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- 118 - zlllcht aus örm Seebaoe. Eine Erinnerung an die Zeit v§r 20 Jahren. Schöne, Ns« Ssmmertaze waren eS, d'e n>ir damals in: Juli 1914 an der Nordsee verlebten. Uno wir glaubten, es lagen noch viele solcher vor uns, waren wir doch erst kurz nor Monats ende aus der bis dahin überfüllten Insel gelandet. Aber es sollte anders kommen! Die Geruhsamkeit der Straßen machte bald einer nervösen Hast und Unruhe Platz, Kriegsgerüchte dnrchschwirrten die Lust, doch man konnte sich bei den verhältnismäßig spärlich emlaufenden Nachrichten in dem ringsum von bran denden Wellen umgebenen Eiland noch keine rechte Vorstellung von dem Kom menden machen. Das heute alles ver bindende Radio, das auch übers Meer Nachrichten schnell und sicher trägt, gehörte noch der Zukunft an, und so war inan aus die mit ziemlicher Ver spätung eintrefsenden Zeitungen ange wiesen. Dazn kam noch, daß die Bade- verwattung naturgemäß recht vorsichtig mit Weitergabe von Rachrrch-ten war, «ms Befürchtung, das Bad könne sich — gerade jetzt zur Hauptverdienstzeit — schnell leeren, denn tatsächlich reisten schon täglich viele Gäste ab. Da — am Nachmittag des 31. Juli 1914 wurde plötzlich ein Plakat des Norddeutschen Lloyd angeschlagen: „Die Dampferfahrt nach Wilhelmshaven ist gesperrt; der letzte Dampfer nach Bremerhaven gehl 4 Uhr 4ö Mi- nuten." Und es war 4 Ubr 25 Minuten! Nun hieß es einpacken, packen in aller Hast und hin zum Bahnhof der Insel- bahn, die die Gäste zu der weiter draußen liegenden Dampjeranlegestelle bringt. Noch heute ist es mir wie ein Traum, daß trotz der Hast alles geklappt hat. Wie im Hieber rasten die ausge- schenchtcn Badegäste dem einen Ziel zu, der Heimat, die für den einen hier, für den anderen dort gelegen war. Der Menkchenandrang auf dem nicht großen Bahnhof vcrursachre eine ge- rau.ne Beripätung, da natürlich riesige Mengen von «ikpäckstücken abqefertigt w-nden mußten. Endlich letzte sich das Jnfelbähnchen in Bewegung, doch unser alter Hoffnung, -er »Delphin", der Dampfer des Norddeutschen Lloyd, würde bereits an der Anlegestelle auf uns warten, war vergebens. Er war »och rächt einmal in Sicht, und so gab es auch hier wieder unfreiwillige Warte zeit. Endlich langte er an. Mein alter Freund, der sonst so heitere Kapitän des „Delphin", drückte mir beim Anbord- gehen mit tiefem Ernst die Hand. Seinen präzisen Befehlen gehorchten Mann für Mann dec Besatzung, und verhältnis mäßig schnell war daS zahlreiche Gepäck verstaut, die hastigen und aufgeregte» Menschen waren alle uutergebracht, dennoch war es 7 Uhr geworben, al- wir in See gingen. Dreimal tutete die Dampspfeife des Schiffes zum Abschied, dreimal erwiderte die kleine Lokomotive mit je einem langgezogenen Pfiff, und hinaus fuhr der letzte diesjährige Üloyd- bampfer mit Badegästen der Weser zu, einer ungewissen Zukunft, dem Kriege, entgegen. Die ruhige, klare Lust, die glücklicherweise spiegelglatte See (denn bei der Aufregung der Menschen würde eine „grobe" See, wie der Seemann sagt, gewiß viele Opfer an Seekrankheit gefordert haben), die sichere Hand und das ruhige Auge unseres Kavitäns brachten allmählich auch Ruhe in die erregtesten Gemüter. Einen Eindruck von dem Bevor stehenden erhielten wir schon auf unserer Fahrt. Ein kleines militärisches Or- donnanzboot begleitete uns, andere fuhren eiligst hin und her, um Befehle auszuführen und in die See hinaus- . fahrende Schiffe zur Umkehr aufzufor dern. Draußen aber auf hoher See qualmten mächtige Kriegsschiffe, sichren pfeilgeschwinde Torpedoboote, und von Wilhelmshaven kamen majestätisch dres große Kreuzer durch die Jahde gezogen. Freundlich blinkten uns die zahl reichen Lichter Bremerhavens entgegen, als wir dem Ziele näherkamen, und vor der großen Lloüdhalle legte unser Dampfer so sicher an, une zu jeder an deren Zeit. Ein Eztrazug brachte uns in langsamer Fahrt »m Mitternacht nach Bremen, und von dort ging es in entsetzlich überfüllten Wagen der Heimat zu. Der eine fuhr hierhin, der andere dorthin I