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Beilage zur „Weißeritz-Zeitang" Ivo. Jahrgang Sonnabend, am 29. Dezember 1934 Nr. 302 Die Lichter o« Aethaacht Zum Sonntag «ach Weihnachten. Sonntag nach Weihnachten — das ist der Tag, wo wir in der Stille den Gewinn Überschlagen, den uns Weihnacht gebracht hat, den Gewinn für unser Herz! Was ist uns Weihnachten gewesen? Gewiß, Tannenduft, Kerzenschimmer und Kindersang haben wieder ihr Freudenwunder gewirkt, aber was ist davon geblieben für den Alltag? War es nur ein flüchtiger, schöner Traum, oder ist uns etwas davon zur Kraft für kommende Tage geworden? Sind die Lichter des Festes nun heruntergebrannt wie die Kerzen am Weihnachts baum, oder leuchten sie uns noch nach in die Zukunft hinein, so daß ihre Leuchtkraft des Alltags Grau bezwingt? Es wird von einem Ritter der Kreuzzüge erzählt, daß er das Gelübde getan, als erster ein Licht, das er vom Altar seiner Heimat kirche in Italien mitaebracht, an den Lichtern des heiligen Grabes entzünden und die heilige Flamme ünverlöscht wie der heimbringen wollte. Unter unsäglichen Mühen hat er sein Gelübde erfüllt und das heilige Licht auf dem langen Wege nicht auslöschen lassen. So sollte das Licht der Weih nacht auch in unsern Herzen fortglühen wie eine heilige, ewige Flamme, die nicht ausgehen darf. Wer einmal von dem heiligen Licht berührt ist, das in jener Nacht auf unsere Erde kam, der trägt es als das Allerheiligste, was er har, in seinem Herzen. So wollen auch wir glauben an das Licht in der Nachtnot unserer Seele. „Es ist das Licht noch eine kleine Zeit bei euch, glaubt an das Licht, weil ihr es habt, auf daß ihr des Lichtes Kinder seid", so mahnt uns dieser Sonntag nach Weihnachten. Weihnacht hat uns zu „Lichtes- kindern gemacht, hat uns gemahnt, „laß dich erleuchten meine Seele, versäume nicht den Gnadenschein". Weihnacht hat uns lichte, ewige Fernen in die Seele gesenkt, wir find nicht für die Finsternis geschaffen, sondern für das Licht bestimmt, und wir wissen es auch, „es wird dies Licht mit seinem Schein, mein Himmel und mein alles sein". Möchte der lichte Schein der Weihnacht uns geleiten: Das ew'ge Licht geht da herein / gibt der Welt ein'n neuen Schein, Es leucht wohl mitten in der Nacht / und uns zu Lichteskindern macht. M. Weihnachten ist vorüber Die Weihnachtsseiertage sind vorbei; der Schein hoher Freude und fröhlichen Glanzes ist abgestreift, und alles und jedes hat wieder das graue Kleid des Herkömmlichen an gelegt, und das Gesicht des täglichen Lebens; der Pflickl und der Arbeit und — es läßt sich kaum vermeiden — ein wenig der verdrossenen Gleichgültigkeit aufgesetzt. Weih nachten ist vorüber. Nun leben wir so gewissermaßen zwi- scheu zwei Jahren. Wir schauen zurück, was das alte Jahr uns gebracht hat, und wir lind innerlich doch ein bißchen glücklich, daß an seinem Schluß dieses ewig-feierliche und ewig-frohe Fest der Hoffnung steht, das uns in seiner Glückseligkeit manches vergessen hilft, was Bitteres und Schweres in den letzten zwölf Monaten über uns gekommen sein mag. Unsere Nöte und unsere Sorgen, unseren Schmerz und unser Leid, wir haben es unter dem Glanz und den strahlenden Lichtern des Christbaums vergessen können, weil wir hoffen dursten, daß nun alles anders werden könnte. Wir waren froh an unserer eigenen Freude, und wir waren froh an der Freude der anderen. Wir sahen die leuchtenden Augen der Kinder und den glücklichen Schimmer in den Augen der Eltern; und vor allem, wir wußten, an diesem Weihnachtsfeste brauchte keiner ver grämt, verhärmt oder gar verbittert beiseitezustehen. Alle konnten teilhaben an dem Fest, in ihrer aller.Herzen fiel »in Schimmer der Freude, der Liebe und der gläubigen Hoffnung; der Bruder reichte dem Menschenbruder und Volksgenossen die Hand, und alle waren eins und einig in dem tiefen Gefühl der Zusammengehörigkeit und der Hilfsbereitschaft. Alle, die guten Willens waren, haben die Botschaft vernehmen können: Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen! Das Gefühl der brüderlichen Zusammengehörigkeit, das den schönsten und tiefsten Sinn ücses Weihnachtsfestes bildete, wir wollen es hinüberretten in das kommende Jahr. Wir wollen voll Hoffnung sein und ooll Glauben! Wischen Weihnacht und Dreilönigrtag Die „Perchl n" geistert durch die Rächte. — Rauhnachl- Bräuche in Bayern. Wenn die Adventszeit vorüber ist mit den Klöpfles- nüchten und dem Sternsingen, daun beginnt in Bayern, wo sich manch alter Volksbrauch unverfälscht bis in die Gegen wart schalten hat, die Zeit der Nauhnnchte, jene zwölf dunk len Nächte zwischen dem Weihnachtstage und dem Heiligen Dreikönigstage (6. Januar), in denen alles Böse umgeht, in denen es nicht geheuer ist. Der wilde Jäger braust durch die Lüfte mit seinem Heer, die Seelen der Verstorbenen geistern ruhelos durch die Nächte, und in mannigfacher Weise, wie es von den Urvätern durch Generationen hindurch überlie fert ist, sucht man sie zu bannen. In Bayern fürchtet man vor allem die „schiache Percht'n", die heidnische Frau Perchta. In Haus und Hof muß in den i Rauhnächten alles sauber und ordentlich sein, denn die Percht'n, als Wotans Gemahlin Hüterin von Haus und Herd und Beichirmeriv der Ehe. acht umher und straft alle Uw ordentlichen. Um sie zu verscheuchen, vermummen sich dii Bauernburschen, binden sich abschreckende Masten mn unhi ziehen lärmend durch die Dörfer. Auch dar Feuer oarf in den Rauhnächten nicht ausgehen, und m den Bauernhöfen liegt über Nacht das Brot auf dem Tisch, damit di» Seelen! der Ahnen bei ihren nächtlichen Geisterzugen etwa» zu esse» vorfinden. Die Bäuerinnen haben Korinthenbrot gebacken« denn das soll das Haus vor Feuersgefahr schützen. Ist dann der Dreikönigstag herangekommen, ziehen di« Sternsinger noch einmal umher. Mit rußgeschwärzten Ge« sichtern gehen Kaspar, Balthasar und Melchior durch di» Dörfer, und die Kinder, die sie begleiten, singen alte Lieder. Während so heidnischer Bann gleichsam durch einen christ- lichen Kult gelöst wird, hat sich bec den Bauern und Berg« leuten von Peiting im Schongau das „Christkindltragen" cin Stelle der Rauhnachtbräuche erhalten. Dort tragen "im Stephanstag (26. Dezember) bis zum Dreikönigstag die Mi nistranten ein Barock-Christkind in der Wiege von Haus «u Haus und singen dazu: „Wir bringen euch ein Kindelein. So lieblich und so zart, : Es ist das Iesusknäbelein, ' Geboren in kalter Nacht . . ." Am 20. Januar, dem Sebastianstage, schließt diese Z it der Heiligen und heidnischen Geister mit einem befand::» schönen Brauch ab. Der heilige Sebastian, der sich in Bayern! feit altersher als Pest- und Seuchenheiliger der größten Ver ehrung erfreut, und der hejlige Fabian, mit dem er den! Namenstag teilen muß, sind vielbefragte Wetterpropheten. Die meisten der frommen, gläubigen Altbayern aber machen! sich an diesem Tage auf zur Sebastianswallfahrt nach Ebers berg bei München. Dort wird als kostbare Reliquie des Hei ligen seine Hirnschale aufbewahrt, die Papst Stephan VlU. im Jahre 931 dem damals schon bestehenden Benediktiner kloster zu Ebersberg geschenkt hat. S. R. Im Kiril» Die kleine Mathilde sitzt mit ihrer Mutter im Lichtspielhaus Der Held ves Gesellschastsdramas in sieben Akten haue sich benommen, wie Vie Zuschauer es erwarteten und wünschten. Mu gespannter Aufmerksamkeit sah man ihn jetzt aus seine Heldin zustreben, die mit weit ausgcbreiteicn Armen in einem Polstersessel seiner harrte. Nun beugt er sich zu ihr nieder und in lanaem, von den Zuschauern MU den mannigfachsten Ge fühlen nachempfundenem und miterlebtcm Kusse berühren sich ihre blassen Letnwandlippen. In die Todesstille des Theaters fragt in diesem Augenblick die kleine Mathilde ihre Mutter: »Sie hat ihn gern — gell, qn,,Ui?" (52. Fortsetzung.) „Du trägst meinen Namen", sagte er zu ihr. Seinen Namen? Grohe Geschichte! Mit ihren Milliarden hätte sie sich ganz was anderes kaufen können! Sie dachte zuweilen mit leisem Heimweh an Kopeschs j zurück. Von allen Gratulationsbriefen war nur der von ihnen herzlich gewesen. „Mein Sonnenschein, mein wilder, flatteriger Sonnenstrahl!" hatte der Onkel ihr geschrieben. Sie hatte wohl gesehen, wie „Udos" Mund sich spöttisch verzogen hatte, als er das gelesen. Ein wenig tat das : Weh. Nicht viel. An Bodenbach selbst lag ihr ja auch gar nichts. Sie hatte ihn nur Edith nicht gegönnt. Bloh, ! daß alle sie so verkannten... Sie war doch so gut, so gut... Armes Herzchen, sagte sie zu sich. Keiner ist so schlau, anzuerkennen, wie edel du bist. Ihretwegen! sie war, wie man sie einschätzte. Jetzt war „Udo" eifersüchtig. Daran blieb kein Zweifel. In Longchamps, beim Nennen, hatte sie den kleinen, exotischen Prinzen kennengelernt. Er war so gelb wie sie/ lo klein, so rachsüchtig und so reich. E r fand sie nicht häß lich. E r sagte nicht Madame zu ihr mit jenem höhnischen Ncbenton, wie diefe eingebildeten Europäer — diese hoch fahrigen Engländer vor allem, die sie ganz befonders haßte. Sie ritten zusammen, machten Autofahrten und speisten miteinander, wo es ihnen beliebte. Wo mochte Udo in der Zeit stecken? Wenn sie heimkam, war er stets im Hotel. Ob er die ganze Zeit auf sie wartete? Ein wenig hätte es ihm ähnlich gesehen. Er fragte nie, wo sie gewefen war. Sie erzählte ihm «der alles offen, besonders, wenn sie glaubte, es könne ihn lrgern. Merken ließ er sich's nie. Zuweilen gähnte er un verfroren, gerade dann, wenn sie hoffte, nun endlich solle er ärgerlich werden. Er tat, als ob ihm alles gleichgültig sei. Aber die Angelegenheit mit dem Prinzen wurde ihm, wie er eben gesagt hatte, zu bunt. Sie kamen aus der Oper, in der, zu Ehren eines frem den Gastes» eine außerordentliche Galavorstellung ge wesen war — die große Welt, allerhöchste Eleganz. Der Prinz und sie hatten zusammengehalten — Boden bach mußte danebenstehen wie ein unbeteiligter Dritter." Der Prinz hatte ihr auf englisch — was er schlecht oerstand, der Herr Gemahl — die lustigsten Schmeicheleien gesagt. Und erst nachher — im Cafe de la Paix! Bodenbach hatte sie ein paarmal drohend angesehen. Desto eifriger hatte sie dem Prinzen Avancen gemacht. Im Wagen war es dann losgegangen. Sie ahnte nun schon, welch ein gewaltiger Zorn hintcr seiner scheinbaren Ruhe flackerte. Ohne es zu wissen, wünschte sie, daß er einmal wütend würde, so ganz wild und grenzenlos wütig. Warum rigentlich? Es hätte ihr einen Triumph verschafft — ohne Zweifel. Aber auch heute hatte er nur kühl und gehalten er innert, daß sich ein solches Betragen für eine verheiratete Frau nicht schicken dürfe Nicht schicken? Eine unbekannte Vokabel für Zoe Venussi. Sie tat, was ihr paßte. Sie hatte mit jenem Ausstrecken ihrer roten Zunge geantwortet, das er ihr jetzt vorwarf. Lächerlicher Kauz, dieser Udo... Dennoch war sie ein ganz klein bißchen verliebt in seine blonde Unnahbarkeit! Sie wußte es freilich selber nicht. Aber ab und zu „fiel sie ihn an", wie Bodenbach es im stillen nannte — küßte ihn ab, mit ihren dicken, fleischigen Negerlippen — umarmte ihn mit ihren mageren, sehnigen Jndianerarmen. Er hielt es aus wie eine Operation. Standhaft und ohne zu stöhnen. In den Monaten ihrer Ehe hatte er ihr noch nicht die leiseste Lieb- kosung zuteil werden lassen. Sie vermißte das gar nicht. Sie ergriff gern in allem die Initiative und genierte sich nicht, sich zu nehmen, was ihr gefiel. Run saßen sie sich gegenüber in vem eleganten Salon ihrer geräumigen Hotelwohnung und tranken noch ein Täßchen Tee. Zoe schüttete ordentlich Kognak in das „lasse" Getränk. Bodenbach begnügte sich mit ein paar Tropfen Rotwein. „Du solltest einsehen, Zoe, saß es besser wäre für uns beide, wir gingen wieder auseinander. Dir bin ich gleich gültig — du bist mir keineswegs sympathisch. Dein Eigen- sinnn hat seinen Willen. Ich denke, dieser Prinz: das würde der richtige Mann für dich sein. Also gehen wir in aller Freundschaft auseinander..." „Und was machst du denn?" „Ich weiß noch nicht genau. Jedenfalls gehe ich nach Deutschland." „Bekomme ich Pctcrle?" „Zoe! Du hast inzwischen sieben Pferde — mehrere davon weit wertvoller, als mein Peterle. Du hast fünf Wagen und eine kleine Motorjacht. Ich verkenne nicht, was du an dem Tier getan hast. Aber mein Herz hängt daran. Laß es mir, ich bitte dich. Laß es mir — und laß uns auseinandergehen..." Er hatte fast beschwörend gesprochen. Seine Lage als Gemahl der Milliardärin wurde immer unerträglicher, je heftiger sie sich schlecht benahm. Und seit sie den Prinzen kannte, kannte sie keine Grenzen mehr. „Ich gebe dir eine Million für Peterle. Das ist viel Geld für euch arme Deutsche." „Das ist sehr viel mehr, als ich brauche. Ich habe genug. Peterles letzter Sieg bezahlt meinen ganzen Aufenthalt hier in Paris. Ich Vin dir dann nichts schuldig..." „Die paar Groschen, die du mich gekostet hast — die zählen doch nicht. Ein Kammerdiener würde mich ja teurer kommen." Bodenbach lächelte spöttisch. „Geschmackvoll sind deine Vergleiche nicht!" Sie gähnte mit offenem Mund. „Klingle Nurse. Ich will schlafen. Morgen mehr..." Seufzend entkleidete sich Bodenbach in seinem Gemach, sas am Entgegengesetzten Ende des Appartements lag. Seine Geduld war fast zu Ende. Er wäre heimlich auf anv davon gegangen, wäre es nicht um Peterles willen. Bodenbach, Hals über Kopf in die Ereignisse herein- zerissen, sehnte sich nach dem, was er sich damals gelobt, »ls er auf der tiefsten Stufe seines Leidens gestanden. »Solides! Dauerndes!" Unmöglich war das mit diesem Launenbeutel an der Seite, in Hotels, auf Reisen, tn Bädern. Mondän, mondän! Mit bald vierzig Jahren md seinen Erfahrungen will man Ruhe und Stete. , Eine Klitsche - klein, aber schuldenfrei. Ein hübsches, ttedriges, aber geräumiges Landhaus. Daß er damals »erkauft hatte! Nun, es würde sich etwas finden! Und s rann den Landwirt spielen. Den Bauer! ! Eine Frau würde er brauchen, ja! Eine arbeitsame, bescheidene, kräftige und frohherzige Frau! Meta? Die war viel zu kultiviert für das Leben, das er zu leben ge machte. Valerie? Wenn die ihren Emil nicht mehr hätte! : Valerie, die mit ihrer weichen Wange den Schlag auf- zesangen, der ihm gegolten... Er merkte zuweilen, »atz er sich nach ihrsehnte. Sie war eine passende Frau ' kür einen kleinen Grundbesitzer, der keine gesellschaftlichen Ambitionen hatte. Die Alte? Wer eine Zoe kannte, der - fürchtete keine Laura Pflaster mehr. D i e würde er schon i >ahm halten... - Wenn er nur erst frei wäre! „Der Prinz und ich machen heute eine Autofahrt.! " Kommst du mit?" fragte Zoe beim Frühstück. ! „Danke, nein! Ich habe eine Verabredung." Zoe horchte auf. Doch sie fragte nicht Wetter. Per- «bredung? Ihre Neugierde war rege geworden. Verab redung mit wem? Sonst hatte Bodenbach immer den Be- juch einer Galerie oder eines Museum« vorgefchützt, um »Kein bleiben zu können. In Galerien ging Zoe nie. Sie lachte sich halb tot über Bilder, Statuen und „auSgestopfte . Tiere", wie sie sagte.