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24. Fortsetzung „Richt möglich, gnädige Frau! Nicht möglich! Nein, die Mädchen werden ganz normal bezahlt; sie sind ja doch froh, wenn sie mal hier und da ein Trinkgeld bekommen. Ich verstehe nicht. Darf ich fragen, gnädige Frau ...I" „Gott — wir wollen kein Aufhebens machen. Aber im Augenblick war ich doch mehr als peinlich berührt. Mir fiel schon auf, daß die Logenschlicßerin es scheinbar unter ihrer Würde hielt, mir die Tür zu öffnen. Sie machte erst einen so netten Eindruck — blond — hübsch* In Dannert kochte es. „Aber bitte, gnädige Frau! Es war mir eine ganz besondere Ehre. Ich werde sofort ...' „Ach, keine Beschwerde, Herr Direktors — Ein ver bindliches Lächeln Evelyns. Der Direktor erstarb beinah in Ehrfurcht. - - „Gnädige Frau dürfen überzeugt sein, daß Derartiges in meinem Betrieb nicht wieder passiert!" Mit unzähligen Verbeugungen geleitete Dannert Frau von Nakenius an den Wagen. Dann sah er rechnend dem schweren Wagen nach, dessen Preis die hohen Kosten für den letzten Umbau der gesamten Tonfilmanlage weit überstieg. Mit hastigen Schritten kehrte er zurück. Am liebsten hätte er Ellen gleich in das Direktionsbüro gebeten, um sie sofort herauszuschmcihen. Doch dann bremste er. Jetzt wollte er noch nichts sagen. Jetzt noch nicht. Die schöne Visage des spröden Mädchens reizte ihn schon seit langem. „Das ist auch kein unbeschriebenes Blatt mehr", redete er sich ein und dachte an die Begegnung mit jenen Herren neulich. Vielleicht reiste dieses Fräulein auf ihr hübsches Gesicht und nahm sich, wie solche Mädchen es nur allzu häufig machten, dadurch allerhand Frechheiten heraus. Zudem aber hatte er Bernd Caßler schon mehr als einmal abends vor seinem Hause stehen sehen und machte sich als der Zu-kurz-Kommende so seine Gedanken. Indessen fuhr Evelyn von Rakenius mit einem Triumphgefühl davon. Neber die Abwehr, die sie von Ellen erfahren hatte, setzte sie sich schon hinweg. Für jetzt war es genug. Es würde schon Mittel und Wege genng geben, den Stolz dieses Dämchens zu drecken. In diesem Punkt genügte es ja schon, vollkommen auf Olsen sich zu verlassen, der raffiniert genug war. Ölsen. Olaf Olsen. Mieder wurde ihre Sehnsucht nach diesem Manne mächtig stark. Sie liebte ihn mit all seiner anziehenden Leichtlebigkeit, wie die exzentrische, gelang weilte Frau den Frauengenießer als den männlichsten aller Männer verehrt. Vierzehntes Kapitel. Düster und melancholisch satz Bernd Caßler an einem der nächsten Tage dem geliebten Mädchen gegenüber. Sie hatten wieder das kleine Cafs ausgesucht, das traulich verschwiegen zwischen lauten Reklamcfassaden und buntdekorierten Schaufenstern träumte. Bernd Caßler hatte zu dem kleinen Ausgang am Vor mittag inständigst gebeten. Die quälenden Zweifel, die das Erscheinen Holms vor dem Kino geweckt hatten, trieben ihn dazu. Und Ellen war gefolgt, weil ihr die Veränderung im Wesen des Freundes aufrichtig Weh tat. Wie ein Alpdruck hing das dumpfe Schweigen in den ersten Minuten über den zwei Menschen. Draußen im Lärm der Straße hatte Bernd Caßler aus Freude über den gemeinsamen kurzen Spaziergang seine alte Bered samkeit für kurze Zeit wiedergefunden. Jetzt, da er Ellen gegenübersaß, stierte er unruhig verlegen auf die Preis- karte. Sein schmales Gesicht war jetzt wieder einmal bei nah kränklich weiß. „Sie sind seit einigen Tagen merkwürdig verändert, Bernd Caßler. Es tut mir Weh. Wollten wir nicht Kameraden sein?" Die mutige Art des Mädchens beschämte den Mann, der die Augen unstet hob und senkte. In Ellen war der Wunsch stark, dem Freunde etwas Gutes zu sagen — eine Brücke zu ihm zu finden. Sie wußte, daß sie mit Bernd Caßler den einzigen Menschen verlieren würde, den ihr das Schicksal in dieser Welt vorläufig noch gelassen hatte. Und dann? Sie würde zurückfallen in Untätigkeit. Sie wußte genau: nur Bernd Sahlers beherztes Anfassen des Lebens war es, das sie mitriß. Doch das nicht allein. Der rührend gute Mensch hatte ihr ganzes schwesterliches Emp finden geweckt, das in einer Frau ebenso schlummert wie in dem Manne das Bedürfnis, hilfebedürftige Frauen als der Stärkere zu schützen. „Ja!, ich bin verstimmt! Muß verändert sein, Ellen!" Eine leise Verbitterung klang aus den Worten des Künstlers. Das Mädchen wurde nachdenklich. „Ich ahne, warum! Weil mir heute morgen Direktor Dannert meine Aushilfsstellung fristlos kündigte." Der Mann fuhr erschrocken auf. „Ellen! Das nehmen Sie an?! Glauben Sie, daß ich Pannerts vermeintliche Gründe als bare Münze nehme?! Meinen Sie, ich zweifle an Ihren Angaben, daß Dan nert Sie mehr als einmal behelNgte? Nein, nein! Es ist etwas anderes. Ich möchte gern schweigen darüber!" Cäßlers kluge Augen hatten jetzt einen beinah wilden Ausdruck, vor dem das Mädchen zurückwich. Warum überfiel sie Bernd Caßler gerade jetzt mit seinen Zweifeln? Warum diese versteckten Andeutungen^ Er sollte doch den Mut finden zu einem offenen Wort... „Sie dürfen nicht schweigen, bitte nicht. Steht denn nur alles gegen mich, alles? Auch Sie, Bernd Caßler? Sprechen Sie doch schon! Was habe ich denn nur getan?" Ein Hilferuf aus leidumflorten Augen, aus den un ergründlichen Tiefen der reinen Mädchenseele. „Ellen Ehlers!" Der Mann war tiefinnerlich er schrocken. „Warum sprachen Sie nie so zu mir? Erst jetzt?" Die Worte hasteten aus Caßler heraus. „Erst jetzt?!" Gequält wiederholte Ellen die letzten Worte. „Warum sagen Sie das? Damit begrenzen Sie einen Zustand. Welchen?" „Den des Vertrauens, des gegenseitigen Vertrauens, Ellen. Sie haben kein Vertrauen mehr zu mir! Oh, das ist bitter — für einen Kameraden!" „Nennen Sie es Vertrauensbruch, wenn man einen Zustand verschweigt, der zur Gewohnheit wird? Soll man noch über sein Elend täglich sprechen, wenn man schon darin zu ersticken droht? Wer findet noch den Mut dazu, wenn er täglich vom Anziehen der dünnen durchgelausenen Schuhe bis zum Aufsetzen der abgetragenen Kappe fühlt, wie er allmählich immer mehr ausgeschlossen wird aus der Gemeinschaft der gutgekleideten, gutgenährten Menschen?" Milde lag jetzt in dem Gesicht des Mannes, der unver wandt in die feucht werdenden Augen des Mädchens sah. „Ellen Ehlers, liebe Ellen Ehlers! Nicht so, Nicht so! Zch wollte Ihnen voch nicht wey tun! Lassen Sie mtr vle Möglichkeit, Ihnen zu helfen; aber geben Sie mir die Kraft des Glaubens dazu!" Und als das Mädchen be troffen die Lider senkte, fügte er hinzu: „Nicht falsch ver stehen! Mein Herz wird schweigen, aber nur dann, wenn es die Zweifel überwindet." „Welche Zweifel?" Ganz matt, ganz krank kam es aus Ellens Munde. „Seit Tagen sind Sie krank, Ellen Ehlers... Sie schleichen nur noch durch das Leben. Muttchen Zimmer mann macht mich täglich darauf aufmerksam. Sagen Sie mir..." Er machte eine Pause und vollendete dann mit abgewandtem Gesicht: „Sagen Sie mir — es ist wegen dieses Mannes, der — Sie neulich abend am Kino er wartete?" Das Mädchen war zusammengezuckt. Nöte und Blässe wechselten in ihrem Gesicht. ..Das ist 5?br Zweifel? Bernd Cakler'." (Fortsetzung folgt.)