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Wilsdruffer Tageblatt Fernsprecher Wilsdruff Nr. 6 Wochmblü^ fÜk MWdmff UNd ^MgegMd Postscheckkonto Leipzig LS614 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der AmtShauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts Wilsdruff, des StaStrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt Verleger «ck Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide i« Wilsdruff. Nr° 67. Sonntag den 20. März 1921. 80. Jahrgang. Amtlicher Teil. Maul- und Klauenseuche. loschen ist, wird vorgenannte Gemeinde nunmehr von der Sperre und Beobachtung befreit. Meißen, am 16. Mchz 1921. Nr. 82 b V. (I) Die AmtShauptmannschast. IIIIiI1IIIIIiIIIIiI1II!!!IIIII!!I!IIIIIIIIIII!IIIiII!IIiIII!II»I!IIIIII!iIIchI!0IIch!IIch!ll!I!!II!»H!III!!I»IIl»»IIi»IIII!i!Itt!IttIIiII!iIIi!i!IiI!II1Itt!1!1IIII!I»I> Dir kitte« WW, Meige« öi; 10 Mr mMap ««fjügekes. Kleine Zeitung für eilige Leser. * Zur Regelung der beiderseitigen Beziehungen ist zwischen Deutschland und Rußland ein provisorisches Abkommen ge trosten worden. * Der Völkerbundsrat hat den von Deutschland gegen die „Sanktionen" eingereichten Protest veröffentlicht. * Briand hat in der französischen Kammer ein Vertrauens votum erhalten. * Die Bolschewisten haben die Festung Kronstadt nach hef tigem Kampf eingenommen. Dis Revision. Es hätte nicht viel gefehlt, und das Reden von der un bedingt erforderlichen Revision des Versailler Vertrages wäre uns durch die Entente schlechthin verboten worden — so beleidigt stellte man sich auf der Gegenseite gegenüber dem Ansinnen, diesen uns abgepreßten Friedensvertrag den wirklichen Leistungsmöglichkeiten des deutschen Volles wenigstens in den allerwichtigsten Punkten einigermaßen ailzupassen. Wenn es noch etwas Heiliges auf der Welt zu geben schien, so war es für die Sieger dieses Machwerk von Versailles. Jetzt aber beginnt man in Paris ganz offen und mit täglich zunehmender Kühnheit von der unumgänglich ge wordenen Revision des Vertrages zu sprechen. Der Unter schied ist sehr einfach: W i r dursten nicht revidieren, weil der Feindbund es nicht zuließ; er aber schickt sich an, es zu tun und f;agt den Teufel danach, was wir dazu sagen würden. Sich in die Gedankengänge, die die Franzosen dabei anstellen, hineinzuversetzen, ist fast ein Ding der Un möglichkeit; aber sie scheinen aus der Tatsache, daß wir die Pariser Beschlüsse abgelehnt haben — was selbstverständ lich unser gutes Recht war, zumal wir bei der Schwerge burt dieser Beschlüsse gar nicht zugezogen waren — für sich die Vollmacht herleiten zu wollen, mit uns von Stund an ulnzuspringeu, wie es ihnen beliebt. Sie geben sich — unglaublich aber wahr! — den Anschein, als hätten sie uns mit dem Pariser Diktat ein Entgegenkommen gegenüber ihren Befugnissen aus dem Versailler Friedensvertrage be zeugen wollen. Da wir die Frechheit besaßen, es abzu lehnen, sind wir in ihren Augen nunmehr so gut wie vogelfrei, und sie beginnen daraufhin, von der Revision des Vertrages zu sprechen, die natürlich in seiner Ver schärfung bestehen soll. Schon hat Briand vor der Kammer erklärt, daß wir durchaus nicht bloß mit unseren Überschüssen für die Befriedigung Frankreichs haften; wir wären ja so reich, hätten Bergwerke, Fabriken und riesen hafte Anlagen aller Art — warum also nicht zugreifen, da man es doch mit einem offenbar böswilligen Schuldner zu tun habe. Und wenn England zunächst unseren Export angreift^. indem es einfach die Hälfte der Warenpreise sei nen Kaffen einverleibt, warum soll Frankreich nicht im be setzten Gebiet Hand auf unsere gesamten Staatseinnahmen legen, da wir ja doch den Umfang unseres Ausfuhrhandels einschränken oder durch Umlenkung gegenstandslos machen könnten. Nahm Briand selber davon Abstand, geradezu von einer Revision des Vertrages zu sprechen, so wählte er doch dafür eine Ausdrucksweise, die im Grunde genau das gleiche besagt.. Nach ihm ist der Versailler Vertrag „in einem ständigen Werden begriffen". Er meinte, daß man sich besseres als diesen Vertrag vorstellen könne und daß er viel undurchführbare Bestimmungen enthalte. Er werde Lie Kammer über kurz oder lang ersuchen, ihm zu sagen, was sie an dem Vertrage auszusetzen habe. Er hoffe auch dann das Vertrauen der Kammer zu finden, und er werde dann im vollen Bewußtsein seiner Verantwortlichkeit das tun, was das Interesse Frankreichs verlange. Auf Deutsch also: Herr Briand wird den Hetzern und Drängern aus dem Kreise von Poincare immer weiter nachgeben, um schließlich dem Ziele, das ihnen allen ja unveränderlich vorschwebt, so nahe wie möglich zu kommen: der Ab trennung des linken Rheinufers vom Deut schen Reich. E r muß sich in dieser Frage heute noch einige Zurückhaltung auferlegen, da die Engländer, was die Rheingrenze betrifft, vorläufig noch einige Empfindlich keit zeigen. Aber die Zähigkeit der Franzosen, ihr chau vinistischer Eifer, ihr unersättlicher Rachedurst haben bis her immer noch über die Bedenklichkeit Lloyd Georges den Sieg davongetragen. Man muß nur geschickt operieren und die notwendige Geduld nicht verleugnen, alles wei tere wird sich schon finden. So liegen im Augenblick die Dinge. Hand in Hand mit Briand arbeitet natürlich auch die Wiederherstellungs kommission, die plötzlich an Deutschland mit der Forde rung herangetreten ist, auf die Schuld von 20 Milliarden, die vertragsmäßig bis zum 1. Mai 1921 einzulösen ist, innerhalb der nächsten acht Tage eine Milliarde Goldmark in die Kasse der Entente abzuführen — mit der freund lichen Einladung, überdies mitzuteilen, wie es den wei teren Restbetrag von 11 Milliarden — 8 Milliarden will man uns auf die bisherigen Sachleistungen gütigst an rechnen — bis zum 1. Mai abzutragen gedenke. Das alles ist Wahnsinn, der aber leider nur zu viel Methode hat. Man kesselt uns ein, man stülpt eine unmögliche Forde rung auf die andere, völlig unbeachtet ihrer Rechts- und Vertragswidrigkeit, und freut sich dieses Kinderspiels, das uns immer neuen „Sanktionen" mühelos aussetzt. Muß also nicht bald der Zeitpunkt gekommen sein, wo wir völlig mutlos die Hände sinken und die Dinge gehen lassen, wie sie wollen? Oder glaubt jemand noch ernstlich, daß wir bei unserem zerrütteten Parteiwesen, unserer ver- zweisetten wirtschaftlichen Lage, unseren sozialen Kämpfen die Kraft finden können, dieser tückischen Bedrängung von außen her noch erfolgreich zu widerstehen? Kronstadt gefallen. Flucht der Gegenrevolutionäre. Der Vertreter der Sowjetregierung in Lettland hat von Tkwftscherin aus Moskau ein Telegramm erhalten, Saß Kronstadt von den Sowjettruppen eingenommen sei. Die Mitteilung von dem Fall Kronstadts wird von dem Kronstädter Nevolutionskomitec, das mit 800 Solda ten in Finnland angekommen ist, bestätigt. Die Aufstän dischen sprengten vor ihrem Rückzug die Kriegsschiffe Pe- trvpawlowsr und Sebastoyol. General von Koslowsky ist nach Finnland entflohen. Über die Schlußkämpfe, die zur Einnahme der Festung führten, wird noch folgendes berichtet: Ein außergewöhn lich heftiges Bombardement wurde am Mittwoch um 3 Uhr morgens aus Systorbäk und Krasnaja Gorka gegen Kron stadt eröffnet. Eine halbe Stunde später zogen rote Trup pen über das Eis gegen Kronstadt. Der Angrisf wurde mit Artilleriefeuer beantwortet. Aber die Rotgardisten, die in werßen Kleidern und durch den Nebel geschützt waren, kamen trotz schwerer Verluste den Festungswerken immer näher und zogen endlich in die Kronstadter Straßen ein Sie wurden hier von den Kronstadter Kommunisten, die sich bis jetzt neutral verhalten hatten, empfangen, und mit diesen vereint, eröffneten sie einen Kampf in den Straßen. Die Rotgardisten wurden nach einer Stunde wieder aus der Stadt Hinausgetrieben, die Forts der Stadt blieben jedoch fest in den Händen der Bolschewisten, und das ent schied den Kamps. Dis Abschnürung der Memgebieie. In einer unter dem Vorsitz des Staatssekretärs Lewald stattgefundenen Beratung der Vertreter der in dustriellen, wirtschaftlichen und sozialen Jntercssenverbände des neu besetzten und des besetzten Gebietes mit zahlrei chen Regierungsvertretern zu Berlin machte der Reichskom missar für die besetzten rheinischen Gebiete, v. Stark, Mit teilungen über die bisher angeordneten Maßnahmen der Alliierten. Die neue Zollgrenze beginnt danach 10 Kilometer nördlich Hamborn am Rhein und läuft von etwa 12 Kilomeier östlich des Rheins bis zum Brückenkopf .Köln. Sie schließt die Slädtc Osterfeld, Oberhausen und Mühlheim a. Ruhr ein. Essen bleibt etwa 4 Kilometer östlich der Zollgrenze. Auch die Städtt- Elberseld und Barmen bleiben außerhalb der Zoll grenze. Von da ab verläuft sie vermutlich an der Ostgrenze der Brückenköpfe. Ob die zwischen den Brückenköpfen liegenden Gebiete in die Zollgrenze einbezogen werden, ist noch unbe stimmt. Jedenfalls wird der Raum zwischen den Brücken köpfen Köln und Koblenz sreigelassen, während der sog. Fla schenhals zwischen den Brückenköpfen Koblenz und Mainz ein bezogen werden wird. Es läßt sich annehmen, daß sich die Verhältnisse folgendermaßen gestalten werden: Die neue Zoll grenze im Osten des besetzten Gebietes wird vermutlich an der Ostgrenze der Brückenköpfe verlaufen. Auch die amerikanische Zone wird in das Zollgebiet einbezogen werden, und zwar ohne direkte Beteiligung der Amerikaner. Die Sätze dcS Zoll tarifs sind noch nicht bekannt. Preffenachrtchten in dieser Be ziehung sind nur Vermutungen. Die Grundlage wird voraus sichtlich für Lie Einfuhr aus dem unbesetzten ins besetzte Gebtti der deutsche Zolltarif bilden. Die Einfuhr von LebenM- mitteln aus dem unbesetzten ins besetzte Gebiet wird vor aussichtlich ganz zollfrei sein. Die Einfuhr von Rohstoffen und Halbfabrikaten, die zur Aufrechterhaltung der rheinischen In dustrie notwendig sind, werden, voraussichtlich nur geringen Zollsätzen unterworfen. Bei der Ausfuhr aus dem besetzten ins unbesetzte Gebiet soll ein mäßiger Zollsatz, vielleicht nur eine sogenannte statistische Gebühr erhoben werden.. Als Grenzbewachungspersonal werden ausländische Zollbeamte und Soldaten die Ostgrenze besetzen., Das AbscrngnngSMiso- nal in den Zollämtern wird deutsch bleiben. Nicht beabsichngt ist die Beschlagnahme von Steuereinnahmen, fiskali schem Besitz, Vergwerksunternehmcn und dergl., da derartige Maßnahmen nicht zu den ietziaen Sanktionen aebören. Aucb ist eine Beschränkung der Verkehrsfreiheit zurzeit nicht geplant. Die Befürchtung aus den Kreisen der Wcinproduzenten, daß sie durch die Zollgrenze besonders schwer geschädigt werden, dürste nicht in dem gefürchteten Umfang zutteiseu. Voraus sichtlich können die im besetzten Gbeite erzeugten Weine ohne beträchtlichen Zollausschlag ins besetzte Gebiet ausgesührt wer den. Die einschneidendste Folge der Zollgrenze wird ohne Zweifel die sein, daß der Absatz deutscher Erzeug nisse im besetzten Gebiet stark eingeschränkt und ausländischen Waren das Eindringen ins besetzte Gebiet er leichtert werden wird. Die in der Versammlung erschienenen Reichsminister Dr. Simons und Koch gaben den versammelten Vertretern Les Rheinlandes die Erklärung ab, daß die Reichsregie- ruug es als ihre vornehmste Pflicht betrachte, die Bevölke rung der besetzten Gebiete vor den wirtschaftlichen Schäden der sogenannten Sanktionen mit allen Kräften zu be wahren. Keine Waren aus feindlichen Ländern. Das Präsidium und der Gesamtvorftand des Zenkralver- bandcs des Deutschen Großhandels haben in einer aus allen Teilen des Reiches stark besuchten Zentralvorstands- sitznng beschlossen, die Vezirlsgruppen und die angeschlosse nen Fachverbände des deutschen Großhandels aufzusor- dern, in ihren Mitgliederkrcisen dahin zu wirken, daß es als eine selbstverständliche patriotische Ehrenpflicht jedes deutschen Kaufmanns angesehen werde, von dem Bezug aller für den deutschen Markt entbehrlichen Waren aus den jenigen feindlichen Ländern, die sich den Zwangsmaß nahmen anschließen, abzusehen. Internationalisierung der Kriegsschulden. Das in Bern tagende Zentralkomitee des internatio nalen Metallarbeiterbundes stimmte einer Kundgebung zu, worin energisch gegen die Besetzung deutscher Städte und Industriegebiete protestiert und der Meinung Ausdruck ge geben wird, daß diese Besetzung zu keiner Lösung führen könne, sondern im Gegenteil die Ausführung des Frie- dcnsvertrages verzögere und neue Streitfälle Hervorrufe. Das Zentralkomitee richtete an die Metallarbeiter die Auf forderung, sich allen kriegerischen Handlungen mit aller Kraft zu widersetzen. Es erklärt sich solidarisch mit der deutschen Arbeiterklasse, die gewillt ist, ihre Kraft zum Wiederaufbau der zerstörten Gebiete einzusetzen und die Pflicht der Wiedergutmachung anerkennt. Ein baldiger Wiederaufbau sei jedoch nur durch eine Internationalisie rung der Kriegsschulden möglich. Mülheim (Ruhr) ebenfalls besetzt. Freitig früh 7 Uhr ist der westliche Teil Mülheims mit dem Bahnhof Speldorf von französischen und belgi schen Truppen besetzt worden. Die Besetzung erstreckt sich zurzeit auf den Bahnhof Speldorf einschließlich der Zu gangswege und der näheren Umgebung. Ein Befehl des Kommandeurs der alliierten Truppen wurde angeschlagen, nach welchem das Personal sämtlicher Verkehrsanstalten (Eisenbahn, Post, Telegraphen usw.) ihm unterstellt sind. Deutscher Reichstag. (88. Sitzung.) es. Berlin, 18. März. Die heutige Sitzung wurde mit der Erledigung kleiner Unfragen begonnen, nachdem gestern die Etats für Reichsver- kehrsministerium und Ncichspostmiuisterium bis in die Nacht hinein behandelt worden waren. Aus eine Anfrage des Abg. Simon-Schwaben (Soz.) antwortete Staatssekretär Lewald, die Behauptung, daß die Rcichsregierung über die Antwort der bayerischen Regierung in der Einwohnerwehrfrage ihre Befriedigung ausgesprochen habe, entbehre jeder Begründung. Der Haushalt des Neichsschatzministerimns stand dann in zweiter Lesung zur Beratung. Abg. Simon- Franken (U. Soz.) führte aus, daß die vom Ausschuß bean tragte Aufhebung oder Einschränkung der Reichsbekleidungs- stellen den Mittelstand nur schädigen würde. Abg. Crsing (Zcntr.) empiahl dagegen diesen Antrag des Ausschusses. Tatsächlich hätten die Reichsbekleidungsämter zu wenig Aufträge, um sich selbst erhalten zu können, Abg. Bartsch (Komm.) verlangte weiteren Ausbau Ler Bekleidungsämter. Reichsschatzminister Dr. v. Raumer erklärte, über die Er tragfähigkeit der Reichsbckleidungsstellen läßt sich heute kein ab schließendes Urteil fällen. Es fei aber anzunehmen, daß diese Stellen im Jahre 1921 keinen Uberschuß erzielen, sondern viel leicht einen Zuschlag erfordern werden. Nach weiteren Auseinandersetzungen über diese Frage, au denen sich die Abgeordneten Giebel (Soz.), Simon-Fran ken (U. Soz.), Dr. Obersohren (Deutsch».), Bur tage (Zentr.) und H o ch (Soz.) beteiligten, wurde der Titel „Reichs- bekleidungsämter" bewilligt. Der Antrag Giebel (Soz.) auf Fortbestehen der Reichsbekleidungsämter wurde gegen die Stimmen der drei fozialistischen Parteien abgelehnt. Das Er gebnis einer Abstimmung über einen deutschnationaien Antrag, wonach die Bekleidungsümter nur Heeres- und Polizeiausträge auZmüren sollen, blieb zweifelhaft. Bei Auszählung des