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Saar-Sabotage? — Paris, 9. April. Wie verlautet, sind die deutsch-französischen Saar- Verhandlungen, die seit den Weihnachtsferien unter den Einwirkungen der französischen Regierungskrise mindestens viermal zum Stillstand gekommen und ebenso oft wieder ausgenommen worden sind, erneut ins Stocken geraten. Der Grubenausschuß ist auf Schwie rigkeiten gestoßen und hat es deshalb für angezeigt ge halten, den Termin seiner nächsten Sitzung nicht fest zusetzen, um noch ungestörter an der Lösung seiner „Probleme" herumdoktern zu können. Ueber die Gründe der neuen Stockung erfährt man nur, daß die Vorschläge der deutschen und der französischen Mitglieder des Ausschusses immer noch so weit auseinandergehen, daß ein Vermittlungsvor schlag keine Aussichten hat. Die Taktik der Franzosen — und das auffällige Schweigen der Pariser Presse bestärkt diesen Eindruck noch — zielt deutlich darauf ab, durch das Beharren auf dem alten Standpunkt die deutsche Delegation mürbe zu machen, damit sie sich zu Zugeständnissen bereit erklärt. Bisher ist das nicht gelungen! Und es dürfte auch in Zukunft nicht gelingen, wohl aber geht bei einer derartigen Berhandlungsmethode un sagbar viel Zeit verloren. Kann Deutschland ein weiteres Treiben der Saar konferenz in dem bisherigen Kurs noch dulden? Das weitere Verbleiben der vollbesetzten deutschen Abord nung in Paris hat doch nur noch dann einen Zweck, wenn endlich ein Ende der Saarverhandlungen ab zusehen ist. Aber auch sonst fordert das Verhalten Frankreichs Kritik heraus. Jedes zweite Wort der französischen Presse in bezug auf die Saarkonferenz heißt Kohle oder Erz. Was sollen derartige „Harmlosigkeiten", was soll das Gerede über wirtschaftliche Probleme in einer Angelegenheit, bei der es sich alles in allem doch wahrhaftig nicht um Wirtschaftssragen handelt, sondern um die reichlich späte Wiedergutmachung des der Saarbevölkerung 1919 angeta ne» Unrechts? Die Kohlenzechen, wegen deren Zerstörung im Kriege Frankreich das Eigentum an den Saargruben eichalten hat, sind längst m verbesserter Form wieder- auferüanden und wieder in Betrieb. Stichhaltige Gründe für die „Notwendigkeit" des Verbleibens fran zösischen Kapitals im Saargevtet sind nicht beizubrin gen. Auch hat die Bevölkerung des Saargebietes schon vor Jähren m einmütiger Haltung zum Ausdruck gebracht, dqtz sie nur einen Wunsch hat, den nämlich, sofort und ohne jede Schmälerung ihrer Rechte in das Deutsch« Reich heimzukehren. Und wenn Frankreich an gesichts dieser klaren Sachlage Deutschland zumutet, ihm ein« Art Mitbesitz an den Saarbergwerken zuzu- gestehen, dann ist das krasser Imperialismus. Natürlich muß die französische Politik, wenn st« weiterhin auf die „Internationalisierung" der Gruben abzielt oder nach einem Stückchen Land vom Warndt schielt, nicht nur als ein neuer Versuch brutaler Macht politik gekennzeichnet, sondern auch durchkreuzt wer den. Für Deutschland gibt es nur eine solche Lö sung der Sa«r„frage", durch die die Saarbevölkerung in voller Freiheit wieder mit dem Reiche vereinigt wird, von dem sie 1919 unter der Lüge von den „Saarfranzosen" gewaltsam loSgerisseu wurde. Besremdlicherweise scheu l die Sorge dcö fran zösischen Ministerpräsidenten Tardieu aber weniaer der Beschleunigung der Saarkonferenz zu gelten, derer Ausgang doch ganz gewiß von bedeutsamer Rückwir kung für das deutsch-französische Verhältnis sein wird, als vielmehr den kümmerlichen Resten der ehemaliger deutschen Rheinbefestigungen, deren Schleifung Frankreich nicht rasch genug vonstatten geht. Wenn «S zutreffen sollte, daß in einigen Kasematten nichi mit größtem Eifer gearbeitet wird, dann ist das zu mindest ohne Bedeutung. Einmal haben wir noch geraume Zeit, um zu den festgesetzten Terminen recht zeitig fertig zu werden, außerdem handelt es sich hierbei um Nebenarbeiten. Damit soll nicht gesagt werden, daß man e§ mit dieser Kleinarbeit nicht so genau zu nehmen braucht. Andererseits wollen wir aber auch nicht verhehlen, daß Mahnungen wie die „freundschaftlichen Ratschläge" in der Frage der Munitionsdeports bet Mainz und Kehl von der deutschen Bevölkerung, die die französischen Uebergriffe der letzten Jahre noch nicht vergessen hat und die immer wieder an der Vertragstreue Frank reichs zweifeln mußte, als eine Schikane empfunden wird, die bei allen inzwischen erfolgten Abschwächun gen besser unterblieben wäre. * Die Beilegung des Streits Reich- Thüringen Berlin. 9. April Die thüringische Regierung hat in dem Wunsche, daß der Streit zwischen dem Reich und Thüringen beigelegt werde, sich mit dem Reichskanzler und dem Reichsminister des Innern in Verbindung gesetzt. Der Vorsitzende des thü ringischen Staätsministeriums, Staatsminister Baum, wird in den nächsten Tagen persönlich die Aussprache mit dem Reichsminister des Innern beginnen Aushebung einer vierten kommu nistischen Geheimdruekerei Berlin, 9. April Die Berliner Polizei hat im Anschluß an die Verhaf tung des Schriftstellers Ernst Friedrich in Berlin eine vierte Geheimdruckerei ausgehoben und ihren Leiter festgenom- wen. Dies ist die vierte linksradikale Druckerei, die in der letzten Zeit entdeckt wurde. Die überraschend in den Betrieb eindringenden Krimi- ualbeamten fanden ein außerordentlich umfangreiches Ma- Wal verbotener Schriften und sonstiger Schriftstücke, deren Sichtung noch nicht beendet ist. Da die ganze Angelegenheit weitere Kreise zieht, wird im Interesse der Untersu chung über den Ort der Harussuchung und—die Person des Verhafteten noch nichts Näheres mitgeteilt. Beamte oer Ab teilung 1 A wurden auch ins Reich entsandt, damit dort aufgrund der durch Berliner Ermittlungen festgestellten Ver bindungen zu andern Geheimdruckereien außerhalb Berlins weitere Aktionen durchgeführt werden können. Das Urteil im Prozeß gegen das Ehepaar Donati Ravenna, 9. April. Das Sondergericht zum Schutze des Staates hat im Prozeß gegen das Ehepaar Donati, das des Mordes an zwei Faschisten angeklagt war, das Urteil gefällt. Donati wurde zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt, seine Frau wurde freigesprochcn. Frankreichs FestLMHsbauten Elsässischer Widerstand. — Hagenau verweigert die Abtretung von Gelände. — Straßburg, 9. April. Der Bau des gewaltigen und kostspieligen fran zösischen Festungsgürtels an der deutschen Grenze gibt ununterbrochen Anlaß zu Streitigkeiten mit der el sässischen Bevölkerung. Der neueste Fall betrifft den uralten Hagenauer Forst, durch den die Festungsbarlten gezogen werden sollen. Das französische Kriegsministcrium hatte an die Stadt Hagenau das Ersuchen gerichtet, zur Anlage von Unterständen und zu Abholzungen in deren Umge bung, Gelände abzutrctcn. Der Gemeinderat der Stadt Hagenau beschloß jedoch einstimmig, die Abtretung des angeforderten Geländes zu verweigern. Es ist allerdings nicht zweifelhaft, daß Frank reich über diesen Beschluß einer elsässischen Gemeinde hinweggehen wird, doch ist die Einstimmigkeit der Ge meindevertretung ein neues Zeichen für die grundsätz liche Ablehnung, die in Elsaß-Lothringen gegenüber dem Bau des neuen Festungsgürtels besteht' Englands Bündnispftichten. — London, 9. April. Der französisch« Außenminister Briand ist von Paris nach London zurnckgrkehrt. Wie verkantet, bringt Briand die Zustimmung des französischen Ministerrats z« einer nenen englisch-französische« Formel «der die Auslegung des Artikels 1« »er BölkerbundSsatznnge« mit. In französischen Kreisen betrachtet man diese Formel als einen diplomatischen Sieg Frank reichs, und vertritt sogar die Auffassung, daß diese Formel, losgelöst von den Ergebnissen der Flottenkon- serenz, bei zukünftigen Genfer und anderen diplo matischen Verhandlungen Anwendung finden könne. Di« englische Regierung dagegen steht auf dem Standpunkt, daß die Jnterpretationsformel lediglich einen Teil jener Konzessionen darstellt, die England als Preis für einen Künfmächtepakt und eine wesentliche Herab setzung der französischen Tonnageforderungen zu zah len bereit ist. Unabhängig hiervon werde England seine Zustimmung zu dieser Formel keineswegs erteilen, sie stehe und falle also mit dem Fünfmächtepakt. Danach scheint der Streit um die Auslegung der „Auslegungsformel" schon jetzt munter im Gange zu sein. Um so mehr Veranlassung für Macdonald, den Rat Lloyd Georges zu beherzigen, nach dem „schon die Tatsache allein, daß irgendeine Formel oder ein Vorschlag von der Regierung in Worte gekleidet werde, später die unheilvollsten Folgen für England haben kann, ohne daß die Regierung gegenwärtig sich dessen bewußt sei. Der Wortlaut der neuen Formel über die Ans» legung des Artikels 1« ist noch nicht bekannt. Im we sentlichen handelt es sich aber nm die Nebernahme einer Garantieverpflichtung von England gegen Nn« bekannt. Der Löffelstiel als Leibspeise. Fremdkörperschlucken, eine Leidenschaft. Es gibt Gefangene, die durch Schlucken von un verdaulichen Dingen ihre Haft abzukürzen versuchen. Die medizinische Literatur berichtet von einem Fai! aus jüngster Zeit, bei dem ein Kranker im Verlauf von eineinhalb Jahren siebenmal operiert werden mußte, da verschluckte Fremdkörper lebensgefährliche Erkrankungen hervorgerufen hatten. Ein anderer Fall berichtet von einem Mann, der dreizehnmal wegen Löffelschluckens operiert wurde, dann aber nicht mehr, „da die Klinik die Lust daran verlor". Marx beobachtete einen Strafgefangenen, der jah relang unverdauliche Gegenstände schluckte, um auf dem Weg übers Krankenhaus die Freiheit wiederzuer langen. Ein anderer nahm zweihundert sechs bis acht Zentimeter lange Holzstückchen, später wahllos Mes- singstücke, Glas, Nägel, Löffelstiele zu sich. Er wurde mehrmals ins Krankenhaus gebracht, entwich immer wieder und nahm das Verzehren derartiger Leibspeisen bei der Einlieferung ins Gefängnis hartnäckig wieder auf. Nunmehr berichtet Gebert in der „Münchener Me dizinischen Wochenschrift" über einen neuen Fall. Der Betreffende verdiente sich schon in der Jugend sein Geld als Artist durch Verschlucken von Papier, Nadeln, Knöpfen, Fröschen, Messern und Löffelstielen. Nach dem Krieg nahm er auch Degen in sein Repertoire auf. 1926 wurde er zum erstenmal operiert; aber obwohl ihm andere Verdienstmüglichkeiten offenstanden, verschluckte er immer wieder Fremdkörper. An einem Abend brachte er es z. B. auf sechs Löffenstiele und Taschenmesser, ein anderes Mal nahm er eine Zahn bürste und mehrere Münzen zu sich. Dazwischen trieb er sich in Gefängnissen und Heilanstalten herum. Den Rekord erreichte wohl ein Dresdner Arbeiter, dem man vierzehnmal Fremdkörper operativ aus den Verdau ungswegen entfernte. Diese merkwürdige Leidenschaft hat ihre verschie densten Ursachen. In einem Teil der Fälle wird der Freiheitsdrang der Häftlinge die Haupttriebfeder sein, die alle inneren Widerstände überwindet; nicht selten sind es jedoch auch Abnormitäten und manchmal ist es ge radezu der Drang nach Selbstvcrnichtung, der den Be- ttesfenden zu diesen Verirrungen treibt Jrn Wartezimmer. Ein einfaches, nur mit dem Nötigsten auSgestat- tetes Zimmer, mitunter aber auch ein luxuriös her gerichteter Salon, so daß, wer ihn zum ersten Male betritt, mit Bangen an das Honorar denkt, das ihm für die Konsultation abgesordert werden wird. Es sind nicht nur beschäftigte Aerzte und Rechts anwälte, die ein Wartezimmer haben, man findet es auch bei Künstlern, Photographen und in anderen Be- > rufen. Bet vielen Anwälten ist der Büroraum zu gleich Warteraum, sie besitzen also gar kein eigentliches - Wartezimmer. Am wenigsten kann es der Arzt ent- ! behren, und in der Stadt, wo die Patienten alle in ! der kurzen Vor- und Nachmittagssprechzeit erscheinen, ! ist es eine unbedingte Notwendigkeit. Da sitzen nun i die von einem Leiden Geplagten und warten, bis > die Reihe an sie kommt. - Der berühmte Spezialist hält sich einen Diener, ! der die Ordnung überwacht und jeden Patienten per sönlich anmeldet. Sein nichtberühmter Kollege öffnet selbst die Tür zu seinem Sprechzimmer, und wer an i der Reihe ist, tritt näher. Auf diesen Augenblick I muß oft lange gewartet werden, und es ist keine ! der angenehmsten Geduldproben. j Doch auf dem Tisch liegen ja Bücher, Zeitschrif ten und Zeitungen, man kann darin blättern, lesen - und sich so der Langeweile erwehren. Aber mancher, , der gern nach diesem Unterhaltungsstoff greifen würde, i besinnt sich eines andern, wenn er sicht, wie ein Pa- i tient in das Journal, in dem er liest, fortwährend j hineinhustet oder wie er die Ausbrüche eines Jn- ! fluenzaschnupfens ungehindert auf eines der Bücher s dirigiert. j Die in den Wartezimmern ausliegenden Schriften § zeigen bald deutliche, nur zu deutliche Spuren fleißi- ! gen Gebrauchs, und da diese von kranken Personen herrührcn, sind sie nicht unbedenklich. Wir hören ja von ärztlicher Seite immer wieder von der Bak teriengefahr und wie leicht sich Krankheitskeimc über tragen. Es dürfte angebracht sein, das Lesematerial in den Wartezimmern häufig zu wechseln. Statt eines Hausens veralteter, unsauber gewordener Schriften eine beschränkte Anzahl neuer, sauberer. Das hat für die Wartenden den doppelten Vorteil, daß sic Ansteckung weniger zu fürchten haben und daß der Reiz der Lek türe größer ist. Dem Pattenten soll die Wartezeil verkürzt, er soll aber auch von den trüben Gedanke» die ihm seine Krankheit eingibt, etwas abgelenkt wer. den. Die Sache verdient also schon einige Aufmerk. lamkeit. - - — Trotzdem! Las ist wie ein eherner eiserner Hort, DaS ist ein energisches prachtvolles Wort; trotzdem t Widrige Winde und Pech aller Art, Dennoch, Kopf oben! Wir wagen die Fahrt, , trotzdem! Launisches Schicksal und treuloses Glück, Mr werfen den Kopf in den Nacken zurück trotzdem! Was Drangsal, was Anwurf und feindlicher Spott, Wir lassen nicht locker vom Glauben an Gott Trotzdem! Este. Scherz und Ernst. i tk. Das Dementi. Ein Mann stürzt aufgeregt in die Expedition einer Zeitung und schreit den Herrn ! am Schalter wütend an: „Sie haben gestern in Ihrem Blatt meine Todesanzeige gebracht, ich verlange eine sofortige Richtigstellung. — „Ja, das wird so ohne weiteres nicht gehen," bemerkte der junge Mann, „denn wir widerrufen grundsätzlich nichts, was wir einmal gebracht haben. Aber ich will Ihnen entgegenkommen. Wir werden morgen Ihren Namen in die Geburten anzeigen aufnehmen und Ihnen damit zu einem neuen Leben verhelfen. Schulzahnpflege. Eine der verhältnismäßig jüngsten hygienischen Forde rungen ist die Forderung zur Zahnpflege. Äeberall wird der heutige Mensch aus die Zahnpflege hingewiesen, Industrien - gründen sich darauf und Berufe, wie Zahnarzt und Jahn- i techniker (Dentist). Noch vor 30 Iahren lag die Zahnbehand lung säst ausschließlich in den Händen des Arztes, der die Zahnbehandlung' nicht als Spezialgebiet seines Beruses be trieb. Man ging auch erst dann zum Arzt oder oft auch zum Bardier, wenn der Zahn wehtat und man ließ ihn gleich ziehen. Inzwischen hat man die Bedeutung gesunder Zähne erkannt und ist durch die fortschreitende Technik in der Lage, den Zahnübeln erfolgreich zu Leibe zu gehen, ohne den Zahn opfern zu müssen. Wie in der uns umgebenden Natur alles feine Bestimmung hat und ein willkürliches Eingreifen des Menschen den Ablauf des Lebens aus dem Gleichgewicht bringen kann — man denke nur an die Einführung der Bi samratte, die nicht in unsre Fauna gehört und unermeßlichen Schaden anrichtet, oder daran, wie ein Abschießen der Raub vögel sofort ein Anwachsen der Mäuseplage nach sich zieht —, so ist es auch im einzelnen Lebewesen. Es ist ganz unüber sehbar, wie großen Schaden das Fehlen von einzelnen Zähnen anrichtet. Der Hauptleidtragende ist natürlich der Magen und die Gesamtverdauung, aber ebensoschwer leidet der Ec- samtorganismus; denn wenn did Nahrungszufuhr nicht in Ordnung ist, kann der Ersatz der verbrauchten Körperstoffe, die ja von der Nahrung gestellt werden, nicht im notwendigen Maße vor sich gehen. Bielfach will man die Zahnpflege für Erwachsene als notwendig anerkennen (— trotzdem: wieviel Erwachsene putzen sich täglich die Zähne? —), aber man denkt, für das Kind, das erst die Milchzähne bekommen hat, ist eine Zahnpflege nicht nölig, weil es ja sowieso in abseh barer Zeit ein zweites Gebiß erhallen wird. Aber dieser Standpunkt ist falsch. Fehlende Milchzähne beeinflussen das Kiesernwachstum und beeinflussen Lie Stellung der zweiten