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16. Fortsetzung.) Man blieb noch bis zum Anbruch der Dunkelheit in zwang losem Gespräch beisammen. Dann fuhren die beiden Ingenieure nach Lüneburg zurück. Der für Burian so bedeutungsvolle Tag war yeran- gekommen. Heller Sonnenschein lag über dem Flugplatz der Turmach-Werke. Es hatte sich zum Probestart eine erlesene Zahl von Gästen eingefunden. Die Lufthansa hatte ihre Vertreter entsandt, auch drei Herren des eng lischen Luftfahrtministeriums waren anwesend, desgleichen nahmen Beauftragte der Reichsregierung an der Ver anstaltung teil. Selbstverständlich wohnten auch das ganze Jngenieurkorps der Turmach-Werke und zahlreiche Herren der Alter-Werke dem Schauspiel bei. Alter war mit Eva im Auto nach Lüneburg gekommen. Sie hatten bereits mit Thomas gesprochen, der dem Start versuch voller Hoffnung entgegensah. Er wußte, daß er sich auf seine Maschine verlassen konnte, die vorläufig noch in ver Montagehalle stand. Nichts aber wußte er von dem Besuch, den Schaeffer in dieser Nacht der Halle abgestattet hatte, unterstützt von Leder, der zu Beginn des abendlichen Kontrollganges die Wächter der Fabrik in sein Privatkontor hatte kommen lassen. Hier waren die Leute aufgehalten worden, und er hatte ihnen strengste Anweisung gegeben, besonders die Halle nicht außer acht zu lassen, in der die neue Maschine untergebracht war. Die Zeit jener Unterredung Hane jedoch für Schaeffer genügt, den vorbereiteten Sabotageakt auszuführen. Als die Wächter ihren Gang durch die Werkstätten und Hallen antraten, war Schaeffer bereits auf dem Wege nach Hause. Pünktlich zur festgesetzten Zeit rollte die Maschine auf den Flugplatz. Sie wurde sofort von den Gästen um drängt. Man sah, daß es sich um eine vollkommen neue Kon struktion handelte. Der Flugzeugrumpf ähnelte dem eines Schiffskörpers. Der vordere Teil war bis auf eine Ar» Kopf, an dem der Propeller saß, fast eine haarscharfe Linie, die sich erst nach hinten zu erweiterte. Der Führer sitz lag weit zurück, die seitlichen Tragflächen waren schräg nach hinten gebaut. Auch dem Laien wurde sofort klar. daß diese Maschine der Luft weit geringeren Widerstand entgegensetzte als die bisher üblichen Modelle. Man bestürmte den jnngcn Erfinder, der im Flicger- vrcß mit seinem alten Werkmeister erschienen war, und wollte von ilM die verschiedensten Aufklärungen haben. „Nachher, meine Herren! Vorerst muß ich Ihnen be weisen, was die Maschine leistet." Ein Reporter trat an Burian heran. „Wenigstens eine Frage zuvor, Herr Burian. Welche Höchstgeschwindigkeit gedenken Sie zu erreichen?" „Wenn alles klappt, mindestens fünfhundert Kilometer." Diese Ziffer wurde aufgegriffen und machte unter den Anwesenden vie Runde. Einige der Herren lächelten ckeptisch. Aber Burian lachte nur. Die Zuschauer mußten jetzt zurücktreten. Die Monteure setzten die Propeller in Bewegung, während Thomas uns sein Werkmeister die Sitze in,dem Flugzeug einnahmen. Und dann ertönte der Startschuß der Flugpolizei. Schriller heulte der Motor. Auf einmal rollte das Flugzeug leicht und graziös über den Erdboden. Schon nach ganz kurzer Entfernung erhob es sich und schraubte sich in beängstigend raschem Tempo in vie Höhe. Bereits Vieser glatte Start regte die sachverständigen Zuschauer zu lauten Beifallskundgebungen an. Ruhig und gleichmäßig kurvte die Maschine in die Höhe. Plötzlich schien sie stillzustehen. Dann schoß sie wie rin Habicht mit einem Ruck vorwärts. Immer kleiner wurde sie, bis sie innerhalb weniger Minuten den Blicken ver Zuschauer entschwunden war. „Donnerwetter! Bravo!" Ein die ganze Zeit über phlegmatisch dreinblickender Engländer hatte das vor sich hin gesprochen. Die anderen umringten Leder und Alter und beglückwünschten die Fabrikherren. Man wußte bereits, daß die beiden Werke die Lizenz zum Bau der Maschine erworben hatten. , Etwas abseits stand Schaeffer. Er ging nervös auf und ab. Was war denn mit der Maschine los? Hatte er venn derart stümperhaft gearbeitet? Aber nein, das war unmöglich. Er hatte sich doch überzeugt, daß der Schweiß- apparat gründliche Arbeit geleistet hatte. Der Ingenieur schaute auf die Uhr. Dann blickte er in die Luft. Aha, der Anblick des Absturzes blieb ihm wenigstens erspart. Gott sei Dank; denn ganz im Hinter gründe regte sich nun doch ein wenig das Gewissen. ! Mochten die beiden sonstwo den Hals brechen, nur nicht ! hier in der Nähe. i Auf einmal wurde er aus seiner nervösen Unruhe aus- ! geschreckt. Einer der Anwesenden hatte am Horizont einen schwarzen Punkt entdeckt, der rasch näher kam. Die Menge brach in laute Beifallskundgebungen aus. Jetzt konnte man den großen Vogel bereits deutlich erkennen. ! Da — was war das? Plötzlich schlingerte der.Apparat, der sich gerade über dem wenige hundert Meter entfernten Walve vesanv. Er nelgte sich rechts seitwärts, und bevor noch die Zuschauer sich der Situation rech» bewußt ge worden waren, sah man eine Tragfläche vom Rumpf ab brechen, während vas Flugzeug in rasendem Fall ab stürzte. Ein Entsetzensschrei durchgellte die eben noch so be geisterte Menge. Alles lief zu den am Rande des Feldes stehenden Kraftwagen, die dann dem Waldessaum ent-, gegenrasten. Auf dem Feld blieb nur ein einsames Mäd-^ chen zurück bei einem alten Herrn, der am Boden lag. Alter, dem der Arzt schon öfters empfohlen hatte, sich vor Aufregungen zu hüten, hatte den jähen Wechsel stolzen Selbstbewtztseins und jachen Schreckens nicht ertragen Ihn hatte ein Schlaganfall getroffen. _,oa, die sich im Augenblick der Katastrophe an ven Vater klammern wollte, wurde von dem Sturz des schweren Körpers fast mit zu Boden gerissen. Herzbrechendes Schluchzen hallte über das verlassen« Feld unv erreichte noch einige ver Gäste, die dem Walde zueilten. Ein paar Herren kamen zurück und bemühten sich um den am Boden liegenden Alter wie um Eva, die neben dem Vater kniete. Man trug den leblosen Körper des Fabrikherrn zu ven unweit liegenden Turmach-Werken. Hier war ein Arzt bald zur Stelle, ver aber nur ven inzwischen eingetretenen Tod Alters feststellen konnte. Eva Alter verharrte in dumpfem Schmerz. Jegliches Denken war bei ihr ausgeschaltei. Zwei Schicksalsschläge hatten sie getroffen. Sie hatte ven Vater verloren und erwartete, vaß man bald die Leiche des Geliebten neben ven toten Vater betten würde. Schaeffer, der dem Transport Alters beigewohnt hatte, weil er es nicht ertragen konnte, mit zur Unglücks stelle zu eilen, nahte sich Eva und versuchte zu trösten. Das junge Weib aber sah ihn nur mit einem geistes abwesenden Bljck an. Dann wandte sie sich von ihm ab^ Schuldbewußt trat er weg. Inzwischen war ein Trupp der Zuschauer, die dem! Start beigewohnt hatten, in ven Wald eingedrungen. Es war schwierig, in dem dichten Gestrüpp ves mehrhunvert- jährigen Eichenwaldes vorzudringcn und sich zu orien tieren. Da glaubte man jevoch aus einiger Entfernung! Stöhnen zu vernehmen. Die Herren gingen den Lauten nach und sahen plötzlich auch vas abgestürzte Flugzeug in dem Wipfel einer besonders großen Eiche hängen. Das Stöhnen war jetzt ganz veutlich hörbar. Ein Be herzter trat näher und schaute in die Höhe. Da sah er aus dem zusammengepreßten Führersitz einen Kovk bänaen. „Hallo! — Herr Burian!" Ein schwacher Laut wurde hörbar. An der Unfallstelle hatten sich nun al..uahlich auch o»e, anveren Gäste eingefunden. Ein paar Herren rannten zum, Waldrande zurück, um den Rettungsmannschaften den! Wea ru welken.