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ML > „Weifirritz Zeitung" erscheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljlihrlich 1 M. LS Pfg., zweimonatlich 84 Pfg-, einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Alle Postan- stalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. Wchmtz-MW. Amtsblatt Inserate, ««che »ei de» bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirt- same Verbreitung finden, werden mit 1V Pfg. di« Spaltenzeile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen dem Ausschlag. — Einge sandt, un redaktionellen Theile, die Spaltenzeile SO Pfg. für die Königliche UmtshaupLmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Umtsgerichle und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Iranenstein Verantwortlicher Redacteur: Paul Ithne in Dippoldiswalde. Mit schtskitigem „Zllustrirten llnterhsltunzsdlstt". » Mit humoristischer wochenbeilage „Seisrnblgsen". » Mit land- und hsuswirthschostlicher ÄonotLbeilnze. Nr. 69. Donnerstag, den 15. Juni 1893. 59. Jahrgang. Heute Donnerstag, von früh 1v bis Nachmittags 6 Uhr, AkeiKstagswahl. Kandidat der vereinigten Ordnungspsrteien ist Kerr Geh. Aergrath Aörster. An alle Deutschen, die das Gefühl der nationalen Würde haben, tritt gebieterisch die Pflicht heran, bei der heutigen Wahl sich einmüthig und geschlossen zu erheben, um einen Reichstag zu erkämpfen, dem die Sorge für die Zukunft des Vaterlandes über den Rücksichten der Partei steht! Ein letztes Mahnwort. Soeben ging unserer Redaktion noch folgender „Nothschrei" mit der Bitte um Ausnahme zu: Wäre der Ausdruck nicht etwas zu drastisch, so müßte man viele unserer Wähler fragen: Kinder, habt Ihr denn immer noch ein Brett vor dem Kopfe? — Warum? — Weil Ihr den ungeheueren Unterschied nicht be greifen wollt, welcher darin liegt, ob es bei den Fran zosen und Russen heißt: Der deutsche Reichstag ist wegen Nichtbewilligung der Militärvorlage aufgelöst, oder aber: derselbe ist deshalb aufgelöst, weil er zwar die Militärvorlage fast einstimmig bewilligt, aber nicht zugegeben hat, daß die Kosten derselben abermals fast ausschließlich auf den Mittelstand abgeladen werden, weil man nicht, wie der Reichstag wollte, vor Allem die Börse und den Luxus zur Deckung heranzieht! Im gewöhnlichen Leben heißt es freilich: Erst die Mittel, dann die Ausgabe. Bei der Wilitärvorlage aber handelt es sich keineswegs „um die Mittel", son dern nur „um die Aufbringung der Mittel!" — Ob durch Börse und Luxus oder wieder durch den Mittel stand. — Es ist also auch wirthschaftlich kein Fehler, die Militärvorlage vorerst bedingungslos zu bewilligen. Alle Wähler werden das einsehen, und trotzdem werden viele den Reformer wählen. Unbegreiflich! Ihr sagt, Ihr wählt nicht blos wegen der Militärvorlage, sondern voraussichtlich auf 5 Jahre. Nun, wenn die so hochwichtige Militärvorlage abermals, wie die Re former wollen, wegen der Art und Weise der Auf bringung der Mittel aus dem Reichstage vor den Augen der Welt hin und her gezerrt wird, kann es kommen, daß wir in 5 Jahren gar keinen Reichstag mehr haben, weil Russen und Franzosen denselben in die Lust sprengten! Was dann? — Deshalb: Wer Frieden will, wähle mit den Konservativen, wer es aber wahrscheinlicherweise nach Obigem aus Aussicht auf Krieg und weiteren wirthschaftlichen Niedergang an kommen lassen will, wähle mit den Reformern! — — Und weiter: Wie man mit Freuden hört, steht der deutschen Industrie ein großer Triumph aus der der zeitigen amerikanischen Weltausstellung bevor, welcher sicher den Neid der übrigen Nationen und besonders auch der Franzosen Hervorrufen und auch die politische Situation noch schwüler gestalten dürfte. Darum gilt es vor Allem, daS weitere Ansehen des Reiches nach außen zu sichern durch schleunigste Annahme der Militärvorlage. Aber — dann Gnade Gott Euch Abgeordneten, wenn Ihr nicht Wort haltet und wie ein Mann dafür sorgt, daß die Börse und der Luxus tüchtig angezapft werden, wie Ihr Alle uns versprochen habt! — Also in letzter Stunde: Die Aussicht auf Krieg und Unruhen heißt nach Obigem bei uns Re former und Hänichen! Die Aussicht auf Frieden und wirthschaftlichen Aufschwung vorläufig unbedingt noch: Konservativ und Förster aus Dresden! — Wähler, nun wählt! Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. In dem durch den hiesigen Militärverein mit Birken und verschiedenen Wappen schildern und Fahnen geschmückten Saale des Gast hoses zum goldnen Stern fand am Sonntag, den 1t. dss. Mts., die Hauptbezirksversammlung des Bundes-Bezirks Dippoldiswalde von Sachsens Militär- Vereins-Bünde statt. Von 89 Vereinen mit 3397 Mitgliedern waren nach Feststellung der Präsenzliste 26 durch ihre Vorsteher stimmfähig vertreten, während sich die Vereine Bärenstein, Pretzschendorf und Rechen berg entschuldigt hatten. Außerdem waren die Herren Premierlieutenant Graf von Hohenthal-Büchau auf Lauenstein, Hauptmann Friedrich auf Theisewitz, Premierlieutenant Oehmichen auf Berreuth, Hauptmann Dietrich, Vorstand des hiesigen Meldeamts, König!. Bezirksthierarzt Flinzer, Bundespräsidialmitglied Klähn aus Dresden und Geschäftsführer Protze für die Redak tion des „Kamerad" als Ehrengäste und noch viele Mitglieder von hier und auswärts erschienen. Nach dem die Versammlung das Lied: „Brüder, reicht die Hand zum Bunde" gesungen, der Bezirksvorsteher Kamerad Privatus Neumerkel aus Altenberg die An wesenden mit herzlichen Worten begrüßt hatte und mit ihm in ein begeistertes Hoch auf den hohen Pro tektor des Sächs. Militär-Vereins-Bundes S. Majestät den König Albert eingestimmt worden war, überbrachten die Kameraden Klähn und Protze Grüße vom'Präsi- dium und von der Redaktion des „Kamerad" mit den besten Wünschen für die heutigen Verhandlungen. Aus der hierausfolgenden Nechnungsablage ist beson ders erwähnenswerth, daß im vergangenen Vereins jahre 283,04 Mark als Bundessteuer an die Haupl- kaste eingezahlt, dagegen 575 Mark zur Unterstützung hilfsbedürftiger Kameraden aus dieser Kaste gewährt wurden. Sodann berichtete der stellvertretende Bezirks- Vorsteher Kamerad Lindig aus Glashütte über die Feststellung des Programms zum 50jährigen Militär- Dienstjubiläum Sr. Maj. ves Königs, nach dem die Militärvereine eingeladen werden, an dem Abends stattfindcnden Fackelzuge zahlreich thcilzunehmen. Jeder Theilnehmer zahlt für die Auslagen nur 50 Pfennige. Zur Erinnerung an dieses Jubiläum soll durch frei willige Gaben eine König-Albert-Stiftung errichtet werden, deren Zinsen verwendet werden sollen als Beihülfe zur Berufsausbildung für Söhne verstorbener oder lebender armer Kameraden, insbesondere für Knaben, welche sich dem Soldatenstande widmen, bez. Militürerziehungsanstalten besuchen. Sodann nahm man Stellung zur Tagesordnung ver nächsten Bundes- General-Versammlung, verwilligte als Beitrag zur Schmückung der Kriegergräber 10 Mark aus der Bezirkskaste und beschloß, die nächstjährige Haupi-Be- zirks-Versammlung in Schmiedeberg in gleicher Jahres zeit abzuhalten. Ein Antrag des Vereins Dippoldis walde, bei Abstimmungen die Stimmenzahl nach der der Mitglieder zu vertheilen, wurde wegen Aussichts losigkeit zurückgezogen. Die Neuwahl gab dem Be- zirksvorstehor Kamerad Neumerkel und dessen Stell vertreter Kamerad Lindig das glänzendste Zeugniß getreuer und gediegener Amtsverwaltung, denn sowohl auf Anregung des Bundespräsidialmitglieds Kamerad Klähn, der sich sehr anerkennend über Beide aussprach, als auch aus eigenen» Antrieb wurden dieselben von den Vereinsvorstehern einstimmig wiedergewählt, wo rauf Herr Lotze-Dippoldiswalde ihnen ein Hoch aus brachte. Nach Verlesung des Protokolls durch Kamerad Lehrer Seifert-Seisersborf und dem Absingen des Liedes „Deutschland, Deutschland über Alles" ward die Versammlung geschloffen. Herr Hauptmann Fried rich aus Theisewitz rühmte schließlich, daß der Militär vereinsbund seine Aufgabe in der Kräftigung der KünigStreue und der Ausübung von LiebeSwerken an Kameraden suche und schloß in einem Hoch auf die Militärvereine. Mit dem neugestärkten Gefühle enger Vereinigung mit den Kaineraden und treuer Anhäng lichkeit zu Kaiser und König zogen die Erschienenen wieder ihrer Heimath zu. — Vor ca. 5 Jahren besuchte ein junger Mann, Namens H. . — die hiesige Handelsschule, und in dürftigen Verhältnissen lebend, war es ihm und seinen Angehörigen nicht möglich, das Schulgeld vollständig zu bezahlen; er blieb mit einigen 30 Mark in Rest. Vor einigen Tagen nun hat dieser junge Mann, der durch Ausdauer und Strebsamkeit iin Auslande eine recht einträgliche Stellung erlangt hat, den Restbetrag voll an die Handelsschulkaffe eingesandt, ohne jemals daran wieder erinnert worden zu sein. Gewiß ein schönes Zeugniß für die Dankbarkeit und ehrenwerthe Gesinnung dieses ehemaligen Schülers; ein ehrenvolles Zeugniß auch für die Schule, die solche Schüler iy das Leben sendet. , — Nächsten Sonntag Abend steht ein besonderer Genuß in Aussicht, indem Herr Schauspieler Ehrl und Frau vom Restdenztheater in Dresden im Saale der „Reichskrone" eine humoristisch-Anti-SpiritistischeSoiree veranstalten. Der „Dresd. Anz." sowohl, als auch die „Dresd. Nachr." äußern sich über die Darbietungen des Künstlerpaares in sehr beifälligem Sinne, sodaß der Besuch dieser Vorstellung Allen empfohlen werden kann, die einige angenehme Stunden sich bereiten lasten wollen. — Die Frage, ob bei Reichstagswahlen absolute oder relative Stimmenmehrheit entscheidet, wird anläß lich der bevorstehenden Wahl vielfach erörtert und be gegnet man dabei oftmals irrigen Ansichten. Wir machen deshalb darauf aufmerksam, daß die Wahl eines Neichstagsabgeordneten durch absolute Stimmen mehrheit aller in einem Wahlkreise abgegebenen gil- tigen Stimmen erfolgt. Es ist daher derjenige Kan didat als gewählt zu betrachten, auf welchen sich mindestens eine Stimme mehr als die Hälfte aller im Wahlkreise abgegebenen giltigen Stimmen vereinigt hat. Hat sich auf einen Kandidaten die absolute Mehrheit der abgegebenen giltigen Stimmen nicht vereinigt, so ist eine engere Wahl vorzunehmen. Auf die engere Wahl kommen nur diejenigen beiden Kan didaten, welche die meisten Stimmen erhalten haben. Sind auf mehrere Kandidaten gleich viele Stimmen gefallen, so entscheidet das LooS, welches durch die Hand des Wahlkommistars gezogen wird, darüber, welche beide Kandidaten auf die engere Wahl zu bringen sind. Tritt bei einer engeren Wahl Stimmen gleichheit ein, so entscheidet das Loos darüber, welcher von beiden Kandidaten als gewählt zu betrachten ist. — Gartenbesitzer seien hierdurch darauf aufmerk sam gemacht, daß sich jetzt an Rosen und anderen von Blättläusen stark belästigten Pflanzen eine kleine, grüne Raupe zeigt, mit spitzem Kopfe und einem weiß lichen, schmalen Streifen auf dem Rücken. Dieselbe nährt sich lediglich von Blattläusen und greift weder Blatt noch Knospe an. Es liegt also im Interesse der Blumenfreunde, wenn sie bei den Ungezieferjagden diese Raupen schonend berücksichtigen. Löwenhain. Am Abend des Montags brannte die Jäpel'sche Restauration, bestehend aus Wohnhaus, Stall und Scheune nieder. Da die Gebäude mit weicher Dachung versehen und infolge der großen I Trockenheit griff das Feuer so rasch um sich, daß außer