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... ..,,^V»-.-^«rM,«^ .-^- fls. Fortsetzung.) So M war eS in den Weinzimmer«, daß man eine Radel hätte fallen hören können. Selbst das Murmeln der wenigen Gäste war jetzt ver stummt. Alle lauschten Wangenheims Spiel, fühlten, daß Ungewöhnliches vorging. Plötzlich löste sich aus den Variationen ganz klar eine schlichte bekannte Weise. Mit unsagbarer Inbrunst spielte Wangenheim das Lönssche „Abcndlied". Er wußte selber nicht, daß seine Lippen sich öffneten, und daß er qualdurch bebt die Worte sang, die sein Schicksal geworden waren: Jedwede Nacht, jedwede Nacht hat mir im Traume dein Bild zugelacht, kam dann der Tag, kam dann der Tag wieder alleine ich lag. Rosemarie fühlte, wie alles Blut ihr zu Herzen strömte. Das Liedl Ihr Lied! Wie ein Messer durchbohrte jeder Ton ihr Herz... Wer? Wer wagte das? Wer riß mit grausamer Hand die Wunden wieder aus, daß sie bluteten, bluteten? „Wir werden immer beisammen sein, hörst du, Rose-' marie, immer!" hörte sie eine Stimme neben sich. Da stand sie wie eine Schlafwandelnde auf. Sie mußte sehen, wer das Lied spielte. Jetzt bin ich alt, jetzt bin ich alt, aber mein Herz noch immer nicht kalt, schläft wohl schon bald, schläft wohl schon bald, doch bis zuletzt noch es hallt: Rosemarie, Rosemarie, sieben Jahre mein Herz nach dir schrie. Rosemarie, Rosemarie, aber du hörtest cs nie...- Die Töne verhallten. Bleich wie der Tod lehnte Rose marie an einer Säule. Sie konnte den Sänger nicht sehen, dessen Gesicht ganz im Schatten war. Wangenheim hatte geendet. Nun wandte er langsam den Kopf und erhob sich schwer. Da trafen sich ihre Augen. Wie flüssiges Feuer raste das Blut durch des Mannes Adern. Ein heißer, sengender Strahl loderte aus seinen dunklen Augen über Rosemarie hin. Er vreßte die Ääbne aufeinander. Sie lieble ihn also, liebte ihn noch immer — nicht den anderen. Sie hatte das Lied nicht vergessen — ihr Lied! „Rosemarie!" Das Wort brannte in ihrem Herzen. Ein heftiger Kampf t-hte in ihr. Sie schlug die Augen nieder und wandte den Kopf zur Seite. Ihr Herz gehörte ihm — nur ihm. Aber hatte er sie nicht verraten? Hatte er sie nicht allein gelassen in der schwersten Stunde ihres Lebens? Alles, was er ihr gesagt, all seine heißen leiden schaftlichen Worte, all seine Liebe — war Lüge gewesen. Jeder Nerv an ihr bebte. Warum ließ sie es nur ge schehen, daß er wieder ihre Hände nahm, die wie im Fieber zuckten? Eiskalt ruhten sie in den seinen. Rosemarie wußte, daß sie sich nicht wehren konnte gegen die Macht, die von ihm ausging. Ihr Herz hatte ihn frei gesprochen in all den Jahren und — in aufsteigendem Jubel fühlte sie es — sprach ihn auch jetzt frei. Sie hob die Augen zu ihm auf, aber vor dem heißen Strahl der Liebe, die ihr aus seinen Augen entgegen- flammte, schloß sie sie wieder, als ob ihr vor dem großen Glück schwindelte. Da nahm er sie an sein Herz. Stand das Rad der Zeit still? Auf leisen Sohlen war der Justizrat hinausgegangen. Tie Liebenden waren ganz allein in dem kleinen dämme rigen Raum. Behutsam zärtlich glitten seine Hände über ihre gold blonden Locken. Doch dann suchte sein Mund ihre Lippen, und er küßte sie wie ein Verdürstender. * - » In dieser Nacht fand Rosemarie keinen Schlaf. „Wolfgang! Wolfgang!" flüsterte sie immer wieder. Wie lange hatten sie noch bei Cojazzi gesessen, und wie sehr hatte sich der Fürst als wahrhafter Freund erwiesen, als Doktor Wangenheim ihm vorgestellt wurde. Mit herz lichem Handschlag hatte er ihn begrüßt, und eine rasche Sympathie hatte die beiden Männer zusammengeführt. Rosemarie ahnte nichts von der Aussprache, die Fürst Lueberg und Wolfgang Wangenheim gehabt hatten in dieser Nacht. „Ich weiß nicht, ob es wirklich die große Liebe war, die mich zu Rosemarie Bergmann hinzog. Das eine aber weiß ich gewiß, es war der Wunsch, dieses holde, reine Geschöpf zu schützen vor den bösen Nattern des Neides und ihr nach Kampf und Not endlich die Ruhe zu geben, die sie bitter notwendig braucht." Doktor Wangenheim hatte verständnisvoll genickt, und der Fürst fuhr fort: „Es war mir nicht möglich, Rosemarie für mich zu ge winnen. Das schmerzte tief. Nun aber weiß ich, daß ich sie bitter unglücklich gemacht, wenn ich versucht hätte, sie gewaltsam an mich zu ketten. Ich bin jetzt ganz ruht-.! Frauen spielen in meinem Leben keine große Rolle. Schon j immer hatte ich die Absicht, einmal unvermählt zu bleiben, j Nun wird eS auch so kommen, und das ist vielleicht das > Veste für mich. Aber das macht mich ganz froh, daß eS Ihnen ge lungen ist, den Beweis für Rosemaries Unschuld zu er bringen. Sahen Sie, wie ihre Augen erst ungläubig schauten, und wie sie dann ganz groß und strahlend wurden? Das war das schönste Geschenk, das Sie ihr machen konnten, Herr Doktor Wangenheim. Gleich morgen werde ich bei dem neuen Intendanten vorsprechen, um Rosemaries Ehre restlos wiederherzustellen." Gegen drei Uhr morgens erst hatten sich Lueberg und Wangenheim getrennt, aber nicht ohne die ausdrückliche Versicherung, die Bekanntschaft, die auf so seltsame Art zustande gekommen war, auch weiterhin zu pflegen... Der letzte Abend kam heran, an dem Rosemarie in Ver tretung der Tinius spielte. Schon am Nachmittag war Wangenheim in der Brun- nenrandtschen Äilla zu Gast. Immer noch einmal mußte er Rosemarie ganz aus führlich erzählen, wie es ihm möglich gewesen war, die Lobe zu einem Geständnis zu bringen. „Mein Onkel Bachstedt läßt dich herzlich grüßen, Rose marie. Er war tief erschüttert, als er den wahren Zu sammenhang der Dinge erfuhr, und hat sich bis heute noch Vorwürfe gemacht, daß er die Sache damals nicht gründ licher untersuchte. Aber der Schein war allzusehr gegen dich, armes Kind. Ich habe heute morgen sofort mit ihm telephoniert. Meine Verwandten sind glücklich, daß ich dich gefunden habe. Und wir dürsten ja nicht vergessen, sie zu besuchen, hat er mir noch ausdrücklich mehrmals gesagt." j „Bachstedt und Co....", sagte Rosemarie sinnend. „Nie hätte ich gedacht, daß mein Fuß je die Heimat wieder be- i treten könnte, geschweige denn, daß ich meinen alten Arbeitsplatz noch einmal Wiedersehen würde. Aber nun lann ich ja zurückkommen. Du, Wolfgang, du allein hast den Makel auf meinem Namen gelöscht." „Glaubst du, daß ich nur einen Augenblick an deiner : Unschuld gezweifelt hätte, als ich nach Wochen von meinem ! Onkel erfuhr, was 'geschehen war?" fragte Doktor Wan genheim ernst (Schluß folgt)