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tH'ekcrrcclikcliutr: Punk I'ürmc-Vc,lag N-iIIc (8-i.iIci. 5) Nachvruck verboicn. »Das weiß ich selbst nicht. Mir schwant blak - iwns sehr Unangenehmes sein wird." „Und was ist mit mir?" .Du jährst nun heim, lieferst dein ou ^-a)u,a;en und verhältst dich zu Hause so lange ruhig, bis telc- ironische Nachricht von mir eintrifst. Vielleicht wird es gut sein, du packst in Eile die nötigsten Dinge — du ver stehst mich doch, Daisy?" Sie war nun wieder ganz ruhig geworden. — Wenn er galt zu handeln, konnte er sich auf sie verlassen, das wußte Preberg, und darum war sie ihm in den meisten Fällen, in denen er Leute schädigte, um selbst gut leben zu können, von unschätzbarem Wert. .Ich werde an meinem Platze sein!" erwiderte sie fest. Dann nickte sie abschiednehmend und sprang in das Auto. .Nach Hause!" rief sie dem Chauffeur zu, und federnd setzte sich der Wagen in Bewegung. Lange sah Preberg dem Gefährt nach. Dann zündete er sich bedächtig eine Zigarette an und blies den Rauch in die Luft. .Schade, Daß die Kleine zu einer Mitarbeiterin für einen Mann meines Berufes untauglich ist. Ich hätte sie nicht ungern gegen Daisy eingctauscht!" sagte er leise, wie zu sich selbst, ehe er gemessenen Schrittes von dannen ging. Den Türwart, der mit gezogener Mütze seines Obolus harrte, übersah er geflissentlich. In böser Laune saß Daisy im Fond des eleganten Wagens und schwieg. Renate hielt die Rosen Westins mit beiden Armen an ihre Brust gepreßt und wagte das drückende Schweigen nicht zu unterbrechen. Endlich drehte Daisy die elektrische Beleuchtung an und sah aus ihre Armbanduhr, ein kostbares Stück, das von Brillanten flimmerte und flirrte. .Erst zwei Uhr!" fauchte sie wütend. „Wir könnten uns jetzt noch glänzend amüsieren, wenn Sie nicht so un beschreiblich ungeschickt gehandelt hätten." „Abel ich konnte doch nicht anders", wehrte Renate ' verzweifelt die Vorwürfe ab. .Wenn Sie nicht anders konnten, dann schön und gut!* erwiderte Daisy Fleß verbissen. „Dann gehören Sie auch 'n das Milieu, in das das Schicksal Sie verpflanzt hat. Seien Sie froh, wenn Artur Merker Sie heiratet. Sie sind ja genau so philiströs wie er. Beklagen Sie sich niemals — was Ihnen auch begegnen mag, das haben Sie sich selbst zuzuschreiben." Renate sank in sich zusammen und entgegnete nichts. Sie sühlte sich zum Sterben unglücklich und dachte nur mit Grauen an die Zukunft. „Er — er hätte bloß ein bißchen auf mich hören sollen, dann wäre alles besser geworden!" seufzte sie nach einer Weile trostlos. Daisy Fleß beachtete sie nicht mehr. Für ihre Zwecke war Renate erledigt, und sich mit unnützen Gefühlen abzugeben, lag der mondänen Frau fern. In ihrer Villa angekommcn, läutete Daisy Minette aus dem Schlaf. „Helsen Sie mir beim Auskleiden und legen Sie die kleinen Kösser bereit." „Jawohl, gnädige Frau." Minette war gewöhnt, sich über nichts zu Wundern. Nachlässig wandte Daisy Fleß sich an Renate, die mit mühsam erkämpfter Fassung im Hintergrund stand «»d kein Wort zu sprechen wagte. „Geben Sie Ihre Blumen her!" Das junge Mädchen erschrak. j „Meine Rosen? Die Rosen, die ich von...?" Daisys Stimme klang beißend. „Erhielten Sie vielleicht auch von einem anderen Manne Blumen als von Westin? Meines Wissens nicht. Wozu also die Frage? Geben Sie her!" Renate zitterte. Ihr war, als würde man ihr das Höchste rauben, das das Leben für sie zu bieten hatte. „Warum denn, gnädige Frau?" Daisy wurde ungeduldig. „Seien Sie doch nicht so schwerfällig. Haben Sie viel- leicht die Ausrede vergessen, die wir Onkel und Tante gegenüber gebrauchten? Ich habe nicht Lust, mich zu blamieren. Und wenn Ihre Verwandten die Rosen be merken, können sie den wahren Zusammenhang unschwer erraten." Renate kämpfte mit sich. Zum ersten Male im Leben ersann sie eine Ausrede. „Könnte ich nicht sagen, gnädige Frau, ich hätte die Rosen von Ihnen zum Geschenk erhalten, wenn ich ge fragt werden sollte? Uebrtgens — wer weiß, ob jemand den Strauß zu Gesicht bekommt. Ich werde ihn sorgfältig Verbergen." Daistz, erfüllt von dumpfem Zorn gegen Renate, fand Freude daran, das junge Mädchen zu quälen. „In meinem Garten wachsen so wunderbare Exem plare nicht — die Ausrede würde Ihnen kein Kind glauben. Rein, nein! Sie müssen mir den Strauß geben." Und mit harter Hand entriß sie ihr die Blumen, um sie Minette znzuwerfen. „Da — stecken Sie sie irgendwohin und achten Sie vorauf, Daß Fräulein Ohlsen Sie nicht mit sich nimmt, wenn sie nach Hause geht. Ich wünsche es nicht. Sollten Sie wider meinen Befehl bandeln, Minette, haben Sie sich die Konsequenzen selbst zuzuschreiben." „Jawohl, gnädige Frau." Minette, die ein gutes Herz besaß, bedauerte Renate im geheimen — doch sie hütete sich, auch nur ein Wort laut werden zu lassen. Kannte sie doch zur Genüge den Jäh zorn ihrer Herrin. So entfernte sie sich mit den Rosen In grenzenlosem Schmerz starrte Renate ihr nach. Run war ihr das einzige genommen, das sie verband mit der wehen und doch süßen Erinnerung an den Mann, dem ihr Herz entgegenflammte. Tränen verdunkelten ihre Augen. Daisys Stimme, die, nun leinen Funken von Liebens würdigkeit mehr aufwies, entriß sie dem Leid, dem sie sich selbstvergessen hingegeben hatte. „Was stehen Sie da und schauen? Kleiden Sie sich um; ruhen Sie dann ein wenig oder auch nicht, und gehen Sie um sechs Uhr nach Hause, damit Sie nur ja rechtzeitig kommen, um Artur Merker ein freudiges .Ja!' zuzu- jubeln. Aus Wiedersehen!" , Ohne ihr die Hand zu reichen, verließ Daisy Fleß das Zimmer. In haltlosem Schluchzen stand Renate da. Minette huschte herein. „Ich habe schon gehört, wie ungeschickt Sie waren, Fräulein Ohlsen. Mein Gott! Wie kann ein Mensch sein Glück nur so voq sich stoßen! Die gnädige Frau hat recht — Sie selbst tragen die Schuld an dem. was Sie nun trifft. Ach, wäre ich an Ihrer Stelle gewesen! Mit beiden Händen hätte ich zugepackt — mit beiden Händen." „Minette!" Daisy Fleß' ungeduldige Stimme durchhallte das Haus. Minette zuckte zusammen. „Ich muß gehen. Drüben, im Gastzimmer, liegen Ihre Sachen. Soll ich zu Ihnen kommen, Ihnen zu helfen, wenn ich mit der Gnädigen fertig bin?" „Danke, Minette — nein! Aber es tut mir wohl, daß Sie so freundlich zu mir sind." „Mein Gott! Unsereiner hat doch auch ein Herz. Ich bedaure Sie halt." „Minette! Wie lange soll ich noch warten?" Daisys Stimme überschlug sich in Zorn. „Ich bin schon da, gnädige Frau." Und die geschmeidige Minette huschte aus dem Zimmer. Renate stand allein da. Mit müden Blicken schaute- sie auf ihr Bild, das ein langer Spiegel ihr zuwarf. Glanz los und todtraurig lagen die Augen in dem bleichen, schmerzverzerrten Gesicht; der herb geschlossene Mund ließ nicht ahnen, daß er noch vor kurzem glückselig zu lächeln vermochte. Mit schleppenden Schritten ging das junge Mädchen hinüber in das Gastzimmer und kleidete sich um. Jede Bewegung trennte sie von der Vergangenheit, von dem einen Abend, der ein Markstein bleiben würde für ihr ganzes Leben. Für ihr Leben, das sie an der Seite Artur Merkers verbringen sollte... Renate schauderte. Nun stand sie wieder in ihrem Alltagskleidchen da — das Aschenbrödel, das sie bisher gewesen. Wie ein Traum, aus dem es furchtbares Erwachen gab, mutete sie alles an. Ein Traum, den sie nie mehr träumen würde — denn nie mehr würde sie Hans Westin Wiedersehen. Trostlosigkeit übermannte sie, und haltlos schluchzend sank sie auf das Sofa. Wie lange sie so in Tränen aufgelöst gesessen, ver mochte Renate nicht zu sagen. Als sie endlich den Kopf hob, stand die Sonne in strahlender Helle am Himmel. Renate sprang auf. , Kein Zweifel, es konnte nicht mehr sechs Uhr früh sein, die Zeit, zu der sic heimkehren wollte; der Tag war gewiß schon viel weiter vorgeschritten. Sie hatte sich in den Schlaf geweint und nun die Stunde versäumt, in der sie Daisy Fleß' Villa verlassen sollte. Beschämt schlich Renate auf den Flur. Dort traf sie auf Minette, die blaß und nervös umhertrippelte. Sie schaute Renate an, als sähe sie sie zum ersten Male. Ihre Gedanken weilten ganz woanders. „Ach, Sie sind noch da, Fräulein Ohlsen", meinte sie flüchtig. „Ich vergaß Sie ganz. Nun schauen Sie aber bloß, daß Sie nach Hause kommen, damit Sie nicht allzu viele Vorwürfe von Ihren Verwandt" ' anrubör-n brauchen." Renate faßte allen Mut zusammen: „Minette, seien Sie gut und geben Sie mir meine Rosen — ich bitte Sie inständig." Minette zögerte. „Wenn ich wüßte, daß..." _ Sie unterbrach sich, um dann in bestimmiem Ton zort- zufahren: „Leider unmöglich, Fräulein Ohlsen! Ich würde meine Stellung riskieren — das können Sie von mir doch nicht verlangen? Wenn ich bleiben kann, ist eS mir schon dSS liebste, bet Frau Fleß zu dienen und..." Sie unterbrach sich abermals und versuchte ein Lächeln, das jedoch gleich wieder erstarb. „Zerbrechen Sie sich Ihren Kopf nicht über meine Worte, Fräulein Ohlsen — wenn was Wahres an ihnen dran ist, werden Weidling und, Klosterneuburg bald um eine Sensation reicher sein. Damit lassen Sie eS nun genug sein, und gehen Sie heim — ohne Rosen. Guten Morgen, Fräulein Ohlsen." Vom nahen Kirchturm schlug die Uhr mit neun Hellen, melodischen Schlägen. Renate zuckte zusammen, und die Gegenwart stand mit grausamer Deutlichkeit vor ihr. Onkel tobte zu Hause — Tante seufzte und klagte, weil sic noch nicht da war — und beide würden sie mit den schwersten Vorwürfen überschütten, sobald sie nur die Schwelle betrat. Vom kleinen, kletterrosenumsponnenen Balkon der Mansarde hielt Tante Brigitte schon Ausschau und winkle der Nichte bereits von weitem, sie möge sich beeilen Renates Hände krampften sich ineinander. Natürlich, sie mußte sich doch beeilet», denn um zehn Uhr war Artur Merker angesagt. — und Artur Merker stellte sich auf die Minute ein; er war die Pünktlichkeit, besser gesagt, die Unfehlbarkeit in Person. Ein Gefühl der Gleichgültigkeit hüllte Renate ein, und beinah teilnahmslos ließ sie die heftigen Scheltworte über sich ergehen, die der Willkomm war, den Tante Brigitte ihr bereitete. „Du undankbares Geschöpf — was ich deinetwegen ausstand! Onkel war schon so böse, daß ich die Erlaubnis zu der Nachtwache bet Frau Fleß überhaupt erteilte, ohne vorher seine Erlaubnis einzuholen. Und nun verspätest du dich in geradezu unverantwortlicher WeiH — heute, an dem Tage, an dem du das große Glück machen sollst." „Das große Glück..." Fast tonlos hauchte Renate die Worte vor sich hin. Brigitte Müllner überhörte sie. „Geh jetzt schnell in dein Zimmer und ziehe dein Sonntagskleid an! Und spüle dein Gesicht tüchtig mir kaltem Wasser! Mein Gott, wie blaß du ausschaust! Wenn Herr Merker dich so sieht, überlegt er es sich am Ende und hält gar nicht um deine Hand an." Das junge Mädchen schaute starr. „Wenn er das täte, dann wäre das .große Glück' wahr haftig zu mir gekommen." Die Tante verstand sie nicht. „Was redest du zusammen? Du, me du Gott täglich auf den Knien danken solltest, wenn ein Mann in ge sicherter Stellung wie Merker..." „Ist sie endlich da?" dröhnte des Onkels Baß heraus. „Ja", versicherte die Tante zungenfertig. „Sie eilt bereits, sich für Herrn Merker schön zu machen. Renate lächelte bitter. „Ich gehe schon, Tante." Ohne Hast, ohne Sorgfalt kleidete sie sich um. Immer mußte sie dabei daran denken, wie sie erst vor wenigen Stunden in die wundervolle Toilette aus fließendem Silber mit eingewebten Veilchensträußen geschlüpft war — brennende Freude im Herzen, entfacht von Sehnsucht nach dem Leben, das sie für kurze Zeit dem Alltag ent- reißen sollte, in den Zwang sie preßte. Bisher war das sogenannte „Sonntagskleid" ihr Stolz gewesen, das ihr in seiner hellblauen Zartheit reizend erschienen; nun barg es für sie Schreckliches, denn in ihn» sollte sie dem ungeliebten Manne das Jawort geben. Stimmen ließen sie aus ihrem schweren Sinnen emporfahren. Sie trat ans Fenster und blickte inS Freie. Da schritt eben Artur Merker ins Hausman seiner Seite Onkel, strahlend in wohlwollender Freundlichkeit und Zuvorkommenheit — so ganz anders als sonst, wenn er seiner Neigung zum Tadeln und zum Nörgeln die Zügel schießen ließ. Geradlinig und. korrekt war die Miene, die Artur Merker aufgesetzt hatte. Gewiß, er war ein braver Mann, tüchtig und genau, und Renate sagte es sich immer wieder, daß gewiß tausend andere Mädchen froh gewesen wären, hätte er seine Augen auf sie geworfen. Doch gerade zu ihr paßte er absolut nicht, das fühlte sie mit dem feinen Empfinden ihrer Seele. Eben zog Merker seine Uhr und präsentierte sie trium phierend dem Onkel. „Keine Sekunde zu früh — keine Sekunde zu spät", bemerkte er. „Sehen Sie, verehrter Herr Müllner, Ge nauigkeit ist die Grundbedingung eines richtig eingeteilten Lebens. Ist ein Leben nicht richtig eingeteilt, verliert es an Wert. Habe ich nicht recht?" „Selbstverständlich, selbstverständlich", pflichtete der Onkel ihm bei. „Sie sind ein Mann, Herr Merker, zu dem jede Frau sich gratulieren kann." Merker lächelte geschmeichelt. „Es kommt mir beinah auch so vor. Ich bin der Gatte, der es verstehen wird, seine Frau zur Lebenstüchtigkeit zu erziehen, damit sie Sachlichkeit an oberste Stelle ihres Seins zu stellen weiß und unnütze Phantasten und Träume verabscheuen lernt, da sie nur Unnützes bergen." „Großartig!" stimmte der Onkel ihm zu. „Ich be wundere Sie ehrlich, und wenn..." Das übrige verwehte in Unhörbarkejt, denn die beiden Männer waren ins Haus getreten, wo gewiß schon Tante ihrer harrte und nun ihrerseits Artur Merker mit Kom plimenten überschüttete. , Bald würde sie zu ihr kommen, sie in die „gute Stube" zu holen — und dann, dann würde Artur Merker ihr gegenüberstehen und... Entsetzen überfiel Renate. „Ich kann nicht — nein, nein, ich kann nicht! Ich müßte ja sterben", stöhnte sie. „Hilst mir denn niemand aus dieser Qual?" Das Trugbild eines Hoffnungsstrahles fiel in ihre Seele. (Fortsetzung folgt.)