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WeWtz-Mung Anzeiger für Dippoldiswalde und Umgegend 74. Jahrgang. Dienstag, den 17. November 1908. Nr. 133. Amtsblatt für die Königliche Umtshauptmannschafi, das Königliche Amtsgericht und den Stadtrat zu Dippoldiswalde. Mit achtfettigem „Illustrierten Anterhaltungsblatt". Mit land- und hauswirtschaftlicher Monats-Beilage. Für die Aufnahme eines Inserats an bestimmter Stelle und an bestimmten Tage»« wird keine Garmitte übernommen. Verantwortlicher Redakteur: Paul Jelpre. - Druck und Verlag von Carl Jehne in Dippoldiswalde. Dl« ,M«iß«ttz.Zettima' «scheintwöchentlich drei mal: Dienstag, Donners- tag und Sonnabend und wird anden vorhergehen- denAbendenausgegeben. Preis vierteljährlich 1M. 25 Pfg., zweimonatlich S4 Pfg., einmonatlich 42 Psg. Einzelne Nummern lO Pfg. — Alle Postan- talten, Postboten, sowie rnsereAusträgernehmen Bestellungen an. Inserate werden mit II Pfg., solche aus unsere» Amtshauptmannschaft mit 12 Pfg. die Spaltzeile oder deren Raum berech net. Bekanntmachungen aus der ersten Seite (nur von Behörden) die zwei- gespaltene Zeile 35bez. 30 Psg. - Tabellmisch« und komplizierte Inserate mit entsprechendem Aus schlag. - Eingesandt, im redaktionellen Teile, di« Spaltenzetle 30 Pfg Das im Grundbuch« für llottinlllvrl Blatt 164 aus den Namen Lniit llolurwk eingetragene Grundstück soll am 4. Jimair MS, vormittags '/2U Adr, an der Gerichtsstelle im Wege der Zwangsvollstreckung versteigert werden. -Das Grundstück ist nach dem Flurbuche 7,3 Ar grob und auf 8800 M. — Pfg. geschützt. Es ist ein villenartiger Wohnhausneubau, der in seinem Aeußeren bis auf «ine geringe Fläche Mauerabputz und die Balkons vollendet, auch bereits mit Fenstern versehen ist. Im Innern fehlen noch der Wand- und Deckenputz, ein Teil Deckenein schub, sowie sämtliche Fußböden, Türen und Oefen. Diese Arbeiten sollen aber durch den Zwangsverwalter, soweit möglich, ausgesührt werden. Die Einsicht der Mitteilungen des Grundbuchamts, sowie der übrigen das Grund stück betreffenden Nachweisungen, insbesondere der Schätzungen, ist jedem gestattet. Rechte auf Befriedigung aus dem Grundstücke sind, soweit sie zurzeit der Ein ¬ wägung des am 29. Oktober 1908 verlautbarten Versteigerungsvermerkes aus dem Grund- buche nicht ersichtlich waren, spätestens im Versteigerungstermine vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten anzumelden und, wenn der Gläubiger widerspricht, glaubhaft zu machen, widrigenfalls die Rechte bei der Feststellung des geringsten Gebots nicht be- rücksichtigt und bei der Verteilung des Versteigerungserlöses dem Ansprüche des Gläu bigers und den übrigen Rechten nachgesetzt werden würden. Wer ein der Versteigerung entgegenstehendes Recht hat, muß vor der Erteilung des Zuschlags die Aufhebung oder die einstweilige Einstellung des Verfahrens herbeiführen, widrigenfalls für das Recht der Versteigerungserlös an die Stelle des versteigerten Gegenstandes tritt. Dippoldiswalde, den 13. November 1908. ra 12/08 Nr. 2. Königliches Amtsgericht. Die Krisis dauert fort. Es ist unnütz, alles das zu wiederholen, was im deutschen Reichstage zwei Tage lang über die Veröffent lichung des Kaiser-Interviews im „Daik; Telegraph" und über die daraus entstandene politische Krisis in Deutsch land geredet worden ist, denn im großen und ganzen haben diese zweitägigen Debatten im Reichstage nur zu einer allgemeinen Enttäuschung geführt. Die Enttäuschung ist darüber sehr groß, daß weder der Reichskanzler ge nügende Bürgschaften gegen die Wiederholung so cher Vor fälle gegeben hat, noch daß sie der Reichstag einmütig ge fordert hat. Wenn nun das aber in der gegenwärtigen Situation nicht erreichbar erschien, so hätte man doch wenigstens erwarten müssen, daß der Reichskanzler so viel bei dem Kaiser vermocht hätte, daß eine kaiserliche Bot schaft an den Reichstag gelangt wäre, in welcher der Kaiser mit eigenen Worten zu der ganzen Krisis diejenige Stellung eingenommen hätte, welche alle Vaterlandsfreunde wünschen. Die Stellung des Reichskanzlers Fürsten Bülow ist deshalb nach den Interpellationen im Reichs tage in der heiklen Frage keineswegs gebessert, sondern die Krisis dauert fort und hat nur eine andere Form an genommen. Es besteht daher auch in vielen Kreisen des Reichstages und der Landtage der deutschen Bundesstaaten die Meinung, daß der Reichskanzler doch noch zurücktreten werde. Tatsächlich hat er ja auch sehr scharfe Urteile über seine Haltung und auch über die Leistungen des ganzen auswärtigen Amtes in den letzten Tagen über sich ergehen lassen müssen, und wenn in einer früheren Session des Reichstages solche scharfen Kritiken an der Tätigkeit des Reichskanzlers und seiner Stellvertreter geübt worden wären, so wäre er wahrscheinlich keine drei Tage mehr Reichskanzler geblieben. Es muß ja zugegeben werden, daß die innere und äußere Lage des deutschen Reiches jetzt eine sehr schwierige ist, und daß man, weil der Reichs kanzler Fürst Bülow nun einmal die Fäden der Verhand lungen in den Händen hält, auch wünschen möchte, daß er wenigstens die Geschäfte noch einige Zeit führe. Aber die Schwierigkeiten wachsen auch über Nacht immer wieder für die Stellung des Reichskanzlers, denn die allgemeine Verurteilung der Art und Weise, wie in den höchsten Spitzen des Deutschen Reichs, also von dem Kaiser und vom Reichskanzler, die Politik erwiesenermaßen oft zwie spältig und nicht einheitlich geführt worden ist, bleibt in allen politischen Kreisen des deutschen Volkes bestehen und zieht weitere Kreise, ohne daß eine rechte Erlösung aus dieser ärgerlichen Situation von der Seite gekommen wäre, von welcher man sie erwartete. Auch kommen jetzt von englischer Seite Stimmen, welche behaupten, daß der Reichskanzler über das Kaiser-Interview und seinen In- I halt doch nicht ganz die Wahrheit gesagt habe. So protestiert die englische Zeitung „Daily Telegraph", welche doch das Interview zuerst verösfentlichte, gegen die Be hauptung des Fürsten Bülow, daß sie das Interview des Kaisers entstellt verössentlicht habe. Der „Daily Tele- graph" behauptet vielmehr, daß er vor der Veröffent lichung des Interviews alle Schritte unternommen hätte, um sich darüber Sicherheit zu verschaffen, daß die Ver öffentlichung de« Interview» im Einverständnisse mit den Wünschen des deutschen Kaisers stattsinde, und daß der ganze Inhalt des Interviews die wohlüberlegte Absicht des deutschen Kaiser» enthalte. Vor seiner Veröffentlichung wäre sogar das betreffende Schriftstück noch einmal im Auswärtigen Amte Deutschlands gewesen, und hätte sogar noch einmal eine Nachprüfung erfahren, wäre auch dem Kaiser vorgelegt worden und mit der offiziellen Impri matur, d. h. Druckreife, zurückgekommen Man sieht daraus auch wiederum deutlich, daß sich nach den Interpellationen I im Reichstage weder die Lage für den Reichskanzler Fürsten Bülow, noch für unsere allgemeine Politik irgend- ' wie gebessert hat, und man muß immer noch erwarten, daß eine Tat der Erlösung aus diesem ärgerlichen Dilemma ' erfolgt. , Lokales und Sächsisches. i Dippoldiswalde. Das Gotteshaus hatte sich am ; Sonntag mit vielen Parochianen gefüllt, als der Herr - Ephorus mit Herrn Diakonatsvikar Ernst Konstantin Groß- - mann und den Mitgliedern des Kirchenvorstands in das- - selbe eintraten. Nach dem Eingangsliede Nr. 12 und der i von Herrn Pfarrer Kahl- Sadisdorf gesungenen Liturgie ) wurde Herr Großmann durch Herrn Superintendent Hempel l unter Assistenz der Herren Pfarrer Kahl und Hemmann— - Hennersdorf zum geistlichen Amt ordiniert und als Diakonats- c vikar an unsrer Kirche eingewiesen. Der Ordinationsrede r legte der Herr Ephorus zu Grunde 1. Tim. 1 18 19: „Dies r Gebot befehle ich dir, daß du eine gwe Ritterschaft übest l und habest den Glauben und gutes Gewissen". Mit warmen, tiefernsten Worten richtete er an den Herrn Vikar 1 die Mahnung, daß auch er gute Ritterschaft übe, im - Glauben beharre bis ans Ende und sich ein gutes Gewissen > bewahre vor Gott, dann werde auch seiner amtlichen Tätig- 1 keit das göttliche Ja und Amen n cht fehlen. Daraus > empfing der nach Ablegung des Gelöbnisses durch Hand- ; auflegen Ordinierte das heilige Abendmahl, und sicherlich i waren Herz und Gemüt des Herrn Vikar eingestimmt in > den Inhalt des Tertes des nun folgenden Chorgesangs: > „Der Herr ist mein Licht und mein Heil" (Motette von t G. Mett). Aus dem von Herrn Pfarrer Hemmann vor- > gelesenen Lebenslaufe war zu erfahren, daß Herr Vikar Großmann im Jahre 1881 als Sohn des damaligen , Diakonus in Pulsnitz geboren ist, die Gymnasien in Bautzen > und St. Afra und in Leipzig und Marburg die Universi täten besucht hat. Als Tert seiner nun folgenden Antritts- predigt hatte er 2. Cor. 4, 13: „Ich glaube, darum rede ich" gewählt. Aus seinen Ausführungen klang ein frohes Gefühl des Jubels und des Dankes, ein ernstes Gefühl der Verantwortlichkeit und ein zuversichtliches Gefühl des Trostes. Die Gemeinde aber hat die Ueberzeugung ge wonnen, daß das Konsistorium in Herrn Vikar Großmann unsrer Parochie einen Hilfsgeistlichen gestellt hat, dessen amtlicher Wirksamkeit sicherlich der Segen des Himmels nicht fehlen wird. — Die diesjährige Diözesanversammlung der Ephorie Dippoldiswalde fand Donnerstag, den 12. No vember, von l/2l l Uhr ab im Saale des „Stern" zu Dippoldiswalde statt. Nach Gesang von „Jesus Christus s herrscht als König" sprach der Ephorus, Herr Superinten dent Hempel, das Gebet, worauf er auf Grund von 1. Joh. 5, 3: „Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat" eine tiefgründige, glaubensfreudige An sprache an die Diözesanen richtete. Die Welt, d. h. alle die feindlichen Mächte, die wider den Geist Gottes sind, als Augenlust, Fleischeslust und hoffärtiges Leben, gilts zu bekämpfen im Glauben an Jesus Christus, den wahrhaftigen Gottessohn, der nicht ein Kulturwert, sondern ein Heils wert ist, zum verheißenen Siege. Da, wo die Rede auf die allein durch die Gottheit Christi verbürgte Vergebung der Sünden als den Kern des Christentums, die Kraft zu einem neuen Leben („die Gesinnung Jesu zu üben, ist für den Christen selbstverständlich") und den einzigen Trost im Sterbestündlein hinwies (der Redner verlas vie ergreifen den Stellen von der Wirkung des Gotteswortes auf die Soldaten vor den Schlachten des 70er Krieges aus den Erinnerungen des Prinzen von Hohenlohe Öhringen), erhob sie sich zu hinreißendem Schwünge. Die beiden Vorträge i galten dem 25jährigen Jubiläum de» Landesgesangbpchs. Herr Pfarrer Richter-Kreischa sprach über: „Das Gesang buch in Kirche, Schule und Haus." Er forderte auf zu treulicher Benutzung des herrlichen evangelischen Lieder schatzes in die en drei Stätten und zeigte neben den er probten alten mancherlei neue Wege, auf denen unserem Lhristenoolke der Liederschatz des Gesangbuches erschlossen werden kann. In der Debatte wurde u. a. als ein be achtenswertes Mittel, den Gemeindegliedern zu einer inner lichen Einstimmung auf den Sonntagsgottesdienst zu ver helfen, die Bekanntgabe der zu singenden Lieder in den Kirchennachrichten empfohlen. Das geschieht schon jetzt in Dippoldiswalde und Glashütte,- möchten andere Ge meinden darin Nachfolgen! Annahme fand eine vom Referenten vorgeschlagene Resolution des Inhalts, da« Kirchenregiment wolle bei den zuständigen Stellen dahin vorstellig werden, daß die 22 Kirchenlieder des religiösen Memorierstoffes, die zum Teil schon stark gekürzt sind, nicht vermindert werden möchten. Herr Schul rat Bang, der bei Wahrung des kirchlichen Bekennt nisses in bezug auf Stosfauswahl und -anordnung, Lehrplan und Lehrverfahren im Religionsunterrichte eigene Wege geht, glaubte, sich der Abstimmung enthalten zu müssen, erfreute aber die Versammlung durch sein Be kenntnis zum 2. Artikel und seine unumwundene Absage an die liberale Theologie. Den 2. Vortrag, der von praktischen Vorsührungen des Singechors unterbrochen war, hielt Herr Kantor Müller, Dippoldiswalde. Sein Thema lautete: „Unser Gemeindegesang in seiner rhythmischen Ge staltung". Der Vortragende redete einer allmählichen Ein führung des rhythmischen Lhoralgesanges das Wort. Auch an diesen Vortrag reihte sich eine längere Aussprache, an der sich vor allen einige Kirchschullehrer beteiligten. Bis Ende März 1909 sollen auf Anweisung des Ephorus die Kirchenvorstände berichten, ob sie mit Einführung des rhythmischen Chorals einen Anfang gemacht haben. Im geschäftlichen Teile gedachte der Ephorus des Todes von 4 Kirchenvorstehern, l Kirchenpatrons (Kammerherr von Lüttichau auf Bärenstein), 1 Pastors (Sieber-Dippoldis- waide) und 1 Lehrers (Ranft-Obercarsdorf), zu deren Ehren sich die Versammlung erhob. Der gedruckt vor liegende Jahresbericht auf 1907 weist leider eine Minde- rung des Kollektenertrags auf. Die Präsenzliste zählte 237 Personen. Mit Gebet und Gesang schloß die Ver sammlung gegen 3 Uhr. 8. — 18. November. Bußtag. — Einen^Tag im Jahre der Selbsteinkehr, der Buße, zu weihen, ist ein uralter Brauch, und auch die christliche Kirche hat mit der Er- richtung besonderer Bußtage nur das ausgebaut, was im Keime bereits vorhanden war. Es ist eine schöne Sille, im Hasten und Treiben der Welt einen Tag nun der Selbstprüfung, dem ernsten Jnsichgehen zu widmen, und trotz des hohen Ernstes, der über einem solchen Tage aus gebreitet ist, wird er doch zugleich von milden und weichen Regungen durchweht, gleich einem sanften Gruß de« Frühlings. Da» ist die schöne und edle Frucht der Einkehr in sich selbst! Denn wer die Glockenklänge dieses Tages recht versteht, wer mit ernsten, strengen Augen sein Leben, sein ganzes Tun und Lassen überblickt, dem geht auch rasch die Erkenntnis auf von seiner eigenen Unvollkommen heit, und während er seine eigene Taten schärfer prüft und seine eigenen vermeintlichen Vorzüge ohne Vorein genommenheit betrachtet, lernt er zugleich, die Fehler seiner Mitmenschen milder zu beurteilen. Solch ein Tag wirk licher Selbstprüfung wirkt nachhaltiger und tiefer als man glaubt, er macht unser Herz weicher und milder und läßt uns bereitwilliger die Hände öffnen, wenn wir dem Jammer de» Lebens begegnen. So manches Wort, da« gerade heute gesprochen wird, fällt auf fruchtbaren Boden