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814 —- Liebenau. Herr Erbgerichtsbesitzer Carl Liebscher hier schenkte der Kirche zu Liebenau aus Anlaß der vorigen Dienstag gefeierten Hochzeit seiner Tochter ein paar prachtvolle Brautstühle und sicherte sich dadurch den Dank det Gemeinde. - Bannewitz. Am Freitag früh ist die erste Fuhre Steinkohlen, bekränzt mit Guirlanden, unter dem Geläute des Bergglöckchens vom hiesigen neuen Marienschacht nach Dresden gebracht worden. Dresden. Unter unendlicher Theilnahme aller Bevölkerungsklassen und Kreise beging am vergangenen Sonntag König Albert die Feier seines 50jährigen Eintrittes in die Armee. — Wie es in der Natur der Cache liegt, war dieselbe fast ausschließlich eine rein militärische und vollzog sie sich auch in der Hauptsache in den Räumen des königl. Schlaffes, war also den Augen des größeren Publikums völlig entrückt. Trotz dem war aber die Theilnahme eine ungeheuere, und vom frühen Morgen an war das Restdenzschloß, zu mal an den Haupteingängen, völlig belagert.—Nachdem Gottesdienste aus dem Alaunplatze, der für die ver schiedenen Konfessionen getrennt stattfand, begann von 11 Uhr in ununterbrochener Folge der Empfang der verschiedenen Deputationen. Als erste erschien die der sächsischen Armee, geführt vom Prinzen Georg, und überreichte eine prächtige und kostbare Kette zum St. Heinrichs-Militär-Orden; der Empfang der ein zelnen Deputationen dauerte bis nach 1 Uhr, und bereits um 5 Uhr begann die Anfahrt der Gäste zur großen Galatafel am Abend. — Inzwischen hatten sich am Böhmischen Bahnhofe und in den Straßen der Stadt ungezählte Menschenmaffen angesammelt, so daß jeglicher Verkehr stockte, um die Ankunft des Kaisers zu erwarten. Pünklich langte derselbe an und mit ihm auch sein Bruder, Prinz Heinrich, und der Prinz Albrecht, der Regent von Braunschweig. — Der deutsche Kronprinz dagegen fehlte in der Reihe der Beglückwünschenden. — In überaus herzlicher, längerer Ansprache überreichte Kaiser Wilhelm dem Jubilar einen prachtvoll gearbeiteten Marschallstab mit Brillanten, und dankte darauf der König mit folgenden Worten: „Durch das Erscheinen Ew. Majestät ist einem alten Soldaten bei seinem Jubelfeste die sehr hohe Ehre zu Theil geworden, einen Kaiser an der Spitze aller Führer des deutschen Heeres vor sich zu sehen. Ich sage Ew. Majestät meinen tiefgefühltesten Dank! Ist es mir in früheren Jahren gelungen, vie Zufriedenheit des verstorbenen Kaisers und seiner Rathgeber mir zu erwerben, so bin ich dafür noch im Tode denselben dankbar. Dieser Stab, den Ew. Majestät mir jetzt verliehen haben, soll in meinen Händen fest und sicher sein, und sollte, was Golt verhüten möge, ich noch mals das Schwert für deutsches Recht und Sicherheit zu ziehen veranlaßt sein, so werden Ew. Majestät ge wiß glauben, daß ich mit diesem Stabe in der Hand meine Pflicht erfüllen werde, wie in früheren Zeiten." — Bei der Galatafel selbst brachte der Kaiser den Toast auf König Albert aus, welcher ihn mit einen« Hoch auf die deutsche Armee und den deutschen Kaiser erwiderte. — Die Festvorstellung im Theater, zu der das Festspiel: „Die Feuertaufe" speziell geschrieben worden, eine Kampfszene aus dem Feldzuge von 1849 darstellend und mit einer Apotheose schließend, sowie die Huldigungsseier der Militärvereine beschloß den Abend. — Kaiser Wilhelm reiste gegen 11 Uhr Abends nach Berlin zurück. — Aus Anlaß seines Jubiläums hat der König noch einen umfassenden Cnadenakt vollzogen, indem nicht allein einer Anzahl Militärgefangener des hiesigen Festungsgefängniffes entweder der Rest der Strafe ganz erlassen, oder doch letztere erheblich herabgesetzt worden ist, sondern auch zahlreiche Gefangene der Landesanstalt Zwickau, die als Personen des Soldaten standes zu langen Freiheitsstrafen und Entfernung aus dem Heere hatten verurtheilt werden muffen, in Freiheit gesetzt worden sind. Weiter ist denjenigen, die gerichtlich wegen an sich nicht entehrender Vergehen nur mit Freiheitsstrafen bis zu 6 Wochen und endlich allen im Disziplinarwege bestraften Militärpersonen die Strafe, soweit diese am 22. d. Mts. noch nicht, oder nicht vollständig vollstreckt war, entlassen worden. — Nur solchen Gefangenen, die wegen Mißhandlungen Untergebener verurtheilt wurden, ist keinerlei Straf erlaß zn Theil geworden. — Bei den Landtagswahlen am vergangenen Donnerstag sind genauen Feststellungen zufolge 17 Konservative, 6 Nationalliberale, 2 Fortschrittler, 2 Anhänger der Nesorwpartei und 5 Sozialdemokraten gewählt worden, während im 7. städt. Wahlkreis (Meißen rc.) eine Stichwahl zwischen einem Konser vativen und einem Anhänger der Resormpartei statt zufinden hat. Vergleicht man dieses Ergebniß mit der Vertretung, welche die in Frage kommenden Wahl kreise bisher im Landtage auszuweisen batten, so haben die Konservativen 4 und die Fortschrittler 3 Sitze ein gebüßt, während die Nationalliberalen, die Anhänger der Reformpartei und die Sozialdemokraten je 2 Sitze gewonnen haben. Dazu kommen noch je ein Sitz, den die Konservativen und die Sozialdemokraten in den neubegründeten Wahlkreisen Leipzig 4 und 5 erworben haben. — Nachfolgend das Berzeichniß der Gewählten: DreSden-Aiitonstadt: Topswaarenfabr. Gruner-Dresden (soz.-dem), Leipzig 3: Hofbuchbindermstr. Fntzsche-Leipzig (kons.), Leipzig 4: Lithograph Pinkau-Leipzig (soz.-dem.), Leipzig ü: Generalkonsul Obcrrcgierungsrath a. D. vr. Schober (kons.), Chemnitz I: Patentanwalt Theuerkorn-Chemnitz (anlisem.), Chemnitz 2: Schuhmacher Seifert-Zwickau (soz-dem.), Zwickau: Oberbürgermstr. Streit-Zwickau (sorlschr.), 1. städtischer Wahlkreis: Kommerzienrath Wäntig-Zittau (nat.-lib.), 4. städt. W.: Fabrikdes. Hering-Königstein (kons.), 6. st. W.: Baumeister Seim-Freiberg (nat.-lib.), 7. st W.: Stichwahl zwischen Biirgernistr. Ruder-Roßwein (kons.) und Kaufmann Hofmann-Meißen (Res.), 8. st. W.: Biirgernistr. Härtwig-Oschatz (kons.), lO. st. W.: Fabrikant Herfurth-Letpzig (nat.-lw.), 14. st. W.: Fabrikbes Seidler-Limbach (kons.), 17. st. W.: Baumeister Uhlmann (fortschr), 18. st. W.: Fabrikant Schubert-Chemnitz (deutsch-soz.), 22. st. W. Justizrath Opitz-Treuen (kons ), 24. st. W.: Stadtrath Knoll-Auerbach (nat.-lib.), 3. Wahlkreis des platten Landes: Kommerzienralh Preibisch- Neichenau (nat -lib.), 8. l. W.: Gutsbes. Kockel-Crvstcwitz (kons.), 13. l. W.: Gutsbes. Steher-Reinholdshain (kons.), 17. l. W.: Rittergutspachter Horst-Nothschönberg (kons.), 22. l. W.: Gutsbes Kökert-Plaueu (kons.), 23. l. W.: Bilchhändler Goldstein-Trachenberge (soz.-dem.) 25. l. W.: Gutsbes. Rößner-Niederpickenhaiu (kons.), 26. l. W.: Oekonomienrath Uhlemann-Görlitz (kons.), 28. l. W.: Gutsbes. und G.-B. Seidel-Königshain (kons ), 34. l. W.: Ortsrichter Uhlig-Grumbach (kons.), 37. l. W.: Kassirer Horn-Cainsdoif lsoz.-dem.), 38. l. W.: Gutsbes. Uhlig-Hermsdorf (kons.), 39. l. W.: Gutsbes. Leithold-Tettau (kons), 43. l. W.: Fabrikbes. Kramer-Kirchberg (nat.-lib.), 4b. l. W.: Rittergutspachter Wehner-Raschau (kons.). — Der sächs. Landtag zählt künftig 42 Konser vative, 14 Nationalliberale, 10 Fortschrittler, 2 Anti semiten und 13 Sozialdemokraten. Meißen. Ein bedauerliches Schicksal ereilte den in unserer Stadl wohnhaften Schiffseigner Wilhelm Rüdiger. Derselbe war mit feinem Fahrzeuge auf der Fahrt von Hamburg nach Magdeburg begriffen, erkrankte aber kurz vor dem Ziele an der asiatischen Cholera. Bald nach seiner Unterbringung im Magde burger Krankenhaus starb der Bedauernswerthe an der mörderischen Krankheit. Seine Frau und sein Kind befanden sich ebenfalls an Bord seines Fahr zeuges. Dieselben müssen nun längere Zeit in Magde burg verweilen, bis der Beweis erbracht ist, baß sie seuchensrei sind. Der hier in Meißen wohlbekannte Mann hat im vorigen Jahre, als die Cholera in Ham burg am ärgsten gewüthet hat, mit seinem Fahrzeuge in dem damals gesperrten Hafen von Hamburg viele Wochen gelegen. Die böse Krankheit hat damals täglich Opfer aus seiner nächsten Umgebung gefordert, ihn aber verschont. Wehlen. Am 19. Oktober Vormittags wurde hinter dem Felsenthore im Uttewalder Grunde eine Frau in einer Felsenkante liegend ausgefunden. Nach dem die Frau nicht ohne Mühe mittelst Seilen empor gezogen worden war, wurde sie in erbarmungswürdigem Zustande nach hier zu vr. von Sendykowski gebracht, woselbst die Verunglückte, vier Frau des Schuhmachers Kühnel aus Naundorf, vor allem erst mit Speise und Trank erquickt wurde. Sie gab an, am Sonntag Abend von ihren Angehörigen in Lohmen kommend, vom Wege abgekommen und in die Felsenspalte gestürzt zu sein. Die ärztliche Untersuchung ergab eine Aus renkung und Zertrümmerung des rechten Schulter gelenkes, bedeutende Quetsch- und Rißwunden, außer dem eine schwere Contusion des rechten Hüftgelenkes und Beckenknochens. Die Frau ist nur dadurch auf gefunden worden, daß ein Hund des Restaurateurs Schramm im Uttewalder Grunde vor der Unglücksstelle unausgesetzt gebellt hat und trotz wiederholter Versuche, ihn vom Platze zu vertreiben, nicht gewichen ist. Die Genannte hat somit volle vier Nächte und über drei Tage ohne Nahrung, ausgesetzt den Unbilden der Witterung, zwischen dem Felsenriffe hilflos zugebracht. Sie wurde in ihre Wohnung gebracht, wo sie später verstorben ist. Freiberg. Vor Kurzem hatte der Handarbeiter Wallmann an einer hiesigen Sterbekasse dadurch Betrug verübt, daß er seine Ehefrau fälschlich als gestorben angemeldet und das daraufhin fällige Sterbe geld eingezogen hatte. Wallmann war flüchtig ge worden, ist aber in Hamburg der Polizei in die Hände gefallen und hier eingeliefert worden. — Vom Kgl. Landgericht wurde am 19. Okt. der Handarbeiter Oskar Bruno Mohr, geb. am 28. Dez. 1868 in Quohren, in Altcoschütz wohnhaft, wegen Rückfallsdiebstahl zu 2 Jahren 6 Mon. Gefängniß, 5 Jahren Ehrenrechtsverlust und Zulässigkeit von Po lizeiaufsicht verurtheilt. Am 21. Oktober verurthetlte dasselbe Gericht den Feuermann Ernst Robert Hose mann, am 21. Juli 1860 in Kreischa geboren, in Poffendorf wohnhaft, wegen vollendeten schweren Dieb stahls bez. versuchten Diebstahls zu 1 Jahr Gefängniß, wovon 2 Wochen für verbüßt anzusehen, und zu 2 -7-7 I Jahren Ehreurechtsvsrlnst und de« Kühlungen Ernst Paul Lindemann, geboren zn Rippien am 14. Mai 1878, zuletzt aufhältlich zu Reinhardtsgrimma, wegen Genußmittelentwendung zu 1 Tag Hast. Kirchberg. Wie jetzt bekannt wird, stiftete der kürzlich in Meißen verstorbene Seifensiedermetster Kar! Gotthelf Barth testamentarisch nicht nur 20000 Mark für die Armenkasse seines Geburtsortes Stangengrün, sondern auch noch 100000 M. für die Kirche daselbst. Buchholz. Die älteste Posamenten-Firma nicht nur Sachsens, sondern wohl ganz Deutschlands, hat die Liquidation eröffnet. Es ist dies die seit 134 Jahren hier bestehende Firma G. F. Bach seel. Sohn. Wie es heißt, ist die Liquidation durch Kränklichkeit des gegenwärtigen Besitzers herbeigeführt worden. Jedenfalls greift man aber nicht fehl, wenn man die wahre Ursache in der gegenwärtigen gedrückten Lage der Posamenten-Jndustrie sucht. AuS dem Vogtlande. In letzter Zeit sind wieder holt gröbere Fischdiebstähle vorgekommen; ein so bedeutender, wie kürzlich in Reinsdorf bei Plauen, war darunter aber nicht. Dort ist in der Nacht vom 15. zum 16. ein Teich, der fünf Stunden läuft, gezogen und es sind daraus die gesammten Karpfen gestohlen worden. Von den Dieben, die in den Städten zu suchen sein dürsten, hat man bis jetzt noch keine Spur. Lausigk. Ein Jahrmarktsbesucher aus Groß- bardau verunglückte auf eine merkwürdige Weise. Schlaftrunken hatte er eine Ecke des Saales des Gast hofes „zu den drei Rosen" aufgesucht, war dort, ohne bemerkt zu werden, entschlummert und eingeschloffen worden. Beim Erwachen glaubte sich der Betreffende in bekannten Räumen, öffnete das Fenster, sprang, die Hellen Budendächer für die Straße haltend, in die nach seiner Meinung nur geringe Tiefe und stürzte auf das harte Straßenpflaster. Erst nach Inanspruch nahme eines Arztes konnte der Bedauernswerthe nach seinem Heimathsorte gefahren werden. Tagesgeschichte. Berlin. Der Geburtstag der Kaiserin wurde am Sonntag in Berlin festlich begangen. Der Kaiser hatte die Vorbereitung der Feier persönlich geleitet. Zur Beglückwünschung waren Prinz Heinrich und Prinz Albrecht eingetroffen, die später mit dem Kaiser nach Dresden fuhren. Abends sand im Neuen Palais in Potsdam Soiree statt. — Das neueste Ereigniß in der inneren Politik ist der in der Leitung des preußischen Kriegsmini steriums eingetretene Wechsel. Der bisherige Kriegs minister, General der Infanterie v. Kaltenborn-Stachau, ist zurückgetreten, zu seinem Nachfolger wurde General Bronsart v. Schellendorf, ein Bruder des verstorbenen frühereil Kriegsministers, vom Kaiser ernannt. Der Rücktritt v. Kaltenborn-Stachau's kommt allerdings nicht mehr überraschend, seine Stellung galt schon zur Zeil der Militärdebatten im aufgelösten Reichstage als ernstlich erschüttert und zweifellos hat auch Vie nicht gerade sehr glückliche parlamentarische Vertretung der Militärvorlage durch Herrn v. Kaltenborn wesentlich hierbei mit eingewirkt. Man glaubt indessen all gemein, daß er später die Stelle eines kommandirenden Generals erhalten werde. Der neue Kriegsminister, Bronsart v. Schellendorf, ist 1833 geboren, begann seine militärische Laufbahn 1851 und nahm 1864 an der Belagerung von Düppel Theil. Den Feldzug gegen Oesterreich machte er im Hauptquartier König Wilhelms mit und im Kriege von 1870/71 war Herr von Bronsart Chef des Generalstabes des 9. Armee korps. 1880 wurde er Generalmajor, 1884 General lieutenant und 1888 kommandirender General des 3. Armeekorps. 1890 folgte er Herrn v. Caprivi nach dessen Berufung auf den Reichskanzlerposten im Kommando des 10. Armeekorps nach. Auf sein An suchen wurde Herr v. Bronsart im letzten Winter von dieser militärischen Stellung entbunden, seitdem lebte er auf seinem Gute Marienhof in Mecklenburg. Der neue Kriegsminister gilt als eine sehr energische Per sönlichkeit, er besitzt eine gründliche allgemeine wissen schaftliche Bildung, und beherrscht sein Fach vollständig, auch gilt er als gewandter Redner. — Ueber die Aussührungsbestimmungen zu dem Gesetz über die Sonntagsruhe ist bekannt, daß sich die Erhebungen über die Angestellten im Handels gewerbe auf Arbeitszeit, Kündigungsfrist und Lehrlings verhältnisse der in Ladengeschäften thätigen Personen erstrecken. Man will nun diese Feststellungen auch auf die Angestellten in Comptoiren und Bureaus aus dehnen und ermitteln, inwieweit die gegenwärtigen Arbeitszeiten etwa zu einer Ueberbürdung der betreffen den Personen führen und wie ohne Schädigung der berechtigten Interessen eine Kürzung der jetzigen Be schäftigung und die Einführung einer Minimal kündigungsfrist herbeizuführen sei. — Das preußische Kriegsministerium trägt sich mit der Absicht, einen neuen großen UebungSplatz