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554 als militärisch abgeleistete Uebung i» Anrechnung kommt, kann denjenigen Mannschaften des Beurlaubtenstanoes, welche Radfahrer sind, nur anempfohlen werden, sich bei ihrem zuständigen Bezirks-Kommando für diese Uebung anzumelden. — Die hies. Gartenbaugesellschaften und Gärtner vereine waren bei dem Rathe dahin vorstellig geworden, ihnen doch den Handel mit Garten-, Feld- und Wald- Früchten auch nach Eröffnung der neuen Markthalle auf dem Altmarkt zu gestatten. Dem Ansuchen hat die Behörde insofern entsprochen, als sie bis zur Fertigstellung der zu erbauenden Hauptmarkthalle den Großhandel mit den genannten Fruchtgattungen auch an 3 Tagen der Woche, aber nu: bis früh 9 Uhr, gestattet hat. Geyer. Welchen Preis in diesem Jahre das gute Wiesen Heu hat, geht u. A. daraus hervor, daß das infolge guter Bewässerung vorzüglich anstehende Wiesen heu eines Grundbesitzers im benachbarten Tannenberg bei der stattgefundenen Versteigeruug die Summe von ungefähr 6800 Mark ergab, im vergangenen Jahre wurden die gleichen Pazellen zu 1600 Mark erstanden. OelSniH. In hiesiger Stadt, welche bei 10,400 Einwohner 3415 Fabrikarbeiter zählt und woselbst auf den Kopf der Bewohner ein jährliches Durchschnitts einkommen von 538 M. 9 Pf. entfällt, sind im Jahre 1892 laut den amtlichen Steuerdeklarationen 16176 >/» dl — 3,235,250 Glas Bier getrunken worden. (Fortsetzung des Sächsischen in der Beilage.) Tageegeschichte. Berlin. Der Reichstag nahm am 14. Juli zunächst den Antrag auf Einstellung des Strafverfahrens gegen Ahlwardt an, und setzte sodann die Berathung des Antrages Schönaich-Carolath fort, die in der Sitzung am Tage vorher abgebrochen worden war. Derselbe will dem Eingang zu Artikel II. folgenden Wortlaut geben: „Für die Zeit vom I. Okt. 1893 bis zum 31. März 1899 treten bezüglich der aktiven Dienst pflicht folgende Bestimmungen in Kraft, welche für die spätere Zeit auch so lange gelten, als die Friedens präsenzstärke nicht unter die im Artikel I § 1 Absatz 1 bezeichnete Zahl herabgesetzt werden wird und die im 8 2 vorgesehenen Neuformationen erhalten bleiben." Der Antrag wurde schließlich mit 274 gegen 105 Stimmen abgelehnt. Die Abstimmung über die Mili tärvorlage in zweiter Lesung endete noch längerer, theilweise ziemlich erregter Debatte damit, daß alle Paragraphen mit der gleichen Mehrheit wie am 13. Juli angenommen wurden. — Am 15. Juli fand die dritte Lesung der Vorlage statt; bei der Debatte sprachen wiederum die Redner der einzelnen Parteien in be kannter Weise für und dagegen. In namentlicher Ge- sammtabstimmung wurde die Militärvorlage mit 20 l gegen 185 Stimmen angenommen. Es fehlten die Abgeordneten Franck, Wollny und Citronowski, sämmt- lich dem Zentrum angehörig; ferner Hartmann (süd deutsche Volkspartei), von Czarlinski (Pole). Gegen die Vorlage stimmten die freisinnige Volkspartei, die Sozialdemokraten, das Zentrum, ausgenommen Prinz Arenberg und Lender, ferner die süddeutsche Volkspartei, die Welfen. Der Nachtragselat wurde ohne Debatte angenommen. Der Reichskanzler verlas eine kaiser liche Botschaft, welche den Schluß der Reichstagssession ausspricht: „Mit großer Befriedigung begrüßen Se. Majestät und seine hohen Verbündeten das Ergebmß der Berathungen. Das feste Vertrauen aus Ihre Be reitwilligkeit, die für die Sicherheit des Reiches als nothwendig erkannten Opfer zu bringen, hat nicht ge täuscht. Je unerschütterlicher die Ueberzeugung der verbündeten Negierungen feststeht, daß das vorgeschla gene Maß der Verstärkung der Wehrkraft nicht über das Bebürfniß hinausgeht, um so dankbarer empfinden sie, daß das Verständniß für die Nolhwendigkeit des Heeres in immer weitere Kreise gedrungen ist und den Reichstag zu seinem zustimmenden Beschluß geführt hat. Es gereicht mir zur besonderen Freude, daß ich von Sr. Majestät beauftragt bin. Ihnen für Ihre Mit wirkung den allerhöchsten Dank auszusprechen. Auf Befehl des Kaisers erkläre ich namens der verbündeten Regierungen die Session des Reichstags für geschloffen." Der Präsident brachte ein dreimaliges Hoch aus den Kaiser aus, worin die Versammlung begeistert ein stimmte. Die Sozialdemokraten halten vorher den Saal verlassen. So ist denn die Frage, welche fast ein Jahr lang ganz Deutschland in Aufregung gehalten, das Ausland bewegt und in unserem wirihschaitlichen und politischen Leben tiefe Spuren hinterlass n hat, endlich entschieoen. Die Regierung hat, wenn auch nur mit knapper Nolh, gesiegt. Das ist ein erfreuliches Ereigniß, denn Vie Regierung kämpfte für eine Sach, die für die Macht stellung Deutschlands und damit für die Erhaltung deS Friedens von größter Bedeutung erscheinen mußte. Sie hat den Kampf mit gutem Willen, ehrlich und aufrichtig, aber nicht immer geschickt geführt. Wenn trotzdem das schließliche Ergebniß, allerdings erkauft durch eine an bedauerlichen Einzelerscheinungen, an Parteihaß und Aufregung reiche Wahlschlacht, ein er freuliches genannt werden darf, so wird man über das Vorhergegangene zur Tagesordnung übergehen können. Der Alp, der bisher durch die Ungewißheit bezüglich der Militäroorlage auf Deutschland lastete, ist doch jetzt beseitigt — möge sich die günstige Wirkung, welche die Freunde der Militärvorlage vou ihr erwarten zu könne» glauben, auf die Sicherung des Friedens, auf die freundlichere Gestaltung von Handel und Wandel, auf die Wiederkehr von Ruhe und Zuversicht im vollen Umfange verwirklichen! Dann sind die Opfer, welche die Militärvorlage dem deutschen Volke auf erlegt, nicht vergeblich gebracht! — Die namentliche Abstimmung im Reichstage am Donnerstag über 8 1 der Militärvorlage wies wohl die größte Präsenzzahl auf, welche bisher im Reichs tage konstatirt worden ist. Von den 397 Mandaten sind infolge der Doppelwahlen 5 unbesetzt und von den 392 Abgeordneten »ahmen 385 an der Abstim mung Theil, von denen 198 mit Ja, 187 mit Nein stimmten. — Gefehlt haben die Abgeordneten Ahlwardt, v. Czarlinski, Hartmann (Württemberg) krank, Letocha, Leuß, Liebermann v. Sonnenberg und Wenzel. — Der Abg. Letocha (Zentrum) hat sein Neichstagsmandat niedergelegt. Er fehlte schon bei der Abstimmung über 8 1 des Militärgesetzes. Herr Letocha gehörte zu den jenigen Zentrumsmitgliedern, welche sich in der Wahl bewegung „freie Hand" Vorbehalten hatten. — Wie sich auch der neue Reichstag weiter ent wickeln mag, das Zeugniß wird man ihm nicht ver weigern dürfen, daß er die Frage, um deretimllen er in erster Reihe gewählt worden ist, außerordentlich ernst und gewissenhaft gelöst hat. Von den gewählten 392 Abgeordneten fehlten bei der Abstimmung über 8 l der Militäroorlage nur 7 Mann. Davon meldete sich einer, der Mainzer Domkapitular Wenzel, noch nach träglich zur Stelle. Der Arme hatte in der Meinung, daß es so früh nicht zur Abstimmung kommen werde, einen kühleren Ort als den tropisch heißen Reichstag aufgesucht und hatte darüber die Abstimmung versäumt. Sein Fraktionsgenosse Letocha war gleich am Beginn der Sitzung von einem Unwohlsein befallen worden und hatte das Haus verlassen müssen. Der Pole von Czarlinski fehlte, wie man erzählte, weil er sich nicht dem Fraktionszwang unterwerfen und nicht für die Vorlage stimmen wollte. Aus unbekannten Gründen fehlte der Antisemit Liebermann v. Sonnenberg, während sein Gesinnungsgenosse Ahlwardt abwesend war, weil er, wie man behauptete, nicht wußte, ob er für oder gegen die Militärvorlage stimmen sollte. — Die dem Nachtraasetat beigefügte Uebersicht der Etatsstärke des deutschen Heeres für das zweite Halbjahr des Etalsjahres 1893/94 ergiebt folgende Zahlen: Offiziere 22458 (-j- 1796), Unteroffiziere: Zahlmeisteraspiranten 1201 (-s- 208), Spielleute 6064 (-j- 369), Lazarethgehülfen 1922 (-s- 190), sonstige 68677 (-j- 10145), überhaupt Unteroffiziere 77834 (-s- 10912); Gemeine: Spielleute 15645 (-j- 1549) Unterlazarethgehülfen 1926) (-s- 273), Oekonomie- handwerker 7243 (— 1076), Kapitulanten und Ge meine 454415 (-j- 58452), insgesammt 479229 (-s- 59198); Militärärzte 2068 (-j- 228), Zahlmeister. Militärmusikinspizienten, Luslschiffer 1102 (-s- 207), Noßärzte 578 (-j- 20), Büchsenmacher und Waffen meister 1060 (-s- 206), Sattler 93, Dienstpferde 76 382 (->- 3094). — Der Kaiser hat das Abschiedsgesuch des General lieutenants Erbprinzen von Meiningen, Kommandeur der 2. Garde-Infanteriedivision, genehmigt und den Generallieutenant von Bomstorf zu dessen Nachfolger ernannt. Der Prinz verlegt seinen Wohnsitz nach Meiningen. - Der in Folge von Artillerieübungen zwischen Wrist und Bramstedt ausgebrochene Heide- und Moorbrand umfaßt jetzt einundeinhalb Quadrat- Meilen. 3000 Soldaten sind fortgesetzt mit dem Löschen beschäftigt. Dle Kornfelder sind bereits ver nichtet. Den Schaden hat der Militärfiskus zu tragen. — Die „B. P. N." schreiben: „Der Futter versandt aus den östlichen Provinzen Deutschlands nach dem nothleidenden Westen Hal seit etwa einer Woche begonnen und nimmt täglich wachsende Dimen sionen an. Was für Materialmengen das Ernteergeb- niß der Landwirthschaft des Ostens zur Verfügung ge stellt hat, sieht man daraus, daß der Andrang zu den Bahnstationen ein derartiger ist, daß ost auf langen Straßenzügen der Verkehr stockt. Es werden ganze Eisenbahnzüge mit Heu abqelassen, von denen jeder einzelne Waggon bis zu 50 Ztr. Heu ladet, was, den Zug zu durchschnittlich 50 Wagen gerechnet, jedesmal eine erkleckliche Menge ausmacht. Und dabei werden die Zufuhren eher größer als geringer. Die Beamten müssen vielfach über ihre gewöhnlichen Dienststunden hinaus arbeiten, um den Verkehr bewältigen zu können." — Um Unterlagen dafür zu gewinnen, inwieweit die Klagen wegen der übergroßen Zahl der Schank- wirth sch asten berechtigt sind, werden gegenwärtig im ganzen deutschen Reiche auf Anordnung des Reichs kanzlers statistische Erhebungen über die Zahl der Gastwirthschaften, der Schankwirthschaften, sowie der Branntweinkleinhandlungen in den Jahren 1879 bis 1893 angestellt. AuS dem Rbeingau. Der Stand der Wein berge ist, wie am gesammten Nheinstrome, auch bei uns im Gaue ein ganz außergewöhnlich schöner. Es hängt überall voll, und die Trauben sind schon der artig entwickelt, wie sie sonst kaum Ende August sind. Seit 1868 hatten wir keinen wirklich großen Jahr gang mehr: der 1893er kann, falls nicht ganz unver hofft noch sehr schlechte Witterung eintritt, ein Wein werden, der sogar noch den 1868er übertrifft. Fröh lichen Mienen begegnet man deshalb im Nheingau, und wahrlich ein reicher Erntesegen ist den fleißigen, aushaltenden Winzern wohl zu gönnen! Aus einzelnen Gemarkungen werden schon hier und da reife rothe Frühtrauben gemeldet, was bis jetzt um diese Zeit noch nicht erlebt worden ist. So namentlich aus Rüdesheim, aus Johannesberg, aus vorzüglichen Hatten- Heimer Lagen, aus dem Nauenthaler Berge; letzterer steht in diesem Sommer ganz besonders ausgezeichnet. An dem Südflügel des Schlosses Neichartshausen sollen die Frühburgunder schon vielfach von bestem Geschmack sein. Die ersten reisen Trauben aber hatte diesmal Rüdesheim — und so ist in diesem Jahre das Phä nomen zu verzeichnen, daß man zu gleicher Zeit bei uns die erste und letzte Frucht des Sommers hatte: Kirschen und Trauben. Darmstadt. In Hofkreisen wird die bevorstehende Verlobung des Grobherzogs von Hessen mit der Prinzessin Victoria Melitta von Edinburgh lebhaft be sprochen. Da die Prinzessin erst 16 Jahre ist, soll die Verlobung vorerst nicht offiziell verkündet werden. Bayern. Die Landtagswahlen, die am Mittwoch stattsanden, ergaben als gewählt: 3 Kon servative, 73 Klerikale, 7 Bauernbündler, 68 Liberale, 1 Volkspartei, 5 Sozialdemokraten. Zwei Abgeordnete sind zweifelhaft, doch voraussichtlich Bauernbündler. Das Centrum, das bisher in der 159 Mitglieder zäh lenden Kammer mit einigen achtzig Sitzen die absolute Mehrheit hatte, ist somit aus dieser Stellung durch den Bauernbund verdrängt. In München wurden 5 Liberale, 3 Klerikale und 1 Sozialdemokrat gewählt. Oesterreich-Ungarn. Zwischen Oesterreich-Ungarn und Rußland soll die Einleitung von Handelsver trags-Verhandlungen beoorstehen. Eine Wiener Meldung vom 13. d. M. besagt über dieses Projekt Folgendes: „Die österreichische Negierung ließ in Pe tersburg eine Note überreichen, worin sie Rußland einen Meistbegünstigungsvertrag anbietet für den Fall, daß die russische Regierung die österreichischen Produkte auf der gleichen Basis, wie in dem jüngst abgeschlossenen Handelsverträge die französischen, behandelt. In Wiener politischen Kreisen glaubt man, daß das Petersburger Ka- binet auf das österreichische Anerbieten eingehen werde, wenn t i.s vielleicht auch mehr aus taktischen Erwägungen der Fall sein würde, nämlich, um durch den Abschluß eines russisch-österreichischen Handelsvertrages Deutsch land den handelspolitischen Forderungen Rußlands gegenüber gefügiger zu machen. Immerhin sind die Schwierigkeiten, welche sich der angeregten handels politischen Verständigung zwischen Oesterreich-Ungarn und Rußland entgegenstellen, so große, daß das Zu standekommen des erstrebten Vertrages noch keineswegs absolut sicher ist. — Ein Korrespondent des „Pesti Naplo" wurde dieser Tage vom Nuntius Msgr. Agliardi in Wien empfangen, wobei die kirchenpolitischen Vorlagen in Ungarn zur Besprechung gelangten. Der Nuntius erklärte, daß die Kurie nie und nimmer in die Ein führung der Ziv ilehe willigen könne. Die Ehe bilde ein Sakrament und müsse von der Kirche gespendet werden. Der Nuntins wies darauf hin, daß eine vollständige Uebereiustimmung des ungarischen Episko pates mit der Anschauung der Kurie in Rom bestehe. Frankreich. Der Konflikt Frankreichs mit Siam verschärft sich allmählich. Die siamesische Regierung hat sich geweigert, noch zwei französischen Kanonen booten die Fahrt auf dem Menamflufse, an welchem die Hauptstadt Bangkok liegt, zu gestatten, wie dies der französische Gesandte gefordert hatte. Sollte nun mehr Frankreich durch ein Geschwader Bangkok be drohen, so wäre der von den Franzosen vom Zaune gebrochene Streit akut geworden, und nachher würden bei demselben die Engländer kaum mehr die müßigen Zuschauer spielen. — Die Feier des französischen Nationalfe stes vom 14. Juli ist ruhig verlaufen. Nur die Studenten glaubten demonstriren zu sollen und enthielten sich im Quartier Latin aller Festlichkeiten; sicherem Vernehmen nach ist darüber weder Frankreich noch die Welt aus