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62. Jahrgang. Donnerstag, den 16. Juli 1896. Verantwortlicher Redacteur: Päul Ithnt in Dippoldiswalde. lviit achtseitigem „Illustrieren Unterhaltungsblatt". Mit land« und hauSwirthschastlicher ManatVbeilage. Nr?80l -Äeituna" «scheint wöchentlich drei» mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 25 Pfg., zweimonatlich «4 Pfg-, «inmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Alle Postan stalten, Postboten, sowie vir Agenten nehmen Be stellungen an. Inserat«, welch« »et der bedeutenden Auflage d«S Blattes eine sehr wirk same Verbreitung finden, «erden mit 10 Pfg. di« Spaltenzeile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische unv complicirt« Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Eilwe- sandt, im redaktionellen Theile, die Spaltenzeile SO Pfg. iMltz-MUNS Anzeiger für Dippoldiswalde und Umgegend. Amtsblatt für die Königliche UmtshauPtmaimschast, das Königliche Amtsgericht und den Stadkalh zn Dippoldiswalde. sind AälösUtöos, Dippoldiswalde. Bei günstigster, sonniger Witte rung, wie wir nach unserem letzten Berichte kaum ahnen konnten, verliefen die beiden anderen Tage deS hiesigen Vogelschießen-. Der Vollständigkeit halber wollen wir hier nachholen, daß am ersten Festtage die freiwillige Feuerwehr ein Vogelschießen veranstaltete, bei dem Herr Fabrikant Reichel jun. die Königs- und Herr Zimmermann Lehmisch die Marschallwürde erlangten. Am frühesten Morgen weckten Böller und Reoetlle am Montag die vogelschießtrunkenen Ein wohner, und bald wurde das Eewehrfeuer aus Vogel und Scheibe hörbar, das um 12 Uhr unterbrochen wurde, damit die Schützen sich ruhen und stärken konnten, und zwar hatten die beiden königl. Majestäten dieselben zu diesem Zwecke unter die schattigen Linden desSchützenhauSgartenS geladen und ihnen zurKrästigung saftigen Brodteigschinken und perlenden Wein darbieten lasten. Bei knallendem Champagnerpfropsen schossen ernste und launige Toaste förmlich hervor wie die Kugeln aus der Büchse und trafen, ja zündeten stets den rechten Fleck im Schützen- und Bürgerherzen, so z. B. als Herr Stadtrath Reichel sein liebes Nest Dippoldiswalde leben ließ und Herr Schuldirektor Rasche in einem Liede die Schützenkompagnie besang. Große Freude bereitete es, daß es Herrn Bürgermeister Voigt diesmal möglich geworden, am Montagsfrühstück theilzunehmen, sowie desgleichen die Mittheilung, daß ein Herr, der nicht erscheinen konnte, seinem Antwort schreiben einen namhaften Beitrag zu den Kosten des Vogelschießens beigelegt hatte. Waren die Festgäste schon am Sonntag von Herrn Schützenfeldwebel Mende freundlichst begrüßt worden, so gedachte am Montag Herr Getreidehändler Graul ganz besonders des Herrn Steuerausseher Petzold aus Dresden, des Komponisten des neuen Schützenmarsches, der in seiner Dankes- erwiderung die Aufmerksamkeit auf den größten Musiker unserer Stadl, Herrn Kantor und Oberlehrer Hellriegel lenkte. Auf Anregung des Herrn Stadtralh Heinrich wurde eine Sammlung für die Suppenkolonie unsrer Stadtschule veranstaltet, die einen Ertrag von baar 31 Mk. und mehreren Anweisungen auf Reis, Mehl, Brod und Kartoffeln erzielte. Herr Friedensrichter Wendler brachte zwei hübsche Kaninchen zur Versteige rung, die durch Differenzzahlung noch 9,40 Mk. ab- warf. Am Nachmittage fand bei dem AuSzuge das in der Vogelwiesenzeitung empfohlene Ziegenbockgespann Verwendung und sah das mit hübsch aufgeputzten Kindern besetzte Wägelchen allerliebst aus. Während sich dann auf der Aue Jeder nach seinen Verhältnissen und nach seinem Geschmacks vergnügte, sorgte die Vergnügungskommission der Schützen auch für Be lustigung der Kinder. Ein Luftballon, der gegen Abend aussteigen sollte, enthob sich dieser Mühe, indem er schon unten auf der Erde verbrannte. Am Dienstag übte die Anziehungskraft auf Stadt und Land wiederum die Einführung der ueuen Könige und ihrer Marschälle, der Herren Tischlermeister Schmidt, Hospitalverwalter n. D. Wolf, Bäckermeister Ernst Schneider und Schuh - .machermeister Fr. Zschocke. Nicht uninteressant ist, daß der Vogelkönig in demselben Jahre geboren wurde, in dem der Scheibenköntg der Schützengilde beitrvt. Der Einzug erfolgte durch die theilweise prächtig mit Buntfeuer, Näpfchen, Lampen, Laterne» und elektr. Glühltcht (L. Philipp) illuminirten Straßen der Stadt, wo aus dem Markte vor Auflösung deS Zuges auf Anregung des Herrn Vorsteher Hellriegel durch den Gesang: „Nun danket alle Gott", sowie: „Deutsch land, Deutschland über alles" dem Danke gegen Gott und dem Gefühle der Vaterlandsliebe Ausdruck ge geben wurde. In anerkennungSwerther Pünktlichkeit verkündete bald darnach dreifacher Böllerschuß den Beginn des Feuerwerks, das Herrn Heller-DreSden, der es geliefert und auch abgebrannt hat, wegen der flotten Aufeinanderfolge, der sicher arbeitenden Feuer- werkskörper und wegen neuer, prächtiger Erscheinungen, wie z. B. deS römischen Feuerwerks, alle Ehre machte und einfach brillant zu nennen war. Der herrliche, wenn auch etwas kühle Abend hielt noch viele Be sucher in den Zelten und auf dem Platze längere Zeit fest. Möge es Allen gut bekommen! — Nach nur vierteljähriger Bewirthschaftung seitens des bisherigen WirtheS des Steinbruchrestau- rantS ist dasselbe bereits wieder in andere Hände übergegangen. — Für die Pilzsucher läßt sich der diesjährige Sommer bis jetzt eben so ungünstig an, wie der vor jährige, denn der beliebte Steinpilz macht sich noch sehr rar und ist nur ganz vereinzelt zu finden. Da eS an Feuchtigkeit nicht gefehlt Hal, so scheint noch die Wärme zum Gedeihen der beliebten Frucht zu mangeln. — ES dürfte angebracht sein, jetzt beim Beginn der Beer en ernte das Publikum darauf hinzuweisen, beim Einsammeln von Beeren, namentlich Erd- und Himbeeren, keine Blechgefäße, sondern nur Thontöpfe zu verwenden, denn die Beeren erhalten, in Blech gefäßen aufbewahrt, einen Metallgeschmack und eine bläuliche, unansehnliche Farbe. — Nächsten Sonnabend läßt die Direktion der Staatsbahn einen billigen Extrazug von Leipzig über Dresden, Pirna und Tetschen, an welchen Punkten derselbe Fahrgäste aufnimmt, nach Wien ab. Derselbe wird auch von ca. zehn Personen aus Dippoldiswalde benutzt werden. — Sonderzüge nach Stuttgart. Wie wir unseren Lesern bereits kurz mittheilten, beabsichtigen die betheiligten Staatsbahn-Verwaltungen zur Er leichterung des Besuchs des S. deutschen Sänger- Bundesfestes in Stuttgart am Donnerstag, den 30. Juli d. I«., Sonderzüge von Leipzig, Dresden und Chemnitz abzulaffen. Die Abfahrt erfolgt am genannten Tage von DreSden-Altst. aus 6 Uhr 20 Min. Nachm. und die Ankunft in Stuttgart 1 Uhr 45 Min. Nachm. am 31. Juli. Außer Fahrkarten nach Stuttgart und Friedrichshafen kommen noch solche nach Friedrichs hafen, gültig zurück von Lindau und anderen bayeri schen Stationen (auch Kufstein und Salzburg) zur Ver ausgabung. Sämmtliche Fahrkarten erhalten eine 30- tägige Gültigkeitsdauer. Alles Nähere überdi» Weiterfahrt von Stuttgart nach Ftedrichshafen pp., sowie die speziellen Angaben 'über die bedeutend ermäßigten Fahrpreise und über die sonstigen Bestimmungen sind aus der jetzt erschienenen Uebersicht über die genannten Sonder züge zu ersehen, welche auf Verlangen bei allen größeren sächsischen Staatsbahnstationen, sowie bei den Ausgabe stellen für zusammenstellbare Fahrscheinhefte in Leipzig (Dresdner Bahnhof) und DreSden-Altst. (Carolastraße 16) unentgeltlich abgegeben wird. Brieflichen Be stellungen sind zur Frankirung 3 Pfg. in Marke bei zulegen. Obercarsdorf. Theater. Auf das demnächst hier zur Aufführung gelangende Volksstück: „Die Kirche zu den 14 Nolhhelfern auf der kahlen Höhe zu Reichstädt", welches eine alte, mit dieser nun vom Erdboden verschwundenen Kirche verknüpfte Sage be handelt, seien alle Theaterfreunde hierdurch besonders aufmerksam gemacht. Possenborf. Mit voller Genugthuung und Be friedigung kann der die Ephorte Dippoldiswalde um fassende Zweigverein der Gustav-Adolf-Etistung auf den Verlauf der Feier seines am Sonntag, den 12. Juli, hier stattgefundenen JahreSfesteS zurückblicken. Der Festgottesdienst im blumengeschmücklen, von einer andächtigen Festgemeinde gut besuchten Gotteshause begann Nachmittags 2 Uhr. Der Festpredigt war außer der Liturgie und einer Schristverlesung eine vom Kirchenchor trefflich ausgesührte Motette für ge mischten Chor: „Kommt, laßt uns anbeten" — von Mendelssohn vorangegangen. Nach dem Gesang deS HauptliedrS betrat Herr Domdiakonus Hanitzsch-Frei- berg die Kanzel und hielt auf Grund des SchristworteS 1. Corinther 4, 1 u. 2, eine gehaltreiche, tiefdurchdachte Festpredigt. Aus seinem Texte entwickelte er den mahnenden Hauptgedanken: Haltet treu zum Tustav- Adolf-Verein, denn er ist selbst ein treuer Sohn unserer evangelischen Kirche, deren Glauben er bekennt! Hin weisend aus die Inschriften, die unser vor 300 Jahren erbautes Gotteshaus trägt, führte der von edler Be geisterung durchdrungene Seelenhirt weiter auS: 1. „Mein Anfang, Mitt' und Ende, hat gestanden in Gottes Hände", so bekennt der Gustav-Adolf-Verein den Glauben zur evangelischen Kirche; 2. „Kirchen, Schulen und Gottes Wort soll man bauen und pflanzen an allen Ort", so arbeitet der Gustav-Adolf-Verein in der Liebe zur evangelischen Kirche; 3. „Gott stehe mir bei früh und spat, dis all' mein Thun ein Ende hat", so erhebt der Gustav-Adols-Verein das Panier der Hoffnung mit unserer Kirche. Nach dieser alle Herzen mächtig ergreifenden und erwärmenden Fest predigt, durch weläe der hohe Werth des Gustav- Adolf-Vereins recht deutlich beleuchtet wurde, trug der Kirchenchor durch Aufführung einer 2. Motette: „Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr Zebaoth" — von G. Merkel weiter zur Verherrlichung der kirchlichen Feier in dankenSwerther Weise bei. Nicht minder würdig schloß sich diesem ersten Theile deS Festes der zweite, die Versammlung im Saale des Gasthofes, an. Nach dem allgemeinen Gesänge der 1. und 4. Str. des LiedeS: „Ach bleib mit deiner Gnade" — eröffnete der stellvertretende Vorsitzende des Zweigvereins, Herr Bezirksschultnspektor Richter-DippoldiSwalde, die zahl reich besuchte Nachversammlung mit begrüßenden Worten an die Anwesenden und drückte seinen Dank aus der Gemeinde Poffendorf, sowie dem Kirchenvorstande für die herzliche Aufnahme, ferner für Schmückung deS Gotteshauses, Herrn Kantor Helm und seinem Sänger chore für die so herrlichen Gesänge nnd endlich herz innigen Dank dem hochgeehrten Festprediger für seine geistvolle Predigt. Sodann wies der Herr DezirkS- schulinspektor in kurzen Zügen auf die Noth der evan gelischen Kirche in der Diaspora hin und forderte auf, treu festzuhalten an den Worten, die der Gustav-Adols- Verein aus sein Banner geschrieben hat: „Lasset uns Gutes thun an Jedermann" —. Herauf ergriff Herr Pastor Nadler das Wort und hob hervor, daß der Gustav-Adolf-Verein unserer Kirchengemeinde ein lieber, alter Bekannter sei, denn schon über 50 Jahre stehe sie mit ihm in treuer Verbindung. Possendorf habe sich 1845 dem Dresdner Hauptverein angeschloffen, gehöre seit 1870 zum Tharandt - KeffelSdorfer Zweig verein und seit vorigem Jahr sei eS dem Dippoldis- walder Zweigverein beigetreten. Vor 10 Jahren (1886) hielt der Tharandt - KeffelSdorfer Zweigverein bei uns sein Jahresfest ab, seit jener Zeit hat aber ein Gustav-Adolf-Fest bei uns nicht wieder ftaUgesunden. Der Herr Pastor drückte sodann seine und der Kirchen gemeinde große Freude darüber aus, daß der „alte, gute Bekannte" bei uns wieder seinen Einzug gehalten, und daher bewillkommnete er auch den Dippoldiswalder Zweigverein, weil ec das erste Mal bei uns eingekehrt ist, doppelt herzlich. Weitere Willkommengrübe galten dem milanwesenden Herrn AmtShauptmann vr. Uhle- mann, dem Herrn Festprediger, sowie den lieben Gästen. Der Herr Pastcr Nadler fügte noch den Wunsch bei, daß das Fest für unsere Gemeinde ein gesegnetes sein möchte. Dieser Ansprache folgte dann ein ganz treff licher Bericht über den Gustav-Adolf-Verein, den Herr Pastor Schädlich < Reichstädt darbot. An der Hand vieler Beispiele, zum Theil auch selbst erlebter, gab der Redner ein tiefcrgreifendes Bild von der Noth und den Gefahren, aber auch von GlaubenStreue und Opfersreudigkeit unserer evangelischen Brüder in der Diaspora und schilderte dann die bisherige VereinS- thätigkeit. Für diesen so eingehenden Bericht, der da» Wesen und Wirken des Gustav-Adols-Vereins so aus gezeichnet darftellte, wurde dem verehrten Herrn Be-