Volltext Seite (XML)
- S8 - Akkus Sufch. Bon G»st«v-Abolf v. Ehrenkrook. „Ein Zirkus kommt!" -- — Dieser Ruf bedeutet das Nahen eines großen Ereignisses. Vor Kinderaugen tauchen bunte Bilder auf: luftig tänzelnde Pferde, schwerfällig trottende Elefan ten, brüllende Löwen; an Turngeräten fliegen Menschen wie Gummibälle hin und her und tanzen in schwindelnder Höhe auf schwankem Seil,, schlucken Messer und Feuer oder erheitern mit Späßen und Narrenpossen. Von einem Zirkus will auch ich heute erzählen, dem Zirkus Busch. Aber es ist nicht jener, der mit hundert Wagen und einem großen Zelle von Stadt zu Stadt zieht, es ist der Zirkus, dessen Zelt das grüne Blätterdach ist, der Zirkus, der — ohne Eintrittsgeld zu erheben, ununterbrochen geöffnet ist, für alle, die wache Augen haben. — /Wollen wir mal miteinander hinein gehen in diesen großen Zirkus? — Wer kommt mit? — Alle Augenblicke be ginnt eine neue Vorstellung. Wo er llufgebaut ist? — Überall, wo Busch und Baum, Hecke und Strauch in der weiten Natur grünen und blühen. Gehen wir einmal zu jenem großen Weidengebüsch; ganz vorsichtig schlüp fen wir hinein. Habt ihr alle Platz gefunden? — Nun ein wenig Geduld. Die Musi kanten stimmen schon. Die Amsel im nahen Baum scheint mir der Ka pellmeister zu sein; Grasmücke, Grille und Hummel spielen unS aus. Die Vorstellung beginnt. Em Tänzer paar eröffnet einen lustigen Reigen. Zwei Zitronenfalter sind es, die sich von Blüte zu Blüte schwingen, bald ein wenig rasten, bald sich in kühnem Sturz pi überschlagen scheinen, nun wieder umeinander sich drehen. Aber es geht schon weiter: zu euren Füßen ist Marcco, der stärkste Mann der Welt, zur Vorstellung angetreten. Er trägt sein Haus beständig mit sich herum. — Marcco ist aber noch weit stärker. Seht dieses Stücklsin Holz, für eine kleine Schnecke eine ganz schöne Last! Wir lassen Marcco daraufkriechen und heben ihn am Schneckenhäuslein vor« Kchtig in die Höhe. Ihr seht, er läßt nicht los und hebt eine ganz erstaunliche Gewichtsmenge. Gewiß ist er jetzt hungrig. Ich habe in diesem Glasrührchen ein wenig Traubenznckerlösung, damit wollen wir ihn belohnen. Gleich beginnt er zu fressen. Es schmeckt ihm recht gut, und wenn wir ihn durch das Glasplättchen von unten betrachten, sehen wir ganz deutlich die Leckbewegungen seiner Freßwerkzeuge. Jetzt ist er fertig, und eine neue Nummer des reichhaltigen Programmes beginnt: Harras, der kühne Springer, setzt in Niejensprüngen über den stärksten Mann der Welt und sein Haus hinweg, und es fehlt nicht viel, springt er uns fast an die Nase. Wollte ein Mensch die gleiche Sprungleistung vollbringen, müßte er sich selbst 20—30 mal über springen. Wer könnte das? — Wer es ist? — Wer anders als der Grashüpfer! Mit einem Riesensatz verläßt er die Manege. Und schon wieder zeigt sich ein neues Bild unseren Augen: Ein Ringkampf auf Leben und Tod. Ein Hirschkäfer paar Hält Einzug in die Manege. Das Männchen ist ein großer, schwarzer Käfer, wie ein Ritter gepanzert, mit festem Helm, der mit zwei starken Ge weihen geziert ist. Während wir ihn noch anschauen, stürzt ein zweiter, noch größerer Käfer sich auf ihn. Im Augenblick entspinnt sich ein erbitterter Kampf um das Weibchen, das abseits dem Ringen der beiden Käfer zusieht. Mit den Geweihen haben sie sich in einandergehakt; lange wogt der Kampf unentschieden hin und her. Endlich unterliegt der Kleine nach tapferer Gegenwehr; mit zerbrochenem Ge weih und unter Verlust eines Beines hinkt er ins nahe Gebüsch, um den Tod zu erwarten. Er tut uns leid, der tapfere Kerl! — Das Käferweibchen hat sich rasch getröstet und zieht mit dem Sieger davon, ohne sich um den Wunden zu kümmern. i Und wieder taucht ein neues Bild auf; Aüitra, die Seilkünstlerin, läßt sich an schwankem Seil aus schwindeln der Höhe zu uns herab. Das geht so geschwind, daß unsere Augen ihr kaum folgen können. — Plötzlich hält sie ume: sie hat etwas gesehen, was ihre