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121 Nachdruck verboten. „JungcuS", sagte Luzie, nachdem sic „Per" begrübt und bebauen batte, „i!)r seid ein büschen summ. Wieso hockt ihr hier in oer alten Köhlcrhütte? Die Försterei ist doch gar nicht weit. Da könntet ihr gut ivohucu. Die Förstersfrau ist sehr nett, vcn Förster habe ich zwar noch nicht gesehen — aber wenn ihr bei ihm wohnt und ihm den 'Aufenthalt in seinem Hause gut bezahlt, wirb er auch schon nett sein. Träfe er euch aber hier — Junge, Junge, das gäbe ein Malheur! Der glaubt vir deinen Professor ebensowenig, wie ich cü tu — du, Professoren sprechen und benehmen sich aus alle Fälle anders. Und bann glaubte er dem Per seinen Mackeprang auch nicht, und ihr kämt in die schönste Verlegenheit. Uebcrhaupt seid doch nicht so doof, das; ihr meint, einer dächte, ihr lebtet wirk lich zu eurem Vergnügen hier s o — wo der Per noch das am Fuß hat! Nee! Ich rate euch, zieht in die Försterei und Pflegt den Per erst gesund. So — das macht einen ganz summen Eindruck. Ihr seid doch keine Diebe und Mörder. Was verbergt ihr euch denn so ängstlich?" Piter und'Jürgen wechselten einen Blick. Recht hatte sie ja eigentlich. .Ja", sagte Jürgen langsam und bedächtig. „Blos; weiht du, cs handelt sich um eine Wette! Wir sind zum Schweigen verpflichtet. So viel aber können wir dir doch sagen: in ein paar Tagen müssen wir wieder in Bergen sein. Vorher darf uns keiner kriegen!" Luzie zog die 'Augenbrauen hoch. „Eine Wette? 'Ausgcfrcssen habt ihr nichts?" „Eigentlich — nein", entschied Piter. „Was wir ge macht haben, das machen wir auch wieder gut. Es ist alles wegen — wegen — na ja — wegen so einer Art Wette!" „Alles?" fragte Luzie bedenklich. „Alles!" versicherte Jürgen überzeugt. „Und deine Professur, du?" fragte Luzie, mehr be denklich als streng. „Ist das so schlimm?" fragte Jürgen verlegen dagegen. „Mach's ein andermal ein bißchen bescheidener! Aber nun in allem Ernst, wollt Ihr hier noch länger bleiben? Oder — ich habe der Förstersfrau von meinem Freund erzählt. Ich sage einfach, ich hätte ihn gesunden, und sie möchte ihn aufnchmcn, bis er wieder gesund wäre." „Aber wie heißt denn der?" fragte besinnlich Piter. „I ch habe doch meinen Namen und meinen Ausweis. Den kann ich doch nicht verleugnen!" Nein, dachte Luzie und wurde wieder zweifelnd, ob sie es nicht doch mit Schwerverbrechern zu tun hätte — wie kann man mit so ehrlichem Gesicht so lügen? Ihre eigenen Sünden zählte sic nicht. „Sic weiß ja den Namen nicht. Es ist schon gleich, wie ou dich nennst!" sagte sie laut. „Und ich?" fragte kleinlaut Jürgen. „Wie heißt du denn?" Jürgen gestand seine Jdcntitär. „Du bist eben irgendwer — und bleibst bei Per — aus Freundschaft! Danach fragt auch keiner so genau, wenn ihr als Gäste da seid und zahlt. Fände man euch hier — herrje, für was würde man euch Wohl halten?!" „Aber wo sollen wir denn die Kassette lassen?" fragte Piter unvorsichtig. „Die nehmen wir einfach mit. Wer kennt die denn hier?" erwiderte Jürgen ebenso sorglos. Luzie machte große Augen. Die beiden merkten das — und wurden verlegen. „Das ist alles wegen der ,Maritas'", verhedderte sich Jürgen. Und machte Luzie noch bedenklicher. - Er holte, als ob er sich damit rehabilitieren könnte, die kleine Kassette aus braunlackiertem Holz, deren an spruchsvolles Schlüsselloch Geheimnisse vermuten ließ. Komisch, dachte Luzie, fühlte sich unsicher und drängte zum Aufbruch. Sie hatte, voraussehend, der Frau Förster schon gesagt, sie gehe ihren Freund suchen. Jetzt eilte sie zurück, erklärte, er habe sich einen Fuß leicht verstaucht und die Nacht in einer alten Hütte zu gebracht. Die Frau kannte die Köhlerhütte und lachte. Viel Be quemlichkeit habe er da freilich nicht gehabt. Luzie erzählte, M zufällig ein Bekannter hinzugekommen sei, und daß Ne beiden ein paar Tage in der Försterei wohnen möchten. Sie half so anstellig, das Zimmer zurechtzumachen, daß Be Geheimrätin Giseler ihr blaues Wunder gehabt haben wurde, hätte sie zuschauen können. Dann kam Piter, auf Jürgens Arm gestützt, schon an- gWrnpelt. Flüchtig wunderte sich die Frau Förster, daß das junge Mädchen, das ihr feK: sein und gebildet erschienen war, D überaus einfache Freunde besaß. Aber darüber dachte nemicht mehr nach, alsHiterühr großmütig einen Fünfzig markschein reichte. ^Anzahlung!" sagte er großartig. . Tuzie mutzte sich Zwang antun, ihm nicht gehörig ihre Meinung zu sagen. Nein, ßv mit dem gestohlenen Geld Mzuspringen! Trotz und alledem: das waren doch rcgel- Ww Gauner! Nun, sie-sollten ihrem Schicksal nicht ent- gMMt und mit ausgeklopften Anzügen sahen die beiden nnn zwar ganz rcputicrlich aus. Luzie überlegte, daß cs das Beste sei, auch die Frau Förster nicht cinzuweihcn, was für Galgenvögel sie beherberge. Durch eine Miene, eine Acngstlichkcit, eine verächtliche Geste konnte sie den gewiß sehr aufmerksamen Schurken eine Warnung geben, und die Polizei fände das Nest leer. Gegen Mittag, nachdem sie sich noch einmal tüchtig satt gegessen, machte sich Luzie ans den Weg. Jürgen begleitete sie. Piter sagte ihr so treuherzig Dank für den guten Nat und „alle Freundlichkeit", das; es ihr wieder schwer wurde, zu glauben... Aber sie machte sich hart. Es waren nnd blieben ansgcmachle Schurken. Nur eben Schurken mit angenehmem Wesen. Unterwegs, als sie Jürgen von dem sprach, von dem ihr Herz voll Ivar, von dem verlorenen Freunde, mußte sie zwar wiederum die nette Art bewundern, wie er an ihrer Sorge Anteil nahm. Aber als er dann doch sich hin- rcißen ließ, anzudeuten, ob der „Freund" nicht einfach „stiften" gegangen sei, wurde sie ernstlich böse und be handelte den armen Jungen so schlecht, daß er sich bald ver abschiedete und sic allein gucr durch den Wald wciter- wandern ließ. Luzie stieg, sobald sie merkte, daß der Verkehr aus den Waldwegen lebhafter wurde, an den Strand herab, legte sort den Rest des Weges zurück, was zwar ein wenig lästig war, weil ihre Strandschuhe schadhaft geworden waren und die Steine ihre Füße zu verletzen drohten. Doch hier konnte ihr Anzug nicht ausfallen — und das wollte sie vermeiden. Sie ging in das Hotel, in das sic sich ihre Sachen be stellt hatte. Ein Glück! Sie seien gerade diesen Morgen eingctroffcn, sagte ihr der Portier. Man hatte sie ihr bereits auf ein für sie bereitgehaltencs Zimmer gebracht. Das regnerische Wetter hatte viele Gäste veranlaßt, abzureisen. Es war also Raum genug frei. Luzie packte ihren Koffer aus, zog sich eines ihrer hübschen Promenadenkleider an und ging zur Post, um das dort lagernde Geld abzuholen. Sie überlegte gerade, ob sie nun gleich zur Polizei gehen solle und Per Mackeprang als verloren, die beiden anderen aber als Diebe und Betrüger anzuzeigen und alles Erforderliche einzuleiten, als sie — noch in der Tür des Postgebäudes stehend — einen ganz leisen Laut der Ucberraschung nicht unterdrücken konnte. Täuschung war nicht möglich! Dennoch rieb sie sich die Augen, weil sie ihnen nicht traute. Das w a r Per Mackeprang, elegant gekleidet und durch aus Gent, der da die Straße herabkam, mit zwei anderen Herren, die ihr beide — natürlich — unbekannt waren. „Per!" wollte sie im ersten Augenblick ausrufen und auf ihn zueilcn. Aber im zweiten wurde ihr die bodenlose Perfidie seiner Handlungsweise klar. Schnell trat sie in die Post zurück, bis die drei vorüber waren. Dann ging sie ihnen in angemessener Entfernung nach. So stellte sie fest, das; sie in dem .Notel neben dem ihren wohnten. Schön! Sie würde ihn also beobachten können! Luzie war weit entfernt davon, für Per Mackeprang innigere Gefühle zu empfinden. Sie hatte eine schöne, ernste und große Liebe in Berlin, die sie nach dieser Rich- tnng so ganz erfüllte, daß sie für andere männliche Wesen noch nicht einmal sex appeal zu haben imstande war. Aber als modernes Sportmädel hatte sie ihre Begriffe von Kameradschaft, und für sie war Per Mackprang durch diese seine Handlungsweise einfach „erschossen"; die beiden Diebe in dem Stubnitzer Forsthaus erschienen ihr neben ihm geradezu reingewaschene Engel. Um diesen Menschen hatte sie sich so gesorgt! Dieses Menschen Eigentum zu rächen, hatte sie sich mit Dieben und wohl gar Mördern eingelassen! Mochten die armen Deubels sich an dieses Verräters Hab und Gut schadlos halten. S i e hatte keinen Grund mehr, sie verfolgen zu lassen. In der Tat hatte Luzie vollständig vergessen, daß sie Per Mackeprang ja allerlei Dinge aufgebunden hatte, die ihn zu seiner Handlungsweise wenigstens in etwas be rechtigten. Und hätte man sie daran erinnert, würde sie erwidert haben: Für so doof, das zu glauben, hätte ich den Kerl eben doch nicht gehalten. Finsteren Antlitzes — und noch finsterer Seele saß sie in ihrem Zimmer, ohne einen Blick für die Schönheit des Meeres zu haben, das sich vor ihren Augen ausbreitcte. Das Nachmittagskonzert hatte begonnen. Elegante Leute promenierten hin und her. Luzie be gann sie zu beobachten, und unwillkürlich wartete sie. Aha, richtig! Da war er! Da kam er wieder mit seinen beiden Begleitern. Ha, wenn der ahnte, wer ihn beobachtet! Rache!, sann Luzie. Rache! Aber wie? Wie? Plötzlich kam ihr ein Gedanke, der ihr nicht übel schien. Sie ging an ihren Kleiderschrank und betrachtete mit liebevollem Blick das schöne Abendkleid, das sie sich in Stralsund erstanden. Das Weiche Orangegelb stand ihrem braunen Typ ganz ausgezeichnet. Die fließenden Linien ließen sie größer und — hoffentlich — bedeutender er scheinen. Ehrlich und zuverlässig hatte man ihr alles mit geschickt, was sie brauchte. Nur eines nicht! Nur eines fehlte, was sic zum Zweck ihrer Rache un bedingt nötig gehabt hätte: ein ansehnlicher und ebenfalls eleganter Kavalier. Gegenstände dieser Art waren allerdings leicht zu be schaffen — aber unter Umständen schwer wieder los- > zuwcrdcn. Nun, cs ging auch ohne. Sie klingelte das Zimmermädchen zu sich und fragte sie nach den für diesen Abend vorgesehenen Vergnügungen. Und als sic Hörle, daß ein Konzert mit nachfolgendem Tanz im Kursaal stattfinden werde, beschloß sic, dorthin zu gehen. „Alle" Herrschaften träfen sich dort, belehrte sie das Zimmermädchen. Per Mackeprang würde gewiß dort sein, wo „alle Herr schaften" waren. Warte inan, dn!, dachte kriegerisch Luzie — und öffnete das Etui aus Schildkrötcnlcdcr, in dem auf rotem Samt der strahlende Diamantschmuck ihrer Mutter lag. Sic hatte ihn zufällig mit nach Stralsund genommen, nm ihn bei der Anprobe des neuen Kleides zur Hand zu haben. Bredena nnd Per waren früh am Morgen auf der Polizei gewesen und hatten ihre Angaben gemacht. Kopfschüttelnd hatte man Per bedeutet, daß es sehr unklug gewesen sei, das „Mädchen" zu verlassen. Hätte er sie sicher nach Saßnitz begleitet, wäre es eine einfache Sache gewesen, sie zu verhaften. So habe sie viel leicht Lunte gerochen und sei wieder einmal entwischt. Derartige Leute, belehrte man ihn, hätten einen ungeheuer feinen Instinkt für Gefahren, die ihnen bevorständen. Bredena halte ihm Achnliches gesagt. „Ich konnte sie nicht mehr um mich haben!" bekannte kleinlaut Per. Na ja, das verstand man! Er hatte auch die Sache mit dem Boot zur Anzeige ge bracht. Er und Bredena neigten zu der Ansicht, daß das Ganze eine abgekartete Geschichte sei und Luzie auch hier die Hand im Spiele habe. Das schien der Polizei ein wenig zuviel auf einmal. „Sic halten cs für ausgeschlossen, das; das junge Mädchen Ihnen einen Büren aufgcbundcn hat?" fragte ein erfahrener Kriminalbeamter Per Der machte sein dümmstes Gesicht. „Warum sollte sie das getan haben?" „Vorgckommen ist das alles schon!" Bredena legte sich ins Mittel. Das Mädchen habe Herrn Mackeprang kleine Einzel züge mitgeteilt, die einfach nicht erfunden sein könnten, auch von großer Sachkenntnis sprächen. Auch er sei über zeugt. Und er sei nicht leichtgläubig! Dann freilich! — „Und wie, bitte, nannte sic sich?" „Luzie!" „Bloß Luzie?" „Ja!" „Vatersname?- „Uebcrhaupt nicht. Als ich in sie drang, sagte sie Luzie Hofmann! Sie wußte von mir, daß ich mit einem Mädchen dieses Namens vcr... verheiratet werden sollte — und deshalb auf Fahrt gegangen war!" „Das ist aber doch sehr dumm. Da konnten Sie die Unwahrheit doch sofort feststellen!" „Och! Das gerade nicht! Ich habe die Luzie Hofmann noch nie gesehen!" Alles lachte. „Dann wäre ja im Prinzip die Möglichkeit gegeben, daß das Mädel die Wahrheit gesagt hätte — was ihren Namen betrifft!" „Aber wie sollte Fräulein Hofmann aus Rostock in Stralsund gerade zu mir ins Boot kommen?" fragte Per mit seiner Naivität als guter Junge, der noch nicht ganz von Mutters Schürzenband los ist — trotz Gymnasiums und langer Reisen. „Sie wußte ja gar nicht, daß ich es war, und daß ich fahren wollte. So was ist doch un möglich!" „Man sollte cs denken", sagte ernsthaft erwägend einer der älteren Herren vom Amt. „Liebe Zeit", sagte Bredena, „möglich ist alles! Aber diese Möglichkeit ist doch so blaß! Wir dürfen meiner Ansicht nach nichts unterlassen, der jungen Person erst einmal habhaft zu werden. Ist sie dann statt einer Ver brecherin eine Aufschneiderin, so kann man sie ja bald laufen lassen. Eine kleine Lehre tut ihr dann auf alle Fälle gut. Denn mit so ernsten Sachen sollte man nicht scherzen." Dazu nickten alle. Man ließ das Telephon spielen. Eine Relye von Land jägern wurde beauftragt, nach dem Mädchen zu fahnden. Ihr Signalement wurde durchgegeben. Besondere Kenn zeichen: trägt zerrissene Leinenschuhc und einen Strand anzug. So! Jürgen kam, begeistert von Luzie, rn me Försterei! zurück. Er und Piter ergingen sich über Vermutunaen in beruL auf ihre kleine Person. Auch die Förstersfrau kam dazu. Sie saßen alle drei in der Laube. „Was ist das eigentlich für ein Fräulein?" fragte die Förstersfrau. „Kennen Sie die schon lange?" Piter und Jürgen gerieten in Verlegenheit. Sie konnten schlecht aus dem Stegreif lügen. Da fiel ihnen ein, was sie im Briefe der Gehelmrätin Giseler gelesen. (Forts. solgt.I >