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Mchmtz-ZkitW. Beilage zu Nr. 127. Dienstag, den 31. Oktober 1893. 59. Jahrgang. Die Silberfrage in Nordamerika. Seit Monaten wird das politische Leben in der nordamerikanischen Union durch die Frage, ob die Vereinigten Staaten dem Vorgänge Ost-Indiens folge» und gleichfalls von der Silberwährung zur Gold währung übergehen sollen, beherrscht. Bekanntlich hat Präsident Cleveland die Abschaffung der für das Land so unheilvollen Silbergesetzgebung beschlossen. Eines- Iheils wurde er hierzu durch die unaufhaltsam vor schreitende Entwerthung des Silbers, anderseits durch die Thatsache bewogen, daß die Sherman-Bill nur den Interessen der amerikanischen Silberproduzenten und ihrem Anhang zu Gute kommt und dasür weite erwerbSthätige Bevölkerungskreise der Union wie nicht minder die Staatsinteressen selbst empfindlich schädigt. Schon vor Monaten ließ er deshalb dem Repräsen tanten- oder Abgeordnetenhause einen Antrag zugehen, welcher die strikte Beseitigung der berüchtigten Sherman- Bill fordert, und der auch daselbst nach mehrtägigen Debatten mit bedeutender Mehrheit angenommen wurde. Verfassungsmäßig ging der Antrag des Staatsober hauptes dann an den Senat, in welchem allerdings die Chancen für den Antrag Clevelands weniger günstiger lagen, als im anderen Hause, weil im Senate die meist der republikanischen Partei angehören- den Vertheidiger der Silbergesetzgebung in weit größerer Anzahl vorhanden sind, wie in der Abgeordneten kammer, immerhin erschien auch im Senate eine bal dige Erledigung der Silbersrage im Sinne Clevelands kaum zweifelhaft. Indessen zeigte es sich bald, daß der parlamentarische Einfluß der Silberpartei mächtiger war, als man wohl gedacht hätte, die Senatsverhand lungen über die Aufhebung der Sherman-Bill wurden von den „Silbermännern" von einer Woche zur andern verschleppt, um die entscheidende Abstimmung zu ver hindern, und selbst der gewaltsame Versuch der Silber gegner, durch Tag und Nacht ununterbrochene Sitzun gen endlich den Abschluß der Debatte herbeizuführen, erzielte keinen besonderen Erfolg, da die Silberfreunde stramm und zäh in ihrer Stellung aushielten. Viel leicht hätte diese Verschleppungstaktik der Silberleute im Senat noch den beabsichtigten Zweck erreicht, wenn nicht im Lande immer deutlichere Zeichen des Miß fallens über eine solche Haltung der Silberpartei kund gegeben worden wären. Es wurde daher zwischen den entschiedenen Anhängern der Silberwährung und den jenigen der demokratischen Senatoren, welche wenigstens bedingungsweise zur Silbergesetzgebung neigen, ein Kompromiß oder „Transaktion" abgeschlossen, im Ganzen und Großen dahingehend, daß die Sherman- Bill und hiermit die Verpflichtung der Unionsregierung zu bestimmten monatigen Silberkäusen noch um ein Jahr verlängert werden soll. Es heißt nun aber, daß Cleoeland auf unbedingter Abschaffung der Sher man-Bill bestehe und daß er gedroht habe, eventuell durch eine Botschaft an de» Kongreß die Silbergesetz gebung einfach als aufgehoben zu erklären. Da der Präsident bei einem solchen Vorgehen zweifellos die öffentliche Meinung der Union hinter sich haben würde, so scheinen es die Senatoren in ihrer Mehrzahl doch auf keinen ernsten Konflikt mit der Staatsregierung wie der öffentlichen Meinung ankommen lassen zu wollen, denn es verlautet bestimmt, daß bei der Ab stimmung über den Cleveland'schen Antrag, die nächster Tage endlich erfolgen soll, dieselbe die bedingungslose Genehmigung des Antrages und hiermit die Aufhebung der Sherman-Bill ergeben würde. Ein solcher Aus gang des langen parlamentarischen Kampfes in Nord- Amerika um die Silbergesetzgebung könnte sicherlich nur als im Interesse der gewaltigen Mehrheit der Unionsbevölkerung und des großen trrnsatlantischen Staatswesens überhaupt liegend bezeichnet werden. Mit dem Fall der Sherman-Bill würde einer der faul sten Punkte im heutigen Staatsleben der nordamerika nischen Union ausgemerzt werden, würde ein Zustand sein Ende finden, der die schwersten Gefahren und Schädigungen für die weitere wirthschaslliche und finanzielle Entwickelung der Vereinigten Staaten in sich schließt. Jedoch auch für Europa besitzt die ganze Angelegenheit ihre merkliche Wichtigkeit, denn die Ab schaffung der Sherman-Bill ist nur bestimmt, die Ein leitung zu dem Reformwerke zu bilden, behufs dessen Inangriffnahme Grover Cleveland ja vorwiegend wiederum als Präsident der Union gewählt wurde, nämlich zur Abschaffung oder doch wenigstens Milderung der Mac Kinley-Bill. Wie sehr Europa daran inter- essirt ist, die engherzigen Zollschranken fallen oder doch theilweise beseitigt zu sehen, mit denen die egoistische einseitige Jntereffenpolitik der Hochschutzzöllner Nord amerikas das Land umgeben hat, dies bedarf gewiß keiner näheren Darlegung. Um so mehr hat aber die europäische Exporlthäligkeit alle Ursache, die Beseitigung der Silbergesetzgebung in Nordamerika zu wünschen, nachdem also deren Fall bestimmt ist, den Vorläufer zur Aufhebung oder Abschwächung des neuen amerika nischen Znlllarifgesetzes zu bilden, hoffentlich besteht Grover Cleveland auf der Durchführung dieses her vorragendsten Theiles seines wirthschaftlichen Reform programms ' mit der nämlichen Energie und Festigkeit, wie er sie jetzt in der Silberfrage zeigt. Vermischtes. Eine Einweihungsseier mit Hindernissen macht im Ber liner Stadttheile Moabit zur Zeit von sich reden. Die Wirth- s chaften vermehren sich dort in ausfälliger Weise, und obgleich sich so mancher Wirth in seinen Hoffnungen getäuscht sieht, finden sich doch immer wieder Nachfolger für ihn. Der Gastwirth M. halte in der F.-Straße ein Lokal, aber keine Gäste ge habt. Als er auszog, blieb er dem Hauswirth die Miethe schuldig. Das Psändungsrecht des Vermiethers war werth los, weil alle Sachen der Frau gehörten. Zu seiner Ver wunderung sah der Wirth, daß M. nach wenigen Wochen wieder in der Nachbarschaft austauchte als Inhaber eines Lo kals, in dem schon mehrere Wirthe .alle" geworden waren. Er ersuhr, daß eine Brauerei aus der Unigegend für die Miethe auskomme. M. machte es wie seine Vorgänger; Nachbarn und Lieferanten erhielten bald von ihm die Ein ladung zu einem „solennen Abendtisch" unter der Zusicheruug, daß Alles geschehen sei, ihnen einen „genußreichen" Abend zu verschaffen. Es stellten sich etwa 12 Personen ein. Zum Bedauern des Wirthes war das von ihm gemiethete Pianino noch nicht gekommen und der angenommene Klaviersvieler mußte vorläufig müßig sitzen. Endlich brachten zwei Manner das ersehnte Instrument, setzten ihre Last aber nicht ab, son dern der Wortführer fragte: „Ja, wie is et mit die Miethe sor den ersten Monat? Wir sollen fuszehn Märker mitbringen oder det Dings gleich wieder retourbringen." Der Wirth niußte mit Bedauern erklären, daß ihm der Betrag augen blicklich nicht zur Verfügung stehe. „Denn nehmen wir det Dings wieder mit," erklärten die Träger und wandten sich zum Gehen. In diesem Augenblicke erschien als rettender Engel der Vertreter der Brauerei, der sofort in die Tasche griff und die Träger bezahlte. Das Pianino wurde an Ort und Stelle gebracht und der Klavierspieler begann mit einem kräftigen Marsch. Gleich daraus erschien der zweite Gang. Da öffnete sich wieder die Thüre, und es erschien ein Ge richtsvollzieher, der sofort zur Pfändung für den früheren Hauswirth schritt. Er nahm Schüsseln, Messer und Gabel, Servietten, Wein, Gläser, Teller, kurz Alles, was sich auf dem Tische befand, mit fabelhafter Geschwindigkeit herunter und übergab Alles seinen Gehilfen, die ihm gefolgt waren. Dann begab er sich in die Küche und pfändete hier die fertig gestellten Gerichte. Der „genußreiche" Abend war zu Ende; die Festgenossen begaben sich in einen benachbarten Schlächter laden und stillten ihren Hunger mit Würsten. Nur einer hatte noch ein kleines „Extravergnügen"; er mußte nämlich dem Gerichtsvollzieher zur Wache folgen, denn er hatte ihn beleidigt, als jener ihm den Teller sammt dem Braten fort genommen hatte, von dem der Gast sich gerade den ersten Bissen zu Gemüthe führen wollte. So wird die tragisch komische Geschichte noch ein gerichtliches Nachspiel haben. Einen Geschäftsbrief mit einer Fülle unfreiwilligen Hu mors sandte kürzlich ein biederer ostpreußischer Viehzüchter an einen Königsberger Fleischermeister. Das Schreiben lautet (mit Beibehaltung aller orthographischen und stilistischen „Frei heiten") nach der Mittheilung der „Königsb. A. Z." wört lich folgendermaßen: „Da Sie Lieber Freund ein Schlechter sind, so habe ich mich einen Ochsen für Sie angekaust, aus den wir woll handeln. Da ich nicht interessant bin und Sie so feines Gefühl haben, daß er so gut bei Leibe ist gesund wie meine übrige Familie die bestens grüßen läßt. Unter 70 Thalern kann ich mich aber von dem Vieh nicht trennen und sollen Sie für den Preis auf Michaeli noch 2 Ochsen in einem Briefe erhalten. Es giebt zwar noch andere Ochsen genug, die wohlfeiler sind, aber die sind keinen Schuß Pulver werth. Kürzlich sind auch Kälber fertig geworden. Meine fetten Hammel sind dies Jahr etwas mager, weil es in die große Trockenheit nicht geregnet hat. Noch bitte ich, ob ich in der Wurstzeit nicht eine Parthie von Ihren Gedärmen be kommen kann, denn ich gebe mich hier nicht mehr mit Schweinen ab. Schreiben Sie mir nur, ob die Ochsen noch früher kommen sollen als Michaeli kommt, dann mache ich mich mit Ihnen auf den Weg, sonst bleiben Sie so lange bei mir aus ein ehrliches Gewissen in Fütterung, denn was ich nur so im Kopfe habe, sind an die 10 Fuder Habetstroh und ich habe mich auch anders tüchtig Dreschen lassen. Bis aus weitere Verantwortung verbleibe ich bis auf meine Ochsen der Ihrige." — Zu so vielen Mißdeutungen der Brief An laß geben könnte, so hat der Schlächter seinen Freund doch sehr wohl verstanden. Bei unserem gestern statkgesundenen 25 jährigen Ehejubiläum sind uns von nah und fern, von unseren Kindern, von Freunden und Nachbarn, Verwandten und Bekannten durch schöne Geschenke, Glückwünsche und freundliche Besuche so vielfache, unerwartete Be weise herzlicher Liebe und Theilnahme zugegangen, daß wir uns gedrungen fühlen. Allen, welche uns hoch erfreut, auch hierdurch unfern auszusprechen. Der allgütige Gott, welcher uns getreu bis hierher geholfen, segne Sie für Ihre Liebe und wolle auch Ihnen viel Freude zu Theil werden lassen. Johnöbach, am 26. Oktober 1893. Ernst Dähne und Frau. Franz Zeidler, MM«i. lllMtm »S «dm. MM HM sich für olle Meist« seines loche» bestens empfohlen. Mde-AMm. Mittwoch, den l. November, Nachm. 1 Uhr, sollen im Hotel zum Rathskeller ^Itasslsarix L Vlk«rÄ», darunter 1 Paar Apfelschimmel, 7 jährig, flotte Gänger, ferner L «»lk- Ill8«I>» SA«8»lkliirr«, filberplattirt, je 1 leichter ILi>«8«I» u u 1 »Ü8«- meistbietend gegen Baarzahlung ver steigert werden. V okuunxs -V eräüäeruux. Hierdurch die ergebene Anzeige, daß ich nicht mehr in Schmiedeberg, sondern in Raundorf bei Hrn. Kmchard Strube wohne. Buschbeck, Naturheilkundiger. Sin Wilks 8 Monate alte» Fohlen steht zum Verkauf Markt 27. Donnerstag, den 2. November, von Vormittag« 9 Uhr an, soll im Büttner'schen Rachlatz-Gute Rr. 3S in Großölfa sämmtliches lebendes und totstes Inventar als: 2 Pferde, 5 u. 6 Jahre alt, I Fohlen, '/ß Jahr alt, 7 Kühe, 2 Kalben, ein Stamm Hühner, Wagen, Maschinen, Acker- u. sonstige Wirth- schaftsgeräthe, sowie sämmtl. Erntevorräthe gegen sofortige Baarzahlung versteigert werden. Das Vieh kommt von Mittags 12 Uhr an zur Versteigerung. IBt« Sbrt8ix«wL«I»t«». Zil der Schleiferei u. Siebiiliicherei von früher Thoms, Schuhgasse 1l8, wird täglich geschliffen. Alle Lotten VrsnnMein sind billig zu haben bei LL. Oberhäslich.