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Mchmtz-MiW. 1. Beilage zu Nr. 138. Sonnabend, den 25. November 1893. 59. Jahrgang. Abonnements auf die „Weißeriß-Zeitung" für den Monat Dezember nehmen alle kaiserlichen Postanstalten, Briefträger, unsere Zeitungsboten und die unterzeichnete Expedition entgegen. Inserate werden in unserer Expedition und in allen unseren Annoncen-Annahmestellen angenommen und finden die weitgehendste Verbreitung. Die Expedition -er „Weißeritz-Zeitung". Tagesgeschichte. — Am 1. Oktober dss. Js. betrug die Zahl der jenigen Personen, welche seit dem Inkrafttreten des Jnvaltditäts- und Altersversicherungs-Ge setzes eine Altersrente empfingen 200532. Ins gesamt waren in dem erwähnten Zeitraum 253700 Ansprüche erhoben worden, davon mußten aber 44195 als unberechtigt zurückgewiesen werden. Die Zahl der Ansprüche auf Bewilligung von Invalidenrente betrug in derselben Zeit 71385; anerkannt wurden davon 44642, zurückgewiesen 17 925. Unter den Personen, die in den Genuß der Invalidenrente getreten find, befinden sich 1220, die vorher bereits die Altersrente bezogen haben. In Deutschland leben also heute schon, obwohl das Gesetz erst 2°/i Jahre in Geltung ist, zu sammen 245184 Staatsrentner, fast eine Viertel Million Menschen, die sonst der Armenpflege onheimgesallen wären. Ob diese Leute wohl so verächtlich auf die „Pfennigrente" blicken mögen, wie dies die freisinnige und sozialdemokratische Presse an die Wand gemalt hat? — In der preußischen Garde-Kavallerie be findet sich seit einigen Jahren kein bürgerlicher Offizier mehr; aber auch der einfache Ad-l ist in der Minder zahl gegenüber den Fürsten, Prinzen, Grafen und Freiherrn. Unter 253 Offizieren, die bei der Garde- Kavallerie in der Rangliste aufgeführt sind, befinden sich 32 oder 12,6 Proz. Fürsten und Prinzen, 73 (28,9 Proz.) Grasen, 36 (14,2 Proz.) Freiherren und 112 (44,3 Proz.) nur die Bezeichnung „von" führende Adelige. In einzelnen Regimentern treten die ein fach Adeligen sehr zurück, so besonders im Regiment des Garde du Corps, das in seinem Osfizierkorps 2 Prinzen, 19 Grafen, 4 Freiherren und 7 adelige Offiziere zählt. Auch das 1. Garde-Dragoner-Negiment hat nur 10 Offiziere, die den einfachen Adel führen. — Das Abkommen zwischen Deutschland und Eng land, betr. die gegenseitige Abgrenzung der Interessen sphären beider Reiche im Hinterlande von Kamerun, ist jetzt veröffentlicht worden. Darnach verläuft die neue Grenze von der Faro-Mündung nach dem Schnitt punkte des 14. östlichen Längengrades von Greenwich mit dem^Südufer des Tschadsees, so daß der größte Theil deS südlichen Tschadsees und der Schari-Mün dung den Deutschen zugesprochen worden ist. Die „Nordd. Allg. Ztg." hebt in einer Besprechung dieses jüngsten deutsch-englischen Abkommens hervor, daß nunmehr das Südufer des Tschadsees in seiner breite sten Ausdehnung und der größte Theil des König reiches Adamaua dem deutschen Einflüsse vorbehalten sei. Dem deutschen Unternehmungsgeiste in West afrika stehe jetzt ein weites Feld bis an den Tschadsee offen. Es könne nicht geläugnet werden, daß, nach dem einmal 1885/86 das ganze Niger-Benue-Gebiet bis einschließlich Mas den Engländern überlassen war, das gegenwärtige Abkommen einen günstigen Ab schluß für Deutschland bedeute, auf welchen Niemand mehr gerechnet habe. Hiermit sei das deutsche Kamerun gebiet gegen englische Hebelgriffe gesichert und zugleich eine Streitfrage beseitigt, welche die guten deutsch englischen Beziehungen zu trüben drohte. Was Frank reich anbelange — meint schließlich die „N. A. Z.", so stehe zur Vereinbarung über den 15. Grad hinaus, welcher 1885 als Grenzlinie zwischen den deutschen und den französischen Besitzungen in Westasrika fest gestellt worden sei, jeder Weg offen, und würden Deutschland und Frankreich gewiß zu einer im beider seitigen Interesse liegenden Verständigung gelangen. — veachtenswerth ist die Sprache, welche die Elsaß-Lothringer jetzt in Frankreich führen. Beim FÜderationSsrste der Elsaß-Lothringer, das vor einigen Tagen in der Borstadt Saint-Mandö gefeiert wurde, -stellten sich die revanchelustigen Patrioten zahlreicher -al» sonst ein. Der Präsident toastete ans die „Wieder Herstellung Frankreichs vom Ozean bis zum Rhein". Die tschechischen „Sokols", von denen sich eine Dele gation beständig in Paris herumtreibt, hielten Reden auf die „Ausrottung des germanischen Bacillus", auf „Wiedersehen in Straßburg", wo Slaven und Fran zosen nach Ueberwindung „der Barbaren" zusammen treffen wollen, und auf den Frieden, aber „den Frieden nach der Abrechnung". Die Stimmung der Versam melten war ungemein kampflustig. Wiederholt erklärten die Redner, daß es bald losgehen werde und daß es Pflicht der Elsaß-Lothringer sei, die „Stimme gegen den Erbfeind zu erheben und die französische Regierung auf der Bahn, die sie seit den Ruffensesten beschritten habe, vorwärts zu treiben". Zu bemerken ist hierbei, daß der auswärtige Theil fast aller Pariser Zeitungen in den Händen von Elsässern und deutschfeindlichen Juden ist. Unter solchen Umständen ist es höchst be denklich, daß die Zügel der Negierung sich lockern und daß insbesondere der Minister des Auswärtigen einen Theil seines Ansehens an unverantwortliche Agitatoren abgegeben hat. AuS Thüringen. Eine Petition um Abänderung des Sonntagsruhegesetzes haben 24 thüringische Gewerbvereine an den Reichstag und die Reichsregie rung zu richten beschlossen. Zur Begründung der Noihwendigkeit einer Reform wird angeführt, die jetzige Sonntagsruhe habe nicht allein durch die Festsetzung der ersten Feiertage als vollständige Ruhetage, sondern auch ganz besonders dadurch große Schädigungen her beigeführt, daß sie den Handeltreibenden außer den bewußten fünf Stunden jede weitere Verkaufsthätigkeit auch ohne Gehilfen untersagt. Dadurch, daß die Land bevölkerung namentlich in den kleineren Städten Ihre Einkaussbedürfniffe an Sonntagen zu gelegener Zeit nicht befriedigen könnte, habe der Hausirhandel einen ungeahnten Aufschwung genommen und treibe eine große Zahl städtischer Geschäfte dem Untergang zu. Oesterreich. Der neue Erzbischof von Olmütz, vr. Kohn, stellt sich immer deutlicher auf die Seite des Tschechenthums. In der Leibgarde dieses Erz bischofs soll von Neujahr ab das deutsche Kommando abgeschafft und das tschechische eingeführt werden. Im tschechischen Sprachgebiete wird es von den Gerichten und Aemtern sehr gerügt, wenn einmal die Parteien deutsche Eingaben überreichen, hingegen überschwemmen die Tschechen absichtlich die deutschen Behörden mit nur tschechischen Eingaben und Urkunden. Im tschechischen Sprachgebiete werden Vie Deutschen vor Gericht ange halten, auf gestellte Fragen tschechisch zu antworten, dagegen beharren im deutschen Sprachgebiete die Tschechen daraus, daß mit ihnen nur tschechisch ver handelt wird. In Melnik sind nur tschechische Auf schriften in der Amtskanzlei angebracht. Die Juden schaft in Rakonitz erhielt vom Tschechenverein ein Schreiben, in der israelitischen Kultusgemeinde das Tschechische als Amtssprache anzumelden und einzu führen, auf den Firmentafeln die deutschen Inschriften abzuschaffen und aus den Straßen nicht mehr deutsch zu reden. In vielen einst rein deutschen Ortschaften Böhmens werden die doppelsprachischen Orts- und Gaffentafeln durch rein tschechische ersetzt, während die in deutsche Dörfer einwandernden Tschechen doppel sprachige Straßenschilder verlangen. Gegen deutsche Schulen in Tsckechovien wird mit allen Mitteln gehetzt, während die Tschechen im deutschen Gebiete tschechische Schulen einzurichten suchen und ihre Unterhaltungslast den Deutschen noch dazu aufbürden. Die Tschechen gehen immer mehr aus Eroberung deutschen Bodens aus. Italien. Der Besuch des Grasen Kalnoky in Monza erfährt noch immer allerhand Auslegungen. So ist neuerding» eine Version ausgetaucht, wonach e» sich bei der Audienz des Grafen Kalnoky beim König von Italien angeblich um energische Schritte gegen die sich immer schärfer auSprägende dreibund feindliche Politik des Papstes gehandelt haben soll. Diese Auffassung von dem Zwecke der überraschenden Reise des Leiters der auswärtigen Politik Oesterreich- Ungarns nach Monza klingt indessen ebenso wenig wahrscheinlich, als dies auch von anderen Kombina tionen über die Tragweite des Ereignisses gelten kann. — Der „Folchetto" erklärt, Giolitti werde sofort nach Eröffnung der Kammer eine Abstimmung herbei führen, um die Lage des KabinetS klarzustellen. Die Abstimmung dürfte aber schwerlich sehr erfreulich für Giolitti ausfallen, der im besten Falle eine Mehrheit von einigen zwanzig Stimmen erhält. Wie verlautet, würde der Rücktritt GiolittiS die Kabinette der ver bündeten Staaten nicht eben überraschen. Man hält daselbst die Rückkehr CrispiS für die einzige Maßregel, um das Vertrauen des Auslandes in die Festigkeit der italienischen Regierung und den Landeskredit wieder herzustellen. Doch wäre Crispi ein energischer Finanz minister beizugeben. England. DaS „Armeebuch deS britischenNeiches", im Auftrage des britischen KrtegSministeriumS von General Goodeninge und Oberst Dalton herausgegeben, ist soeben erschienen. Daraus geht hervor, daß die britische Armee augenblicklich aus 227300 Mann be steht. Die Zahl kann auf 337300 Mann erhöht werden. 72000 Mann davon sind in Indien. Hierzn treten noch 116352 Milizen, worunter 30000 Mann Miliz-Reserven, und 225 423 VolunteerS, 9869 Mann Deomanry, über 91000 Mann Kolonialtruppen, 147 503 Eingeborenen-Truppen und beinahe 30000 weiße Bolunteers, abgesehen von den besonderen Armeen der eingeborenen Fürsten in Indien. Von diesen bilden die regulären Truppen — englische und indische — die erste Linie, die zweite bildet die Miliz und die Volunteers bilden die dritte. Die regulären Truppen können überall verwandt werden; die Miliz kann nur für die Vertheidignng des Landes und für den Gar nisondienst in gewissen ausländischen Stationen ge braucht werde»; die Volunteers nur für die Ver- tbeidigung des Landes, und auch das nur, wenn daS Königreich in Gefahr ist, angegriffen zu werden. England. In der Zeil vom 18. bis 21. Nov. wüthete in England und an den Küsten deS atlantischen Oceans ein furchtbarer Sturm, wie er seit 50 Jahren nicht beobachtet worden ist; außer vielen Schiffsunfällen, bisher wurden 144 Schiffbrüche gemeldet, ist nicht nur der Verlust an Menschenleben auf der See groß, son dern auch auf dem Lande büßten Viele ihr Leben ein. — Die Rückblicke auf den letzten großen Kohlen streik lassen so manch' betrübendes Bild erkennen. Es ist jetzt konstatirt worden, daß während 100 AuS- standstagen 663,463 Bergarbeiter die Summe von 250,000,000 Francs ringe büßt haben. Nordamerika. Drei junge Männer französischer Nationalität, welche im Begriffe waren, das Nelson- Denkmal in Montreal in Canada in die Luft zu sprengen, wurden von der durch einen der Verschwörer von ihrem Vorhaben benachrichtigten Polizei verhaftet. Bei ihrer Verhaftung hatten sie eine Dynamit-Patrone bei sich, durch deren Explosion das Denkmal zerstört und die umliegenden Häuser schwer beschädigt worden wären. Unter den Verhafteten, welche sämmtlich Offiziere der kanadischen Miliz sind, befindet sich ein Sohn des ehemaligen Premierministers Mercier. Das Attentat wird auf die fortgesetzte Agitation der fran zösischen Presse in Quebec gegen die englischen Ein richtungen zurückgesührt. Afrika. Die jüngsten kongostaatlichen Siege über das arabische Sklavenhändlergesindel scheinen wirklich im Westen der großen afrikanischen Binnenseen mit dieser Menschheitspest tüchtig aufgeräumt zu haben. Der Eroberer von Kirundu, Hauptmann Ponthier, Hut sich an dieser Waffenthat nicht genügen laff-n, sondern in energischer Ausnutzung seines Erfolges die Araber bis zum Lowafluffe verfolgt und ihnen während dieser achttägigen Verfolgung gleichsam den Gnaden stoß versetzt. Seine Kriegsbeute bestand in zahlreichen Gefangenen, 1200 Gewehren und großen Vorräthen an Pulver und Patronen. Unter den Gefangenen waren mehrere arabische Häuptlinge, insbesondere auch Said, der Mörder Emin Paschas. Dieser wurde standgerichtlich zum Tode verurtheilt uud vom Fleck weg erschossen. Nach den letzten Meldungen PonthierL