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618 Greiz. Als zum hiesigen Schützenfeste beim Auf ziehen des Vogels die üblichen 3 Böllerschüsse abge geben wurden, zersprang beim dritten Schuß der Böller in mehrere Stücke. Eines davon flog durch die Seitenmand eines in der Nähe stehenden Restau- rationSzeltes, in welchem durch herabfallende Brett splitter verschiedenes Geschirr in Scherben ging. Ein anderes Stück fiel mitten auf den belebten Schützen platz nieder und verletzte einen Mann am Bein. Mehrere andere Stücke sanden ihr Ziel auf den das Elsterthal einschließeiiden Höhen. Man kann also bei dem Unglück noch von großem Glück sagen, da ernstliche Verletzungen von Personen nicht vorkamen. Wie man hört, sollen die benutzten Böller schon ein ziemliches Alter besitzen und es waren die inneren Wandungen des zersprun genen Böllers von Nost stark zerfressen. Der Fall giebt jedenfalls eine sehr beachtliche Warnung vor dem Gebrauche allzu alter Geschütze. (Fortsetzung des Sächsischen in der Beilage.) Tagesgeschichte. Berlin. Es ist eine durchaus irrige Annahme, daß über die betreffs der gewerblichen Sonntags ruhe zu erlassenden Aussührungsbestimmungen nur die Arbeitgeber vernommen werden sollen. Zu der im nächsten Monat nach Berlin zu berufenen Kon ferenz werden ebensowohl Arbeitnehmer wie Arbeit geber eingeladen werden. — Ueber die Finanzminister-Konferenz wird aus Frankfurt gemeldet, daß sich bei den Berathungen der Vertreter der verbündeten Regierungen über die allge meinen Grundlagen der Reform betreffs der finanziellen Verhältnisse des Reiches zu den Einzelstaaten eine er freuliche und allseitige Uebereinstimmnng zeigte. Die Berathungen knüpften an eine vom Neichsschatzamt vor gelegte Denkschrift an. Ferner erfährt man zu der geplanten Finanzreform, daß von allen bisher bekannt gewordenen Steuerprojektcn nur die Erhöhung der Börsensteuer als feststehend anzusehen ist, dagegen über alle anderen Pläne noch Untersuchungen und Verhand lungen stattfinden. — Zu den Steuerprojekten, denen die Negierungen einzelner Bundesstaaten näher getreten sind, um sie auf der Konferenz der deutschen Finanzminister in Vorschlag zu bringen, gehört auch, wie verlautet, das Projekt einer Neichsgewerbesteuer. Dieses Projekt war in früheren Jahren bereits erwogen und fallen gelaßen worden und dürfte diesmal dasselbe Schicksal haben. — In Sachen des leidigen Zollkrieges mit Rußland und der für viele Geschäftsleute wichtigen Frage, ob in Rußland vor dem 31. Juli bestellte Maaren nach dem alten oder neuen Zollsätze verzollt werden, hat die „Kölnische Zeitung" folgende Depesche eines Getreideshauses veröffentlicht, welche dieselbe vom Finanzministerium in Berlin empfing: Vor dem 31. Juli aus Rußland ausgeführtes Getreide wird, auch wenn es für ausländische Rechnung angekauft, zum alten Zoll satz eingelassen, doch wird strengster Nachweis über die Identität und darüber verlangt, daß die Waare am 31. Juli die russische Grenze überschritten hat. — Der deutsche Bundesrath fordert einer neuesten Verordnung gemäß auf besonderem Formulare von jeder Gemeinde eine Statistik über den Stand der Gasthäuser und der Branntweinhandlungen aus den Jahren 1879 und 1893. Und zwar stehen aus diesen beiden Jahren vergleichsweise einander gegenüber Einwohnerzahl des betr. Ortes, Zahl der Gasthäuser, Zahl der Restaurants mit Branntwein schank und Zahl der Branntwein-Kleinhandlungen. Vor allen Dingen wird bei künftigen Ertheilungen von Konzessionen zum Branntwein-Kleinhandel die Be- dürfnißfrage noch mehr in die Waagschale fallen. — Wie aus militärischen Kreisen verlautet, ist die Einführung der grauen Militäcmäntel vorläufig nur für das preußische Heer beschlossene Sache. Doch nimmt man an, daß im Hinblick aus die Nothwendig- keit, den Soldaten im Felde ein Kleidungsstück von einer möglichst neutralen Farbe zu gewähren, die anderen deutschen Militärverwaltungen dem preußischen Vorgänge demnächst folgen werden. — Der Oberpräsident von Schleswig-Holstein hat dem Vernehmen nach verfügt, daß dänische Unter- tha neu, die in Nordschleswig ansässig sind, vorläufig überhaupt nicht naturalisirt werden sollen. Ferner sind die Verwaltungsbehörden angewiesen worden, dänische Optanten in solchen Gemeinden, in denen die Deutsch gesinnten die Mehrheit gewonnen haben oder sie in naher Zeit voraussichtlich gewinnen werden, nicht zu naturalisiren. Diese Anordnungen dürsten auf die bei den jüngsten Reichstagswahlen gemachte Wahrnehmung zurückzusühren sein, daß in einzelnen Gemeinden, die noch vor 3 Jahren vorwiegend deutsch gewählt haben, plötzlich starke dänische Mehrheiten entstanden sind, die ihren Ursprung in ganz systematischen Ansiedelungen naturalistrter Dänen haben. Daß hiergegen ein Riegel vorgeschoben wird, verdient gewiß volle Billigung. Man muß sich aber wundern, daß dies nicht längst geschehen ist. — Die nächste Tagung des preußischen Land- tag es wird, wie man hört, ziemlich kurz bemessen sein. Man wird neben dem Etat für 1894/95 nur die noth- wendigsten Vorlagen zu erledigen haben. Jedenfalls wird der umfangreiche Wasserrechtsgesetzentwurf den Landtag im kommenden Winter noch nicht beschäftigen. Dagegen dürfte der nächsten Reichstagssession ein um so reichlicheres Arbeitspensum beschieden sein. Die Hauptthätigkeit wird sich natürlich der geplanten Neichsfinanzreform und der Bewilligung neuer Steuern zuwenden müssen, welche theils eine Folge der Militär vorlage sind, theils im Anschluffe an dieselbe zur Er ledigung geeignet befunden werden. Bei der Weit schweifigkeit der Pläne, welche auf diesem Gebiete bereits angekündigt sind, würde die Bewältigung einer solchen Aufgabe im Zusammenhänge mit einer daran sich anlehnenden Andersgestaltung des Neichshaushalts- etats allein den Nahmen einer Session fülle» können. Indessen wird es damit nicht genug sein. Es ist sicher, daß wenigstens einige der vielen in der vorletzten Neichslagstagung unerledigt gebliebenen Vorlagen wieder erscheinen sollen, und es wäre auch zu bedauern, wenn alle unter dem Tische liegen blieben. Dies gilt namentlich von den Gesetzentwürfen über den Schutz der Waarenbezeichnungen und Vie Abzahlungsgeschäfte. Dazu kommt, daß eine ganze Reihe neuer Entwürfe in Aussicht genommen sein soll. Die „N. L. C." nennt die verschiedenen Pläne einer Reform der Hand- werkergesetzgebung, die Entwürfe, welche auf eine Aenderung der Arbeiterversicherungsgesetze hinzielen, und die Novelle, welche bezüglich der Gewerbeordnungs bestimmungen über den Gewerbebetrieb im Umher ziehen schon seit längerer Zeit im Bundesrathe vor bereitet wird. Diese und eine ganze Reihe anderer Entwürfe sollen dem nächsten Reichstage zugehen. Angesichts dieser Fülle gesetzgeberischen Materiales wird wohl die Frage aufgeworfen werden können, ob es nicht im Interesse des Reichstages sowohl wie überhaupt der Gesetzgebung angezeigt wäre, von vorn herein nur eine Auswahl der in Aussicht genommenen Vorlagen zur Erledigung zu stellen. Es entsteht sonst die Gefahr, daß gerade die Entwürfe, welche von all gemeiner Wichtigkeit sind, wiederum zurückgestellt werden. Bei dieser Auswahl müßte man nach dem Grundsätze verfahren, daß man möglichst alle diejenigen Vorlagen heraussucht, welche zur Kräftigung unseres Mittelstandes dienen könnten. Die Gesetzgebungs maschine ist nun schon viele Jahre lang zu Gunsten der Arbeiterbevölkerung in Bewegung gesetzt gewesen. Es wird Zeit, daß sie auch einmal für den Mittelstand zu arbeiten beginnt. Mit Erfolg aber wirb sie das nur können, wenn sie, abgesehen von den durchaus nothwendigen Vorlagen wie diesmal dem Etat und den finanziellen Entwürfen, mit anderen Gesetzent würfen nicht beschwert wird. Frankfurt a. M. Die Konferenz der Finanz- mimster ist am 10. August Nachmittags geschloffen worden. An diesem Tage wurde in der Berathung der speziellen Vorschläge zur Deckung der Reichsaus gaben und zur Durchführung der Reform fortgefahren. Man einigte sich auch hier über die wesentlichen Grundlagen und beschloß, die detaillirte Ausarbeitung und die Erledigung einer Reihe von Spezialfragen einer alsbald in Berlin zusammentretenden, aus Ver tretern der wesentlich betheiligten Staaten und Kom- miffaren der Neichsoerwaltung niederzusetzenden Kom mission zu übertragen. Es scheint beabsichtigt zu werden, soweit dies irgend thunlich ist, die gesammten Gesetz entwürfe gleichzeitig dem Reichstage beim demnächsti- gen Zusammentreten vorzulegcn. Alle Aeußerungen der Theilnehmer an der Konferenz zeigen, daß die selben von den Ergebnissen der Berathungen sehr befriedigt sind. Ueber die Ergebnisse der Verhand lungen wird mitgetheilt, daß über den Gang der wei teren Vorarbeiten für die eventuell dem Bundesrathe zu machenden Vorlagen überall ein Einoerständniß er zielt ist, insbesondere auch hinsichtlich der heute be- rathenen Frage einer eventuellen Besteuerung des Weines. Bindende Beschlüße wurden selbstverständlich nirgends gefaßt, da die ganzen Berathungen nur den Charakter eines vorläufigen Gedankenaustausches trugen. Die Frage einer eventuellen Besteuerung der Inserate soll bei den Erörterungen ebenfalls gestreift worden sein. Baden. Die badische Regierung führt mit dem I. Oktbr. die 10 tägige Gilligkeitsdauer für Retour- billets auf den badischen Staatseisenbahnen ein. Oesterreich-Ungarn. Die österreich-ungarische Doppelmonarchie befindet sich gegenwärtig in einer beneidenswerthen wirthschastSpolitischen Lage, denn Oesterreich-Ungarn konnte nicht nur voriges Jahr einen Meistvergünstigungshandelsvertrag mit Deutschland ab schließen, sondern Rußland bringt in diesem Jahre einen Meistoergünstigungsvertrag auf dem Präsentir- I ieller Oesterreich-Ungarn entgegen, und sicher wird bei I diesem Entgegenkommen in wenigen Tagen der öster reich-russische Handelsvertrag abgeschlossen sein. Dieser freundlichen Haltung Rußlands gegenüber Oesterreich liegt nun aber offenbar die schlaue Berechnung zu Grunde, eventuell dadurch den Dreibund zu erschüttern, wir glauben aber, daß die Rußen dabei die Rechnung ohne den Wirth gemacht haben, denn auch durch den besten österreich-russischen Handelsvertrag können die großen Gegensätze, welche Rußland und Oesterreich im Orient trennen, nicht überbrückt werden. Im Uebrigen aber kann es auch Deutschland Oesterreich nicht ver denken, wenn es mit Rußland einen Handelsvertrag abschließt. — Die Prager Statthalterei Wirte die von dem Stadtrathe beschloßene Anbringung von Straßen - tafeln, deren Aufschriften nur in böhmischer Sprache abgefaßt sind, und verfügte die Entfernung der bereits aufgestellten Tafeln. Frankreich. Der bisherige Verlauf der Wahl bewegung in Frankreich macht es wahrscheinlich, daß die Signatur der bevorstehenden Wahlen eine auf fallende Theilnahmlosigkeit der Nation, eine ganz außerordentliche Wahlenthaltung fein wird. Verein zelte Vorkommnisse, wie der stürmische Verlauf der Wahlversammlung des Exministers Dves Guyot und die noch schlimmere Ausnahme, welche der Pariser Abgeordnete Maujan in einer Wählerversammlung des ersten Arrondissements sand, ändern nichts an der Thatsache, daß die große Mehrzahl des Volkes den Wahlen zur Zeit noch mit Gleichgiltigkeit gegen übersteht. Man glaubt deshalb, daß die neue Kam mer der soeben entschlafenen mehr oder weniger gleichen und also, wie die monarchistischen Blätter sich aus drücken, dem allererbärmlichsten Muster nachgebildet sein werde. Mit um so größerer Eindringlichkeit rufen deshalb die konservativen Organe ihre Anhänger aus ihre Posten, trotz der Lockungen der Meeresküste und der Kurorte, deren Anziehungskraft angeblich ein wesentlicher Faktor in der Rechnung Dupuy's gewesen sein soll. Man geht wohl nicht irre mit der Annahme, daß das unerhört tiefe Niveau, auf welchem die letzte Kammer in so mancher Beziehung zweifellos stand, das öffentliche Interesse für den Fortgang der parla mentarischen Arbeit abgestumpft habe. Man empfindet es auch in Frankreich als eine bedenkliche Thatsache, daß die Intelligenzen, die Kapazitäten sich vom par lamentarischen Leben zurückziehen und das Feld Männern ohne Namen und ohne Bewährung über laße», „Berufspolitikern" von zweifelhafter Art, wie sie z. B. in den Vereinigten Staaten von Nordamerika in so reicher Auswahl sich finden. Die Ursachen dieser Erscheinung mögen immerhin zum Theil, wie eine jüngst erschienene Broschüre anntmmt, in der zuneh menden Verrohung der Wahlsitten liegen, von welcher offenbar die beiden oben erwähnten Fälle — im zweiten kam es geradezu zu thätlicher Mißhandlung des Kandidaten — sprechendes Zeugniß ablegen, zum Theil auch, wie das „Journal des Döbats" ausführt, in der schweren Last einer durchschnittlich neunmonatlichen Session im Jahre, die zum Beispiel einem Großindu striellen, einem Advokaten, einem Gelehrten in der Provinz die Annahme eines Mandats fast unmöglich macht, nicht zum mindesten aber auch in dem gründ lichen Widerwillen, den jede einigermaßen delikate Natur gegen eine Parlamentäre Thätigkeit empfinden mußte nach Art derjenigen, wie sie namentlich im letzten Jahre der Legislaturperiode sich gestaltete. Frankreich. Der Erfolg der Franzosen in Siam muß sie über manches Leid in der inneren Politik trösten, denn die Streitaffaire mit Siam ist glänzend beigelegt, die französischen Forderungen wurden be willigt und außerdem Frankreich geehrt. Der fran zösische Gesandte Pavie ist am 8. August nach Bang kok ohne den Admiral Human» zurückgekehrt. Bei seiner Ankunft wurden von den Forts von Paknam Ehrensalven abgegeven, welche der Aviso „Alouette" erwiderte. Die französische Flagge wurde wieder aus der Gesandtschaft gehißt. Am Abend stattete der Ge sandte im Ministerium des Auswärtigen einen Besuch ab. Rußland. Der Zollkrieg Rußlands gegen Deutschland hat nun noch eine Verschärfung dadurch erfahren, daß Rußland seinen Maximaltarif auch auf Finnland ausgedehnt hat, doch ist damit noch lange nicht gesagt, daß ver deutsch-russische Zollkrieg lange andauern wird, denn mitten in den Streitlärm, den der deutsch-russische Zollkrieg hüben wie drüben natur gemäß entfacht hat, der aber immerhin gedämpfter erschallt, als man von vornherein annehmen durste, tönt so etwas wie Friedensschalmei hinein. Wenn daS offiziöse Telegraphenbureau nicht ganz falsch be richtet ist, sollen di- Verhandlungen über den Abschluß eines Handelsvertrag zwischen Rußland und Deutsch land fortgesetzt oder, bcßer gesagt, wieder ausgenommen werden und am 1. Oktober sollen drei russische Kom missare in Berlin eintreffen, die berufen sind, die Ver-