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Nr. 190 Dienstag den 18. August 1914 abends 80. Jahrgang Mit achtseitigem „Illustrierten Unterhaltungsblatt" und täglicher Unterhaltungsbeilage. Für die Aufnahme eines Inserats an bestimmter Stelle und an bestimmten Tagen wird keine Garantie übernommen. Verantwortlicher Nedakteur: Paul Jehne. — Druck und Verlag von Carl Jehne in Dippoldiswalde. Inserate werden mit 15Pf., solche ans unserer Amtshauptmannschaft mit 12Pf. die Spaltzerle oder deren Raum berech net. Vekanmmachuiigcn auf der ers len Seite (nur von Behörden) die zwei gespaltene Zeile 35 bez. 30 Pf. — Tabellarische undtvmplizierteJnserate mit entsprechendem Auf schlag.— Eingesandt, im redaktionellen Teile, dis Spaltenzeile 30 Pf. Die .Weiheritz Zeitung" erscheint täglich mit Aus nahme der Sonn- und Feiertage und wird am Spätnachmittag ausge geben. Preis vierteljähr lich 1 M. 50 Pf-, zwei monatlich 1 Mark, ein- monatlich 50 Pf. Ein zelne Nummern 10 Pf. Alle Postattstalten,Post boten, sowie unsere Aus träger nehmen Bestel lungen an. TllBBW M AUW siir WMlM, WiMtrg u. ll Amtsblatt für die Königliche Amtshauptmannschast, das Königliche Amtsgericht und den Stadtrat zu Dippoldiswalde. Behebung des Pferdemaiigels. Diejenigen Pferdebesitzer, denen Pferde noch reichlich zur Verfügung stehen, werden hiermit aufgefordert, dem Direktorium des landwirtschaftlichen Kreisvereins, Dresden-A., Hettnerstraße 7, die Bedingungen anzugeben, unter denen sie ihre Pferde anderen Land wirten leihweise oder käuflich überlassen wollen. Dabei ist mit anzuführen, ob es sich um leichte oder schwere Pferde handelt und wie alt die Tiere sind. Dippoldiswalde, am 17. August 1914. vor StLälrst. Die finanzielle Kriegsrüstüng Deutschlands. Die Norddeutsche Allgemeine Zeitung schreibt in ihrer gestrigen Nummer: „Die finanzielle Kriegsrüstung Deutsch lands hat die Probe der Mobilmachung glänzend über standen. Die Neichsbank und die großen Bankinstitute stehen unerschüttert und kraftvoll da. Die vom Bundes rate angcordnelen Maßnahmen, die ein allgemeines Mora torium verhüten, aber unter den kleinen und mittleren Gewerbetreibenden die Möglichkeit individueller gerichtlicher Moratorien schaffen wollen, werden zur Stärkung der finanziellen Lage beitragen. Dagegen kann dem Wunsche auf Erlaß eines allgemeinen Moratoriums oder eines all gemeinen Wcchsclmoratoriums nicht nachgegeben werden. Kein Land der Welt ist so aus Kredit gebaut wie Deutsch, land. So erfolgreich die Einrichtung für den Personal- und Realkredit, die Kreditinstitute, Banken, Sparkassen un5 Genossenschaften in gesicherter Friedenszeit gewirkt haben, so groß ist die Schwierigkeit, diesem Kreditiystem in schwerer Zeit die Weiterarbeit zu ermöglichen, wenn nicht Zahlungs leistung und Zahlungspflicht aufrecht erhalten werden. Zahllose, nach Milliarden zählende Zahlungsverpflichtungen müßten von einem allgemeinen Moratorium von vorn herein ausgenommen werden, so die Zahlungsverpflichtung für Reichs-, Staats, öffentliche Körperschaften und Kredit institute aller Art, ebenso die Zahlungsverpflichtung der produzierenden Gewerbe mit dem gleichzeitigen Recht der Einziehung ihrer Forderungen. Selbstverständlich kann dieses Recht nicht ohne die nolwendige Rücksichtnahme auf die aus der Schwere der Zeit sich etwa ergebende Not lage einzelner Schuldner ausgeübt werden. Aber die all gemeine Aufhebung der Zahlun^spflicht erscheint unmöglich. Nicht viel anders aber liegt es mit einem Teilmoratorium, das die Gefahr birgt, daß es zwar zunächst den Schuldner schützt, aber in ganz gleicher Weise den Gläubiger belaßet und bedroht. Aus diesem allgemeinen Gesichtspunkte heraus hat sich die Notwendigkeit ergeben, für Deutschland die finanzielle Kriegshilse so zu organisieren, daß die all- gemeine Zahlungspslicht und Zahlungsleistung aufrecht erhalten werden kann. Diese Organisation ist durch die lang vorbereitete kraftvolle Stellung der Reichsbank und die der neu errichteten Darlehnskassm in weitem Umfange erfolgt. Freilich bleiben noch Lücken einerseits bei unserm Export, aber auch bei einer großen Zahl der kleineren und mittleren Gewerbetreibenden, die weder über bankfähige Wechsel, noch über lombardierfähige Werte verfügen. Für den Exporthandel wird eine wesentliche Hilfe schon ge- bracht werden können durch ein Moratorium, welches lediglich Wcchselsorderungen und Schulden an das Aus land umfaßt. Für die anderen Fälle aber wird die Lücke durch eine lokale Organisation der Selbsthilfe geschlossen werden müssen durch Anschluß an den Kredit der Reichs bank und der Darlehnskassen oder durch lokale Organi sationen behufs Schaffung von Kredit, der sich auf den möglichen Bedarf beschränkt und der dem soliden, zuver lässigen Manne zugute kommt. Gangbare Wege hierfür sind bereits in Hamburg betreten worden und in Berlin in Vorbereitung durch Zusammenarbeiten aller beteiligten Handels-, Handwerks-, Landwirtschastskammern, Bank institute, Innungen usw. Diese Aktion wird hoffentlich dazu führen, in oen Grenzen des Möglichen das Gesunde in unserm Wirtschaftsleben zu stützen und zu erhalten". Zur Erinnerung an den 18. August 1870. In diesen ernsten, großen Augustlagen richten sich unsere Blicke unwillkürlich zurück zu den heißen Kampfes- tagen im August 1870. Nicht mit eitler Prahlerei wollen wir ihrer gedenken; die wollen wir unseren Feinden über lassen, die schon jetzt groß darin sind, selbst da von glänzenden Siegen zu flunkern und zu lügen, wo sie echte deutsche Hiebe bekommen haben, wie bei Lüttich. Nein, wir wollen der Großtaten unserer Väter gedenken in demütiger Dank- s barkeit gegen Gott, der uns damals mit starker Hand vor dem dräuenden Erbfeind gerettet, der damals unseren Truppen jenen begeisterten heiligen Mut, jenen unbeug samen Willen zum Sieg verliehen hat. Was er, der Allmächtige, damals getan hat, ja noch viel Größeres, kann er heute noch tun, wo wir, rings von grimmigen Feinden umgeben, in viel schwererer Not und Gefahr schweben, als damals. Nur an eine doppelte Bedingung ist seine Hilfe gefunden: wir müssen fest und unoerrückt auf ihn vertrauen und in solchem Vertrauen jeder an dem Platze, an den ihn Golt gestellt hat. tapfer und treu unsere Pflicht dem Vaterlande gegenüber erfüllen. Der 18.August, derGlanztag der Kämpfe um St Privat, ist besonders geeignet, alle Sachsenherzen höher schlagen zu lassen. War es doch an jenem glühendheißen August- tage vor 44 Jahren dem sächsischen (12 ) Armeekorps zum ersten Male vergönnt, entscheidend in das gewaltige Völker ringen einzugreisen und den Sieg an seine Fahnen zu fesseln. Als die Sachsen von den glänzenden Siegen ihrer deutschen Brüder bei Weißenburg, Wörth und Spichern gehört Hattens kannten sie, der tapfere, kampferprobte Kron prinz Albert an der Spitze, den Tag kaum erwarten, an dem auch sie an den Feind geführt werden sollten. In dem gewaltigen dreitägigen Ringen um Metz sollte ihr sehnlicher Wunsch erfüllt werden und zwar im letzten Akt des großen Dramas. Durch die Kämpfe bei Colombey und Nouilly am 14 August war der Zweck erreicht worden, den französischen Marschall Bazaine zu halten und seinen Abmarjch nach Westen zu verzögern. Der blutige Tag von Mars-la-Tour und Vionville verlegte dem französischen Heere den ge planten Abzug nach Verdun Chalons. Nun blieb diesem allein der Weg nach Nordwellen, längs der belgischen Grenze offen. War auch dieser versperrt, so war der eiserne Ring um Metz geschlossen, und Bazaine mit seinen 180 000 Mann war entgültig in die Festungswerke von Metz zurückgeworscn. Der Ruhm, dieses große Ziel er- reicht zu haben, gebührt in erster Linie der entschlossenen Tapferkeit des sächsischen Armeekorps in Verbindung mit der preußischen Garde und dem genialen Feldherrnblick des Kronprinzen Albert, der im Verlauf der blutigen Schlacht bei Graveloile oder St. Privat um >8. August noch früh genug erkannte, daß die französische Steilung sich viel weiter nach Norden ausdehnte, als man im Hauptquartier angenommen hatte, und das der starke, mit dem Mute der Verzweiflung kämpfende Gegner nur durch die Umgehung seines rechten (nördlichen) Flügels niedergezwungen werden könne. In dieser sicheren Er kenntnis handelte Kronprinz Albert in den entscheidenden Stunden durchaus selbstständig und staunenswert ziel- bewußt. Während der Kampf im Süden des Schlachtfeldes unentschieden tobte, ging der Kronprinz, unterstützt von der glänzenden Tapferkeit seiner Truppen, mit eiserner Energie auf sein Ziel los. Das rechtzeitige Eintreffen der Sachsen vor St. Privat, der gewaltige Vorstoß von Norden her gegen das zu einer kleinen Festung umgewandelte Dorf, welcher den von Westen her erfolgten heroischen, aber etwas zu früh unternommenen Angriff der preußischen Garde auf das Wirksamste unterstützte, entschied den Kamps um St. Privat, und damit die ganze Schlacht. Die Er stürmung von St. Privat durch die Sachsen gehört zu den glänzendsten Taten von 70/71. Nur ein erbitterter Straßenkamps, bei dem jedes einzelne Haus erobert werden mußte, brachte das Dorf in die Gewalt der Deutschen. Der Erfolg der blutigen Schlacht war »in glänzender. Die Franzosen waren, trotz äußerster Tapferkeit, nach Metz zurückgedrängt. Es gab für sie keinen Ausweg mehr. Nach zwei Monaten mußten sie sich dem Sieger ergeben. Teuer war der Sieg erkauft. Der Verlust des sächsischen Armeekorps bezifferte sich auf 106Offiziere und2l I3Mann. Allein das 105. Regiment verlor 15 Osfiziele und 458 Mann. Doch was wollten diese Verluste bedeuten gegenüber der entscheidenden Bedeutung, welche der Tag von St. Privat für den ganzen weiteren Verlauf des Feldzuges hatte? Kronprinz Albert, der seine Feldherren- tüchtigkelt so glänzend erwiesen hatte, trat schon in den nächsten Tagen an die Spitze der aus drei Armeekorps neugebildeten Maasarmee, die er von Sieg zu E.eg führte. Was wird uns der August 1914 bringen? Wir Alten, die wir 1870 mit erlebt haben, ziehen unwillkürlich Ver gleiche zwischen damals und jetzt. Und Gott sei dank, immer mehr gewinnen wir den Eindruck: Das gegenwärtige Geschlecht steht an Vaterlandsliebe, Heldenmut und Opfer sinn nicht zurück hinter den Vätern. Leichtsinn, Genuß sucht, eitler Tand, diese üblen Erzeugnisse einer langen Friedenszcit scheinen wie mit einem Schlage verschwunden. Gott gebe, daß sie nicht nur verschwunden scheinen, sondern auch verschwunden sind! Männlicher Ernst, feste Zucht, glühende Vaterlandsbegeisterung haben wir auf den Ge sichtern der ins Feld hinausrückenden Krieger lesen dürfen, und die Wirkung auf die Zurückgebliebenen läßt sich auch schon erkennen. Unser Volk hat begonnen in schwerer Not sich zu dem alten Gott seiner Väter zurückzufinden. Die übervollen Kirchen am Buß- und Vettag, so manches Wort mitten im Straßenlürm legen beredtes Zeugnis davon ab Ein hochersreulicher, selbstloser Opfersinn regt sich überall. Gott lasse die heiligen Flammen emporschlagen und mache sie zu einem heilbringenden Läuterungsfeuer für unser ganzes liebes deutsches Volk. Aber auch nur dann wird der große Tag kommen, an dem wir danken und jubeln dürfen: Der Herr hat Großes an uns getan des sind wir fröhlich! Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde, 18. August. Gestern abend versam melten sich die von den städtischen Kollegien für den zur Linderung der Kriegsnot in unserer Stadt bestimmten Ausschuß gewählten Mitglieder zur ersten Sitzung, um den Ausschuß zu vervollständigen und zu konstituieren. Er besteht nunmehr (in der Voraussetzung, daß keiner der Gewählten ablehnt) aus folgenden Herren: Siadtrat Gietzolt (Vorsitzender), Stadtoerordnetenvorsteher Jäckel (stellvertretender Vorsitzender), Kaufmann Ehnes (Kassierer), Ratsregistrator Zetzsche (Schristführer), Stadtverordneter Heine, Bezirksvorsteher Gäbler, Gemeinert, Hamann und Röhringer, Oberkirchenrat Hempel, Tischler Claus, Tischler Voigt, zwei Vertretern des hiesigen Militäroeieins und einem Vertreter des Verbandes Dippoldiswalde der Säch sischen Fechtschule. Der Herr Vorsitzende wies eingangs auf den Ernst der Lage hin, gab dem Wunsche Ausdruck, daß dem Kriege recht bald ein für unser Vaterland günstiger Frieden ein Ende machen möge, und betonte mit Recht, daß die dem Ausschuß gestellte Aufgabe eine leichte nicht sei und große Hingabe der Mitglieder auch deshalb erfordere, weil ihre Tätigkeit in ganz besonderem Maße der Kritik ausgesetzt sein werde. Der Kriegs- hilfsausschuß, welche Bezeichnung der Ausschuß führen soll, faßte noch folgende Beschlüsse: 1. Der Ausschuß unterstützt nur Angehörige hiesiger Einberusener. 2. Es ist eine Haussammlung zu veranstalten, für die Damen aus allen Berufsständen gewonnen werden sollen. 3. An den Zweigoerein vom Roten Kreuz und an den Albert verein ist das Ersuchen zu richten, die bis jetzt in den Sammelbüchsen gesammelten Beträge dem Ausschuß zu überweisen oder neben ihrer eigenen Sammlung eine piche für die Zwecke des Kriegs-Hilssamschusscs zu ocran- talten. 4. Die Inhaber offener Geschäfte und die Gast wirte sind um Uebernahme von Sammelstcllen für den gleichen Zweck zu ersuchen. 5. Die hiesigen Vereine, sowie edermann sollen gebeten werden, der Kriegshilse zugedachte Laben jeder Art dem Ausschüsse zu überweisen. (Der Männergesangverein hat in dankenswerter Weise schon jetzt 100 Mk. zur Verfügung des Ausschusses bereitgestellt). 6. Zur Erledigung der Geschäfte kommt der Ausschuß eben Dienstag abends 8 Uhr im Sitzungszimmer des kiathaules zusammen. — Schon jetzt liegen eine Anzahl lnterstützungsgesuche vor, die zum Teil Beachtung finden müssen, zum Teil finden möchten, zum Teil allerdings auch von der irrigen Voraussetzung ausgehen, daß Unter- tützung gewährt werden muß. Letzteres ist nicht der Zall. Vielmehr ist in jedem Falle (auch bei der Staats- unterslützung) die Bedürftigkeit festzustellen. Beschlüsse nach dieser Richtung hin kann erst eine spätere Sitzung ässen. Immerhin ist Vorkehrung getroffen, daß in »ingenden Fällen auch vorher schon eingegrifstn werden