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dem Barackenlager bei Zeithain einquartiert und sollte nach der seitherigen Verfügung späterhin das Kaser- nement der reitenden Abtheilung beziehen. Wurzen. Eine empfindliche, aber gerechte Strafe traf hier einen Wucherer, den Altwaarenhändler Görner, der sich die Nothlage deS dort wohnhaften früheren Bäckermeisters D. zu Nutze zu machen wußte, indem er demselben für ein Darlehen von nur 20 Mk. II Pfandscheine über verpfändete Gegenstände im Werthe von etwa 500 Mk. abnahm. Als D. die Leihhausscheine, die er nur verpfändet zu haben glaubte, wieder abholen wollte, hatte der saubere Patron die Pfänder längst eingelöst und verkauft. Obendrein hatte D. einen Schuldschein über 25 Mk. unterschreiben müssen. Das Urtheil lautete für Görner, der wegen Brandstiftung bereits mit 3 Jahren Zuchthaus vor bestraft ist, auf 7 Monate I Woche Gefängniß und 50 Mk. Geldstrafe. Leipzig. Der Bau der neuen Kasernen in Möckern, der sich durch den beabsichtigten Abbruch der Weißenburg und durch die Erweiterung der hiesigen Garnison nöthig macht, hatte der Gemeinde Möckern Veranlassung gegeben, gegen den Plan Einspruch zu erheben, weil sie deswegen gar nicht gefragt worden war. Das königl. sächsische Kriegsministerium hat nun entschieden, daß es sich nicht veranlaßt sähe, den An trägen der Gemeinde näher zu treten. Daraufhin hat der Gemeinderath beschlossen, sich an das königliche Ministerium des Innern zu wenden. Man ist im Allgemeinen nicht gegen den Bau der Kasernen, will aber vor dem Beginne der Arbeiten die Pläne sehen, um etwaige Schädigungen des Verkehrs rc. abwenden zu können. Uebrigens hört man jetzt wiederholt die Meinung, daß Möckern in nächster Zeit zum Stadt gebiet gezogen werden soll. — Die Leipziger Buchdruckerei Metzger L Wittig, welche den (beschlagnahmten) jungtschechischen Aufruf gedruckt hat, nachdem 2 andere Leipziger Osficinen ven Aufruf abgewiesen hatten, veröffentlichte im „Leipz. Tgbl." eine Erklärung, in welcher dargelegt wird, daß eine Geschäftspraxis, wie sie von den anderen Osficinen bewiesen worden, zu den sonderbarsten Consequenzen im internationalen Handel und Verkehr führen würde. Der Firma sei übrigens vor der Drucklegung des Manifestes, welches in böhmischer Sprache abgefaßt ist, in verbürgter Weise bekannt gegeben worden, daß sich dasselbe weder gegen die guten Sitten, noch gegen unser Vaterland oder dessen Gesetze richte. (Die all gemeine Verurtheilung, welche die Handlungsweise der erwähnten Firma gesunden hat, dürfte wohl der beste Beweis dafür sein, daß die genannten Herren mit ihrer Auffassung der Dinge allein dastehen. Die Redaktion.) Tagesgeschichte. Berlin. Nach offiziösen Angaben wird eine reichs gesetzliche Regelung des Kontraktbruches der länd lichen Arbeiter erwogen. — Wie mit Sicherheit verlautet, ist ein Termin für die Berufung des Reichstages noch nicht ins Auge gefaßt. Es ist nicht richtig, daß die Arbeiten für den Reichshaushaltsetat weiter im Rückstände sind, wie in früheren Jahren um dieselbe Zeit, obschon aller dings die Aufstellungen, namentlich des Militär- und Marineelats weit umfassendere Arbeiten erfordern, als in den letzten Jahren und der Etat überhaupt sich in vielen wesentlichen Punkten doch erheblich von seinen Vorgängern unterscheiden wird. Der Etat und nicht weniger die Steuergesetze, welche dem Reichstage so fort nach dem Zusammentritte zugehen sollen, bleiben nach wie vor maßgebend für den Termin der Neichs- tagsberusung. Man nimmt an, die „Mehrsorderungen für die Marine würden durch ihre Höhe nicht über raschen, da dieselben lediglich der Ausführung früherer, von der Regierung im Reichstage bereils angekündigter Pläne entsprächen." — Der Reichskanzler Graf Caprivi wird im neuesten „Korrespondenzblatte" des Bundes der Land- wirthe in einem Artikel ganz besonders heftig ange griffen. Geradezu wird erklärt, Caprivi müsse von seinem Platze fort, da er durch seine Handelsvertrags politik die deutsche Landwirthschast ruinire. Ferner wird dem jetzigen Kanzler Begünstigung der Burcau- kratie vorgeworfen, er trage die Schuld daran, wenn das politische Ansehen Deutschlands im Auslande sinke und wenn im Inneren die Unzufriedenheit über die „verbohrte Wirthschastspolitik" der Regierung von Tag zu Tag wachse. Offenbar wird Gras Caprivi angesichts dieser Stimmung in den landwirthschastlichen Kreisen in der nächsten Reichstagssession eine überaus schwierige Stellung gegenüber den Vertretern der Landwirthschast haben, besonders, wenn es bis dahin zum Abschlüsse des deutsch-russischen Handelsvertrages kommen sollte. — Der Geheimmittelschwindel bildet nur eine kleine Kategorie der unter der Herrschaft des Manchester- — 776 — thumS grobgezogenen schwindelhaften Unternehmungen. Gleichwohl ist eS mit Genugthuung zu begrüßen, daß nunmehr die zuständigen Organe der Reichsverwaltung Mittel und Wege zur Abhilfe dieser Schwindelart in Erwägung ziehen. Verschiedene Maßregeln sind zu diesem Zwecke vorgeschlagen; am Wirksamsten dürfte es sein, die Ankündigung von Geheimmitteln zu ver bieten und die Erlaubniß des Verkaufs derselben von einer vorherigen Untersuchung auf Zusammensetzung und wirklichen Werth mit Bezug auf den Verkaufspreis abhängig zu machen. Wenn es möglich wär, eine Statistik über die durch den Einkauf von Geheimmitteln verschwendeten Summen zusammenzustellen — noch dazu meist von unbegüterten, die Kosten für einen ordentlichen Arzt scheuenden Leuten — in die Taschen der Geheimmiltelfabrikanten fließen! — Die ausländischen Arbeiter — Böhmen, Italiener und Polen, welche sich in größerer Zahl in Deutschland befinden — bereiten den „Genossen" viel Pein und die Dresdner haben sich daher bereits be schwerdeführend über die „Schmutzkonkurrenz" an die Genera'-Streikkommission in Hamburg gewandt und dringend Abhilfe verlangt, weil sie für billigeren Lohn arbeiten und sich nicht für die Sozialdemokratie ein sangen lassen. Kleinere Versuche in letzterer Richtung sind gescheitert. Jetzt will mit Hilfe dec Gewerkschafts- Kartelle die General-Streikkommission die Agitation systematisch betreiben. Es werden Flugblätter in italienischer, polnischer und czechischer Sprache herge stellt. Die fremdländischen Arbeiter haben bekanntlich die Gewchnheit, im Herbst Deutschland zu verlassen und im Frühjahr wiederzukommen. Wenn sie nun im nächsten Jahre wieder erscheinen, dann soll Alles für ihr Einfangen in die Sozialdemokratie vorbereitet sein; wo sie sich niederlassen, da sollen sie mit sozial demokratischen Flugblättern in ihrer Sprache über schüttet werden. Viel Erfolg wird man damit aber schwerlich haben. — Wie offiziös verlautet, droht Preußen auch für das kommende Etatsjahr ein Defizit, obwohl die Ausgaben der Eisenbahnverwaltung erheblich reduzirt, angeblich um 14 Millionen gekürzt seien. Nach den «»gemeldeten Forderungen der einzelnen Ressorts, an denen allerdings der Finanzminister stark streichen werde, sei ein Ausfall von 60—70 Millionen zu er warten. Wenn nicht eine Besserung des finanziellen Verhältnisses zum Reiche gelinge, erscheine die Her stellung des Gleichgewichts zwischen Einnahme und Ausgabe wenig wahrscheinlich. — Es liegen zur Zeit über die Handhabung der Sonntagsruhe aus allen Theilen Elsaß-Lothringens Klagen vor, die übereinstimmend die Art der Sonn tagsruhe verwerfen. Die Landleute klagen, daß sie Sonntags nicht mehr in der Stadt einkaufen können, daß sie von Hausierern angeschmiert werden, denn auf deren Waare sind sie angewiesen. Die Kleinhändler klagen über die Konkurrenz der Hausierer und Kolpor teure. Es herrscht eine derartige Einstimmigkeit in den Klagen gegen die Anwendung deS Gesetzes über die Sonntagsruhe, daß es dringend nolhwendig er scheint, dasselbe in Bälde abzuändern. Man ist in allen Theilen des Landes darüber einig, daß ohne dem Gottesdienste Abbruch zu thun oder den Angestellten und Arbeitern ihre freigegebene Zeit zu beeinträchtigen, es dringend nolhwendig sei, dem Geschäftsinhaber selbst die größtmöglichste Freiheit zu lassen, an Sonn- und Feiertagen den Wünschen der Kundschaft, dem Ortsgebrauch entsprechend entgegen zu kommen. — In Folge einer vom „Berliner Tageblatt" ge brachten Notiz, in welcher der General Kirchhof an geblich beleidigt wurde, forderte am Sonnabend der General persönlich den Redakteur des „Berl. Tagebl.", Heinrich Harig, zu der schriftlichen Erklärung aus, Hang sei ein ganz gemeiner Kerl. Als der Redakteur sich weigerte, schoß General Kirchhof auf ihn. Die Kugel traf die linke Brust, prallte dann aber ab. Der General stellte sich selbst der Polizei. Kisfingen. Fürst Bismarck ist am 7. Oktober, Vormittags 1l Uhr 40 Minuten, von Kissingen über Eisenach, Bebra, Göttingen und Lüneburg nach Friedrichsruhe abgereist. — Er wurde auf dem Wege zum Bahnhofe, welchen er in offenem Wagen zurück legte, von einer großen Menschenmenge aufs leb hafteste und herzlichste begrüßt. Bayern. Vor kurzem ging durch die Zeitungen die Mittheilung, daß die blaue Farbe in den baye rischen Militäruniformen durch die preußische Uniformsarbe ersetzt werden solle. Es werden wohl hierüber fachmännische Erörterungen stattgesunden haben, wobei für die Gleichmäßigkeit der Uniformsarbe gel tend gemacht sein dürfte, daß starke Farbenunterschiede bei den einzelnen Kontingenten im Kriegsfall dem Feinde Dispositionsänderungen in der gegnerischen Linie durchsichtiger machen können. Ob unsere mili tärischen Autoritäten dieses Moment für mehr oder weniger ausschlaggebend erachten, bleibe dahingestellt. sicher ist, daß der Prinzregent keine Zustimmung zu einer Beseitigung der blauen Waffenröcke nicht geben würde. Damit ist die Frage für jetzt entschieden. Oesterreich-Ungarn. Im ungarischen Abgeord netenhause ist von dec vereinigten Opposition ein neuer wüthender Vorstoß gegen das Ministerium Wekerle unternommen worden. Den äußeren Anlaß hierzu boten Ansprachen des Kaisers Franz Josef in Boros-Sebes und Güns, die nicht im Geschmack der ungarischen Chauvinisten gehalten waren. Die äußerste Linke stellte daher in der DonnerslagSsitzung den An trag, das HauS möge der Negierung seine Miß billigung wegen jener Kundgebungen des Monarchen aussprechen, da sie für dieselben verantwortlich sei. Kabinetschef vr. Wekerle vertheidigte energisch das Verhalten der Regierung in der Angelegenheit; ver- muthlich endet dieser parlamentarische Akt mit der Ablehnung des seitens der Opposition beantragten Mißbilligungs-Votums. Belgien. Der belgische „Moniteur" macht be kannt, daß das Kriegsministerium für das Jahr 1393/94 „den Preis des Ersatzmannes" auf 1600 Franken festgestellt hat. Wer dem Kriegsministerium 1600 Flanken übermittelt, ist von der militärischen Dienst pflicht befreit; die Militärverwaltung stellt selbst für ihn einen Ersatzmann. Es ist wenig Aussicht vor handen, daß dieses Vorrecht der Bemittelten, sich mittels dieser bescheidenen Geldsumme der Militärpflicht zu entziehen und die Militärlast auf die Schultern der Armen abzuwälzen, sobald beseitigt wird. Mit vollem Rechte herrscht über die Aufrechterhaltung dieses Miß brauches in den breiten Volksschichten tiefe Erbitterung. Frankreich. Die Regierung hat jetzt Rußland aus eigenem Entschlüsse die siamesische Insel Kohzarnit 'als Kohlenstation angeboten. Da aber diese Insel sehr entlegen von der Seeroute Singapore-Hongkong liegt, so würde sie nur dann einen Werth haben, wenn der Transkanal, welcher die Halbinsel Malakka von Siam trennen soll, zu Stande kommt. Frankreich hofft daher, daß Rußland nun seine Bemühungen am siamesischen Hofe, die Konzession zu diesem Kanal zu erhalten, kräftigst unterstützen werde. In Paris hofft man übrigens, daß auch die Vereinigten Staaten und Spanien, die gleichfalls ein großes Interesse an diesem Kanal haben, Frankreich bei der Erwerbung um die Konzession zu demselben unterstützen werden. — Zwei französische Deserteure boten am 6. Okt. im Kriegsministerium in Brüssel Lebelpatronen zum Verkauf an. Seitens der Negierung wurde die fran zösische Gesandtschaft unverzüglich benachrichtigt, welche sofort Recherchen anstellte. Eine Nachsuchung bei sämmtlichen Waffenhändlern blieb erfolglos. Als im Laufe des Tages die beiden Deserteure zurückkamen, um sich Bescheid zu holen, ließ man sie warten, sie witterten jedoch Gefahr nnd entflohen, doch gelang es, ihrer noch habhaft zu werden, als sie anderen Per sonen ihre Patronen zum Verkauf anboten. Bevor sie nach Frankreich ausgeliefert werden, hat sich das belgische Gericht wegen zahlreicher Diebstähle, die sie verübt, mit ihnen noch zu befassen. Rußland. In der Nacht zum 5. Oktober brannte die Kaserne des Infanterie-Regiments Newsky in Roslawl, Gouvernement Smolensk, vollständig nieder. Gegen 30 Soldaten sanden ihren Tod in den Flammen, viele suchten sich durch Herabspringen aus den oberen Stockwerken zu retten, wobei sie schwere Wunden davontrugen. Die Ursache des Feuers soll Brand stiftung sein. Bulgarien. Angebliche Reibungen zwischen dem Fürsten Ferdinand von Bulgarien und seinem ersten Berather, Herrn Stambuloff, scheinen in Petersburger Regierungskreisen besondere Hoffnungen zu erwecken. Die offiziöse Presse der russischen Hauptstadt meint, der Zwiespalt zwischen dem Coburger und Stambuloff sei als eine erfreuliche Frucht der Nichteinmischungs politik Rußlands gegenüber den bulgarischen Angelegen heiten zu betrachten. Die bulgarische Frage gleiche einer reifen Frucht, ein einziger guter Windstoß ge nüge, sie vom Baume zu schütteln, keine Macht der Welt könne dies mehr verhindern. Indessen so fall reif, wie man an der Newa meint, dürste die bulgarische Frucht doch noch nicht sein! Spanien. Die Spanier entwickeln in Sachen des jüngsten spanisch-marokkanischen Zwischenfalles eine bemerkenswerlhe Energie. Sie haben ihrer durch den Gesandten Spaniens in Tanger erhobenen Be schwerde gegen den plötzlichen Angriff der Kabylen auf Melilla durch Absendung von Truppenverstärkungen nach Melilla ernsten Nachdruck verliehen; u. A. ist auch die gesammte 3000 Mann starke Garnison von Malaga nach den spanischen Besitzungen in Nord marokko abbeordert worden. Ein am Donnerstag in Madrid unter Vorsitz der Königin-Regentin abgehal tener Ministerrath beschäftigte sich ausschließlich mit dem Vorfälle von Melilla; es wurde energisches Vor gehen gegen die feindlichen Kabylen beschlossen. In