Volltext Seite (XML)
(37. Fortsetzung.) Klaus machte den Pater darauf aufmerksam und er klärte ihm, daß er sofort mit Lotte sprechen werde. Manfred von Ragenthin verabschiedete die Leute, als man das Schloß erreicht hatte, und sprach ihnen seinen Dank aus. Dann begab er sich mit Klaus hinein. Die beiden Frauen waren in der Tat noch auf. Der Frau Regierungsrat fiel es offenbar schwer, sich un befangen zu zeigen. Lotte aber atmete erleichtert auf, als sie sah, daß Klaus und sein Vater ohne Jutta zurückkamen. Sie hatten im stillen wirklich befürchtet, daß man die Ver mißte finden und das geschickt eingefädelte Spiel auf decken würde. Manfred von Ragenthin wandte sich mit einem Gesicht, das nichts Gutes verhieß, sofort an die Schwägerin: „Willst du mal einen Augenblick mit in die Bibliothek hinüberkommen!? Ich habe mit dir zu sprechen." Sie sah ihm mit einem raschen, unsicher forschenden Blick in oas finstere Gesicht. Dann erhob sie sich mit rotem Kopf. Stumm ging Manfred von Ragenthin ihr voran. Klaus und Lotte waren allein. Klaus stand mitten im Zimmer unter dem Kronleuchter, dessen Licht voll auf sein abgespanntes, aber von tiefer Erregung zeugendes Gesicht fiel. Mit einer heftigen Be wegung strich er das wirre, feuchte Haar zurück. Lotte musterte ihn verstohlen. Sie wollte eben eine Frage nach Jutta stellen, als er sich ihr mit einer scharfen Bewegung zuwandte und begann: „Ich habe ein paar Fragen an dich..." Lotte richtete sich langsam auf. „Bitte...!?" Er sah ihr fest und scharf in die Augen. „Zunächst: weißt du, wohin Jutta sich gewaudt hat?" Ein leises Rot stieg Lotte plötzlich ins Gesicht. Stumm erwiderte sie einen Moment seinen Blick. Mit eingezogenen Mundwinkeln ließ sie sich dann wieder in den Stuhl zurück sinken. „Eine merkwürdige Frage! Wie kommst du darauf, ausgerechnet mich danach zu fragen? Ich weiß es selbst verständlich ebensowenig wie du. Oder bist du der Meinung, daß sie mich zu ihrer Vertrauten gemacht hat? Das glaubst du doch selber nicht..." Klaus hob das Kinn und ließ es wieder sinken. „Gut! Möglich, daß du es wirklich nicht weißt. Aber eine andere Frage: Wie kommst du zu der Behauptung, Jutta sei — meine Schwester?" Lotte saß vor jäher Ueberraschung ganz still. Die Röte auf ihrem Gesicht wich plötzlich einer tiefen Blässe. Stumm und mit halb offenen Lippen begegnete sie seinem zwingen den Blick. „Oder willst du etwa leugnen, Jutta gegenüber diese Behauptung aufgestellt zu haben?" fuhr Klaus mit er hobener Stimme fort. Lotte hatte immer noch Mühe, sich zu fassen. Ihre Lippen zuckten leise. Plötzlich aber richtete sie sich mit einer entschlossenen Bewegung wieder auf. „Nein — ich habe weder Ursache, noch denke ich daran, es zu leugnen", erklärte sie mit blitzenden Augen. „Aller dings habe ich geglaubt, diese peinliche Angelegenheit mit Fräulein Molnar allein abmachen zu können. Leider scheint ihr nun aber doch Kenntnis davon erhalten zu haben. Ich bin auch so ungefähr darüber im Bilde, woher der Wind weht — das Spionieren ist ja neuerdings auf Ragenthin zur Gewohnheit geworden... Also: Jawohl, ich habe Fräulein Molnar wirklich Mitteilung von der peinlichen Tatsache gemacht!" Klaus preßte seine Lippen einen Augenblick fest auf einander. „Tatsache oder nicht — das wird sich erst noch erweisen", entgegnete er mit harter Stimme. „Jedenfalls verlange ich jetzt zu wissen, aus welchem Grunde nnd in welcher Ab sicht du es getan hast!" Ein dunkles Grollen schwang in seiner Stimme. Durch dringend lag sein Blick auf Lotte. Das Spiel der Muskeln auf seinem Gesicht verriet seine tiefe Erregung. j Lotte hielt seinem Blick stand. In ihren Augen sprühte ' ein dunkles Glitzern auf. j „Auch darüber will ich dir Rechenschaft geben", er widerte sie mit wogendem Atem. „Um es gleich vorweg zu sagen: ich habe es gut gemeint. Mit dir und auch mit Fräulein Molnar. Ich Weitz nicht, ob ich mich täusche; aber ich glaube bemerkt zu haben, daß Fräulein Molnar mehr als bloße Freundschaft für dich empfindet, und wollte ein Unglück verhinder- Ihr hattet ja offenbar keine Ahnung von dem Geheinn oas die beiden Familien Ragenthin und Molnar miteinander verbindet. Ich weiß, daß du mir , schon seit längerer Zeit grollst, weil ich Fräulein Molnar ' nicht immer so begegnet bin, wie es dein und deines Vaters Wunsch war. Du hast mich vielleicht gar für herz los und egoistisch gehalten — aber es war nur die Sorge über das, was ich kommen sah.. „So! Und du nimmst witklich an, daß ich einfältig genug bin, dir das zu glauben? Nein, ich will es dir sagen: du hast Jutta mit vollem Bewußtsein und mit. voller, wohlberechneter Absicht Hinausgetrieben! Wenn es sich wirklich so verhalten hätte, wie du mich glauben machen willst, so hättest du schon längst versucht, mich aufzuklären oder hättest dich mit deiner Weisheit und deiner angeb lichen Sorge an meinen Vater gewandt. Aber ou hast ganz genau gewußt, daß du dein Ziel dann nicht erreichen würdest. Du bist ganz sicher gegangen — du bist kaltblütig und gewissenlos direkt an das gutgläubige Opfer deiner Pläne herangegangen. Du hast dein Ziel vorläufig nich! erreicht — wir wollen hoffen, daß deine Machenschaften nicht zu einem Unglück geführt haben, für das man dich zur Rechenschaft ziehen wird!" Mit flackernden Blicken hatte Lotte bei seinen Worten wieder ganz still dagesessen. Sie sah sich durchschaut, sah ihre Pläne und Hoffnungen in ein Nichts zerflattern, aber sie gab das Spiel noch nicht verloren. Mit einer entschlossenen Bewegung erhob sie sich und zwang seinen Blick in den ihren. Ihr Atem ging in heftigen Stößen. In ihrer Stimme war ein deutliches Zittern, als sie erwiderte: „Gut, Klaus — du zwingst mich zur Offenheit. Du zwingst mich, dir etwas zu gestehen, was ich aus Gründen der Selbstachtung in mir verschließen sollte. Ja, ich habe Fräulein Molnar Mitteilung von der Tatsache gemacht, nm sie zu veranlassen, still von hier zu verschwinden! Aber es geschah nicht aus niedrigen Motiven heraus. Bitte, glaube das nicht von mir! Ich tat es, weil — weil ich dich liebe, Klaus! Begreifst du das denn nicht? Ich sah, wie das Mädchen dich von Tag zu Tag mehr umgarnte, und konnte es nicht mehr ertragen. Ich konnte es nicht mehr ertragen, Klaus! Du weißt ja nicht, was ich in dieser ganzen Zeit gelitten habe, wie ich manchmal habe an mich halten müssen, um nicht laut aufzuschreien, wenn ich sah..." Sie brach plötzlich ab. Ein Schluchzen schien sie zu erschüttern. Dann trat sie mit rascher Bewegung auf Klaus zu und legte die Hand auf seinen Arm. „Denke doch nicht schlecht von mir, Klaus! Ich kann doch nicht dafür, daß ich dich liebe, daß ich an nichts anderes mehr denke als an dich. Nie wäre ein Wort davon über meine Lippen gekommen, wenn du mich nicht dazu gezwmlgen hättest. Aber da ich es nun einmal habe sagen müssen, Klaus..." Wieder schien eine tiefe Bewegung sie zu erschüttern. Dann fuhr sie mit einem flehenden Blick fort: „Hast du denn gar nicht ein bißchen Mitleid mit mir? Bin ich dir denn wirtlich gar nichts, Klaus?" Wie ein feuchter Schleier lag es über ihren Augen. Sie hob das Gesicht mit den erwartungsvoll geöffneten Lippen zu ihm auf. Er fühlte, wie ihre Finger sich in seinen Arm krampften. Einen Moment kam es in der Tat wie eine leise Regung des Mitleids über Klaus. Dann aber dachte er wieder an das, was geschehen war. Mit einer harten Be wegung machte er sich frei.