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Die hinrnrlische WeEtatt/^°e-k^ In Süd- und Westdeutschland ist ein hübscher Rinder glaube verbreitet: Leuchtet nach einem naßkalten Vorwin tertage eine Abendröte aus, die sich wie eine Brandfahne weithin erstreck». drücken die ihre Nasen und Fäuste an die kalt-kn Fensterscheiben undflüstern andächtig: Christ kindchen bäckt. Von vielen kleinen Engelchen umringt, steht es in der himmlischen Backstube, die weiten Aermel seines Silbergewandes zier lich aufgekrempelt und Mehl staub im goldenen Haar. Es mich wohl auch ordentlich ge schafft werden dort oben. Berge von Spekulatius, Ton nen voll Lebkuchen und Säcke mit Pfeffernüssen sind zur Weihnachtsbescherung vonnö ten. Und deshalb wird der himmlische Backofen geheizt, das? der rote Widerschein bis auf die Erde leuchtet. An diese Mär werden wir erinnert, während wir im Stuttgart und Ulm zu Füßen des Hohenstaufen dahinfahren und sein breites Haupt im Schein einer rotblassen Abendsonne aufleuchten sehen. Diese Illumination paßt so recht als Abschluß unseres heutigen Tages, — denn wir waren wahrhaftig in Christkindchens Reich, in der himmlischen Werkstätte. Wo genau sie liegt, dürfen wir nicht verraten, aber da drunten, im fleißigen Württemberg könnte man sie wiederfinden. Unsere „himmlische" Werkstatt steht da, als ein neu zeitliches Werksgebäude inmitten sanftbewaldeter Hügel, am Rande eines schmucken Landstädtchens, weil einem bie deren Handwerksmeister in den 48er Jahren das groß tönende Gerede der Revoluzzer im Wirtshaus zuwider wurde und er sich in seinen Feierabendstunden einem selt samen Zeitvertreib era-^ 5cbvtrengsl. Ourck AwlseksosekaUunk eines SpisIreuir-'trunLlormL- tors wirü äsr llocksiinnnungs- strom 6er lncbüeitune aut 6ie unüökükrlicks Sr-en-ilE von 20 Volt nwMlvnnt elektrischen Zügle zwischen Ein Flaschner bastelt. Der Flaschnermeister, den man in Norddeutschland einen Klempner geheißen hätte, nimmt sich eines Abends aus der Werkstatt ein paar Streifen Blech, eine Schere, Nieten, Schrauben und ähnliches mit in die Wohnstube, setzt sich nach dem Mahl aus die Ofenbank und beginnt zu basteln. Den ganzen November des unruhigen Jahres Ächtundvierzig verbringt er so und auch noch ein paar Abende des Dezember dazu. Dann aber ist das Werkstück fertig, eine naturgetreue Kochmaschine, wie sie in Mutters Küche steht, — nur zwei Hand groß, und ein Spielzeug, wie für eine Prinzessin gebaut. Die Kunde von dem Wunderwerk macht bald die Runde im Städtchen. Sonn- , »ags steht bei Flaschners die Tür nicht mehr still, alle wol len den Spielzeugherd sehen, bis er aus einmal nicht mehr . da ist, — der Bürgermeister hat ihn für sein Töchterlein gekauft. Aber Meister Flaschner bastelt wieder. Er nimmt gar die Arbeitsstunden dazu, — ein zweiter, ein dritter, ein vierter Spielzeugherd ist bestellt für den Arzt, den Apotheker und den Postmeister. Das wird eine fröhliche Weihnacht allenthalben, Gretel und Bärbel« strahlen und die blanken Taler klingeln. Die Revoluzzer im Württembergischen und Badischen find entweder längst nach Amerika hinüber geflüchtet oder , fitzen wieder ruhia in ihren Eärtlein, — Meister Flasch- tdooe» fetst «ie^trisok soeben, «leim 6er elekirieeb« lksr6 belrt »iw« Ikl»ww«. w»6 6«r vi«6ri» «espannts Strom »et «dsvkail» «avr umrekLkrlivk. ,.ver inzwischen Fabrikant geworoen und baut bald, nachdem dis ersten Eisenbahnen im Ländle laufen/ schon Spielzeugmodcllc davon. Und so geht es Jahr um Jahr,— seinen Sühnen hinterlaßt er eine gut gehende Spielzeug, fabrik, und seine llrenkel schaffen heute in einem umfang reichen Werk, das in guten Jahren an 1000, augenblicklich 720 Leute beschäftigt und in der ganzen Welt bekannt ist. Dipl.-Ing. Weihnachtsmann. Im Musterraum des Werks begrüßt uns Diplom ingenieur Weihnachtsmann persönlich. Er hat in der Eile vergeßen, seinen langen Bart anzulegen, aber wir erken nen ihn auch so. Von ihm hören wir interessante Dinge. „Ja, die heutige Jugend ist anders eingestellt, als Sie es vor dem Kriege waren. Uhrwerklokomotiven und Dampfbetrieb mit Spirituslampe werden etwas über die Achsel angesehen, — elektrischer Betrieb aus einem Ele ment kommt auch nicht mehr in Frage, — unsere Jungs wollen Netzbetrieb mit Stecker und Schnur. Das hat uns früher mal etwas Kopfschmerzen gemacht, denn rauhe Hände können die Anlage so schädigen, daß sich unter Um ständen eine Gefahr ergeben könnte. Das ist aber heut Zoter rpisit mit 6er neuen Lisenbnkn, un6 ^rikeben beult, veil er nuok gern möckte. aber äiess »lkin6erlcrnnkkeit« ist drück adervunäen, 6eno 6ie gemeinsame k'reucke »m teckniscken - Spielreug dringt VLter un6 ZSkne einan6er nLbsr. zutage nicht mehr zu befürchten, denn alle elektrischen Spielzeuge werden jetzt unter Zwischenschaltung eines klei nen Spielzeugtransformators betrieben. Dieses Gerät, — er hält ein schwarzes Blechkästchen in der Hand — wird mit der Steckdose verbunden und liefert am Ausgang, der die Anlage mit Strom speist, eine Spannung von nur 20 Volt. Diese Spannung ist absolut ungefährlich, und die Stecker sind so gebaut, daß auch die verwegensten Bastel künste eine Umgehuna des Transformators nicht errv chen können. Verkehrte Welt. Man war immer der Meinung, der Hauvtwert eines Spielzeuges liege darin, die Phantasie des Kindes zu be schäftigen. Wir entsinnen uns, daß uns selbst in leiden schaftlichen Spielstunden ein Stuhl zum Pferd, eine Fuß bank zum Schlitten und ein Holzscheit zum Gewehr wur den. Diese Um- und Ausdeutung dürfte der heutigen Jugend fremd geworden sein. Der Weihnachtsmann ver fügt über eine umfangreiche Briefsammlung^ die ihm von Jungen und Mädchen geschrieben wurde. Sie geben Lob und Tadel darin. Der Hauptteil umfaßt allerdings und tatsächlich „Beanstandungen": „modellgetreu" ist die mo derne Parole und weh^ wenn dagegen verstoßen wird. Die Kleinen sagen es den Großen ordentlich. Da beschwert sich ein Junge über die Ausführung des Packwagens in seinem elektrischen Zug. Am Bremshaus sei die Ausbuchtung der Bremskurbel fälschlich in der Mitte angebracht, — sie ge höre vielmehr auf die linke Seite. Diest Rüge stammt aus der letzten Zeit und hat den Weihnachtsmann tatsäch- lick etwas verlegen gemacht. Denn es ist im Werk Vorsorge getroffen, daß der Grundsatz der Modelltreue bi» ins Letzte verfolgt wird. Lokomotiven und Waggons werden nach Originalplänen der großen Waggonbaufirmen hergestellt, . - stummen aus oen Werkstätten der Reichs ¬ bahn und die Beschriftungen werden laufend durch einen höheren Bahnbeamten geprüft. Das Prinzip stellt die Konstruktionsbüros des Weih nachtsmanns vor interessante Aufgaben. Als im vergan genen Jahr der Sankt-Eott- Hard-Tunnel Jubiläum fei erte, bauten die Schweizer als praktische Ehrung eine große elektrische Lokomotive, den „grünen Kilian", dessen Bau eine run de Million Eoldfranken kostete. Nicht viel später lies auch in Weih nachtsmanns Werk die erste Nachbildung auf den „Prüf geleisen". Die französi schen Staats bahnen wollten vor einigen Jahren das dü stere Schwarz- grün ihrer Lo komotiven auf hellen und ließen zur Probe einige neue Supermaschinen in einem schönen Hellgrau malen, aus dem die schwarzen Buchstaben »Ltat« von der Flanke des Führerstandes förm lich herausknallen. Sollten Franzosen diese Maschinen in ihrer Heimat noch nicht gesehen haben, so mögen sie sich zum deutschen Weihnachtsmann bemühen, der seit langem das Modell in zahlreichen Exemplaren besitzt. Zwt ckem prükkonck. kecke Lpielreusiokvmotive vvirä von Dipl -Ing. tVeiknooktsmnnn nuk Herr un6 kdsrso ee- prült, eke sie ckie kimmdscde XVerkstait ver- iLsseo 6ark. Es versteht sich von selbst, daß der Krukenberg-Zepp, der fliegende Hamburger und andere Svezialgefährte nicht fehlen di'»^- Vom Zöpfen, Löten und Schweißen. Nachdem wir uns an diesen Herrlichkeiten satt geguckt hatten, führte uns der Weihnachtsmann durch das Werk. Wir wanderten von Saal zu Saal, hörten das Stampfen der Stanzen, das Fauchen der Farbpistolen. An langen Werktischen saßen Hunderte von Frauen und Mädchen, lustige Schwäbinnen mit dunklen Knopsaugen, und dazwi schen manches Eroßmütterchen. In der Stempelschlosserci, in der die Formstempel für die Stanzen aus hartem Silber stahl gedr^., und gefräst werden bemerkten wir die gut geschnittenen Physiognomien des süddeutschen Feinmechani kers, dieses Grüblers und Tüftlers im deutschen Hanowerk. Ein großer Waggon wird mit zwei Stanzendrücken fertig. Die Zusammensetzung erfolgt durch das sogenannte „Zäpfen": vier kleine Blechnasen werden am Gegenstück in kleine Schlitze gesteckt und umgebogen. Teurere Ware wird gelötet oder gar geschweißt. Wir wollten unserem Weihnachtsmann zeigen, daß wir auch was vom Fach verstünden, und fragten nach der elek trischen Punktschweißung, die eine absolut unsichtbare und überaus schnell vorzunehmende Verbindung von Metall, teilen gestattet. Da kamen wir aber an den Unrechten, — der biedere Alte lachte uns aus und führte uns in einen Saal vor zwei „Veteranen", wie er sagte, elektrische Schweißmaschinen, die lange vor dem großen Krieg schon in Gebrauch waren und noch heute ihren Dienst verrichten, Und dann di« kleinen Maoqen . . . Auf unserem Rundgang stießen wir dann plötzlich auf ein herrliches Spielzeug, das eigentlich die große Tradition des Werk» darstellt: Spielzeugherde. Auch hier — der Kleintransformator, der den elektrischen Betrieb völlig gefahrlos macht, hat die althergebrachten Herde mit Spiri- tusfeuerung entthront. In der Puppenküche ist die neu zeitliche Küchenmaschine, der Elektroherd, tonangebend. Den kleinen Mädchen von heute, den Hausfrauen von morgen oder übermorgen, wird so schon zur Gewohnheit, was un seren Hausfrauen nock al« besonders modern erscheint. Levtfenbrtnger. Als wir mit dem Weihnachtsmann vor dem Werkstor standen, gab er uns ein nachdenkliches Wort mit aus den Weg: „Es werden hier zwar nur Spielwaren hcrgestellt, die zum Leben nicht absolut notwendig sind. Aber Kinder freude darf nie und nimmer unterschätzt werden. Und dann: die deutsche Spielwarenindustrie war in der Welt einmal tostangebend: noch heute, trotz der japanischen Kon kurrenz, geht ein übergroßer Teil unserer Produktion ins Ausland und bringt uns Devisen und Rohstoffe. So arbei tet dieses Werk nicht nur für 720 Volksgenossen und ihre Familien, sondern für das ganze deutsche Volk."