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^"S,W<ck I (18 F.rqetzmi») , ! Wahrend des uriegcs und der Inflation erinnerte er sich ! seiner deutschen Verwandtschaft. Er ist nämlich schon die ! dritte Generation, drüben — und eigentlich fand ich es j immer nett, daß er überhaupt noch weih, das; er aus i Deutschland stammt. An seinen Paketen haben mir immer rm meisten die großen Pfeffcrportionen imponiert. Ten übrigen Inhalt verteilte ich an arme Leute in der Stadt, > denn wir hier ans dem Lande hatten ja immer noch satt ! zu essen. Er schrieb mir mal, daß er kommen wolle. Ich ; nahm's nicht ernst. Ehrlich gesagt, ich habe seit langem ! nichi mehr an ihn gedacht. Und nun wird cs Tatsache! ' Wir werden alle Fremdenzimmer rüsten müssen. Mit > Kino und Kegel — das klingt nach einer zahlreichen j Familie." > Als Wegmann fori war, trat Frau Kopesch in das ! stille Zimmer, das ihrem Gatten gehörte. Es ging auf ' eine Veranda, die, im Sommer mit Pfeifcnkrant dicht berankt, jedem ungebetenen Blick unzugängig war. Dort ! konnte sich der arme Kriegsverletzte sonnen, ohne die Furcht, die ihn stets beseelte, daß man ihn und seinen » furchtbaren Zustand beobachte. Vor seiner Frau und ! dem alten Diener allein hatte er Scheu uud Scham besiegt. ! Doch zog er auch in ihrer Gegenwart gern ein dünnes ' seidenes Tuch über sein armes, entstelltes Gesicht. Sein Linker Arm war ihm geblieben, war beweglich und nicht s ohne Kraft. Er hatte gelernt, ihn zu benutzen. Ursula Kopesch setzte sich an seinen Rollstuhl, nahm ! »freundlich seine unverstümmcltc Hand zwischen die ihren ! und erzählte, »Ich will sie nicht sehen!" gurgelte Kopesch furchtsam. ' „Das sollst du auch nicht", tröstete die Gemahlin. „Sic werden ja auch nicht lange bleiben. Wahrscheinlich wollen sie doch in die Schweiz. Dahin zielen ja alle reichen Amerikaner!" Der Verstümmelte nickte. „Sollen bald wieder weg. Sollen gar nicht wissen, daß Ich noch lebe. Hörst du? Sollen gar nicht wissen!" „Aber lieber Werner — wie wäre das möglich! Das »«rächte ich nicht fertig. Ich sollte dich verleugnen!" Ja, ja! Doch, doch!" „Sie werden nicht verlangen, von dir empfangen zu werden. Sei doch beruhigt. Aber eine so groteske Lüge.. „Dockt! Doch!" Unruhig tastete seine Hand auf der Decke des Roll stuhles. Der kranke Körper zuckte. Das unselig ver stümmelte Gesicht verzog sich zu einer Grimasse, deren Furchtbarkeit sogar die an so vieles gewöhnte Gemahlin entsetzte. Sie wußte, wie sehr jede Erregung den schwachen zermürbten Körper schaden könne. So gab sie nach. „Versprich", drängte er. „Ich verspreche", sagte sie ernst und wider Willen und -bessere Einsicht. " neun les uapttel. „Sie lassen nach, Fritze", nörgelte Frau Pflaster. „Gestern morgen — heule morgen. Soll das so weitcr- gehen? Oder stecken Sie sich was in die eigene Tasche?" „Mutter!" mahnte Valerie und sah angstvoll- bcschwichtigcnd zu Bodenbach hinüber. Der schwieg. Was hätte er sagen sollen? Wenn er Frau Pflaster nicht so gut, allzu gut, verstanden hätte, wäre er beleidigt gewesen, zornig geworden. So? Wozu? Sie tat ihm leid, und er hoffte nur, daß er von ihr frei werden möchte. Noch aber war sie — sic allein — für ihn Speise uud Trank und Aussicht aus einen neuen, besseren Anzug. Wer weiß, sogar einen warmen Mantel. Zu ver setzen halte er nichts mehr — nichts! Also schwieg er! „Mutter", sagte Valerie noch einmal, „du beleidigst ihn ja." „Wenn er kein böses Gewissen hätte, würde er sich verteidigen!" »Ach!" Valerie sah zu Bodenbach hinüber, der, aus den Hallen kommend, wo er für das Pflastersche Geschäft einkausle, abgerechnet hatte und jetzt, an der Kiste sitzend, stumpf und müde, seinen heißen Kaffee schlürfte. Es war kalt und feucht draußen. Jedes Dach, jede Wärme schien ihm ein begrüßenswertes Glück. Frau Laura aber war un zufrieden: wegen des geringen Verdienstes der Nacht, wegen der ihrer Meinung nach zu teuren Einkäufe? Ach Gott, das war es ja nicht. Sachlich ließ sich weder über das eine noch das andere etwas sagen. Aber Frau Laura hatte die ganze Glut ihres Herzens, das sich seiner letzten Kräste bewußt wurde, auf ihzi geworfen und begann ihn zu hassen, weil er es nicht zu merken schien Mit allzu lauem Lieblichtun und allzu rauhem Herbesein, mit Schmeicheleien und Vorwürfen, beides ohne Grenzen, machte sie ihm das Leben zuweilen unerträglich. Boden bach biß die Zähne zusammen. Wie lange noch — und sie jagte ihn fort wie einen lästig gewordenen Hund! Er hatte ja keine Rechte, war sozusagen zugelaufen. Auf- gesischi! Hatte allen Grund, dankbar zu sein und konme sich nicht wehren, wenn es ihr gefiel, anders zu werden. So löffelte er seinen heißen Kaffee aus, aß sein Bror — ach, nicht in Tränen, sondern, was schlimmer ist, in dumpser Hossnungslosigkeit — und fragte, ausstehend. ruhig, als ob nichts geschehen wäre: „Ist noch Arbeikl für mich?" Rein!" i „Gehen Sie nu? schlafen, Heu vv» «ooenvach". fügte Valerie hinzu. „Sie müssen ja todmüde sein. In der Kälte die ganze Nacht auf den Beinen! Und tmn schon so lange nie mehr richtig im Dunkeln schlafen." „Oh, Fräulein Valerie — das macht nichts. Das Halles ich gut aus!" Er griff nach der Mütze, grüßte. Der Weg war ja nicht! weit bis zur Ackerstraße. In zehn Minuten würde er! bombenfest schlafen. Frau Laura kochte vor Wut! Die beiden! Sie war bodenlos eifersüchtig. Valerie hatte doch den! Emil — auch einen feinen! Den Bodenbach konnte sie doch ihr lassen. Wozu hatte sie den denn von der Straße aufgelesen und in Brot genommen? Nur aus Barm»j Herzigkeit? Was der sich wohl dachte? Man will von soi was doch auch was fürs Herz haben. Gewiß nichts Letztes» und Entscheidendes... Aber doch... , „Was haste denn, Maina?" fragte Valerie. „Ich hab' das Getue satt zwischen dir und dem Frei-, Herrn." Wenn er nicht dabei war, sprach sie immer so! von ihm. „Ich werd's dem Emil stecken. Das ist doch schon nicht mehr anständig!" „Ich und der Bodenbach? Leid tut der mir. So'n! feiner Herr — und so schwere Arbeit — und dazu noch» dein Kujonieren. Unser Emil sagt auch: man müsse den Mann bewundern. Mancher täte was anderes. Aber der! denkt: Arbeit schändet nicht." „Na, siehste!" „Was?" „Daß du in ihn verliebt bist!" „Ist das verliebt, wenn man gerecht ist?" „Was brauchst du gegen den Freiherrn gerecht zu sein? Du hast doch Emil!" „Mutter, mir geht ein Licht auf. Bist du in den Frei-! Herrn verschossen?" § Eine dicke Kohlrübe flog dicht an Valeries Kopf vorbei.! Wenn sie getroffen hätte, hätte sie kein kleines Unglück! anzurichten vermocht. Aber sie lag, ein wenig geplatzt, auf dem harten Steinboden des Gemüsekellers. Schade, daß! die Worte nicht auch nebenbei fielen. Mit denen wußte, Frau Laura zu treffen. Valerie stand einen Augenblick mit offenem Munde! So etwas konnte ihre Mutter ihr sagen? Valerie hatte viel voü dem seligen Herrn Pflaster, der still und fein gewesen war und sich ganz ohne weitere Präliminarien ins bessere Jenseits zurückgezogen, w» keine Laura jedes Tun benörgelte. (Fortsetzung folgt.)