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(23. Forlsehung) Thomas schauerte zusammen. Wie, wenn dieses Teufelsding einwandfrei funktioniert hätte? Er und sein braver Westermaier lebten dann jetzt nicht mehr. Ucbcr dieser Erwägung vergaß er zunächst ganz, nach dem Warum des Anschlages zu fragen. Erst durch die Frage Westermaiers wurde er auf geschreckt: »Wer war dieser Schurke?" ' . < . „Ja, wer ist es gewesen, Westermaier?" „In Frage kommt nur ein Mensch mit ganz nngewöhn- lichen technischen Kenntnissen. Das verrät die Kon struktion." Auf einmal durchzuckte Thomas Burian ein Gedanke: „Schaeffer!" Halblaut murmelte er den Namen vor sich hin. „Jawohl, Schaeffer ist es gewesen, Herr Burian." Aber in diesem Augenblick hatte Thomas auch schon wieder den Verdacht von sich abgeschüttclt. Nein, Schaeffer konnte es nicht gewesen sein, der war doch sein Freund. Das konnte doch nur einer getan haben, der ihn haßte. Aber wer haßte ihn denn? „Schaeffer!, weiter kein anderer ist cs gewesen, Herr Burian", bekräftigte Westermaier noch einmal. „Kein anderer Ingenieur ist an das Flugzeug hcrangekommen. Die Monteure habe ausschließlich ich bei ihrer Arbeit be aufsichtigt — und nur während der Zeit, da Schaeffer allein in der Halle gewesen ist, kann er dieses Teufelsding eingebaut haben." Die Logik dieser Worte fand endlich auch bei Thomas Gehör. Ja, Fritz Schaeffer mußte cs gewesen sein! Aber warum? Als er weitergrübelte, da erstand vor seinem geistigen Auge jene längst vergessene Szene in Flinsbcrg, als er den Freund wegen seiner unverschämten Blicke zur Rede gestellt hatte. Er erinnerte sich jetzt der Andeutungen Evas, die ihn vor Schaeffer gewarnt hatte. Und ein Zug eiserner Entschlossenheit grub sich in seine Mundwinkel. Er würde diesen Menschen zur Rechen schaft ziehen für dies hier und für damals, als er in Lüneburg abstürzte. Denn auch dieser Unfall mußte das Werk des vermeintlichen Freundes sein. „Westermaier, wir müssen uns durchschlagen. Wir müssen leben. Diese Schurkerei kann nicht ungesühni bleiben." „Ganz meine Meinung, Herr Burian. Aber wissen Sie denn überhaupt, wo wir uns befinden, und wie wir uns retten können?" „Seien Sie beruhigt! Der Kompaß ist noch in Ord nung, und an dem haben wir einen großen Helfer. Wir müssen jetzt zunächst einmal versuchen, wieder an die Küste zu kommen, da wir dort eher eine Siedlung antreffen als im Innern des Landes." ! Die beiden Männer beluden sich mit dem Inhalt des Flugzeuges, den sie wahrscheinlich auf ihrer Wanderung brauchen konnten, und marschierten los. Es war Tag und die Orientierung mit Hilfe des Kompasses nicht j schwierig. , Stundenlang gingen sie schweigend nebeneinander her. Beide beschäftigten sich mit Schaeffer. Thomas dachte auch an Eva, und ein großes Mitleid bemächtigte sich seiner. ! Er würde jetzt im alten Vaterland wahrscheinlich schon ! totgesagt worden sein. Armes Mädel! Diese Gedanken beflügelten seinen Schritt. Er wollt» > und mußte leben, auch um Evas willen. Da die beider Wanderer lange nichts mehr genossen hatten, stellte sich jetzt auch Hunger ein. Sie teilten den letzten Proviani und wanderten weiter. Bei Westermaier kam aber nnn eine starte Ermüdung auf, da seine Beine immer noch an den Folgen des Ab sturzes bei Lüneburg litten. Nach schlafloser Nacht und bei leerem Magen vertrug er solche Gewaltmärsche wenige: gut als der bedeutend jüngere Burian. Nun mußte auch Thomas seine Schritte mäßigen. * Fast hätte er jetzt seine neue Erfindung verflucht. Denn die Maschine hatte die beiden Flieger mit ihrer Höchstgeschwindigkeit ziemlich weit ins Innere des Landes getragen. Westermaier mußte öfters rasten. Endlich, die Dämmerung war schon hereingebrochen, sahen sie einen tiefen Bodeneinschnitt. Das Meer konnte nicht mehr wett entfernt sein. Man war an einem der vielen Fjorde an der Küste Labradors angelangt. Der Abstieg machte viel Schwierigkeiten, aber nach einer weiteren Stunde stand man am Wasserspiegel des Ozeans. . Inzwischen war die Nacht hcreingebrochen. Eine lange Winternacht stand den beiden Fliegern bevor, die sie ohne Obdach zu verbringen hatten und ohne Schutz vor der Kälte. Ein Glück war es, daß man sich noch nicht im tiefsten Winter befand. So erschien die Kälte, die im Fjord außerdem noch weniger streng als auf der Hoch fläche war, immerhin erträglich. Die Ledcrkleidung hielt auch einigermaßen die eigene Körperwärme zurück. Eng aneinandergeschmiegt warfen sic sich zu Boden und schliefen auch bald ein. In der Nacht erwachten sie mehrmals, und dann standen sie auf und machten sich Be wegung, damit das Blut wieder etwas in Wallung geriet. So verbrachten sie die vielen Stunden der Dunkelheit, bis der Morgen graute. Etwas gestärkt, wenn auch der Hunger in ihren Ein. geweiden wühlte, marschierten sie dann am Abhang des Fjordes entlang und kauten das Holz der verkrüppelten Zwergbäume, die sie hier und da antrafen. Der Marsch dauerte wieder Stunden, da die Wande rung über Gestrüpp und Geröll ging. Endlich sahen sie das offene Meer vor sich. Was sollte nun werden? Müve und erschöpft ließe,» sie sich nieder und starrten trostlos in die Ferne. Selter» würde sich ein Schiff in diese Breiten verirren. Die Jahreszeit war wohl auch für die Fisch zttge zu weit vorgeschritten. Auf einmal bemerkte Thomas dunkle Punkte auf dem Wasser. Er sprang erregt in die Höhe und deutete darauf hin. Nun kam auch in den apathisch dreinschauenden Westermaier Leben. Sie machten sich durch laute Rufe bemerkbar; aber die Entfernung war wohl zu groß, als daß die Insassen der Boote die Rufe gehört hätten. Ob dieser Beobachtung packte die beiden fast die Verzweiflung. Burian kletterte den steilen Hang des Fjordes hinauf, stellte sich auf einen Steinblock und winkte mit seiner Lederjacke, die er ausgezogen hatte. Das schien endlich die Aufmerksamkeit der Vootsinsassen zu erregen, denn man sah eins der Fahrzeuge der Küste zusteuern. „Gerettet!" schrie Thomas, und Westermaier stimmte in den Jubelruf ein. Es verging einige Zeit, bis das Boot in die Nähe des Ufers gekommen war. Zwei ii» Pelze gehüllte Eskimos saßen dariir. Sie sahen erstaunt auf die beiden Flieger. In englischer Sprache schrie ihnen Thomas etwas zn, aber die Eingeborenen verstanden die Sprache scheinbar nicht. Es schien, als ob sie auch Anstalten treffen wollten, wieder abzufahren. Da durchzuckte Thomas ein Gedanke. Er nahm den glänzenden Rickelhammer, den die beiden vom Flugzeug mitgenommen hatten und streckte ihn den Eingeborenen mit einer Geste entgegen, die deutlich verriet, daß die Weißen den Vootsinsassen ein Geschenk machen wollten. Das Boot kam nun näher und stieß ans User Rackr langen und lebhaften Verhandlungen, die allerdings nur mit Hilfe von Gebärden geführt werden konnien, ver standen die Eskimos, daß die beiden Aufnahme in dem Fahrzeug wünschten. Da sie alles Handwerkszeug, das die Flieger hatten, zum Geschenk erhielten, waren sie auch damit einverstanden. Und jo fuhren denn Burian und Westermaier zu dcr im Meere wartenden Flottille und mit dieser zu der un-, weit entfernt liegenden Eskimosiedlung. lt?orisetzUNg folgte Besucht das Heimatmuseum Dippoldiswalde