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Orkoberrocbtsscdutr: küak 1'urmo-VerlLü, knalle (8a»Iv) Nachdruck verboten. 101 worden zu sein. 2 WWW! Weihnachtsabend..." Er taumelte jäh empor, streckte beide Arme dem Baum entgegen, murmelte: „Stille Nächt, heilige Nacht..." Holm Meerhold tonnte gerade noch zuspringen, um ihn vor dem Fall zu bewahren. Ein Stöhnen klang auf, ein ganz eigenes Lächeln um spielte die Lippen Jobst Freeses, und ein bläulicher, wundersamer Schein breitete sich über die klugen, stark verfältelten Züge. Die Augen schlossen sich — der Tod stand unter dem glänzenden Baum und winkte/ winkte. Da tat das Herz des alten Mannes seinen letzten Schlag. Holm Meerhold hielt einen Toten im Arm. Regina starrte fassungslos auf den Leblosen, den Holm Meerhold mit Anstrengung auf das Sofa bettete. Danach öffnete er weit das Fenster. Von irgendwo draußen klang es aus Kinderkehlen ins Zimmer: „Stille Nacht, heilige Nacht..." Und es schneite noch immer, dichter und dichter fielen die Flocken. Regina kniete vor dem Sofa nieder, betete für den guten Mann, der sie in einer trüben Stunde ihres Lebens vertrauend zu sich ins Haus genommen, und Träne auf Träne rollte über ihre Wangen. Hell und fröhlich funkelten die Kerzen ary Bqum, abef mit ernstem Gesicht schaute Holm Meerholo in das Ge flimmer. Er fuhr sich mit dem Taschentuch Er die Augen, sie brannten plötzlich so sehr. Ihm war es, als ob sein Vater, der schon vor Jahren gestorben, noch einmal von ihm gegangen wäre in dieser Christnacht. Der alte Herr war aber auch ein selten liebenswerter Mensch gewesen. Justizrat srein zagte m ,rrunolich beruhigendem Ton: „Aber bitte, verehrtes Fräulein Graven, seien. Sie doch nicht eigensinnig. Welchen vernünftigen Grund hätten Sie denn, die Erbschaft auszuschlagen? Gar keinen! Sie täten ja dem alten Herrn noch Schmerz über das Grab hinaus an, wenn Sie bei Ihrem Entschluß blieben. Er hat seinen Entschluß, Sie zu seiner Erbin einzusetzen, bei vollem Bewußtsein gefaßt, und eS war seine letzte Freude." ES war seine letzte Freude!, klang es in Regina nach. ES war am Tage nach dem Begräbnis, und Regina befand sich mit Justizrat Stein im Arbeitszimmer des Verstorbenen. Regina erwiderte leise: „Warum ich nichts annehmen möchte? Sehr einfach: Weil ich nicht begreifen kann, daß er mir, gerade mir, alles hinterlassen hat. Er war doch sonst schon übergut genug gegen mich. Ich habe das be drückende Gefühl, mir etwas anzueignen, worauf ich kein Recht habe, und das häßliche Wort .Erbschleicheriw quält mich." Der Justlzrat lächelte ein wenig belustigt. „Das unsichere Gefühl wird sich geben. Das verliert sich bald in der Sicherheit des Besitzes, und daß Sie und das Wort .Erbschleicherin' nicht zueinander paffen, sieht jeder auf den ersten Blick." Er wurde sehr ernst. „Ein Recht auf den Nachlaß aber gab Ihnen der Verstorbene selbst, und er war der einzige Mensch, der darüber zu ent scheiden hatte. Ich rate Ihnen nochmals und dringend, nehmen Sie die Erbschaft an. Sie berauben ja niemand. Von all den persönlichen Annehmlichkeiten abgesehen, die Sie sich fortan werden leisten können, kommen Sie auch in die Lage, Gutes tun zu dürfen. Sie werden schöne Reisen machen, etwas von der Welt sehen und..." Helles Rot. stieg plötzlich in Regina GravenS Gesicht/ Ein Gedanke war da plötzlich, ein Gedanke, den sie schon früher als heiße Sehnsucht gehegt. Aber als eine unerfüllt bare Sehnsucht. Jetzt winkte mit einem Male die Er füllung. Sie lächelte ein wenig und fiel dem Justfzrat ins Wort: „Ich mache keinen Einwand mehr, nehme Sk Erbschaft an und bitte Sie, alles zu regeln." Der Justizrat nickte zufrieden: „Endlich sind Sie ver nünftig!" Er dachte: Die Aussicht auf schöne Reisen hatte Regina Graven bezwungen, endlich nachzugeben. Seit einer Stunde plagte er sich ja schon herum mit ihr, die durchaus die Erbschaft hatte ausschlagen wollen, weil sie behauptete, kein Recht darauf zu haben. Sie hatte jetzt leuchtende Augen und sah wunderschön auS In dem einfachen schwarzen Trauerkleid, das sie sich gekauft. Wie zufrieden und glücklich die kurz zuvor npch so nervös scheinende Regina Graven mit einem Malt drelnschautel, mußte der Justizrat denken. Am Nachmittag schon sand er sich wieder ein, saß ihr abermals gegenüber im Arbeitszimmer des Verstorbenen und berichtete, ein bißchen sachlich betonend: „Ich habe, da ich schon zuweilen milder Ordnung von Vermögens- angelegenheiten vom Herrn Landgerichtsdirektor betraut wurde, leicht meine Erkundigungen eittziehen können. Außer dem Grundstück, daS nur mit einer kleinen Hypothek belastet ist, die eigentlich nur dazu dient, den Schein zu wahren, daß man ein nicht ganz schuldenfreies Haus besitzt, liegen auf der Bank Schnydder gute Wertpapiere für annähernd hunderttausend Mark. DaS Barvermögen beträgt hundertzwanzigtausend Mark, so daß Sie. das Regina beobachtete erschreckt, wie das Gesicht des alten Herrn sichtlich verfiel. Es erschien ihr jetzt bedeutend älter als noch kurz zuvor, und sie dachte, man hätte doch nach dem Arzt senden müssen. Es klopfte, und gleich darauf trat die Wirtschafterin ein, meldete: „Der Herr Justlzrat kommt sofort." Jobst Freese machte eine müde Handbewegung: „Gut! Wenn er kommt, führen Sie ihn sofort hierher." Es klingelte draußen; es war schon Justizrat Stein. Mit leicht hochgezogenen Brauen stand er gleich darauf oor Jobst Freese, lachte kurz und sagte ein wenig polternd: „Aber verehrter Herr Nachbar, was gibt es denn so Wichtiges am Heiligabend, daß Sie mich als Störenfried in Ihre Feier rufen? Ich sah von draußen Ihren großen, vlelkerzigen Tannenbaum." Jobst Freese winkte der Wirtschafterin: „Gehen Sie hinüber, Frau Malwine, damit der Baum nicht anbrennt." Er wartete, bis sich die Tür hinter ihr geschloffen, dann erst reichte er dem Gerufenen die Rechte. Es geschah matt und kraftlos, aber in dem Blick, der den Justizrat, einen stämmigen Fünfziger, traf, leuchtete Willenskraft. Er bat leise: „Setzen Sie sich an meinen Schreibtisch, Herr Nachbar, ich möchte mein Testament machen. Eilen Sie sich, vielleicht habe ich nicht mehr viel Zeit." Der Justizrat unterdrückte den Laut des Erstaunens, der ihn« über die Lippen springen wollte, erwiderte freundlich: „Wie Sie wünschen, Herr Landgerichtsdirektor. Aber eS hätte sicher noch ein Weilchen Zeit gehabt." Er saß bereits, schaltete die Schreibtischlampe ein und legte einen Bogen von dem in einem offenen Fach liegen den weißen Aktenpapier zurecht. Jobst Freese begann nach einem formellen Satz klar und deutlich zu diktieren: „Mein gesamtes Eigentum, bestehend auS einäm Grundstück und einem Vermögen in guten, sicheren Papieren, sowie einem Barvermögen bei der Bank Schnydder und Sohn, Berlin, Potsdamer Straße, vermach« ich meiner Sekretärin Fräulein Regina Graven, die ich liebgewonnen wie eine Tochter. Ich wünsche, daß Regina Graven in ihrer Ehe recht glücklich wird, und möchtt ihr und ihrem zukünftigen Gatten, der mir ebenfalls sehr wert ist, das Leben dadurch etwas erleichtern. Meine gute Wirtschafterin, Frau Malwine Berger, mit deren Leistungen ich immer sehr zufrieden gewesen, soll in bar zehntausend Reichsmark erhalten." Er lächelte matt. „Machen Sie das formgerecht fertig, Herr Justizrat, und dann bringen Sie es mir her zur Unterschrift!" Seine letzten Worte hatten wieder fester geklungen. Jetzt straffte er sich auf, ihm schien bedeutend bester ge- Regtna streckte ihm wie flehend die Hände entgegen: „Um des Himmels willen, lieber guter Herr Land« gerichtSdirektor, das Testament dürfen Sie nicht unter schreiben. Absvlut nicht! Ich habe ja nichts für Sie getan; ich dagegen habe Ihnen schon für so vieles zu danken." Der afte Herr wehrte freundlich ab: , „Halten Sie uns nicht auf, Kind, lasten Sie uns erst alles ferttgmachen." Er erklärte laut, sich gewissermaßen an alle im Zimmer wendend: „Ich bin völlig Herr meines Besitzes und habe keine Verwandten, die ich schädigen könnte, keinen einzigen Menschen." Alles erledigte sich rasch und glatt; der Justizrat konnte sich bald empfehlen. Er tat es mit dem warm klingenden Wunsch: „Fröhliches Weihnachtsfest!" Draußen auf dem Flur sagte er zu Holm Meerhold, der ihn hinausbegleitet hatte: „Schicken Sie lieber gleich nach dem Arzt! Besser ist besser! Ich glaube zwar nicht, daß unmittelbare Gefahr droht, sondern nur, daß der alte Herr unter dem Einfluß einer Stimmung leidet, die der heutige Abend in ihm hervorgerufen hat. Mancher wird ja am Christabend melancholisch." Doktor Meerhold wollte umkehren, da sah er sich Regina gegenüber. Sie war ihm rasch gefolgt, flüsterte: „Er möchte wieder ins Weihnachtszimmer." Sie gingen zusammen ins Arbeitszimmer, und auf die Arme der beiden gestützt, schritt Jobst Freese zurück in den großen, altmodisch möblierten Raum, iü dem Frau Mal wine die brennenden Kerzen deS WeihnachtsbaumeS be hütete. Sie entfernte sich auf einen Wink ihres Herrn sofort, und Regina zog die Vorhänge fest zu. In der Ecke deS braunen Plüschsofas saß jetzt der alte Herr und blickte in daS Kerzengefunkel des Baumes, sagte fast vergnügt: „Nun noch ein wenig Weihnachtszauber, den doch nur der lichtergeschmückte Baum geben kann, dann wollen wir speisen. Mir ist mit einem Male wieder sehr wohl." Regina atmete auf. Dem Himmel sei Dank, da würde sie Jobst Freese in den nächsten Tagen Wohl bewegen Unnen, daS Testament zu ändern, dessen Inhalt sie be drückte. Denn die Erbschaft durste sie nicht annehmen, die -Wie st« nicht verdient. MU großen Augen sah Ser alte Herr In daS fröhliche Aer-enUckchten. Plötzlich rief er laut: „Mein letzter »Grundstück etngeschlossen — e-ist mit sechzigtausend stH niedrig taxiert —, jetzt über ein vermögen von etwa dreihunderttaufend Mark verfügen." Regina verstand ja nicht allzuviel von Vermöge«»« dingen. Bisher schienen ihr, für ihre Begriffe, taufe« Mark schon eine Unsumme. Und wenn sie nun auch an« genommen hatte, daS HauS wäre fthr wertvoll, blieb es doch immerhin zunächst nur ein Gegenstand. Eine Bar summe dagegen sah für sie ganz anders aus. Sie hattt angenommen, daß Jobst Freese höchstens über zehn- ödes zwanzigtausend Mark verfügt hätte, hatte geglaubt, weil er fachschriftstellertsch noch so fleißig tätig gewesen war, er hätte das Einkommen nötig gebraucht, um sein kleines Vermögen nicht anzugreifen, und hieliejetzt förmlich Ye« Atem an vor Schreck über die eben gehörte Summe. Justizrät Stein schien zu erraten, was sie dachte. Er sagte: „Herr Freese war reich und lebte Verhältnis, mäßig einfach. Man vermutete gar nicht so viel Geld hinter seiner Schlichtheit — nicht wahr?" Regina nickte, und auf ihrem Gesicht lag noch immer grenzenloses Erstaunen, blieb darauf liegen während der ganzen weiteren Unterhaltung. Sie war froh, als sich der Justizrat empfahl. Ganz benommen blieb sie zurück. Sie saß an dem geschnitzten Schreibtische, einem wert vollen antiken Möbel, und hatte den tief geneigten Kopf auf die gefalteten Hände gelegt.-Sie sann: wie so ganz anders, als vorauszusehen war, hatte sich doch ihr Leben gestaltet, unv nur dadurch, daß sie an Stelle von DoralieS Wolsram nach Berlin gereist war. Sonst säße sie jetzt noch als Arbeitslose in Mooshausen und wäre wohl auf die Unterstützungskaffe des Städtchens angewiesen. Statt dessen gehörte ihr nun eine vollständig und bequem ein gerichtete große Villa mit schönem Garten in einem Vor ort Berlins, und ein Vermögen in Wertpapieren und Geld von beinah einer Viertelmillion. Sie konnte und wollte das noch nicht fassen. Neber- , wältigend war die, Vorstellung. Sie grübelte: Peter Konstantin verurteilte die Lütze und ihre^Lügs war doch so Überreich belohnt worden. . Belohnt worden? War sie Wittlich'bttohnt worden? > Hatte sie nicht durch ihre Lüge Peter Konstantin kenneu- gelerm und damit das Leid? Sie lieble ihn doch, das wußte sie nun. Und ihr Herz krampfte sich vor Weh zu sammen, wenn sie an ihn dachte. So jämmerlich klein! stand sie ja in seinen Augen da, die sich in seinem'Beisein! mit der Polizei hatte drohen lassen müssen.,, Sie seufzte und schloß die Augen, sann: wie schön wäre jetzt alles, wenn sie Holm so lieben Könnte wie Peter, Konstantin — Holm» der dem anderen so sehr ähnelte und doch wiederum nicht. Es klingelte am Gittertor. Sie- hob den Kopf aus ihren Händen, warf einen Blick durch das Fenster. Draußen stand Holm Meerhold. Sie erinnerte sich un willkürlich daran, wie erschrocken sie gewesen war, als sie, ihn zum ersten Male so wartend vor der Gartentür hatte stehen sehen, und wie sie bestimmt gemeint hatte» eS wäre Peter Konstantin. Der Irrtum wäre ^etzt wohl nicht mehr möglich. Ein paar'Mwmtrn später klopfte eS, und die hohe Ge stalt HöM MeerholdS trat ein. Regina gMg' khm ein paar Schritte «Egegen; aber, ohne daß sie es eigentlich wollte, war ein Etwas in ihrer, Haltung, daS wie leichter Widerstand, wie Ablehnung war.! Regina Graven und Holm Meerhold reichten sich die Hände. Er fragte: „Wie geht es dir? Wir haben uns fett gestern vor^ der Beerdigung nicht mehr gesehen? Du bliebst ja z»! Hause, was auch gut war; eS hätte dich doch nur auf-, geregt, die ganze traurige Zeremonie mitzumachen." Sie bat: „Setze dich, Holm, und dann erzähle mir, wie das Begräbnis gestern verlief. Ich las heüte früh schon in der Zeitung darüber. Und Justizrat Stein meinte auch, eS wäre alles sehr feierlich gewesen; aber ich hör« gern noch von dir, wer dabet war. Ich sah und hörte doch nicht- davon." l Er dachte: Wie kam es nur, daß Regina ihm jedesmal,, wenn er sie wledersah, noch schöner und begehrenswerter! erschien, obwohl er wußte, sie liebte ihn nicht, sondern! einen anderen, der ihm ähnelte — einen, den er deshalb haßte, well sich ohne ihn jetzt vielleicht alle« Io wunder schön gestaltet hätte. Er berichtete: „Die Beerdigung war sehr großartig und feierlich, die Predigt klug und warm zu gleicher Zett; verschiedene Reden ebenfalls. Nur war niemand da, dem man, Beileid ausdrückend, die Hand geben konnte. DaS ist immerhin! etwas Seltenes und fiel auch auf." Sie fragte, und es klang etn wenig scheu: „Weißt du» ob sich Herr von Stübnitz auch im Trauer-! gefolge befand?" Er neigte den Kopf. „Ja, er war auch dabei; und seine rechte Hand, Doktor! Peter Konstantin, ebenfall-!" Es klang ein wenig scharf. Holm Meerhold merkte: eS lag Regina mehr daran, zu wissen, ob Peter Konstantin dabet gewesen sei, al- wie der berühmte Verteidiger Herr von Stübnitz. GS tränkte ihn. Er setzte hinzu: -Jobst Freese war in Gerichts- und Anwaltskreisen eine zu bekannte und geachtete Persönlichkeit. Alles, Wa in den Kreisen Ramen hatte und abkommen konnte, war auf dem Friedhof." Regina schob den mattgoldenen, schmalen Reif an ihrer Linken spielerisch hin und her. Ihr Blick ging dabet tn» Leere. Ste saß auf dem Platz, auf dem noch vor kurzem der alte Herr gesessen hatte, und begann nun: . „Ich habe dtr viel zu sagen, Holm! Vielleicht ist'- auch nicht einmal viel, aber es ist bedeutsam." Sie lächelte leicht, und er beobachtete, wie pch ihr blasses Gesicht wundersam mit lichter Röte färbte. «Forts, solat^ AM« und Antwort Semeinnütziger Rataeber Nir ievennnnn