Volltext Seite (XML)
<87. Fortsetzung.) Noch war er im Lazarett. Erst mußte er kräftiger werden, ehe man ihn ins Untersuchungsgefängnis über führen, langwierigen Verhören würde aussetzen können. Monika war noch immer bei ihm, obwohl ihr Zustand immer beschwerlicher wurde. Seltsamerweise hatte es ziemlich lange gedauert, ehe Bert wußte, daß sie ein zweites Kind bekommen würden. Dann aber hatte er seine Frau sehr zärtlich und sehr behutsam an sich gezogen. „Ein Kind werden wir haben. Einen Jungen viel leicht ... er wird auf dem Westhof bleiben dürfen. Und ich werde mich über ihn freuen, wenn ich zurückkomme, wenn ich gesühnt habe. Aber das muß erst durchschallen werden. Kein Makel soll auf unserem allen Geschlecht sein, auf unseren Kindern ..." * * Die Zeit verstrich. Bert West war aus dem Lazarett entlassen, ins Untersuchungsgefängnis überführt worden. An diesem Tage hatte er Monika gebeten, auf den West hof zurückzukehren. Er könne es nicht ertragen, sie leiden ;u sehen. Und sie gehöre jetzt nirgendwo anders hin als auf den Hof. Monika mußte ihm den Wunsch erfüllen, es ging nicht anders. PaddHscholle, das sah sie sofort, war in den besten Händen. Doktor Williams führte das Werk ausgezeichnet. Nicht nur, daß er viel von der Sache verstand — er wußte auch mit den Beamten und den Arbeitern umzugehen, und nichts im Betrieb wies darauf hin, daß der Besitzer ab wesend war. Die Beamten, die zuerst gedacht hatten, jetzt auf Paddy scholle auf Kosten des Besitzers ein angenehmes Faulenzer- lcben führen zu können, hatten sich stark getäuscht. Es wurde eifriger gearbeitet als je, und Mister Williams setzte alles durch, was er wollte, ohne irgendwelchen Eklat und ohne mit einem der Herren in Konflikt zu kommen. Auf Don Fernandos Einfluß war es zurückzuführen, daß man sich mit Viola West geeinigt hatte. Man hatte ihr eine größere Abfindungssumme ausgezahlt; jetzt hatte sie mit Paddyscholle nichts mehr zu tun. Selbstverständlich war auch Ingenieur Speier ausgeschiedcn. Er wollte nicht mehr bleiben, nachdem Viola desinteressiert war. Don Fernando hatte Monita noch zurück auf den West- Hof begleitet und war die ersten Tage bei ihr geblieben. In Hannover war es ihm noch erlaubt worden, Bert West einige Male zu besuchen. Er hatte von Monikas Mann den besten Eindruck gewonnen, und jetzt wußte er auch, daß dieser Mann unschuldig sein mußte, und daß er rs wert war, daß man ihm half. Zunächst nun mußte Don Fernando für kurze Zeit nach Brasilien zurückkehren; seine Anwesenheit dort war unumgänglich notwendig. Aber er würde nur kurz« Zeit drüben bleiben und dann zusammen mit seiner Frau zurückkommen. Seine Frau sollte die Freude haben, Sletn-Helge kenncnzulernen, an der der alte Mann jetzt schon mit ab göttischer Liebe hing. Und das Kind war in den Tagen, va der Amerikaner auf dem Westhöf gewohnt hatte, gar nicht mehr von dem „Großvater" wegzubrlngen gewesen. Jetzt war er fort. Monika war ganz einsam geworden. Sie litt sehr in diesen bösen Wochen, körperlich und seelisch. Ihre einzige Freude war das Kind und dann oor allem auch die Briefe Berts, die ihr seine ganze tiefe Liebe verrieten, und die sie — trotz allem — unendlich alücklich machten. „... Ich liebe Dich, Monika, mehr als ich es sagen kann. Glaube mir, daß ich nie zuvor eine Frau so geliebt habe wie Dich. Das andere, weißt Du, das war keine Liebe. Jetzt erst weiß ich, wie es ist, wenn man eine Frau wirklich gern hat, wenn sie einem alles ist. Das Körperliche, das ist nicht die Hauptsache; das un zerreißbare, seelische Band ist es, das mich unlöslich an Dich fesselt... Sehr spät ist diese Liebe über mich gekommen; aber nicht zu spät. Wenn wir wieder zusammen sind — und ich weiß, es wird nicht mehr allzulange dauern —, dann wirst Du sehen, wie wundervoll unsere Liebe und unser Leben sein werden. Das Leben mit Dir und mit den Kindern..." Für Monita waren diese Briefe wie ein Geschenk Gottes. Sie erlebte die Veränderung im Wesen ihres Mannes mit allen Fasern ihres Seins. Sie wurde von feiner Liebe durchdrungen, und es gab nichts, was sie jetzt hätte nicht ertragen können in dem Gedanken an diese Liebe. Das war kein htmmelhochjauchzendes Entzücken, kein lauter Jubel — aber eine atemraubende Seligkeit und eine liefe, reine Frauenliebe, die nun inniger war als je, die erstarkt und gewachsen war durch Leid und Not, und die nun ihr und ihres Mannes Leben erfüllen und sie beide hinaustragen würde, hinweg über alle Erdennot in eine wundervolle und beglückende Zweisamkeit... «er Prozeß des GUtsveztyers Dagobert Weg oom West hof machte größeres Aufsehen als irgendein Sriminalfall der letzten Zett. Obwohl die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen waren, sollte die Gerichtsverhandlung doch noch vor Weih nachten stattsinden. Man hoffte, bis dahin mit den Vor untersuchungen fertig zu werden. Eigentlich gab es jetzt nur »och einen einzige«, aber sehr wichtigen Zeugen für Bert Wests Schuld. Das war Viola West, die Frau deS toten Bruders deS Angeklagten, die immer wieder und fanatisch den Westhofer der vorsätz lichen Tötung seines Bruders beschuldigte. Alles berichtete sie. Die Werbung Bert Wests, ihre Ab weisung, die Tatsache, daß Bert West seine Frau nur ge- heiratet hatte, um sich an ihr zu rächen. St« sagte aus, daß ihr Schwager auch dann seiner Liebe nicht hatte Herr werden können, als sie beide schon lange verheiratet waren. Die ganzen Jahre über habe er sie mit seiner Liebe verfolgt, und es stehe für sie fest, daß der Westhofer seinen Bruder aus Neid und Rachsucht getötet habe. Sie blieb auch bei diesen Behauptungen, als sie ihren« Schwager gegenübergestellt wurde. Ihr Haß gegen Bert, der sie verschmäht hatte — damals im Heidebruch —, ihr Haß und ihre Eifersucht aus Monika hatte sie mit der Zeit völlig sinnlos gemacht. Sie dachte an nichts anderes mehr, als sich an Bert West zu rächen. Alles andere war ihr gleichgültig; wenn sie ihn erst erledigt und in den Kerker gebracht hatte mit ihrer fanatischen Anklage» dann würde sie weiterleben, ein neues Dasein beginnen können. Ben West war es, als sähe er diese Frau zum ersten Male, als sie ihm als Anklägerin gegenüberstand. Daß er sie einmal geliebt, um sie gelitten hatte — er begriff es jetzt nicht mehr. Nichts mehr war von dieser rasenden, verzweifelten Liebe übriggeblieben als ein Aschenhaufen. Er haßte Viola West nicht wegen ihrer vernichtenden Aussage. Er wußte, diese Frau konnte nicht anders handeln. Er konnte sie nicht Haffen, weil er immerzu an Monika denken mußte, und weil er dem gütigen Schicksal so dankbar war, daß ihn die Liebe Monikas vor den Ränken der blondhaarigen Verführerin gerettet hatte. Weil er diesem Schicksal so dankbar war, das ihn die Güte und das Weibtum Monikas hatte erkennen lassen und ihm die Liebe zu seiner Frau ins Herz gelegt hatte, lange, ehe er den wahren Charakter Viola Wests erkannt hatte. Daß es nicht erst dieser Erkenntnis bedurft hatte, um sich von ihr zu wenden, hinüber zu Monika. Als Bert West am Abend dieses Tages, da er Viola gegenübergestanden hatte, in seiner Zelle war, einsam und allein, da kam die Liebe zu Monika zum ersten Male wie ein Fcnerbrand in ihm auf. Er hörte Monikas weiche Stimme, fühlte ihre zärtlich«», lindernden Hände, spürte die ganze frauliche Süße ihres Wesens, und er wurde von einer Sehnsucht erfaßt, verzehrender als alle Glut» die ihn je zu Viola hingezogen hatte.