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Bodenbach trat hinzu und hob den Mantel aus, der -oe von den Schultern geglitten war ,Gnädiges Fräulein gestatten?" In diesem Augenblick war sie ihm grenzenlos sym pathisch. Dankte er ihr nicht alles? Denn daß sie Peterles Schutzgeist gewesen, das hatte er bereits erfahren und aus den öffentlichen Bekannt machungen über die Pferde geschlußfolgert. Sie ließ das Pferd los und starrte ihn groß und feind selig an. Sie erkannte sofort den „Vagabunden* von vorhin und wunderte sich über die Metamorphose. Ihr Mißtrauen wurde durch sie nur größer. Trotzig trat sie beiseite. War da s ihr „Prinz* ? Sie fühlte sich enttäuscht und zornig. So arm? Bodenbach aber trat zu Petcrle, der, trotz seiner Er müdung, die altgewohnte, umständliche Begrüßung voll ziehen wollte, aber auf Bodenbachs: „Laß gut sein, Kamerad!*, abstoppte. Er schnupperte aber neugierig an der linken Rocktasche seines alten Freundes. Zucker? Ja, den hatte er nun vergessen. Fast schämte Bodenbach sich. Aber das war nachzuholen ... Er liebkoste das Tier still und versonnen. Tränen stiegen in seine Augen, so mächtig packte ihn die Empfindung des Glücks — des Gerettet- feins und des Wiedergefundenhabens. Man starrte, fragte, erfuhr. Viel zu vielen hatte Peterles Sieg eine schwere Ent täuschung bereitet. So schnell kam das eigentliche Inter esse an Herr und Tier nicht. Freilich, die Reporter griffen die Sache auf, machten eine „tolle Ehose" daraus, und Bodenbach hatte sich vorzusehen, daß die der Wahrheit nicht allzu nahe kam. Wozu? Wenn es nur romantisch war ... Dafür sorgte er. Eine romantische Geschichte findet nie mehr Glauben als in unromantischen Zeiten. Hier tröstete sie außerdem noch Enttäuschte mit einem ideellen Gewinn über materiellen Verlust. Herr und Pferd wurden nun schnell berühmt und bekannt. Wegmann trat zu Bodenbach, gratulierte herzlich. Bodenbach schnitt feste auf, und Wegmann war zu taktvoll, nicht zu glauben, was er sagte. Manchmal gehört es I zur Bildung, sich anschwindeln zu lassen. „Wo wohnen Sie denn in Baden-Baden?* fragte er beiläufig. Soso? Einfache, aber durchaus anständige Pension und keineswegs billig — sollte er sich doch ge täuscht haben? Aber Zoe machte allen Illusionen ein Ende. Der Baronlitel hatte sie versöhnt. »Arm* war, nach ihren Begriffen, in Deutschland jeder. Aber der Adel lockte. „Warum haben Sie das alte Dreckrock ausgezogen? Warum kamen Sie wie eine Bettler zu uns, -deutsches Herr Baron?* Bodenbach lächelte geheimnisvoll. „Gnädigste kennen die Geschichten von Harun a> Raschid? Nein? Dann muß man sie Ihnen einmal zu gänglich Machen...* Harun al Raschid! So siehste aus, dachte er tm stillen. Bodenbach ließ sich den Wettgewlnn aushändigen. Herr Gott, so viel wäre ja gar nicht nötig gewesen. Die Hälfte, ein Viertel hätten genügt, seine Existenz zu retten, zu festigen für immer. Er tauchte ins Gewirr der Men-schen, suchte und fand den solid gebauten Herrn, der ihm, ohne es zu ahnen, so große Hilfe geleistet hatte. „Pardon — Sie vermißen nichts? „Ich? Wieso? Nee!* „Es schien mir vorhin, als ob Sie ... Kennen Sie diese kleine Tasche?* „Herrgott ja! Meine ... Wo in aller Welt ...* „Sie steckten Sie am Totalisator nebenzu. Während ich sie aufhob, waren Sie verschwunden. Bitte, zählen Sie den Inhalt nach. Es ist mir ein Vergnügen, Ihnen Ihr Eigentum wieder zustellen zu können ...* „Danke! Nachzählen? Nee! Wird schon stimmen. Wer sowas wicderbringt . . . Gibt doch noch ehrliche Menschen .. .* Ja, ja, natürlich ...! Bodenbach verabschiedete sick rasch. Eine Handvoll Scheine bekam Jack. „Wissen Sie, ich kann kein Geschwätz leiden. Wegen des Tips — Diskretion!* Jack stand stramm, zwinkerte mit den Augen. „Das sowieso!* sagte er treuherzig. Er kannte doch Bodenbach. Der machte immer kol-b-> Mätzchen. ' Wegmann winkte Bodenbach. „Wo bleiben Sic? Die kleine Grille ist wie versessen auf Sie. Uebrigens: Wenn Sie sich sanieren wollen, greifen Sie zu. alter Freund! Sie finden keine schwerere...* „Herrje! Ist denn das überhaupt ein Weib?* „Nee, noch nicht! Kann aber noch einmal eins werden. Bis jetzt: abwechselnd Cowboy — daher unsere Freund schaft — oder Kleiderständer. Muß man auch ertragen.* „Kleiderständer? Vogelscheuche*, entfuhr es Boden bach. Aber sogleich tat es ihm leid. Dies Wesen hatte für ihn und Petcrle so viel getan. Er fühlte sich ihm grenzenlos zu Dank vervflicbtet. Neben Zöe stand jetzt ein alter Herx, d?^ unzweifel haft vornehm war in Gestalt und Gebaren — außerdem ein junges Mädchen, gegen Zoe sehr bescheiden gekleidet in einfachem Weiß, ohne viel Schmuck oder Verzierung. Deiken und Edith waren zu AoeS großem Tage nach Baden-Baden gekommen, direkt von Barcelona — und fxenten sich, daß der kleine Irrwisch einen Erfolg gehabt hatte. Bodenbach glaubte, nie etwas Holderes gesehen zu haben als dies blonde, liebliche Mädchen. Ihr Anblick bezauberte ihn, noch ehe er ihren Namen ahnte, und er wußte ganz plötzlich und ganz gewiß, daß hier die Frau stand, die er sein Leben lang ersehnt, die er brauchte, um das zu entfalten, was an besten Eigenschaften noch ein wenig verborgen in ihm lag. Ihre Blicke trafen sich. Reizende Neugier und schnell erwachende Sympathie leuchteten ihm aus viesen blauen Augen entgegen. Edith von Deiken! Ein deutscher Name, ein deutsches Mädchen! Leider sprach sie fast nur englisch! Die exotisch aussehende Zoe plauderte viel unbehinderter in der Sprache, die für ihn die Sprache des Herzens war. Man blieb den ganzen Abend zusammen. Bodenbach war der Gast der Deckens im Hotel „Europäischer Hof* ... zusammen mit Wegmann. Gott sei Dank, nein, er hatte nicht verlernt, sich weltmännisch zu benehmen, wenn er auch sehr stark verlernt hatte, weltmännisch zu denken. Zoe hatte sich einen kleinen. Schwips angetrunken. Sie setzte sich neben Bodenbach und lehnte ungeniert ihren Kopf an seine Schulter. Er entschloß sich, sie als Kind an zusehen und ließ es mit vollendeter Harmlosigkeit ge schehen. Deiken dankte ihm das. „Mejn — mein deutscher Baron .. .!* lallte Zoe ab und' zu und huschelte sich enger an ihn. „Unser — unser...§ Peterle...* Bodenbach hatte das Gefühl, eine kleine, gelbe Katzrj ruhe an seiner Schulter. Warum nicht? Er liebte ja! Tiere. Seine Augen wanderten zu Edith hinüber und weide ten sich an ihrem süßen Gesicht, an ihrer mädchenhaften! Lieblichkeit. Ihre Blicke trafen sich zuweilen. Dann er-! rötete sie ein wenig. „Wird meine kleine Schwester Ihnen auch nicht lästig?" fragte sie mit ihrer.weichen Stimme auf englisch. „Deine Schwester — mir lästig?" antworteten seine Augen. „Aber, gnädiges Fräulein . . .!* antworteten seine- Lippen. Sie indessen verstand besser als das schwierige- Deutsch die internationale Sprache der Zuneigung undi Bewunderung, die seine Blicke redeten. Als Bodenbach an diesem Abend sein Zimmer betrat,! hatte er das Gefühl, am Ende seiner Kräfte zu sein. - (Fortsetzung folgt.)