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Lap->i<ü»t 193,; ^ukvv«!t«-X' 14j Nachdruck verboten l Er war begeistert. Fast riß er sie mit. „Wir werden es ja erleben", sagte sie lächelnd. „Und — wie hast du es dir gsdacht? Ich meine: wo und wie und — wann?" „Metropolitan-Oper!" -So..." i „Ja. Und zwar ab ersten Oktober." - „So bald, Lionel?" ' „Natürlich. Und sest auf ein Jahr." > ? „Du bist verrückt, Lionel!" ries sic. „Noch nicht, Casini, noch nicht! Erst dann, wenn du wieder singst. Dann bestimmt. Darauf kannst du Gisi nehmen. Wenn du wieder singst, werden alle verrückt, »ich: mir ich. So war es doch schon immer." „Ach, Lionel, freust du dich denn so?" „Casini — du fragst? Du fragst im Ernst? Ich habe c> ja immer gesagt: wenn du nicht existiertest, so mühte mai dich erfinden. Du bist göttlich! Oli ich mich freue! Das is wirklich gut!" „Es gibt doch so viele andere, Lionel!" „Aber keine wie dich. Verlaß dich darauf. Können je alle nicht mehr singen, glaub mir, Easiui! Haben nicht gelernt und unbegabt sind sie auch. Und spielen — ach, d: Kcber Gott! Ich werde schon krank, wenn ich nur dra: denke." „Jetzt übertreibst du, Lionel!" „Laß mich doch!" rief er beseligt. „So laß mich dock, Warum soll ich nicht übertreiben?! Ich liebe dich eben Da kann man nichts machen..." „Komm, Lionel, setz dich erst einmal hierher zu mn Nimmst du einen Kaffee? Einen Aperitif? Einzano? Odc was?" „Danke, danke!" Sic zog ihn ans einen Stuhl nieder und setzte sich ihn gegenüber. Der Tisch, an dem sic vorhin gefrühstückt hatte stand zwischen ihnen. Lionel Smith seufzte in tiefem Behagen. Merkwürdig, wie ruhig sic doch war und wie überlegen sic sprechen konnte! Es war also vielleicht doch gar nicht so schlimm, in einen Abgrund zu sp-ingen, ohne zu wissen, wie man unten ankam. An einem gewissen Punkt des Lebens ist wohl auch das gleichgültig geworden... Sie dachte wieder an Cecil und au sein glückliches Ge sicht vorhin, als sie ihm gesagt hatte, er könnte das Geld babcn. Dafür tat sic cs ja, für Cecil. Es gibt Dinge, die man nur für die tun kann, die man mehr liebt als das Leben, und nur für die. Lionel hatte gewichtig seine Helle Lcdcrmappc auf den Tisch gelegt und lramle darin herum. „Was suchst du?" fragte sie. „Ten Vertrag", erwiderte er. „Schon alles ansgcsüllt. Zwei Ausfertigungen. Tu brauchst nur noch zu unter schreiben. Hier!" „Ach so", sagte sic, „ach ja, natürlich, der Vertrag. Es ist doch vorläufig nur ein Entwurf — nicht wahr?" „Warum?" „Ich meine...", sic sprach plötzlich ganz zerfahren, „eine mehr private Abmachung zwischen uns beiden...?" „Aber wieso denn, Casini? Der Vertrag wird ja erst gültig, wenn er drüben unterschrieben ist. Du kannst also ruhig..." „Unterschreiben, meinst du?" ergänzte sie. „Weißt du, Lionel, cS wäre mir lieber, wenn wir erst die Unterschrift voll drüben abwarlclen. - Es ist ja nur eine Formsache, nicht wahr? Ich will mich dem nicht aussctzcu, daß er vielleicht nicht gcgcngczcichnct wird, verstehst du?" „Du bist köstlich! Du bist einfach zum Verlieben!" rief er. „Wenn ich dich nicht schon liebte...! Ach, Casini, wie du so redest, wie eine kleine Debütantin, die Angst hat! Meinst du wirklich, die da drüben würden sich sträuben, dich austretcn zu lassen? Man sucht einen .Ersatz für Lie Casini', und wenn ich mit Carmen Casini selber komme, so werden sic nicht unterschreiben? Alle Finger werden sie sich lecken, alle zehn Finger einzeln, das sage ich dir. Wenn ich mit dir komme, da fallen sie alle um vor Freude. Ich weiß doch, wie cs ist! Reißen wird man sich um dich. Und außerdem — nein, nein, du mußt schon entschuldigen, aber du kannst ja schließlich nicht erwarten — es ist einfach nicht üblich, weißt du —, daß die großen Herren ihre geheiligte und vielbegchrte Unterschrift so allein und ohne was herum über den Ozean schwimmen lassen, wenn du nicht vorher..." „Aber meine Unterschrift soll allein-schwimmen, wie?" Carmens Ton war nervös und scharf. Lionel lachte. „Du tust wirklich und wahrhaftig, als wenn du vor deinem ersten Engagement stündest und noch nie in deinem Leben mit solchen Sachen zu tun gehabt hättest. Und dabei bist du doch ein alter Bühnenhase, Casini!" „Also...?" Er schob ihr das Blatt hinüber. Tie versuchte zu lesen. Es glückte nicht, obgleich sic sich zusammcnriß. Ach, es war ja ganz gleich, was darausstand: Singen konnte sie doch nicht mehr — so nicht und so nicht. Ihre Stimme war fort. Da gab's nichts. IZertio 68 Immerhin, die Buchstaben tanzten vor ihren Augen wild durcheinander, je länger sie darauf niederschaute. Sie sah hilflos zu Lionel Smith hinüber. „Stell dich nicht an, Casini! Es ist ja lachhaft. Unter schreibe!" „Sag mal, Lionel", sagte sie und sie fühlte cs plötzlich wie Eiswasscr über ihren Rücken rinnen, „wie steht es mit dem Vorschuß...?" Lionel platzte heraus, ganz spontan, ein lautes, schmet- icrndes, dröhnendes Lachen. Er stemmte die Hände in beide Hüften und kreischte vor Vergnügen, bis er beinahe rsticktc und ihm die Tränen kamen. „Nun stell du dich mal nicht an, Lionel", sagte Carmen, ^ic bebte plötzlich vor Nervosität und flog am ganzen körper, so sehr irritierte sie dieser unvermutete Heiter- silsausbruch von Lionel Smith. Ihre Hände waren über ud über feucht geworden. Lionel lachte noch immer und wischte sich mit dem 'aschentuch, das er umständlich hervorholte, die Tränen >. Es kollerte und gluckste in seinem Hals. „Entschuldige", sagte er, als er sich endlich wicver saßt hatte, „verzeih, aber — das ist wirklich zu komisch!" Carmen warf ihm einen gereizten Blick zu. „Was ist un daran komisch, wenn ich fragen darf. Ich kann deine .itcrkeit absolut nicht teilen." „Die Casini verlangt Vorschuß! Seit wanu? Wie ein Kues Chormädcl mit Schulden. Die Casini, man stelle h das nur vor!" Und er lachte wieder. „Erstens war ich auch einmal ein kleines Chormädel it Schulden, und zweitens ist cs üblich", sagte Carmen, it einem Male sehr ruhig, sehr überlegen und sehr be- immt. Es kam jetzt alles darauf an, sie nahm ihre ganze Kraft isammen, um sich keine Blöße zu geben. „Es ist durchaus üblich, Lionel", sagte sie, „das weißt w. Nicht, daß ich cs nun etwa nötig hätte, wie du vicl- -ücht meinst, aber cs kommen doch manchmal unvorher- '.'sehcnc Ausgaben, nicht wahr? Mein Sohn heiratet, die -ran, die er bekommt, ist sehr verwöhnt. Neuer Wagen, icne Toilette», Reisen und alles das — das kostet mich." „Was hast du gedacht?" fragte er nun wieder ernst. „Fünftausend Pfund." „Donnerwetter!" schrie Lionel und fuhr auf. „Donner- wettcr! Tas ist viel Geld, Casini!" „Du kannst nicht?" sagte sic und sah ihn scharf an. Nicht nachgcbcn jetzt, dachte sie inständig. Nicht nach geben! Ihre Lippen wurden ganz schmal und weiß wie ein Strich. „Können, können!" sagte Lionel. „Warte mal! bekommst also dort sünfnndzwanzig pro Saison..." Er zögerte. „Da könnte'ich dir, weil du's bist, einen Vorschuß erwirken von..." „Was heißt .erwirken', Lionel?" fragte sie. „Das, ivas cs heißt", gab er kurz zur Antwort. „Ich brauche ihn sofort", sagte sic, ihn fixierend. „So, so", sagte er. „Hm — ja. Dann müßte ich es also auslegcn." „Und — dn willst nicht, kannst nicht?" fragte sie. Der Ton, mit dem sic sprach, war vor Erregung ganz hoch und dünn geworden, und zugleich lag ein Unterton von Spott darin. „Ich übernehme damit ein ziemliches Risiko, Casini", entgegnete er, bereits schwach geworden, während er mit einem treuherzigen, langen Blick zu ihr hinsah. Tie lächelte ihm mitten in die Augen hinein. Es war ihr altes, erprobtes Bühncnlächcln, das sie plötzlich wiederfand, ohne daß sic cs wnßtc. „Mir gegenüber, Lionel?" „Ach, Casini — dn bist und bleibst die zauberhafteste Frau, die cS aibt. Man kann dir nicht widerstehen." Er seufzte. „Gut! Also schön! Ich lege cs ans. Scheck — oder wie?" Carinen fühlte — sic hatte sich bis jetzt fest in der Hand gehabt — ihre Gelenke mit einem Male weich werden und nachgcbcn. In der Kehle saß etwas wie Watte und die Tränen wollten in ihre Augen steigen. Tie kämpfte sie nieder. „Ja", sagte sic mit Anstrengung. „Scheck ist wohl am besten, denke ich." „Weil wir alte Freunde sind, Casini! Sonst tue ich sowas nicht. Aber nur zwei unter uns, nicht wahr?" Er streckte ihr kameradschaftlich die Hand hin. Sic gab oie ihre. Ihre Hand war eiskalt. Lionel Smith zog sein Scheckbuch ans der Tasche. „Komm, unterschreib inzwischen den Vertrag." Carmen nahm das Blatt und erhob sich. Sie trat zum Schreibtisch in der Ecke, öffnete das Schubfach und holte ihren Federhalter hervor. Während sie ihn langsam auf drehte, schrieb Lionel. Sie ging zum Fenster und von dort zur Tür. hinter der die Prohaska wohnte. Dann setzte sie sich aus dem Bcttrand nieder, nahm ein Buch vom Nachttisch ans die Knie nnd legte das Blatt darauf. Lionels Feder kritzelte über das Papier hin. Er schrieb mit eingcwinkeltcm Zeigefinger, cifria und alühcnd aufmerksam wie ein Schuljung« an einem Klaffenauffatz, den Kopf kurzsichtig auf das Papier gesenkt. Carinen setzte die Feder an. Urplötzlich begann ihr Herz zu revoltieren, es klopfte wie ein Hammer mit rasenden Schlägen. Sie schloß die Augen und htzrte et« fernes Brausen. War gs das Meer, oder der Lind...? Lionel war aufgcstanden. Er kam zu ihr hertzber. „Komm, gib", sagte er freundlich. Der Platz zum Unterschreiben war noch immer leer. Carmen schaute fragend auf. Er nickte ermunternd: „Schreib, Casini. Los!" Da schrieb sie tapfer mit großen, klaren, schönen Buch staben „Carmen Casini" unter den Vertrag. Er gab ihr den Scheck. „Komm!" sagte Lionel zärtlich und nahm ihren Kopf zwischen seine großen, guten Hände. „Darf ich?" Sie nickte, und er küßte sie behutsam und väterlich auf die Wange. „Und nun sing, Casini! Ein paar Takte nur. Irgend etwas, cs ist gleich. Ich muß deine Stimme einmal wieder hören. Nur so. Bitte!" „Laß mich. Lionel, nicht heute. Ich bin nervös, du mußt verstehen..." „Drei Takte nur", bat er. Sie schüttelte den Kopf. „Jetzt nicht. Ich — guäl' mich nicht. Sei gut. Ein anderes Rial." Er machte ein kummervolles, enttäuschtes Gesicht. Gleich danach aber strahlte er schon wieder: Er würde sie ja wieder singen hören, wenn auch nicht heute. Es mußte ja nicht gerade heute sein. „Nun mußt du gehen, Lionel", sagte sie. „Ich erwarte Cecil. Wir sehen uns ja bald Wieders sehr bald, nicht wahr?" „Wie du befiehlst", sagte er ritterlich. „Uud — ich danke dir, Casini. Du ahnst nicht, wie ich mich freue. Das Weitere werde ich sofort in die Wege leiten. Ich denke, in vierzehn Tagen ist mit dem Vertrag alles in Ordnung." „Halt!" ries sie plötzlich. „Einen Gefallen tust du mir, Lionel: Schick den Vertrag noch nicht hinüber. Warte noch, cs eilt ja nicht." Lionel war äußerst überrascht. „Warum?" „Das sage ich dir später. Ich bitte dich darum: Warte noch ein paar Tage. Es macht dir doch nichts aus, es hat ja Zeit. Versprichst du es mir?" Er hob verloren die Schultern und ließ sie wieder sinken. „Du bist komisch, Casini. Aber wie du willst. Weil du cs bist! Aber eines sage ich dir, wenn ich dein Vater wäre — ich könnte dich nicht mehr lieben, als ich dich liebe." Er war ganz weich und gerührt. „Das ist gut von dir, Lionel. Ich danke dir! Auf Wiedersehen!" Er schloß sie noch einmal in seine Arme und wandte sich zum Gehen. Sie begleitete ihn bis zur Tür. „Daß ich das machen durfte! Daß mir das gelungen ist!" rief ec laut und voll überströmender Seligkeit. „Die Casini wird wieder singen. Die Casini wird wieder ans- , treten! Ein Glück ist das, ein Glück...!" Carmen starrte auf die Tür, die sich hinter ihm ge schlossen hatte. Vollkommen unbeweglich nnd reglos stand sie da. Plötzlich zuckten ihre Schultern, die Knie wichen nmcr ihr fort, sie wankte. Sie griff nach der Lehne des Stuhles, aus dem soeben Lionel Smith gesessen hatte, ließ sich auf ihn nicderfallen, legte die Arme vor sich aus den Tisch nnd ihren Kopf darauf. * Als die Prohaska später ins Zimmer kam, erschrak sic heftig. „Was ist? Jessas Maria nnd Joseph! Was ist? Was habcn's gemacht?" Carmen hob den Kopf nnd schaute sie lange an, ver wirrt und halb abwesend. Dann sagte sic lcisc: „Eincn Betrug, Prohaska!" Die staud wie vom Donner gerührt angewurzelt auf ihrem Fleck, ohne zu begreifen. „Ich habe einen Kontrakt nnlerschriebcn für die Metropolitan — ans ein Jahr..." „Singen?" ries die Prohaska entsetzt. „Ja", sagte Carmen. „Mit einer Stimme, die icb nicht mehr habe. Richt zehn Minnien kann ich's mehr — keinen Ton. Hier!" Sic streckte die Hand ans und hielt der Prohaska den Scheck bin. „Fünftausend Pfund Vor schuß. Richt fünfzig ist die Siinnne mehr wert..." „Ja, sind's dei n wahnsinnig geworden? Tind's den» ganz nnd gar vom liebe» Gott verlasse»?!" Die ga»ze kleine Person zitterte vor Empörung. Tic warf die Hände in dic Lust nnd fuhr wie rasend damit umher. „Tind'S denn ganz von Sinnen?!" „Cecil braucht Geld, Prohaska." „So", sagte die verächtlich. „Kaun ich mir denken, daß er braucht. Natürlich. Brauchen wir auch! Jetzt hören s mir aber auf mit dem Herr« Cecil! Immer der Herr Cecil! Einmal ist's genug und Hörl auf mit dem Cecil! 's Hoscn- türl hab' ich ihm zugcknopselt, wie er klein war. aufs Potlschainpcrle hab' ich ihn setzen dürfen — aber jetzt ist Schluß. Das sage ich Ihnen. Macht Schulden, macht Betrug, macht Fisematentcn, damit der Herr Cecil kann studieren, damit der Herr Cecil kann glücklich sein. Weil Cecil ist Sohn von vornehmen Vater, den sic hat geliebt und liebt noch immer; und nicht von dem Herrn von Laszko, dem Hallodri, dem Lump. Weil Cccil ist Herz- biukcrl von Carmen Casini! Z'wegen dem! Und was soll werden jetzt? Könnens mir das vielleicht sagen...?" „Hör her, Prohaska. Beruhige dich. Ich will dir sagen, was wird. Es gibt nur das eine: ich werde Oliver Mil dren heiraten." „Den reichen Mann mit den schönen BInmcn, den Amerikaner?" -Ja." „Und der Herr von Laszko? Was wird der sagen? Mit dem sind'ö doch verheiratet." (Fortsetzung folgt)