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<2op--iißbt 1938 b> ^.utv^^ts-XA-rls^, Leriill 3VV 68 20j Nachdruck verboten „Bitte", sagte Carmen. „Und — was haben Sic mir als Freund zn sagen?" „Das; Sie es sich dreimal überlegen sollen, ehe Sic zu diesem Mann gehen, Carmen." „Sic meinen Milbrcy?" fragte sie. „Und selbst als mein Freund, Prangins, muß ich Sie in diesem Fall fragen: was geht Sie das an?" „Es geht mich an!" entgegnete er eigensinnig. .Nein!" ries sic. „Nichts! Und ich will Ihnen auch ,agen warum. Meine verletzte Liebe damals ging Sic nichts an. Und darum geht mein Stolz, oder wie Sie es nennen »vollen, heute Sie auch nichts mehr an. Ver stehen Sie? Soviel Stolz muß man schon aufbringen, daß er eine Liebe answiegt. Und dabei war ich einmal gar nicht stolz, Thcodorc-Cccil Prangins! Was »vollen Sie? Oliver Milbrcy ist reich, einer der reichsten Leute drüben in Amerika." „Nicht so, Carmen, nicht so!" sagte er, „bitte nicht! Dazu ist das Leben zu ernst! Lieben Sie ihn?" Er schaute ihr inständig in die Angcn. „Ach, Prangins, was Sic nicht alles fragen und wissen »vollen! Wo sängt die Liebe an? Wo hört sic auf? Wer kann das sagen?" „Carmen! Sic wissen genau, »vas ich meine!" „Ja", sagte sie, ihre Stimme war hoch und atemlos, „ich will cs Ihnen sagen. Sic babeu mich gefragt, ob ich ihn liebe. Und ich kann Ihnen daraus nur eine einzige Antwort geben: ich beirate ihn ausLiebc! Das ist die reine Wahrheit. Und wenn Sic noch mehr wissen »vollen, so werde ich Jbnen noch etwas anvcrtraucn. Nus das Herz war kein Verlas». Jetzt will ich scheu, ob das Geld soviel Herz besitzt, das; man sich — vielleicht — daraus ver lassen kann. So siebt cs aus!" Prangins schwieg. Sein Blick siel ans ein Bild, das aus Carmens Schreibtisch stand. Es ivar Cecils Bild. Er erbob sich, trat daraus zn, nahm cS in die Hand und betrachtete es lange. Dann schanlc er zn ihr hinüber. „Sic sind froh, diesen Tobn zn besitzen?" „Gefüllt er Ihnen?" Die Ironie in ihrem Ton ver letzte ihn. „Haben Sie denn damals nicht auch geheiratet, Prangins? Sie gingen doch fort von mir, nm zn heiraten." „Nein", sagte er schnell und kurz. „Warum? Ach, das verstehen Sie nicht oder »vollen es nicht verstehen. Dazu ist cs zn spät." Seine Stimme war hart und beinahe roh. Carinen wagte nicht anszublickcn. Cs war ihr, als sinke sie. Alles Blut strömte zum Herzen, als solle es zersprengt werden. Im Nucken sammelte sich ein unbestimmt taubes Gesühl, kroch bis zum Nacken hinaus, ballte sich dort zu sammen und wurde zum Schmerz. Ihr Kops sank nach vorn, fast bis ans ihre Hände nieder. Ihm die Wahrheit sagen! Sie liebte ihn ja doch! Und Oliver Milbrcy? Nein, nein, der glaubte au sic, den durfte sic nicht betrügen. Aber betrog sie ihn denn nicht? Hatte sic nicht gelogen, als sic ihm sagte, sic »volle seine Fran werden? O Cecil, Cecil! Sie schwiegen beide. Nebenan hörte man jetzt die Prohaska leise hantieren. Prangins drückte seine Ziga rette ans. Dann trat er ans Fenster und blickte hinaus. Carmen zitterte. Cecils Bild lag ans dem Tisch zwischen ihnen beide»». Prangins machte eine Bewegung, kam zn ihr an den Tisch zurück und sic erhob sich. „Ich werde also gehen. Leben Sie wohl, Carmen Casini! Ich wünsche Ihnen Glück. Tic wenigstens sollen glücklich werden. Ich möchte mich verabschieden." Er nahm ihre Hand und beugte sich darüber. Dabei sah er, dah sie den Ning nicht mehr trug. „Wollen Sie wirklich abrcisen, Prangins?" fragte sie leise. „Ja", sagte er. „Was soll ich denn noch hier?" „Bleibe»» Sie noch", bat sie plötzlich weich. „Bleiben Sic doch noch..." „Warum? Wozu? Rein, lassen Sic mich, cs ist besser, wenn ich fahre. Glauben Sie mir. Ich weih schon warum." „Ich möchte Sic um etwas bitten, Prangins", sagte sie. „Sie werden cs vielleicht nicht verstehen, cs wird Ihnen verrückt nnd widersinnig erscheinen. Aber halten Sie mich deshalb bitte nicht für taktlos, eS gibt so viele Dinge, die man nicht verstehen nnd noch weniger erklären kann, nicht wahr?" „Und das tvärc?" fragte er. „Daß Sie dabei sind, wenn ich beute abend meine Ver lobung feiere mit Oliver Milbrcy und die von Cecil und Colette." „Sie verlangen ein bißchen viel von mir, Carmen. Warum soll ich dabei sein? Wollen Sic denn, dah ich eine schiefe Nolle spiele, und sei cs auch nur, um Ihnen eine Genugtuung zu verschaffen? Genügt cs Ihnen nicht, mich mit Ihrem Stolz znrückgewiescn zn haben?" „O nein", sagte sic. „So nicht, Prangins! Wirklich nicht. Das liegt mir völlig fern. Aber, wenn ich jetzt, wie man so sagt, ein ncncs Lcben beginne..." „Einen neuen Start, meinen Sie", sagte er hart. Sic überhörte cs. „Wenn ich jetzt mein Leben neu auf baue, dann möchte ich mich mit den» Vergangenen vc» söhnen; mit allem, was einmal gewesen ist." „Es ist Ihnen doch nichts gewesen, Carmen", sagte ci mit verhaltener Stimme. „Warum sprechen Sie von Schicksal, wo cs sich zwischen uns ja nur »in» «ne Bagatelle gehandelt hat?" „Nennen Sie es, wie Sic wollen", entgegnete sie. „Abc wenn Sie jetzt gehen, so, tote Sie es wollten, dann. gehen Sie in Bitterkeit von mir. Und das »vill ich nicb Sie haben mir vorhin gesagt, das; Sie mein Freun sind. Und jetzt bitte ich Sie —: Bleiben Sie als mci Freund!" „Sic stellen mich aus eine verdammt harte Prob, Carinen! Denn das; das nicht so gemeint »var, das wissen Sie sehr gut." „Bleiben Sic, Prangins", bat sie wieder. „Ich hab, nur diese eine Bitte an Sic. Eine einzige Bitte i das znvicl für ein ganzes Leben? — Schon allein Ceci: und Colettes wegen. Schlage»» Sic sie »nir nicht ab!" Sie streckte die Hand nach ihm aus und berührte i! am Arm. Er nahm ihre Hand. „Wenn Sie es wünschen sagte er, „gut." „Ich danke Ihnen." Er machte eine stumme Verbeuguug uud ging. Sie hörte, wie die Tür sich leise hinter ihm schloß. Ci, »var allein. Warum hatte sie das getau? Es »var falsch, ihn zurück zuhaltcn, unverständig, unehrcnbast und vielleicht sogar mehr als das. Aber das Leben »var häßlich und ihre Kraj: plötzlich aufgebrancht. Als Prangins die Tür von barmens Zimmer hinter sich geschlossen hatte und aus den Gang hinaustrat, um den Flur bis zur Treppe entlang zu gehen, öffnete sich geräuschlos und vorsichtig die Tür des Nebenzimmers, und eine kleine, schwarze Gestalt huschte auf leisen Sohlen hinter ihm her. Es »var die Prohaska. „Herr Marguis!" rief sie leise. „Bleiben S' noch einen Moment. Warten S'!" Prangins drehte sich um uud blieb sichen. Es bedurfte einiger Zeit, bis er sie wiedcrcrkanute. Klein uud un scheinbar »var sie auch früher schon gewesen. Nun aber Ivar sic ganz winzig geworden und zusammengcschrumpsi wie ein Apsclchen in per Nöbre. Aus all den Fältchen und Nunzcln ihres Gesichts aber schauten ihm genau wie ehedem ihre treuen, guten, cbrlicheu Augen entgegen. „Prohaska!" rief er. Im selben Augenblick, in dem er sic crkannlc, fiel ihm auch ihr Name wieder ein. „Sina Sie immer noch da!" „Wo werd' ich schon sein!" brummte sic. „Bin >a. Natürlich bin ich da." Er streckte ihr die Hand hin und wollte etwas sagen. „Pst!" machte sic und legte warnend den Finger an den Mund. „Was ist? Was gibt's?" fragte er verwundert. „Ein Unglück wird's geben, Herr Marguis, ein Un glück, sag' ich Ihnen!" Tie flüsterte ganz leise und auf geregt, während sie Prangins am Aermel sesthicli. „Gehen S' nicht fort, Herr Marguis..." „Aber ich bin doch da, und ich bleibe ja auch noch. Warum soll cs ein Unglück geben? Ich bitte Tie!" „Hat sich verlobt, »vill heiraten reichen Mauu. Hat ge sagt: .Ja!' Ist alles Papperlapapp. Wird nix draus. Wie holl auch? Wo gekommen ist Hallodri!" „Ich verstehe kein Wort", sagte Prangins. nun seiner seits erregt. „Sprechen Tie doch deutlich. Prohaska, »vas ist denn nur geschehen?" « „Zoll ich nicht sagen. Weiß ich. Wird fuchsteufels wild, wenn ich's sag'. Kenn' ich. Witt nicht, daß jemand weiß. Da beißt keine Katz' ein' Faden ab. Denkt gnädige Fran: Kommt man über Hund — kommt man auch über Tchwanz. Kann aber nicht gut ausgehen. Hab' immer gesagt. Und was Prohaska sagt, stimmt." Sic sprach ganz atemlos, schnell, abgehackt und verworren; ihre Worte überpurzcltcn sich, während sie noch immer krampfhalt Prangins am Rockärmcl festhiclt. Er suchte sie zu beruhigen. Ans dem, was sie sagte, vermochte cr beim besten Witten keinen Sinn zu ent nehmen. „Prohaska", sagte cr begütigend und sehr freund lich, „Sie reden ja ganz konsns. Ich kann wirklich nicht wissen, »vas Sie meinen." Sie schnappte nach Luft, sie ließ seinen Aermel fahren und rang die Hände. „Darf ich ja eben nicht sagen. Hat verboten. Kann aber nicht verbieten, daß Hallodri kommt, Lumpenkcrl. Kommt, wann cr »vik; geht, »vann er »vill. kann man nix machen. Ist immer so..." „Wer denn, um Gottes willen? Null sagen Sie es doch schon endlich!" . Tie zog ihn ganz dicht zu sich heran, er mußte sich zu ihr ilicderbcugcn. und sic hob sich auf die Zehenspitzen. Tie legte die Hand an sein Ohr nnd flüsterte: „Der Herr von Laszko!" , Prangins fuhr zurück. „Was sagen Sie da? Las-l»? Der lebt doch nicht mehr. Wie um alles tn de« Selt denn das zusammen, Prohaska?" Sie nickte mehrmals hintereinander hostia mit da« Kopf. Dann sah sie gespannt zu ihm auf. „Ist, wi, ich sag'. Kommt, wann er will, und geht, wann er will. Ist da! und hat gesagt: .Ich komme wieder.' Bringt Mich«» Gutes. Lug und Betrug und alles z' wegen dem Hor-- binkerl...! Gibt ein Unglück. Ich spür's in die Knochen." In diesem Augenblick hörte inan von der Tür her ein Geräusch. Dann wurde sie geöffnet. Carinen trat heraus. „Jessas Maria und Joseph!" schrie die Prohaska auf. Carme»» stand da und sah Prangins eindringlich an. Er erschrak über ihre Blässe. Die Prohaska war ver steinert. Von der Tür her fiel etwas Licht in den Flur. „Prohaska!" sagte Carmen, ihre Augenbrauen waren zu einem scharfen Strich zusammcngezogen. „Was tust i du hier? Und Tie, Prangins? Ich dachte. Sie wären gegangen?" „Entschuldigen Tic", sagte er. „Darf ich Sie noch ' icn Augenblick sprechen? Nur eine Sekunde." Die Blässe aus Carmens Gesicht vertiefte sich. Sic haute auf die Prohaska nieder, die geduckt und mit ein- czogenen Schultern dastand. „Geh hinein", sagte Carmen, ntte, Prohaska, geh' ins Zimmer." Tie hielt die Türklinke ii» der Hand. Die Alte vcr- .vwand mit einem Blick auf Prangins. Carmen zog die ur hinter ihr langsam zu. Carmen und Prangins standen aus dem ziemlich dunklen Flur einander gegenüber. „Nun?" fragte sie. „Carmen", sagte er. „Verzeihen Sic, daß ich hinter Zhrem Rücken hier mit der alten Prohaska redete. Tic :m heraus, als ich gehen wollte und redete mich au. Ich abe nicht genau verstanden, »vas sie sagte, aber jeden- alls doch so viel, um jetzt hier nicht soNzugchen, bevor 5ic mir nicht einiges erklärt haben." Tein sehr bestimmter Ton brachte sic für cincn kurzen Augenblick aus der Fassung. Dann straffte sic sich und sagte überlegen und mit einem Lächeln: „Was soll icl» Fhnen denn noch erklären? Ich kann mir denken, was Ne Prohaska Ihnen gesagt hat. Es ist ihr Tleckenpserd, ich kenne daS. Fixe Idee, nennt man so etwas. Tie müssen nämlich wissen, Prangins, das; die Prohaska nicht mehr ganz richiig im Kopse ist. Für mich ist das natürlich eine lleine Plage, das werden Tie sich ja denken können Aber ich nehme cs gern in Kans, schließlich ist sic ja ein ganzes Leben lang bei mir gewesen. Tie ist gulmütig und sorg» ! sür mich; da übersieht man eben solche Dinge, die ja ! auch niemand weiter weh tun. Ihr Gedächtnis Hal gelitten, sie kann sich von gewissen Vorstellungen nicht sreimachcu und wirst alles durcheinander, munter und »vie eS gerade »risst. Früheres mit Heutigem, Menschen, Dinge, Ge schehnisse. Nehmen Tie es ihr nicht übel. Sicher Hai Tic Ihnen von Armut erzählt, von Not und allem möglichen. Sie war früher einmal sehr arm, cs ging ihr einmal sehr schlecht..." „Nein", unterbrach Prangins, „nichts davon, sondern von ... Laszko." Für eine Sekunde war es, als zuckten Carmens Augen lider, dann sagte sic ganz ruhig: „To, so... Run, das ist auch so eine Wahnvorstellung von ihr, nämlich, daß -r noch lebt..." Prangins zögerte. Was sollte er glauben, und wem scllte er glauben? Ihr oder der Allen? Was wurde hier gespielt? Was ging hier vor? Plötzlich erinnerte cr sich an Carmens Cchrcck vorhin, als er LaSzkos Namen anS- sprach. „Tie Hal nichl nur davon gesprochen", saglc er, „das; cr noch lcbt und immcr wiedcrkommi, sondcrn sie nannte ihn — ivic drücklc sie sich doch aus? —: Einen Hallodri und Lumpenkcrl..." „Sic mochte ihn nie leiden, das ist alles", erwiderte nc. Und mit einmal dicht ans Prangins zniretend und ihn voll ins Auge fassend: „Glauben Tie mir etwa njch», Prangins? Glauben Tic mir vielleicht auch nichl, was ich Ihnen neulich über den Valcr Cecils sagle? Zweifeln Tic elwa daran — an mir und an mcincn Worlcn? Bille! Tic können eS ballen, wie Tic wollen. Aber wenn dem so ist, dann sind wir beide niemals Freunde gc- wesen. Dann wäre cs besser, Tie gingen jetzt gleich und sür immcr fort nnd "erzählten allen, die cs hören wollen, daß ich eine Lügnerin bin. Das können Tie ja machen! Tas stchl Ihnen absolut frei...!" „Ich bitte Tie, Carmen", sagte cr, „wie komme ich denn dazu? Tie sind erregt nnd sehen Gespenster. Wenn Tic mir sagen, das; cs sich so verhält, dann »uns; ich Ihnen nalürlich auch glauben. Verzcihen Tic!" Er hielt ihr seine Hände hin, sic nahm sie. „ES ist gut", sagte sie. „So — und nun müssen Tie wirklich gehen. Wir sehen uns ja noch." Tie trat ins Zimmer zurück, Prangins ging Vkk!lrk:Nd1DL8 Es war am Nachmittag, als Carmen nach einem ge meinsamen Mittagessen im „Minerva" in ihr Hotel zurück- kehrte, in der Absicht auszuruhcn. Ji» ihrem Zimmer überfiel sie wieder die Furcht. Was Ivar mit Laszko und wo war Laszko? War cr abgcrcist und wohin? Das Geld Halle cr genommen. Und die Tcheidnng — würde sie gelingen? Tie stand im Begriff, am Abend ihre Verlobung zu feiern. War es da nichl besser, mit Oliver Milbrcy zu sprechen und ihm alles zu sagen? Er lieble sie ja doch. Ivic cS schien; vielleicht würde er alles verstehen. Aber mußte sie ihm dann nicht auch.all das andere sagen? Mußte sie dann nicht ehrlich und mit der ganzen Wahrheit vor ihn hintrclen. die cr dann nicht mehr verstand? Wo mit hatte cs angcsangcn und war nun soweit gekommen, daß sie att»-bctügen mußte — und selbst Prangins? 'Fortsetzung folgt)