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Mchmtz-MiW Beilage zu Nr. 83. Dienstag, den 18. Juli 1893. 59. Jahrgang. Die Landtagswahlen in Bayern. Obwohl die soeben stattgefundenen Landiagswahlen in Bayern insofern zu einem etwas ungünstigen Zeit punkte vollzogen worden sind, als man gerade in diesen Tagen allseitig mit Spannung der Neichstagsentschei- dung über die Militärvorlage harrte, so können sie doch trotzdem daraus Anspruch erheben, auch außerhalb der dlauweißen Grenzpsähle Interesse zu erregen. Hierzu berechtigt schon die Stellung Bayerns im Reiche als des zweitgrößten Bundesstaates, außerdem walteten aber diesmal in der bayerischen Wahlbewegung so eigenthümliche und vielfach ganz n^ue Verhältnisse vor, daß man dem Wahlaussall allerdings mit Inter esse entgegensetzen durfte. Derselbe hat denn auch mancherlei Ueberraschungen und bemerkenswerthe Er gebnisse gezeitigt, die eine erhebliche Veränderung in der bisherigen Zusammensetzung der bayerischen Volks vertretung zur Folge haben werden. Schon die am 5. Juli vollzogenen Urwahlen zur Abgeordnetenkammer lieben ein sehr bemerkenswerthes Resultat hervortreten, nämlich die Siege der sozialdemokratischen Partei in München II und Nürnberg, aber erst die am 12. Juli vollzogenen Wahlen der Abgeordneten selbst haben das bayerische Wahlbild zu einem vollständig übersicht lichen gestaltet. Hiernach stellt sich das Gesammt- ergebniß wie folgt dar: 3 Konservative, 73 Klerikale, 7 Bauernbündler, 68 Liberale, 1 Volkspartei, 5 So zialdemokraten; außerdem sind 2 Wahlen noch zweifel haft, vermuthlich aber werden die betreffenden Mandate den Bauernbündler» zusallen. Dieses Ergebniß ver leiht der neuen bayerischen Kammer eine wesentlich ' andere Physiognomie, als sie das frühere Abgeordneten haus auswies. Denn in Letzterem gab es eigentlich nur zwei Parteien, diejenige des Centrums und der Liberalen, das konservative Trio konnte dem gegenüber nicht mehr in Betracht kommen. Diesmal aber treten neu hinzu die Partei des Bauernbundes, die Sozial demokratie und außerdem die Volkspartei durch einen Vertreter, und diese Verschiebung und Veränderung in den Parteiverhältniffen wird sich bei den Abstim mungen in der neuen Kammer sehr fühlbar machen. Denn die kleine Mehrheit der Cenlrumspartei in der früheren Kammer existirt nicht mehr, während die liberale Minderheit zu Gunsten der Sozialdemokratie eine Abbröckelung erfahren hat, demnach stehen als, ausschlaggebende Gruppe zwischen Klerikalen und Liberalen die Konservativen, Sozialdemokraten und Bauernbündler da, was wundersame Ausblicke auf den Verlauf der Becathungen in der jetzigen bayerischen Volksvertretung eröffnet. Am meisten Beachtung ver dient vielleicht die Thatsache, daß nunmehr die Sozial demokratie auch im bayerischen Landtage Posto gesagt hat. Im ersten Sturmlauf gewann sie fünf Mandate, dasjenige für München II, das dem Centrum abge nommen wurde, und die vier Nürnberger Mandate, welche den Liberalen verloren gingen. Dank der Spal tung unter den letzteren. Noch in einer ganzen Reihe von anderen Landtagswahlkreisen hatte die Umsturz partei ihr Glück versucht, doch vermochte sie es außer halb Münchens und Nürnbergs zu keinen besonderen Erfolgen weiter zu bringen. Immerhin kann also jetzt die bayerische Sozialdemokratie mit fünf Abge ordneten in den Landtag einziehen, und da die Bedin gungen zur Betheiligung auch an den Landtagswahlen in Bayern für die Sozialdemokratie verhältnißmäßig günstige sind, so muß mit ferneren Fortschritten der „Rothen" bei den nächsten Landtagswahlen gerechnet werden. Recht bemerkenswerth sind auch die Erfolge der Bauernbündler. Dieselben hatten bekanntlich schon bet den NeichStagswahleen der Centrumspartei in Bayern das Leben sauer genug gemacht, so daß meh rere klerikale Neichstagsmandate in den Besitz des Bauernbundes übergingen. Nunmehr hat derselbe auch bei den Landtagswahlen dem Centrum eine ziem liche Anzahl von Sitzen abgenommen. Voraussichtlich werden die Bauernbündler in der neuen Kammer im Ganzen 9 Mann stark sein, sie sind also mit einem Male zu einem nicht zu unterschätzenden parlamentari schen Faktor geworden, und dies dürste vor Allem die Centrumspartei bald spüren. Merkwürdiger Weise ist I)r. Sigl-München, der doch in Kehlheim so glatt in den Reichstag gewählt wurde, bei den Landtags wahlen durchgefallen. Von welchem Einflüsse die veränderte Zusammensetzung des Abgeordnetenhauses auf den Gang der bayerischen Politik sein wird, das bleibt zwar noch abzuwar.'en, doch kann man sich in Hinblick aus den Umstand, daß einerseits die Sozial demokraten, anderseits die Bauernbündler und schließ lich auch das konservative Häuflein unter Umständen das Zünglein an der parlamentarischen Waage bilden werden, auf mancherlei seltsame Zwischenfälle und Wendungen gefaßt machen. Sächsisches. — Seit einigen Tagen haben die Offiziere der sächsischen Feldartillerieregimenrer neue Säbel er halten. Bisher wurden bekanntlich Stahlkorbsäbel ge tragen. Dieselben sind den vergoldeten Löwenkops- säbeln gewichen. Die von allen drei Feldartillerie- regnnentern getragen werden, mit dem Unterschiede, daß an der Mundstückklappe der Säbel des ersten Feldartillerieregimentes der Namenszug des Königs angebracht worden ist. Weitere Aenderungen stehen für das Leibgrenadierregiment am 1. Oktober bevor, indem silberne Knöpfe, Treffen uno Helmbeschläge eingesührt werden. Alle berittene Truppen haben zum Unterschied mit den bisher mit der Infanterie gemein schaftlich geführten Portepöes neue Portepöes mit schwarzen Lederriemen erhalten. — Von Tag zu Tag sinkt der Stromspiegel der Elbe bei dem gänzlichen Ausbleiben eines längere Zeit währenden Landregens zurück und nur wenige Zentimeter beträgt der Unterschied zwischen dem jetzigen und dem vorjährigen niedrigste» Stande im Hoch- und Spätsommer, wo in der Regel der Strom am wasserärmsten wird Die Personenbeförderung ist aus der böhmischen Elbe bereits eingestellt. Die Fracht schifffahrt hat mit schweren Hindernissen zu kämpfen und kann nur geringe Lasten verfrachten. Bald werden auch die größeren Nadschleppdampser ihren Verkehr einstellen und selbst die leichter gebauten Eildampfer brauchen für die Tour Dresden-Hamburg jetzt schon die doppelte Fahrzeit. In anerkennenswerther Weise läßt die königl. Wasserbaudirektion die im Fahrwasser liegenden Steinblöcke ausheben und gegenwärtig unter der Augustusbrücke die Hindernisse beseitigen. Für die Ufer- und Dammbauten freilich sind die Waffer- standsverhältniffe günstig und wo irgendwie Aus besserungen nöthig, werden dieselben jetzt vorgenommen. Dohna. Bei dem am 13. Juli über unsere Stadt hinziehenden Gewitter wurde die in Fürstenwalde ge borene, 20 Jahre alte ledige Dienstmagd Bertha Ernestine Ritzschel aus dem Felde Hierselbst vom Blitze getroffen und sofort getödtet. Eine andere in un mittelbarer Nähe der Unglücksstätte befindliche Magd wurde aber derart an den Beinen gelähmt, daß sie zum Gehen unfähig war, sodaß sie mittelst Wagen nach dem hiesigen Stadtkrankenhause übergeführt werden mußte. Pirna. Die Oberpostdirektion Dresden hat sich veranlaßt gesehen, den Theilnehmern des Fernsprech anschlusses Pirna-Dresden die seit ca. 10 Jahren bestehenden Verträge zu kündigen, so daß vom I. Okt. d. I. an Pirna nicht mehr im Vorortsverkehr belassen, sondern in den Fernverkehr gewiesen wird, d. h. für jedes Gespräch von Pirna nach Dresden oder umge kehrt 50 Pf., außer einem Jahresbeitrag von 150 M. gezahlt werden soll. Die Maßregel hat bei allen hier und in der Umgegend an die Fernsprechleitung Ange schlossenen nicht geringe Erregung verursacht. Königstein. Die Sozialdemokraten sangen jetzt mit dem Boykott von Aussichtspunkten an. So soll der Lilienstein boykottirt werden, weil der Sohn des BergwirtheS dem sozialdemokratischen Kandidaten Fräßdorf den guten Rath gegeben hat, er solle lieber arbeiten, als den Arbeitern die Groschen aus der Tasche ziehen. Zu weiteren Boykotts würden zu empfehlen sein: der Rigi-Kulm, die Schneekoppe, der Brocken rc. Chemnitz. Hier sammelt ein Restaurateur seit 1884 alte Briefmarken, Cigarrenabschnitte, Blechkapseln, Stanniol u. s. w., um aus dem Erlös Bibeln anzu kaufen, die er dann unentgeltlich an arme evangelische Deutsche in der Diaspora, besonders in Ungarn, Galizien und Westpreußen, durch Vermittelung des Chemnitzer Gustav-Adolf-Vereins gelangen läßt. Kürz lich konnte er die tausendste Bibel absenden. Hartenstein. Dem Ortsausschuß zur Errichtung eines Paul Fleming-Denkmals Hierselbst ist die ministerielle Genehmigung zur Veranstaltnng einer Pfennigsammlung in den sächsischen Volksschulen er- theilt worden. Der gesammelte Fonds beträgt bis jetzt 2000 Mk. Oelönitz i. V. Seit Mitte Mai d. I. steht daS an die Bahnlinie Oelsnitz-Zwickau angrenzende, mehrere Acker große, tiefe Moorboden lager des Gutsbes. Rittrich in Jrfersgrün in Brand, und obgleich Alle-, was bei der herrschenden Trockenheit möglich war, ge- than worden ist, um den Brand zu löschen, so hatte man damit bis jetzt keine Erfolge. Man hoffte daher auf ein allmähliches Verlöschen de« Brandes, namentlich bei Eintritt von Regen. Am vorvergangenen Sonn abend übersprang jedoch Flugseuer die gezogenen Schutz gräben und entzündete die angrenzenden, dem Guts besitzer Werner gehörigen Wiesen- und Waldgrundstücke. Die infolgedessen aufgebotene Pflichtfeuerwehr hatte bis tief in die Nacht hinein angestrengt zu arbeiten, um das Feuer auf seinen Herd zu beschränken. Leider bestehen die Gefahren für die Nachbarschaft auch ferner hin fort, da gegenwärtig an ein vollständiges Ablöschen des Brandes nicht zu denken ist. Geyer. Innerhalb 10 Jahren ist der Werth der 453 Häuser unserer Stadt nach der festgesetzten Brandkaffe von 4 auf 5 Mill. Mk. gestiegen. Zwickau. Die vom Finanzausschuß und vom Nathe hiesiger Stadt beantragte Ausnahme einer neuen Anleihe in Höhe von 2 Mill. Mark zur Bestreitung einiger außerordentlichen Ausgaben der Stadt, nament lich zur Vollendung des Schlacht- und Viehhofes, der Nebenanstalt zum Gaswerk, der Erweiterung des städtischen Wasserwerkes, der Erbauung einer neuen Schule, wie Turnhalle, des Baues einer neuen Mul denbrücke u. s. w. ist von den Stadtverordneten nach eingehender Berathung mit 17 gegen 7 Stimmen ge nehmigt worden, doch soll dieselbe nicht auf einmal sondern nach Bedarf ausgegeben werden. Durch diese neue Anleihe wachsen unsere städtischen Anleiheschulden auf 9,842,900 Mark. — Die Angelegenheit der KonzessionSertheilung zur Errichtung einer elektrischen Straßenbahn in Zwickau, Schedewitz und Bockwa betreffend, beschäf tigte nach erfolgter ministerieller Entschließung noch mals unsere Gemeindevertreter. Dieselben stimmten den neuredigirten Verträgen mit dem Konsortium Schuckart u. Co. in Nürnberg und Arnoldi in Mainz zu, insbesondere auch der Herabsetzung der Kaution von 30,000 Mark auf 20,000 Mark, da die Bahn nur bis Bockwa gebaut und 10,000 Mark Sicherheits leistung vom Staate beansprucht wird. AuS den Ver handlungen ging auch hervor, daß die Ministerien des Innern und der Finanzen die Weitersührung der Bahn von Bockwa bis Wilkau als über den Rahmen einer städtischen, bezw. Vorstadtstraßenbahn hinauSgehend bezeichnet haben. Der Bau der Bahn ist in den Detailprojekten vorgearbeitet urd wird alsbald beginnen. Schneeberg. Nach einer Bekanntmachung sollen demnächst eine größere Partie fette Rinder von Bayern nach hier gebracht werden, damit es möglich ist, gutes Rindfleisch für 25 — 30 Pf. das Pfund zu verkaufen. Hauptsettes Rindfleisch wird jetzt schon zu 45 Pf. für das Pfund angeboten. Oberlungwitz. Am 12. Juli ereignete sich hier der gewiß seltene Fall, daß zwei Ehegatten an einem Tage mit Tod abgingen. Zuerst starb der Ehemann, Strumpfwirkermeister Christian Friedrich Wirth, und 12 Stunden später folgte ihm seine Gattin, Johanne Wilhelmine Wirth. Die nunmehr auch im Tove ver- einten Eheleute standen im Alter von 78, bezw. 75 Jahren. Plauen im Bogtlande. Das steuerpflichtige Einkommen ist in den zehn Jahren von 1883 bis 1893 gestiegen in der Stadt Plauen von 15'/» Mill, aus 25", Mill. Mark, dagegen in den Landgemeinden des Amtsgerichtsbezirkes Plauen von 6 Mill, nur auf 7»/» Mill. Mark. Zu dem Anusgerichtsbezirke Plauen gehören 63 Landgemeinden; unter ihnen sind 6, in welchen bei der Einschätzung im laufenden Jabre sich ein steuerpflichtiges Einkommen von mehr als je einer Viertelmillion Mark ergab. Rochlitz. Am hiesigen Seminarbau ist nunmehr der linke Seitenflügel bis zum Haaplsims mit einer Höhe von 16 m vorgeschritten, während der Mittelbau