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Nachdruck verboicn. Schade nm die netten Menschen! Luzie fühlte sich bewogen, ein wenig zn necken. „Herr Professor, Ivas haben Sie denn studiert"" »Ich? Ja? WaS meinen Sic woll?" „Theologie?" „Genau! Nein, wie Sie das getroffen haben, Frän- lcm! Schon als Jnnge habe ich für Tiere immer ein grohes Interesse gehabt — und wäre gern Förster ge worden, aber es langte nicht dazu. Meine Eltern waren zu arm." Piter räusperte sich. „Aber ein Onkel, der wo Geld hatte, der hat mich denn auf die Universität geschickt!" „Aber was hat denn Theologie mit Tieren zu tun? Theologie ist doch Gottesgclahrthcit?" Jürgen zog sich geschickt aus der Affäre. „Oh! Ich bin nämlich etwas schwerhörig, Sic! Ich habe Zoologie verstanden!" „Aha!" sagte Luzie vergnügt. Dumm waren die Burschen nicht! Ehe cs richtig vuukel wurdc, machte sich Luzie auf den Weg. Sie verbat sich energisch Jürgens Begleitung. „Sic können doch Ihren kranken Freund nicht im Stich lassen!" Oie Förstersfran nahm sic gern auf. Sie wusch ihr sogar deu Strandanzug. Geplättet würde er morgen wieder ganz reputierlich ausschcn. Luzie bekam solange ein Kleid von ihr. Sic konntc sich dann in einem Badeort sehen lassen. Und Geld und Kleider würden ja inzwischen eingctrosfen sein. Die „Diebe" aber wollte sic sich nicht entgehen lassen. Ihr Plan stand schon fest. Und Per? Die Förstersfran tröstete sie. Heimlich dachte auch sie: Der wird sich Wohl aus dem Staube gemacht haben! Aber sie sprach cs nicht aus. Luzic konntc sich gründlich erfrischen. Als sie am anderen Morgen herunlerkam, war sie wieder völlig die Alte, und die Förstersfran erkannte in ihr die „richtige Dame". Bon den beiden bösen Buben im Walde hatte Luzie nichts verraten. Diese Fische wollte sie selbst ins Netz bringen. S. Als- Per Mackeprang auf seiner nicht grade eyrcn- haftcn Flucht noch nicht allzu weil gekommen war, be merkte er an einem unbcwachscnen Platz, nicht weit von dem schmalen Waldweg entfernt, einen Wanderer, der, einen Kochapparat vor sich, grade für sein Abendessen zu sorgen schien. Es war anzunehmcn, das; er eine Karte bei sich hatte. Pers eigene war ja im Boot geblieben und diente nun den abscheulichen Räubern. Deshalb ging er entschlossen aus den Fremden zu, grüßte höflich und formell und fügte seinem anredenden und einleitenden „Entschuldigen Sie!" sofort die Vor stellung hinzu. ,Per Mackeprang aus Fehmarn." Der Fremde lachte hell auf, als er diesen an sich doch recht wohlklingenden und keineswegs scherzhaften Namen hörte. Da er aber grade ein großes Stück Speck im Munde hatte, verschluckte er sich entsetzlich. Und obwohl sein Auf lachen Per richtig verletzt hatte, klopfte er ihm doch gut mütig auf den Rücken. „Verzeihen Sie, Herr Mackeprang", sagte der andere, sobald er wieder Luft kriegen konnte. „Aber ich habe Ihren Namen in der letzten Zeit verschiedentlich gehört — und nun Sie plötzlich vor mir standen, konnte ich wirk lich nicht anders: Ich mußte einfach losplatzen!" „Ach so?" Per warf sich ins Gras neben den Fremden. „Werde ich gesucht?" „Nicht grade polizeilich..." „Aber von einer alten Dame aus Fehmarn, so meine Frau Mutter ist!" meinte Per launig. „Auch nicht grade! Ein Professor Gisclcr sprach von Ihnen, der seinerseits eine junge Dame suchte, in die er bis über die Ohren verliebt zu sein scheint, und die seine alte Dame aus mir unerfindlichen Gründen einem anderen, also eben Ihnen, zuwcnden will. Soviel ist mir von der Familiengeschichte bekannt geworden, als ich auf dem Gute der Schwester der gesuchten Dame amtlich zn tun hatte. Ich — bin Kaufmann. Bredena!" „Sehr angenehm! Und ich bin ausgckniffenl" „Die junge Dame auch!" Per lachte grimmig. „Hätte sic nicht nötig gehabt. Indessen: um so besser!" „Sind Sie kein Damenfreund?" „Es kommt drauf an. Denken Sie sich, Herr Bredena, setzt bin ich wieder auf der Flucht vor einer jungen Dame. Jung und hübsch. Aber der Deubel soll sie holen!" „Na nu schlägt's aber dreizehn I* Per schwieg ausdrucksvoll. „Ich habe auch sonst noch allerlei Pech gehabt", fuhr er in seiner Erzählung fori. „Mein Boot ist mir gestohlen worden. Ich bin völlig mittellos. Jetzt will ich so schnell wie möglich nach Saßnitz, wo ich einen Freund habe. Der soll mir aushelfcn, bis ich Geld bekomme. Ich will auch die Polizei benachrichtigen." Bredena besann sich kurz. „Ich begleite Sie nach Saßnitz, wenn es Ihnen reckst ist. In knapp drei Stunden können wir bequem da sein." „Lassen Sic uns nur möglichst schnell aufbrechcn. Luzie ist entschlich schlau. Sie holt mich sonst noch ein — und ich habe meine Gründe, sie zu meiden. Es gibt Dinge, vor denen hört die Ritterlichkeit aus!" „Luzic? So heißt ja auch die kleine Hofmann?" „Es gibt viele Luzies auf der Welt! Und wer weiß, ob meine kleine Tcufclin wirklich so getauft ist! Ich sage Ihnen, Bredena, das Mädchen lügt wie gedruckt. Ich glaube ihr keiu Wort mehr. Und diese Lügenhaftigkeit — neben anderem, noch Ernsterem — machte sie mir un erträglich!" Bredena zog eine Grimasse. „Kanu ich verstehen! Meistens aber sind solche Lüge reien sehr harmloser Art. Ein bißchen Hochstapelei in den bescheidensten Grenzen. Ich habe mal, vor Jahren, ein liebes Mädel gehabt. Eine Seele von Kind! Sie hat mir immer erzählt, sie sei Lehrerin. Später, als wir längst auseinander waren, erfuhr ich, daß sic irgendwo als Kinderfrüulein diene. Gott, soll man einem armen Kind böse sein, wenn cs sich cinc halbe Stufe hinanfträumt?" „Bei der Luzie war das anders. Ich bin wahrhaftig kein Philister... Und Vas Schlimmste war: sie hat mich in Dinge eingcweilst, die nur s i c augchcn. Und ich will nichts damit zu tnu haben, zumal ich mein Ehrenwort gegeben habe, zu schweige». Ich fürchte, das; ich damit eine schöne Dummheit gemacht habe!" Bredcnas geschulter Spürsinn ahnte sofort Krimina listisches. Indessen er schwieg. Er halte nur seinem festen Auftrag nachzugehcn. Und mit dem würde dies fremde Wesen, daS den handfesten jungen Mann da in die Flucht zu treiben verstanden hatte, nichts zu tuu haben. Dennoch erwartete er fast mit Spannung, ob Per wciterrcdcn würde. Zuweilen ging cs ja den Detektiven ivic David: man fand etwas ganz anderes als das, was inan suchte — und oft etwas viel Wichtigeres. Aber Per schwieg. Sein Ehrenwort band ihn. Und stumm wanderten sie ihres Weges ncbcncinandcr her... Unschwer fand Per die Adresse seines Freundes. Der wohnte in einem der besten Hotels, dicht am Strande. In diesem Hotel war heute — am Freitagabend — ein großes Tanzfcst. Als der Boy dem Freund mitteilte, daß Herr Macke prang ihn zn sprechen wünsche, meinte er lustig: „Er soll lieber zk iciir kommen und mittanzen!" Aber auf cinc diskrete Andeutung des Jungen hinaus eilend, blieb er beim Anblick Pers eine Sekunde sprachlos. Dann lachte er hell heraus. Per erzählte kurz, und als treuer Freund war ver andere sogleich bereit, ihm mit Geld und vor allem mit einem Anzug auszuhelfen. Ein Telegramm ging wenige Minuten später an die Adresse eines Bankhauses ab. Per aber, in einem ele ganten Hotelzimmer, nahm sein Bad und schlüpfte in die geliehene Kleidung, die ihm ganz gut paßte, da der Freund und er ziemlich dieselbe Figur halten. Aus kleine Schönheitsfehler kam es ja schließlich auch nicht an. Ehe er sich aber in den Gesellschaftsraum begab, ging er ins Speisezimmer und bestellte sich ein ausgiebiges Diner. Denn so sehr er die Natur liebte, den Genüssen der Kultur war er auch nicht abhold, und es schien ihm, er habe in den letzten Tagen ein wenig z u primitiv gelebt. Während des Wartens auf die lukullischen Genüsse vertiefte er sich in die Zeitungen, die ihm der gefällige Kellner gebracht hatte. Und so kam es, das; er eine aus führliche Schilderung des Einbruches auf Brömitz lesen konnte. Das Blut in den Adern erstarrte ihm. Er mußte einen Augenblick die Hand vor die Augen legen. Was ihn so packte, war die Bemerkung, daß man vermute, cs handele sich um dieselbe Bande, die in einigen Bädern, besonders in Binz, bisher unaufgeklärte Einbrüche voll zogen habe. Es werde ferner vermutet, daß diese Gesell schaft mit besonders geschickten weiblichen Auskund schaftern arbeite. Jede zweckdienliche Angabe sei erbeten. Einen Augenblick sah Per Luzies reines, harmlos fröhliches Gesicht mit den dunklen, strahlenden Schclmeu- augen vor sich. War es möglich, daß soviel Liebreiz so viel Raffiniert heit verbarg? Aber hatte er nicht aus ihrem eigenen Munde gehört? Es war ihm schrecklich klar, daß es seine Pflicht als besitzerhaltender Bürger sei, die Polizei auf die Spur der Verbrecherin zu lenken. Im anderen Falle würde er ja der Mitschuldige der Gesellschaft jener Diebe und Ein- brecher werden. Ein gräßlicher Gedanke! Per segnete seinen Entschluß, Luzie einfach allein zu lassen. Welch eine Fülle von Unannehmlichkeiten hatte er sich dadurch erspart... Er traf Bredena, der im selben Hotel Unterkunft ge nommen hatte, bereits im Gesellschaftssaal, als er, eine halbe Stunde später, dorthin ging. „Sic sehen ja erbärmlich aus!" sagte der mitleidig. „Hat Sie die Anstrengung so mitgenommen?" Per lächelte verächtlich. „Anstrengungen körperlicher Art werfen mich nicht um!" „Also seelische Erregungen?" „Das darf ich wohl behaupten. Komisch, ich habe ein großes Vertrauen zu Ihnen. Und Hans ist ein Wind hund. (Hans war der Freund!) Darf ich Sic einmal um Nat fragen?" Und als Bredena, der sogleich etwas Interessantes witterte, sehr um diese Gunst bat, teilte er ihm mit, was er gelesen und was er vermutete. Bredena schloß sich diesen Vermutungen um so lieber au, als seine Recherchen so entmutigend fruchtlos ge blieben waren. Er nickte mehrmals zustimmend. Per war entzückt von seinem Interesse. Als Bredena ihn dann aber bat, eine Minute mit ihm hinauszugehcn uuv ihm dort sein Abzeichen als Geheimpolizist wies und ihm erklärte, das; er beauftragt sei, den Einbruch auf Brömitz zu untersuchen, brach ihm voch wieder vcr kalte Schweiß aus. S o nah war Vas Verhängnis über Luzies reizendem Haupt? Und ein bißchen einfältig bat er: „Aber behandeln Sie sic nicht zn schlecht. Sie ist ein so reizendes Geschöpf!" Bredena lächelte mokant. „Ich werde sie wohl überhaupt nicht behandeln. Das tut Vie Polizei — uuv späterhin der Richter!" Luzie lag unterdessen behaglich in dem weichen Belt auf der Försterei. Piter und Jürgen halten sich sehr groß mütig gezeigt und ihr ohne weiteres zwanzig Mark ge geben. „Das muß alles Ramitz erstatten. Der hat's ja!" Und warum sollte das nette Mävel nicht auch eine Freude und Hilfe aus dem gewaltigen Geldbeutel des Soudcr- lings erhalten, der den Bestohlenen ja alles ersetzen würde? Per aber verbrachte eine unruhige Nacht. Gewissens bisse quälten ihn nach jeder Richtung. Aber so viel er auch überlegte: er glaubte, seine Pflicht so am besten erfüll! zu haben. Er hatte schon davon ge hört, daß zuweilen die Erfüllung von Pflichten seelische Qualen zur Folge hätten. Erlebt hatte er es noch nie, weder bei sich, noch bei anderen. Trotz seiner Not konnte er also voch nicht umhin, sich als interessant uuv wichtig zu cmpsmveu, uuv varan hatte er einen kleinen Trost. Was würvc seine Mutier sagen, wenn sic von all Viesen Erlebnissen hörte! Morgen wollte er ihr schreiben! 1b „Hallo, Jungens, bin ich nicht schnicker?" „Mädel, wie aus dem Ei gepellt! Gut geschlafen?" „Einfach herrlich! Und ehe ich gehe, wollte ich doch noch einmal nach euch sehen. Was macht venu Pers Flosse? Wieder gebrauchsfähig?" „Wenn er sich nur einmal richtig heiße Umschläge machen könnte! Dann ging's viel schneller. Tic Zeit ver geht. Und in ein paar Tagen müssen wir zurück!" „Zurück? Wo seiv ihr denn zu Hause?" Diese Unterhaltung fand mitten in dem größten Waldcsdickicht der Stübnitz stall. Luzie war hinaus- gelaufcn, sobald es der Umstand, daß ihr Llranoanzug geplättet werden mutzte, ehe sic ihn anlcgcn konnte, er laubte. Eine deutliche Ahnung, ja mehr — ihre Menschen kenntnis sagte ihr, datz die beiden im Walde vielleicht eine ganze Reihe leichtsinniger Streiche, aber keine Schlechtig keit auf dem Kerbholz hatten. So zutraulich-unvorsichtig, so ungeschickt-ungewandt waren keine Verbrecher. Sie wollte versuchen, ihr Vertrauen zu gewinnen, ihnen ge hörig den Kopf waschen, und das Weitere würde sich finden. Ihre Sorge galt Per Mackeprang. Sic würde gefürchtet haben, man habe ihn umgebracht, wenn sie nicht seine Boxschläge gesehen hätte, mit denen er die Pultgartcner Fischerburschen zur Strecke gebracht. Was konnte ihm geschehen sein? Sie hatten den ganzen Umkreis abgesucht und ihn nicht gefunden. Sie würde in Saßnitz sogleich die Polizei benach- richtigen und nachsorschen lassen. Die Nacht war trocken und nicht kalt gewesen. Selbst wenn er mit gebrochenem Vein irgendwo lag, konnte sein Leben nicht gefährdet sein. Jürgen, vcr vor der Waldhütte satz und eine der Zigarren gcnotz, die Luzie ihnen von ver Försterei mit- gcbracht, geriet durch ihre Frage in Verwirrung. Luzies ganze Art machte es schwer, die Täuschung aufrcchtzuhaltcu. Man merkte genau: sie glaubte es doch nicht — aber sic machte sich nicht im geringsten etwas daraus, von ihnen angclogen zu werden. Das gab ein Gefühl der Behaglichkeit und Sicherheit, und man vergaß mehr und mehr die Rolle, die man spielte. „Jaaa", antwortete cr gedehnt. „Mädcl, das haben wir dir doch schon gesagt!" Piter kam aus der Hütte herausgehumpelt. Er sah nicht grade salonfähig aus, eher wie ein rechter Näuberhauptmann. Die Neugierde, das Mädchen zu sehen, ließ ihn aber sogar seine Eitelkeit vergessen. Luzie kam ihn irgendwie bekannt vor, so, als ob er sie schon mal getroffen hätte. Aber er konnte sich nicht besinnen, wo! Die Mädchen seiner Bekanntschaft waren derber, wie er es bevorzugte. Doch erkannte er Luzies graziöse Art sach lich an und grunzte gemütlich wie ein behaglicher Bär bet ihrem Anblick. (Forts, solgt.)