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Urbckocreebtscbutr: künk lürme-Vorlac! Naue (8aale^ 8) Nachdruck verbalen. Sie erschauerte in Seligkeit. Verstohlen fand sich ihre schmale Hand in die seine, und er hielt sie mit festem Griff, als wolle er sie niemals mehr lassen. Der Zug war nur wenig besetzt, und eine Banknote oeranlaßie den Schaffner, dafür Sorge zu tragen, daß Westin und Renate allein im Abteil blieben. Schrille Pfiffe ertönten, der Signalstab des Bayn- bediensteien senkte sich, und langsam begannen die Räder vahinznrollcn. Abschiednehmend überflog Renate das letzte Bild der Stadt, das sich ihr bot: die flutenden dichter, die schreienden Reklamen — doch ihr Herz emp fand nichts von dem Weh, das Abschied sonst bringt. Sanft fühlte sie sich umschlungen. „Renate!" vernahm sie eine Stimme dicht an ihrem Ohr. „Renate! 'Hast du mich wirtlich so lieb, daß ich von jetzt an dein Einziges bin in der Welt?" Schüchtern schlossen sich ihre Arme um seinen Hals, und ivr Köpfchen ruhte an seiner Brust. „Du — mein alles!" zitterte cs von ihren Lippen. Da neigte er seinen Kopf, und sein Mund suchte den ibrcu iu berauschendem ersten Kuh glückhafter Verbunden heit ... Zn BcrUn angciommen, »ncie^ rvenni seine Brant einer vornehmen Pension in Charlottenburg ein. „Nun wollen wir aber deine Verwandten benachrich tigen, daß in einer Woche Hochzeit gehalten wird!" meinte e; zärtlich Und er schrieb in artiger Form an Friedrich Müllner und seine Gemahlin. Dock als Gcgcngruß traf keine einzige Zeile ein — bloß Nnaics Papiere uns die Erklärung, sah sie seit ihrem achtzehnten Geburtslage großjährig sei, also tun und lassen könne, was ihr beliebe, wurden gesandt. Kein Glückwunsch, kein mitfühlendes Wort — man nahm es Renate gewiß noch immer sehr übel, daß sic Artur Merker einen Korb gegeben habe und hinausgcslohen war ins Leben, in oem sie sich nun zurechtfand, in dem ein Mann an ihrer Seite stand, der ne zu behüten und zu beschützen gedachte. « Wäre Renale in Elend und Rot dagestanden und hätte um Erbarmen gefleht — vielleicht hätten Onkel und Tante sich erweichen lassen, sie wieder aufzunehmcn in ihrem Heim. Hauptsächlich aus dem Grunde, ihr dann hoch- -ryobenen Hauptes tagtäglich vorwersen zu können, welch unverdiente Gnade sie ihr damit erwiesen. Doch diese Renate beging die unerhörte Keckheit, sich ein Dasein zu zimmern, wie es schöner und reizvoller gar nicht ausgcdachl werden konnte — das durfte ihr doch in oller Ewigkeit nicht verziehen werden. Renate gab es wohl einen Stich durchs Herz, als sie -ikannte, wie wenig wahre Zuneigung ihr bisher ent- gcgcngebracht worden war. Doch die Zärtlichkeit ihres Verlobten machte alles wett. Ganz in der Stille sand die Trauung statt. Wenige Menschen nur erschienen in der Kirche, dafür war das Gotteshaus mit Blumen und Blattpflanzen ausgeschmückt, und alle üichter, die die Kirche hatte, strahlten in mildem Glanze: „Wir leuchten dir ins Glück!" „Und nun will ich dir ein wenig die Welt zeigen, süße RenateI" sagte Hans Westin. „Ueberläßt du mir die Route für unsere Hochzeitsreise?" Sie nickte zu ihm empor. „Nicht nur die Route zu unserer Hochzeitsreise — die Route durchs ganze Leben liegt in deinen Händen, und wohin du deine Schritte lenkst, will ich dir folgen." Und dann küßten sie sich immer wieder — etngehüllt tn seligste Zweisamkeit. Wie in einem Taumel, aus dem es kein häßliches, er nüchterndes Erwachen gibt, rauschten die Tage vorbei. „Heute will ich dir mal etwas Besonderes zeigen, Herzchenl" meinte er einmal, während er Renates Blond haar kosend streichelte. „ „Was denn, Hans?" „Einen Spielklub." Schatten umdunkelten ihre Stirn für eine Sekunde. „Spielst du gern, Hans?" Er schüttelte mit dem Kopfe. „Nein. Ich finde keinen besonderen Reiz daoet. Denn ab und zu — so alle paar Jahre einmal — ein kleines Spielchen mit vernünftigem Einsatz zu riskieren, ist noch lange keine Leidenschaft. Ich spiele nur, wenn ein be sonderer Anlaß dazu vorliegt: Wenn mich ein Freund ausdrücklich bittet, ihn in seinen Klub zu begleiten oder wie heute: um es meinem süßen, kleinen Frauchen ein- mal zu zeigen.' Sie klatschte in die Hände. „So lasse ich es mir gefallen, Herzallerliebster! Ja, gehen wir, wenn du willst!" Die Säle deS Spielklubs, tn den sich Westin mit seiner reizenden Gattin begab, waren prunkvoll eingerichtet — doch Renate hatte sich nun schon an Glanz und Schönheit gewöhnt, und wenn sie sie auch noch bewunderte, so über- wältigte st« ein pompöser Anblick nun keineswegs mehr. Der eine Saal war in Wetß-Gold-Purpurrot gehalten, der zweite in Grün-Stlber-Braun und der dritte tn tWolett-Bronze-Orange. „In welchem soll ich mein Glück versuchen?" fragte Westin. Nenaic lächelte schalkhaft zu ihm empor. „Ich glaube, tn keinem, wenn sich das Sprichwort be wahrheitet: .Glück in der Liebe, Unglück im Spiel!' Du rannst also nur dein .Unglück' versuchen, Hans " Er küßte ihre Hände. „Ich werde mit Freude verlieren. Doch suche dir das Plätzchen aus, an dem ich dem Schicksalsgott mein Opfer Vorbringen soll." Renale schaute sich musternd um. „Ich trage heute ein maisgelbes Abendkleid mit kupferrotem Jäckchen — in welchen Saal passe ich damit am besten?" meinte sie schließlich übermütig. Er rat, als sei er vor ein schweres Problem gestellt und runzelte die SUtn in gekünsteltem Ernst. „Das ist schwierig zu beurteilen, Renate, denn mit deiner Schönheit wirst du jede Umgebung in Grund und Boden schlagen. Doch versuchen wir es mit dem Viole^t- Bronzc-Orange-Saal." Arm in Arm betraten sie den Sam Da stand plötzlich, wie aus dem Boden gewachje», cme Frau vor ihnen und funkelte sie aus grünlich-schillernden Augen an. Ihre Züge zuckten in Unruhe. „Was muß ich sehen! Diese Ueberraschung! Es war Daisy Fleß. Sie trug ein grelles Kleid mit grotesk-verzerrtem Muster, und ihr Antlitz war mit noch mehr künstlichen Mitteln aus „schön" hergerichtet als seinerzeit in Wien. Für eine Sekunde schien es Renate, als greife eine eisig kalte Hans nach ihrem Herzen. Doch gleich darauf schalt sie sich töricht. „Gnädige Frau! Ich bin aufrichtig erfreut, Sie wicderzusehen, denn Ihnen danke ick all das Wunderbare, das ich erleben durfte." „Das wäre?" Ihre Züge drückten Spannung aus. „Darf ich ein bißchen mit Ihnen plaudern?" bat Renate. „Mein Mann will ohnedies heute ein wenig ver suchen, ob er bei Fran Fortuna in Gnade steht oder nicht, da..." Daisy unterbrach die junge Frc.„. „Ihr Mann? Nicht bloß Ihr Freund?" Und als Renate errötend bejahte, fuhr Daisy ge zwungen fort: „Da bin ick allerdings begierig, zu er fahren, wie Sie das so klug einzurenken verstanden." Sie wandte sich an Westin. „Ulrich sitzt dort drüben. Er hat heute gerade ein biß chen Glück. Wollen Sie nach ihm sehen, Herr Westin? Ich plaudere inzwischen mit Ihrer Gattin — und wenn wir zu Ende sind, schaue ich nach, was es am Spieltisch Neues gibt. Einverstanden?" Hans Westin war nicht sonderlich erfreut, Daisy Fleß und Ulrich Preberg hier zu treffen. Sie schienen ihm nicht der richtige Umgang für seine Frau. Doch er empfand, daß er ihnen verpflichtet war, weil er durch sie Renate kennengelernt hatte. Die Motive, die damals für Daisy und ihren Freund eine Rolle spielten, schaltete er ganz aus; die Tatsache, daß sie ihm das Schönste geschenkt hatten, das das Dasein ihm bescheren konnte, blieb allein bestehen. Er verneigte sich. „Ich werde ihn gleich begrüßen, gnädige Frau, und vertraue Ihnen inzwischen meine Renate, mein kostbarstes Kleinod, an." Ein kurzes, inniges Nicken, ein herzlicher Blick, den die Ehegatten tauschten, und mit seinen elastischen, weit ausholenden Schritten ging Westin von dannen. Versunken schaute Renate seiner Hünengestalt nach. . Daisy lachte spöttisch: „Wie lange sind Sie denn schon verheiratet?" Renate fuhr auf: „Uebermorgen werden es zwei Monate. Mein Mann hatte lange keinen Urlaub in seinem eigenen Unternehmen genommen; nun nützt er die Zeit gründlich und holt das Versäumte nach, wie er sagt. Doch in etwa vierzehn Tagen ist es Ernst — dann sind die Flitterwochen um, und wir kehren heim tn die Tretmühle der Arbeit." Ihr lachendes Gesichtchen strafte die ernsten Worte Lügen; unschwer vermochte man es Renates strahlenden Augen abzulesen, daß ihre Flitterwochen noch lange nicht beendet waren, daß sie vielleicht — nein, gewiß, das ganze Leben hindurch dauern würden. Wie damals in Weidling, erwachte nun auch wieder häßlicher Neid in Daisys Seele. Alles, alles hatte diese Frau ihr nun voraus: Jugend, Schönheit, Reichtum, einen Mann, der sie vergötterte — diese Frau, die sie als ihr willenloses Werkzeug betrachtet hatte, als sie sie mit sich nahm in den „Lachenden Faun". Und diese Frau war es gewesen, die durch ihren Aus ruf Westin gehindert hatte, gedankenlos den Kontrakt zu unterzeichnen, den Preberg ihm vorlegte. Um Renates willen hatte sie fliehen müssen auS ihrem kostbaren Weid- ltnger Heim, aus ihrer bizarr eingerichteten Wiener Wohnung — fliehen mit dem Nötigsten und mit der ein zigen Möglichkeit, ihren Schmuck zu reiten. Alle« andere batte Zurückbleiben müssen, wollte sie nicht das Schicksal ,r>rr», vuv Pteverg yarr oeoroytc: rseryafier^zv rmTrysn wegen betrügerischer Schulden. Heißer Zorn gegen Renate, die sie als Urheberin all dieses Unheils betrachtete, stieg in ihr auf. Mil scharfen^ Blicken erspähte sie, daß Westin einen Bekannten getroffen! hatte, mit vcm er eben einige Worte wechselte. Sie wollte! die Gelegenheit nützen. „Warren Sie hier ein wenig, Frau Westin", meinte sie mit heuchlerischer Liebenswürdigkeit und schob Renale zu einem reizenden Plätzchen im Palmengarten. „Ich muß meinem Freund nur rasch einen guten Rat für das Kartenspiel erteilen — ich bin nämlich eine ausgezeichnete^ Spielerin, müssen Sie wissen — und dann komme ich! gleich wieder zu Ihnen zurück." Renale nickte zuvorkommend. „Bitte, gnädige Frau, lassen Sie sich meinetwegen ja nicht stören. Ich bleibe ganz gerne ein wenig hier sitzen und lasse die fremde Umgebung auf mich einwtrkcn." Geschmeidig, wie eine Viper, eilte Daisy zu Preberg. „Paß auf für eine Sekunde!" An ihrem Ton erkannte er, daß es sich um Wichtiges handelte, und widerspruchslos übergab er seine Karten einem anderen Herrn, streifte ein, was er bisher ge wonnen hatte, und erhob sich. „Was gibt es, Daisy?" Sie zog ihn in eine Ecke und versicherte sich durch vor sichtige Blicke, daß sie nicht belauscht wurden. Dann klärte sie ihn in kurzen Worten über das unerwartete Zusammen treffen mit Westin und Renate auf, die nun ein Paar waren. „Ulrich", fügte sie mit vibrierender Stimme hinzu, „das Schicksal hat dir die Rache in die Hand gegeben — die Rache dafür, daß Westin damals deinen Vertrag nicht unterzeichnete und uns beinah ins Verderben stürzte." „Was soll ich tun, Daisy?" Ihre Pupillen wurden klein und scharf. „Du bist doch unumschränkter Herrscher der Karten", zuckten ihre Lippen höhnisch. „Lasse ihn deine Macht fühlen, Ulrich!" Sein Gesicht blieb unbewegt. „Einem vernünftigen Rat folge ich immer gern, Daisy — und dieser Nat ist vernünftig. Westin wird den heutigen Abend nicht sobald vergessen." Und güt selbstbeherrschter, eisiger Miene begab er sich wieder an den Spieltisch. Befriedigt eilte Daisy zu Renate zurück. Sie fand sie allein und nahm neben ihr Platz. „Was ich eigentlich fragen wollte", begann die junge Frau die Unterhaltung. „Was wurde aus Minette, als Sie so schnell von Weidling abreisten? Und warum über haupt die plötzliche Reiselust? Ach, gnädige Frau, mir wäre viel Leid erspart geblieben, hätte ich Sie angetroffen.' Doch ich will nicht mit dem Schicksal hadern, denn es prüfte mich wohl hart, jedoch nur kurze Zeit, und hat alles so gewendet, wie es am besten ist." „Wenn es nur auch so bleibt!" Daisy nahm sich zu sammen, und Liebenswürdigkeit verklärte ihr Gesicht. „Nun will ich aber die Unmenge Fragen beantworten, die Sie an mich richteten. Warum ich so plötzlich abreiste? Mein Gott, Ulrich traf seine Dispositionen für ein groß artiges Geschäft — da gab es keine Ueberlegung. Uno Minette? Sie steht nicht mehr in meinen Diensten." „Ließ sie sich etwas zuschulden kommen?" Nachlässig zündete sich Daisy eine Zigarette an. „Ich glaube schon — sonst hätte die Polizei sie nicht verhaftet." Renate machte große Augen. „Minette wurde verhaftet? Ja, warum denn?" Daisy streifte die Asche ab. „Ich weiß es nicht genau. Wozu ein solch langweiliges Thema?" Unmöglich konnte sie Renate die Wahrheit gestehen: Daß Minette nur der Sündenbock gewesen war, den man erwischt hatte, der aber bald wieder freigelassen werden mußte, da man der Zofe nichts Bestimmtes nachzuwetseu vermochte. Und was später aus ihr geworden war, wußte Daisy wirklich nicht zu sagen; denn Dankbarkeit kannte sie nicht. Ihr waren die Menschen nur Werkzeuge, Puppen, die sie hin und her zu schieben versuchte, wie sie sie brauchte. Wer unnütz war, wurde ausrangiert, und sein Name erlosch für Daisy zu undeutlicher Erinnerung. Renate hätte sich gern weiter nach Minettes Schicksal er kundig^ doch sie fürchtete, Daisy dadurch zu erzürnen. Und in ihretn Herzen glühte so viel Dankbarkeit für Frau Fleß, daß sie alles unterlassen wollte, das diese eventuell un angenehm empfinden könnte. Daisy hatte ihren Platz in der Palmengruppe so ge wählt, daß sie den Tisch überblicken konnte, an dem Preberg, den Westin inzwischen begrüßt hatte, sich neben Renates Gatten niedcrließ. Sie sah, wie ihr Freund die Karten verteilte — sie sah, wie fein Partner ununter brochen neue Summen auS seiner Brieftasche holen mußte, die sich bald vor Ulrich Prebergs Platz häuften. Teuflische Freude erfüllte ihr Herz, während sie weiter plauderte. Renate merkte nichts, Renate durfte nichtS! merken. „Wir können jetzt für einige Zeit zusammenbletben", meinte Daisy süßlich. „Ihr Gatte scheint ja ein leiden schaftlicher Spieler zu sein — da paßt er zu Ulrich." « Erschrocken wehrte Renate ab: „Nein, nein, Hans spielt fast nie; wir sind heute nur da, weil er mir einmal einen Sptelsalon zeigen wollte. Auch können wir nicht zusammenbletben, gnädige Frau, da wir ja bald heim müssen." Daisy empfand die Abweisung, die tn den Worten der jungen Frau lag. Und das entfachte den Zorn tn ihrem Herzen zu Hochglut. Ich werde dich für diese Worte bestrafen!, dachte sie bet sich, während sie von der wundervollen Saison im Süden, von der letzten Mode und dem neuesten Skandals von Nizza sprach l^ortleüuna iolat.).