründlich anzusehen. Das sollte ihm zum Verhängnis werden, denn er wurde im nächsten Augenblick sozusagen „requiriert" und Wider seinen Willen zum „Bataillonsschreiber" der „roten Armee" gemacht. Natürlich ist er nun auf Hölz nicht besonders gut zu sprechen, und seine Aussagen belasten den Generalissimus von Mans feld ziemlich schwer. Hölz nimmt ihm das aber gar nicht sehr übel, sondern entgegnet nur mit einer gewissen verächtlichen Geste daß er diesen Zeugen durch acht bis zehn andere Zeugen eines glatten Meineides überführen könnte. Er verschmähe das aber, da ihm der Mann, dem der Hunger aus den Augen sehe, leid tue. Kriegsberichte. Im übrigen befolgt Hölz die etwas bequeme Taktik, die Zeugen, die gegen ihn aussagen, als gekauft oder beeinflußt zu bezeichnen, wogegen sich die meisten ganz energisch wehren. Die Darstellungen des Kleinkrieges, der unter dem Oberkom mando des vogtländischen Kommunistenhäuptlings geführt wurde, weichen in den Einzelheiten nicht wesentlich vonein ander ab. Ein Hüttenarbeiter Morgenstern schildert, wie nach einer Hetzrede des Bandenführers die Mansfelder Werke stillgelegt und Häuser in Brand gesteckt wurden. Der aus dem Untersuchungsgefängnis vorgeführte Zeuge Bergmann Bönicke, der nicht vereidigt wird, weil er dringend verdäch- ttg ist, an den strafbaren Handlungen teilgenommen zu haben, bezeichnet Hölz als den Mann, der ihn ins Unglück gestürzt habe, und schildert dann, wie der „Höchste" — so wurde Hölz von seinen Leuten genannt — Dynamit stahl und Sprengun gen vornahm. Ein anderer Zeuge berichtet über den Überfall auf die Sparkasse Helbra und behauptet, daß Hölz diesen Plünderungszug mitgemacht habe, was der Angeklagte ent schieden in Abrede stellt. Es entspinnt sich nun eine Erörterung darüber, ob gewisse Zeugen, darunter Sipoleute aus Eisleben, vernommen wer den sollen. Der Staatsanwalt will auf diese Zeugen verzich ten und als wahr unterstellen, daß Hölz unnötiges Blutvergießen vermeiden wollte. Als der Gerichtshof in die sem Sinne beschließt, gerät Hölz in große Erregung: gerade aus der Vernehmung der Sipoleute bestehe er, da er durch die nachzuweisen gedenke, daß man künstlich Morde konstru iert habe, um ihn ins Verderben zu stürzen. Der Staats anwalt wünscht nun selbst die Ladung eines der in Frage kommenden Sipobeamten, damit die schweren Anschuldigungen nicht aus der Sicherheitspolizei sitzen blieben. Hölz in Aktion. Die Zeugenvernehmung geht dann weiter, und man hört Aussagen, die ein charakteristisches Bild von Hölzens Tätig keit im Mansfeldifchen geben. Hilfsprediger Schröder ist von Hölz in Eisleben auf offener Straße verhaftet und als Geisel zurückbehalten worden. Aus seine Bitte, ihn frei zu- da er noch unschuldig sei, erwiderte Hölz voll Hohn: ^Schuldig oder nicht schuldig, du gehörst zur Bourgeoisie, di« wsr fetzt vernichten. Voriges Jahr haben wir geblutet, jetzt Müßt ihr bluten!" Als Schröder entfliehen wollte, krachten hinter ihm her zwei Schüsse. Auf den Kaufmann Gustav aus Berlin, der sich zur Zeit der Unruhen in Eisleben aufhielt, feuerte Hölz vom Marktplatz aus drei bis vier Schüsse ab, als Hildebrandt sich am geschlossenen Fen ster eines Hotels zeigte. Einer der Schüsse traf den Zeugen in den Oberarm. Ein Zeuge aus Eisleben berichtet, wie Hölz mit mehreren anderen Männern in seine Wohnung eindrang, dort Feuer anlegte und Möbel und Betten zerstörte. Andere Zeugenaussagen betreffen die Plünderung und Sprengung des Gutes Helbra. Hölz wollte hier 500 000 Mark erpressen und steckte, als das Geld nicht zur Stelle geschasst werden konnte, das Gutsgebäude in Brand. Es ist durch die - d'e darauf erfolgte, ein Schaden von mehr als 1000 000 Mark entstanden. Von dem Pastor Schmidt aus Helbra verlangte Hölz nicht weniger als eine Million. Später hatten, lachten sie jauchzend auf und wurden des lustigen Spiels nicht müde. Mit einem Male bekam das vergnügte Kleeblatt schnell hintereinander von fremder Hand je einen wohlgezielten Wurf. Erschreckt blickten sie sich gegenseitig an. „Onkel Rüdiger!" jauchzte Ossi da auf und lief dem Herrn entgegen, def in einiger Entfernung von ihnen stand und eben zu einem neuen Wurf ausholte. Und — „Onkel Rüdiger!" jubelte auch Cäcilie und folgte dem Bruder, so schnell es ihre Gebrechlichkeit gestattete. Lore war rot geworden. Verlegen stand sie da, sich den Schnee von den Kleidern klopfend. Sie hatte sich doch so recht wie ein dummes, übermütiges Schulmädchen benommen und nicht wie eine Lehrerin, der die gräflich Allwördenschen Kinder anvertraut waren! Ein wenig fürchtete sie die strengen, kritischen Augen des Legativnsrates, der immer so ernst, so gemessen und zugeknöpft war. Und doch bewunderte sie ihn ihm stillen. Wie vornehm sah er aus in dem Gehpelz mit dem Per sianerkragen, der seine hohe, schlanke Gestalt umschlotz! Seine Gesichtsfarbe war gebräunt, von einer südlichen Sonne; die etwas grotze Nase sprang scharf und charakteristisch hervor aus dem schmalen Rassegesicht. Der kurzgeschnittene, dunkelblonde Bart über der Oberlippe des klugen, schmalen Mundes lietz ihn sehr jung erscheinen, trotzdem das Haar an den Schläfen schon einen leichten, silbernen Schimmer hatte. Seine Haltung war straff und militärisch. Dem schönen Bruder sah er gar nicht ähnlich. — Lora fühlte in seiner Nähe immer ein gewisses Herz klopfen, und doch gefiel er ihr ausnehmend gut. „Na, Ihr kleine Gesellschaft!" rief der Legationsrat lachend, „wo soll es denn hingehen? Ihr seht ja aus wie die Schnee männer!" „Komm mit, Onkel, komm! Wir wollen die wilden Enten am Kleinhesseloher See füttern." Unversehens warf ihm Ossi dabei eine Handvoll Schnee ins Gesicht mit seinen kleinen, krebsroten Händen, von denen er längst die ihm lästig gewordenen Fausthandschuhe abge streift hatte. „Warte, Du Schlingel!" Der Legationsrat erwiderte den Angriff, zur höchsten Bs- lustigung der Kinder, und setzte dann mit ihnen den Weg fort. Die Kinder hängten sich an ihn, sprachen auf ihn los und waren so ausgelassen, datz Lore sie leise ermahnen mutzte. Es war das erste mal, datz sie so neben ihm herging und datz er sich eingehend mit ihr unterhielt. Er fragte sie nach ihrer Heimat, und er hatte eine fo freundliche Art, datz sie alle Scheu verlor und mit ihm plauderte, als sei er ein alter Bekannter. — Diese kurze Stunde in seiner Gesellschaft blieb ihr eine köstliche Erinnerung. Sie setzte sich auch darüber hinweg, datz die Gräfin Allwörden ihr bittere Vorwürfe über das Schnee ballgefecht machte, von dem die Kinder glückstrahlend und ahnungslos bei Tische erzählt hatten. „Ich begreife nicht, Fräulein Berger, wie Sie so unvor sichtig und gedankenlos mit Ossis Gesundheit schalten können! Sie wissen, wie zart er ist! Eine Lungenentzündung könnte die Folge Ihrer unbedachten Handlungsweise sein." Der Graf wagte eine leise Einrede; doch seine Frau sah ihn so vernichtend an, datz er achselzuckend schwieg. Trotz seines heftigen Widerstrebens mutzte Ossi sofort ins Bett und bekam heißen Fliedertee zu trinken, um der „sicheren Erkältung" vorzubeugen. — Am nächsten Abend stellte sich der Legationsrat zum Souper ein; mit ihm war eine befreundete Familie geladen, die aber in letzter Stunde absagen mutzte, da sie unerwarteten Be such bekommen hatte. Gräfin Lella war deswegen in schlechter Laune. Das konnte ein schöner Abend werden, mit Mann und Schwager! Sie verbarg ihre Verdrießlichkeit darüber gar nicht. Sie saßen im Wohnzimmer, und während Lella in einem Buche blätterte, sprachen die Herren über gleichgültige Dinge. Ottokar blickte zuweilen scheu nach seiner Frau. Der Diener brachte die letzte Post. Ein Brief an „Fräu lein Lora Berger" befand sich darunter. Neugierig drehte ihn die Gräfin einen Augenblick in der Hand und warf ihn dann gleichgültig zurück auf das Tablett. Ottokar wurde unwillkürlich blatz — er sah die Handschrift an — doch, die er vermutet, gefürchtet hatte, war es nicht. — Ein Blick hatte genügt, ihm zu zeigen, daß die Adresse von einer ihm völlig fremden, energischen Männerhand geschrieben war. Lächerlich war es von ihm, sich solche Gedanken zu machen! Von draußen, von der großen Diele her, klang das Lachen und Jubeln der Kinder. Lella und die Herren lauschten darauf. „Der gestrige Spaziergang im Schnee hat Ossi anscheinend doch nichts geschadet," bemerkte Rüdiger mit feinem Spott. „Weil ich vvrgebeugt habe!" entgegnete Lella scharf. „Wenn ich mich nicht um alles kümmerte! Die Berger ist wirklich un zuverlässig. Ich weiß nicht, ob ich sie noch lange behalte. Man kann ihr ja nicht mal ruhig die Kinder anvertrauen!" (Fortsetzung nächste Seite.)
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