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l 0IS^0»MU (21. Fortseßung.) Mutter Jochen war seit einiger Zeit mit ihrem Jungen gar nicht zufrieden. Seine Fröhlichkeit war durch irgend :lwas, was sic nicht kannte, getrübt. Fragte sie ihn nach seinem Berufe und seinen« Leben im Betrieb bei dem Konsul Nystädt, so sagte er nur: „Das läuft alles soweit ganz gut, Mutter Jochen. Was wll ich Ihnen viel davon erzählen? Das ist alles lang weiliger Kram für jemand, der nicht mittendrin steht." Aber als Mutter Jochen einmal fragte: „Sag mal, Jung, hat sich denn der Konsnl Nystädt sonst gar nicht um dich gekümmert? Und das Mädel, das ou gerettet hast — hat das noch nicht mal »Danke schön' zcsagt?", va wurde Aki ganz gegen seine sonstige liebe- oolle Gewohnheit beinah ärgerlich: „Sie wissen doch, Mutter Jochen, so etwas kann ich m den Tod nicht vertragen. Wenn ein Mensch etwas nit, was selbstverständlich ist, so bat er dafür keinen Dank ju erwarten. Und der Konsul hat sich doch mir gegen über schon mehr als grosszügig erwiesen, indem er mich m seinem Betrieb so vorangcbracht hat." Mutter Jochen dachte zwar für sich, das; Konsul Nystädt nich durch Akis Tüchtigkeit einen Vorteil hätte, aber sie hütete sich wohl, das zu sagen. Der Junge schien in diesem Punkte merkwürdig empfindlich zu sein. Nur das eine konnte er nicht hindern, bah sie sich über die ganze Ge- ichichte so ihre Gedanken machte. Noch eine andere aber machte sich über Akis Stellung m dem Betrieb Nystädts ihre Gedanken. Und diese andere war Tilly. Sie hatte damals vor Monaten geglaubt, sie lähe nicht recht, als Aki in dem wunderbaren Wagen an ihr vorübergefahren. Sie hatte ihn auch zu schnell ans »en Augen verloren, um feststellcn zu können, wie Aki in Keses Gefährt gekommen. Ihre Neugierde lieh ihr keine Nutze. Was war mit Aki geschehen? War er zu Reichtum gekommen? Auf welche Weise? Vielleicht war er in einer Position, in der er ihr nützen konnte. Vielleicht war es klug, sich ihm irgendwie zn nähern. Tilly verlor durch ihre Erfolge bei den Männern den Maßstab für die Möglichkeiten des Lebens sehr oft. Daß Kn Mann, den sie wirklich wiedcrgewinnen wollte, ihr ernsthaft widerstehen könnte, dieser Gedanke kain ihr ein fach nicht in den Sinn. Sie hatte sich damals von Aki in Zorn getrennt. Aber das hieß keineswegs, daß alles so »leiben mußte. Sie halte.sich damals ja auch nicht die geringste Mühe gegeben, ihn znxückznerobern. Im Gegen teil, nach dem ersten Schrecken über seine brutale Art, mit »er er sie bei ihrer Mutter einfach vor die Tür gesetzt, war sie über dieses Ende ihrer Beziehungen zu Aki sogar ganz zufrieden gewesen. Nun brauchte sie wenigstens von seiner Eifersucht und seiner verschmähten Liebe nichts zu befürchten. Vielleicht sonnte er sich in dem Gedanken, daß ;r es gewesen, der ihr zum Schluß den Laufpaß gegeben. Mochte es so sein, sie hatte dann wenigstens Ruhe vor ihm. Was sollte sie auch mit einem Menschen wie Aki? Er wäre nur ein Hemmschuh gewesen! Nun aber schien Aki sie bei weitem überflügelt zu haben. Zwar hatte Tilly es inzwischen zu einer eleganten Sechszimmerwohnung und einem kleinen Selbstfahrer ge- bracht, den sie geschickt und elegant lenkte. Sie besaß Schmuck, sie besaß schöne Kleider. Sie war ein Varietö- stern an einem der ersten Kabaretts von St. Pauli ge worden. Aber Aki schien, wenigstens nach seinem Wagen >u urteilen, in einer weitaus günstigeren Position. Da lockte sie es doch, seinem Leben einmal nachzuforschen. Auf dem Einwohnermeldeamt bekam sie gegen die Erlegung der üblichen Gebühr sehr bald Akis Adresse. Er wohnte also nicht mehr in dem jämmerlichen Quartier bei ihrer Mutter. Das hätte ja auch wirklich zu dem Auto wenig gepaßt. Aber die Dreizimmerwohnung draußen in dem Vor- »rt, die von Tilly bald sestgestellt wurde, entsprach auch j nicht ihren Erwartungen. Wie konnte sie Näheres von feinem Leben erfahren? Sie überlegte lange. Schließlich kam ihr der Gedanke, daß sic ja ihre Mutter wieder ein mal besuchen könnte. Wenn sie sich als zärtliche Tochter nisgeben und der Alten ein hübsches Geschenk mitbringen würde, so würde die wohl alles bald ausplaudern, was Lilly wissen wollte. So machte sich Tilly eines Tages auf den Weg zu ihrer Mutter. In der hübschen, sauberen Vorstadtstraße fand sie unschwer einen fixen kleinen Jungen, der ihr Auskunft geben konnte, ob Frau Jochen allein wäre oder ; nicht. Sie erfuhr, daß der Herr Aki, wie der Junge aus dem I Hause ihn vertraulich nannte, bereits früh wcggegangen ; wäre. „Er arbeitet doch in dem Nystädt sein'n Werk", sagte i »er Junge, „wissen Sie nicht, Fräulein, dem großen Nystädt, dem die Reederei gehört und das große Holzwerk f and die elektrische Firma." Mit dem unbefangensten und liebenswürdigsten ! Lächeln von der Welt klingelte sie kurz darauf an der Korridortür ihrer Mutter. Frau Jochen sah durchs Guckloch. Sie erkannte im rrsten Augenblick Tilly gar nicht. Wer war diese elegante, schön zurechtgemachte Frau mit dem Weißfuchs um die Schultern und mit den sprühenden Ohrringen? Einen ! Augenblick dachte sie, ob das vielleicht die Tochter von Konsul Nystädt wäre. Nasch öffnete sic. Da erschrak sie. Unter der kleinen weißen Filzkappe sahen ihr Tillys dunkle, gierige Augen entgegen. „Was willst du?" fragte Frau Jochen kurz. „Du hast hier wohl nichts verloren?" Sie wollte die Tür schon wieder zumachcm Aber Tilly hielt die Klinke fest: „Du wirst mich doch nicht so vor der Tür stehenlassen", sagte sic. Sie unterdrückte den Aerger über die Abweisung der Mutter. „Ich komme doch nur einmal sehen, wie es dir geht. Das wirst du mir dock) nicht verwehren." „Hast ja die ganzen Monate dich nicht um mich ge- i kümmert", Frau Jochens Stimme klang kalt und kurz, „da brauchst du auch jetzt nicht zu kommen." „Aber Mutter, sei doch nicht so nachtragend. Sieh mal, z oamals ging's mir auch nicht so besonders. Da tut man § manches, was einem hinterher leid ist. Jetzt schcint's dir sa Wohl besser zu gehen — nicht wahr, Mutter? Sag mal", Tilly versuchte immer wieder zwischen der Mutter und dem Türspalt hindurch in den Korridor hinein zukommen, „was macht denn der Aki? Der hat doch jetzt ? eine feine Stellung — nicht wahr? Erzähl' mir doch mal! Na, laß mich poch endlich 'rein", sagte sie ungeduldig f und wollte energisch die Tür zurückstoßcn. Aber Fran Jochen stemmte sich mit der ganzen Kraft, die sie hatte, f gegen die Tür. „Was gehl sich der Aki an?" fragte sie mißtrauisch. ! Kommst du hierher, zu spionieren? Willst dich Wohl zum zweiten Male vor die Tür setzen lassen? Geh nur zu deinen seinen Freunden! O ja, ich weiß, wie du lebst und wie du's treibst. Aber ich mische mich nicht 'rein. Du hast dich von mir losgesagt. Du hast nichts von mir wissen wollen, wie ich elend und am Verhungern war. Fetzt, wo es mir besser geht, da kommst du. Aber nun sage ich dir, laß mir meinen Frieden! Wo du hinkommst, zibt's doch nur Unfrieden und Zank. Ich hab's endlich gut getroffen mit dem lieben Jungen, dem Aki. Du sollst uns unser schönes Leben nicht zerstören." Tilly lachte höhnisch auf. „Na, dann nicht", sagte sie. „Da lebe man weiter wohl! Bist ja mächtig hochmütig geworden, seitdem dein Aki ein feiner Herr geworden ist. Aber noch ist nicht aller Tage Abend. Wie lange die Herrlichkeit von dem Land streicher dauern wird, das möcht' ich auch sehen." Sic wandte sich um und ging wütend die Treppe hinab. Frau Jochen schloß mit zitternden Händen die Korridortür und legte die Kette vor, als müßte sie Tilly fetzt noch den Eingang verwehren. Aber was sie nicht hindern konnte, war, daß mit Tillys Erscheinen Angst und unruhige Gedanken in ihr friedliches Heim gedrungen waren. Wenn Tilly zu ihr gekommen war, hatte es noch niemals etwas Gutes gegeben. Wenn nur dem Jungen nichts passiert, dachte sie angst-