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- ' r-o/r Z die da draußen standen. (Fortsetzung folgt.) 6 « r Er erhob sich. „Las th mir natürlich sehr angenehm - >ch danke Ihnen herzlich, Fräulein Graben. Und jetzt mutz ich gehen." Wie es sie plötzlich störte, das steif klingende: Fräu lein Graben. Sie reichte ihm die Hand. „Auf Wieder sehen!" Er verneigte sich, und sie stand am Fenster hinter dem Vorhang, sah ihm nach, wie er durch das Gittertor auf die Straße hinaustrat. Es begann schon wieder zu schneien. Wie in frohbewegtem Tanz wirbelten die blen denden Flöckchen nieder, woben den herrlichsten Weißen Teppich dicht und dichter, den keines Menschen Hand so meisterhaft zu weben versteht. Regina Graben öffnete das Fenster und sah Holm weiter nach, bis er ihren Blicken entschwunden war. Die frische Schneeluft tat ihrer heißen Stirn gut, und sie merkte kaum, daß sie lange so dastand am offenen Fenster und sich Vie weißen, schimmernden Flöckchen, wie winzige In sekten aus einer Märchenwelt, in ihr Goldhaar verflogen. Ihr war seltsam bange und bedrückt ums Herz. Die Wirtschafterin trat ein, um etwas zu holen. Regina drehte sich um. „Meine Verlobung ist aus, Frau Malwine. Wir wollen lieber nur Freunde sein, Holm Meerhold und ich." Ein wenig heiser klang die Stimme. Frau Malwine schüttelte den Kopf. „Schade! Der alte Herr war doch so froh über die Verlobung! Jammer schade!" Regina zuckte die Achseln: es war eine müde Be wegung. Regina saß im Arbeitszimmer des Verstorbenen am Schreibtisch. Sie hörte die Klingel am Gartentor und dachte mit einem ihr selbst unverständlichen Frohgefühl: vielleicht kommt Holm. Er war nun seit Tagen nicht hier gewesen, und seine Gegenwart fehlte ihr schon sehr, obwohl sie sich das nicht zugeben wollte. Sie wandle den Kops und schaute durch das Fenster hinaus. Im nächsten Augenblick fielen ihr die Nottzzettel aus der Hand, die sie gerade ordnete, und sie sprang auf, öffnete weit das Fenster, um sich zu überzeugen. Sie irrte sich nicht, denn es war wirklich Doralies mit ihrem Vater, .ne.Verlsg, llalls (Laalo) nittags an dem Hause, das einer der berühmtesten Ver- >^idiger Berlins bewohnte. Frau von Stäbnitz war etwas verwundert über den unerwarteten Besuch, aber sie machte schnell noch ein wenig Toilette und betrat dann das Empfangszimmer, in dem Fritz Wolfram und seine Tochter warteten. Ihr erster Blick traf neugierig und scharf prüfend Doralies, dann erst sah sie Fritz Wolfram an. Sie reichte ihm die Hand, die er küßte. „Also wieder einmal in Berlin", lächelte sie. „Letztes Mal mußtest du leider, kaum hier angekommen, schon wieder abreisen." Wieder traf ihr Blick Doralies, die ganz still dastand, und die sich unter dem Blick gar nicht besonders wohl fühlte. Fritz Wolfram lächelte: „Das ist Doralies, liebe Edda! Sie möchte dir sagen, wie leid es ihr tut, daß du ihret wegen Aerger und Aufregung gehabt." Doralies schüttelte ihre Befangenheit ab: „Ja, gnädige Frau, es tut mir leid, aber ich wußte mir damals nicht anders zu helfen. Ich wollte und mußte damals daheimbleiben. Um das zu erreichen, war mir jedes Mittel recht. Seien Sie mir, bitte, nicht mehr böse. Und wenn ich Sie weiter bitten darf: Seien Sie auch der anderen nicht mehr böse, die mir so brav geholfen hat." Frau von Stäbnitz reichte ihr nach kurzem Ueberlegen die Hand. llrbobsrrecbtssokutr: kün Nachdruck verboten. aber ich betone: Gewehrt hat sie sich gegen meinen Plan mit allen Kräften. Doch ich habe nicht nachgelaffen, hab, geweint, bis sie sich fügte. Ein wenig kam noch dazu, daß csie gerade arbeitslos war. Der Notar, bei dem sie an gestellt gewesen, hatte sie entlassen. Sie war nun ein ganz armes Ding und hofft«, wenn sie erst einmal in Berlin wäre, fände sich dort vielleicht eher eine Stellung für sie als in Mooshausen. Wir gingen doch von der Voraus setzung aus, daß du nqch Afrika reistest, lieber Vati! Do wärst du ein Vierteljahr weggeblieben, und inzwischen gedachten wir alles so zu ordnen, daß wenigstens zunächst nichts herauskäme. Gina saß beschäftigungslos in MooS- Hausen, und nun fand sich plötzlich Gelegenheit, umsonst nach Berlin zu kommen, heraus aus dem Stumpfsinn des Alltags. Und vor allem, das wiederhole ich, wollte st« mir helfen. Ich aber mußte Lutz Wiedersehen — ich mußte! Ich weinte vor ihr; sie wurde schwach, und so geriet sie in alles das hinein, wofür Sie ihr jetzt mit der Polizei drohten, gnädige Frau. Recht haben Sie, hunderttausend Menschen werden Ihnen recht geben, aber andere hundert- tausend nicht. Und zu denen gehöre ich. Ich sage Ihnen, Sie hätten, nachdem Sie die volle Wahrheit erfahren, ein bißchen Verstehen und Verzeihen aufbringen müssen." Sie zuckte die Achseln. „Wenn man Ihnen das, was wir beide getan, Gina und ich, in einem eleganten Theater als Lustspiel vorgespielt hätte, würden Sie gelacht und Beifall geklatscht haben. Klug wäre es gewesen, Sie hätten unseren Streich, 'oder meinetwegen unsere Frechheit, auch mit Lachen ausgenommen." Frau von Stäbnitz erhob sich. „Fräulein Wolfram, Ihnen steht wohl am wenigsten eine Kritik über mein Handeln zu. Nach meiner Ansicht ist diese Regina Graven bedeutend mehr zu verurteilen als Sie; jedenfalls war mein Benehmen ihr gegenüber vollständig richtig, eher noch zu milde. Was glauben Sie, wie viele Peinlichkeiten es mir schon bereitet hat und zu weilen noch bereiten wird, wenn ich gelegentlich von Be kannten nach Doralies Wolfram gefragt werden sollte? Nun höre ich noch dazu, es handelt sich nur um eine Stellungslose, die in einem Anwallsbüro gearbeitet hat. Der hat es natürlich in den Kram gepaßt, ein Weilchen gut und bequem bei mir zu leben." Fritz Wolfram erhob sich auch. „Verzeihung, Edda, ich möchte durchaus nicht, daß du durch unseren Besuch Wetter an etwas für dich besonders Aergerliches erinnert werden sollst, und ich glaube, es ist deshalb besser, weyn wir jetzt aufbrechen." Frau von Stäbnitz sah ihn etwas gekränkt an, er- widerte nur: „Wir können ja von erfreulicheren Dingen reden." Er.lächelte: „Wir müssen sowieso fort. Aber ich bitte dich zuvor nochmals um Verzeihung für die Torheit meiner Tochter." Doralies hatte die Lippen fest aufeinandergepreßt; sie brachte hier kein Wort mehr darüber hervor. Wieder küßte Fritz Wolfram die Hand seiner Jugend liebe, aber ihm war es, als sei nun der letzte Hauch ver- flogen von dem zarten Duft des Einst. Ihm gefiel die Art, wie Edda von Stäbnitz die ganze Sache ansah, gar nicht. Er neigte, obwohl er das Geschehene verurteilte, doch mehr der Auffassung von Doralies zu. Draußen auf der Straße machte Doralies, ganz laut: „Uff! Das wäre erledigt! Nee, Fritzchen, deine Jugend freundin gefällt mir ganz und gqr nicht, und ich freue mich, daß ich damals nicht zu ihr gegangen. Ich bin ganz außer mir über das, was sie Regina entgegengeworfen hat." Sie ahnte, was der Vater sagen wollte, und kam ihm zuvor. „Ihr kapiert, ja immer noch, nicht richtig, warum Regina das tat — und ich hab' doch drinnen wieder die Gründe erklärt." Ihr Vater lachte: „Ich habe bestimmt kapiert, du BalA. du..." Sie gingen ziellos weiter, und Fritz Wolfram erzählte seiner Tochter von Peter Konstantin, der damals bei ihm im Hotel gewesen und erklärt hatte, er liebe sie, die er für Doralies Wolfram gehalten. Er schloß empört: „Wie wir jetzt von Frau von Stäbnitz hörten, war dieser Doktor Konstantin aber bei ihrer Begegnung mit Regina im Warenhaus dabei. Ich verstehe nur nicht, wie er, wenn er das Mädel wirklich liebt, dulden konnte, daß sie so be handelt wurde." Doralies nickte befriedigt und sah ihn wohlwollend an. „Hast sehr vernünftige Ansichten, Fritzchen! Deshalb darfst du auch mitkommen zu Regina. Ich habe nämlich ihre Adresse; sie ist Sekretärin bei einem Landgerichts, dircktor a. D., der fachschriftstellerisch tätig ist. Set gut, Vati, wollen gleich zu ihr fahren. Ihr Ches wird uns sicher gestatten, sie zu begrüßen. Sie schrieb mir, er wäre ein lieber alter Herr." Der Besuch bet Edda Stäbnitz, den er sich eigentlich ganz anders vorgcstellt, hatte Fritz Wolfram etwas die gute Laune verdorben, dennoch gab er den Bitten setner Tochter nach. Er kannte Regina Graven, hatte sie aber nur selten und flüchtig gesprochen. Dadurch, daß sie früh eine Stellung hatte antreten müssen, kam sie wenig ins Schlößchen, und tv-»nn, dann huschte sie gleich zu Dora lies hinauf! Lutz Gärtner befand sich bei Doralies Wolfram. Er war ein paar Monate in Frankfurt gewesen, hatte im Büro seiner Firma gearbeitet und war nun gekommen, um Abschied von seiner Braut zu nehmen vor seiner bevor- stehenden Rückkehr nach Indien. DoralieS war vor Kummer ganz aus dem Häuschen und siel ihrem Schatz immer wieder um den Hals, bat: „Nimm dich nur vor Krankheiten in acht und komm gesund wieder heim. DaS ganz« lange Jahr werde ich nichts weiter tun als auf dich WartMH, Lutz." Mir Daler lächelte: „Das kannst du ja tun, aber du äWmW doch dazn nicht in dein Kämmerlein zu verkriechen. Will d« dich in letzter Zeit verhältnismäßig vernünftig SllmvmNnr«. darfst du mich auf Reisen begleiten. Dann »wS' Mr die Zeil nicht ganz so lang werden wie daheim, devE öch."' Lach Gärtner lachte: „Paffen Sie nur gut auf, lieber Schwiegervater, daß Doralies Sie wirklich selbst be gleitet «ad Ihnen nicht etwa eine Stellvertreterin mitgibt." Ein paar Tage vergingen den Liebesleuten im Fluge, und dann kam der letzte Tag, der letzte Kuß. Fritz Wolfram fand sein Mädel nach dem Abschied mit verweinten Augen in ihrem Zimmer, als er sie suchte, um etwas mit ihr zu besprechen, fand „die Henseln", wie er die Wirtschafterin oft nannte, in voller Tätigkeit, ihren Liebling zu trösten. Er schüttelte den Kopf. „Mußt dich nicht so gehen lassen, Doralies. Eine wie du, so 'ne lustige kleine Kröte, eignet sich nicht zur Heulsuse. Komm nachher zu mir 'runter, wollen unseren Reiseplan festlegen." Ein halbes Stündchen später erschien sie schon in seinem Arbeitszimmer, und Fritz Wolfram begann: „Ich schlage vor, wir reisen nach Garmisch-Partenkirchen, um ein bißchen Wintersport zu treiben — ich bin in letzter Zeit etwas dicklich geworden." Er sah sie ernst an. „Zuerst aber fahren wir nach Berlin. Mir gefällt es nämlich gar nicht, wie schief Frau von Stäbnitz deinen Streich auf- faßt, und ich möchte, sie soll dich kennenlernen. Daß sie dich mal vor sechs Jahren sah, davon hat sie scheinbar nicht die geringste Erinnerung zurückbehalten, sonst hätte fle auf gar keine andere 'reinfallen können. Du ähnelst der Doralies von vor sechs Jahren doch immer noch sehr." Doralies zog die Stirn kraus: „Für mich ist's aber sehr peinlich, mit ihr zusammenzutreffen." Ihr Pater machte eine Geste der Verneinung. „Darauf kommt eS nicht an, ob es dir peinlich ist. Ich hatte eS für meine Pflicht, mit dir bei ihr Besuch zu machen, damit du dich persönlich bet ihr entschuldigen kannst." DoralteS verzog den Mund, als hätte sie auf etwas sehr Saures gebissen. Ihr Pater hielt nur mühsam ein Lächeln zurück. „Ich möchte die dumme Sache ordnen, und das geht einfach nicht, ohne daß du dich bei Frau von Stäbnitz entschuldigst." DoralteS seufzte so laut wie möglich. Aus allertiefstem Herzensgrund kam der Seufzer: „Wenn eS durchaus nicht anders geht!" Die Reisevvrbereitungen wurden schnell erledigt, und Hon dret Tage später nahm DoralteS zärtliches Abschied von Frau Hensel. sich mit Doralies vorher schriftlich oder tele anzumelden, klingelte Fritz Wolfram eines Vor „Ihnen, Doralies, will ich rasch und gern verzeihen; schon deshalb, weil Sie die Tochter meines alten Jugend freundes sind. Aber der anderen — nein, der anderen, der falschen Doralies, vergebe ich nicht." Sie machte eine ein ladende Handbewegung. „Bitte, nehmen Sie Platz, lieber Fritz, und Sie, Doralies, natürlich auch." Sie sah Doralies noch immer an, schüttelte den Kopf. „Sie haben gar nicht die geringste Aehnlichkeit mit der anderen, und eS gehört« doch viel Mut dazu, das zu wagen, was die andere gewagt." Man hatte sich gesetzt. „Uebrt- gens traf ich die andere einen Tag vor Heiligabend in einem Warenhause in der Leipziger Straße und sprach sie sogar. Doch ihren Namen weiß ich nicht." Doralies horchte auf. Davon hatte ihr Regina ja kein Sterbenswörtchen geschrieben. Aber sie schrieb überhaupt sehr wenig, und schon seit kurz vor Weihnachten hatte sie keine Nachricht mehr von ihr erhalten. Sie hatte sich aber vorgenommen, Regina in Berlin aufzusuchen, mußte nur Gelegenheit finden, dem Vater für ein paar Stunden zu entwischen. Sie wußte ja den Aufenthalt der Freundin, der sie gern einmal die Hand gedrückt hätte für ihren großen Freundschaftsdienst. Sie fragte etwas erregt: „Und wie war das nun,. gnädige Frau, als Sie die andere trafen und sprachen?" Frau von Stäbnitz hatte plötzlich ein Zornesfältchen auf der Stirn und erzählte mit förmlicher Genugtuung sehr ausführlich, wie das Zusammentreffen verlaufen, wiederholte fast wortgetreu, was sie zu Regina gesagt. Doralies empfand die Demütigung, die Regina zu gefügt worden, voll und ganz. Sie war empört. Ihre Augen blitzten angriffslustig, aber sie schwieg noch, von dem warnenden Blick des Vaters beherrscht. Fritz Wolfram fragte ein wenig betont: „Gingst du nicht vielleicht ein bißchen zu hart gegen die falsche Dora lies vor, liebe Freundin? Eigentlich war es, trotz aller Dreistigkeit, doch ein Stretch, den Freundschaft geboren." Frau von Stäbnitz schüttelte ärgerlich den Kopf. „So sehr mir auch das Mädel gefallen hat, solange ich nichts von dem Schwindel ahnte, so unsympathisch ist fle mir geworden, seit ich Bescheid weiß. Kein Mensch kann aus seiner Natur heraus. Ich bin so. Versetze dich nur in meine Lage und bedenke, daß die dreiste Person, nach dem sie hier fort war, Fräulein Hoff gegenüber noch immer als Doralies Wolfram ausgetreten ist. Wie vielen Leuten habe ich sie, als ich selbst sie noch dafür hielt, so vorgestellt! Das konnte, wenn sie wieder jemand von meinen Be kannten begegnet wäre, die größten Mißverständnisse und Schwierigkeiten für mich ergeben. Das mußte ich ein für allemal gleich unterbinden." Doralies vermochte nicht länger zu schweigen. „Recht mögen Sie, von Ihrem Standpunkt aus, haben, gnädige Frau. Aber Sie hätten das auch anders unter- binden können, weniger scharf und schroff. Es wäre auch gegangen. Im übrigen glaubten Sie an eine Gefahr, die gar nicht bestand. Die andere dachte nicht daran, meinen Namen weiter zu benützen; sie war froh, ihn los zu sein. Regina Gravep hat mir einen ganz großen Freundschafts. ' dienst erwiesen, und es tut mir weh, daß sie zu allem Aerger und Kummer, den sie deshalb bereits gehabt, auch noch eine solche Demütigung einstccken mußte." Sie erschrak sehr. Nun hatte, sie in ihrem Eifer ja doch den Namen genannt, den sie vor Frau von Stäbnitz und ihrem Vater hatte verschweigen wollen. „Regina Graven war die andere? Nie wäre ich darauf verfallen. Ihr hätte ich dergleichen nicht zugetraut." Doralies sah jetzt keine Schranken mehr, nachdem sie das Geheimnis, ohne es zu wollen, gelüftet. Sie sprang auf. Ja, Regina Graven hat mir den Dienst erwiesen,