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„Weißeritz-Zeitung" erscheint wöchentlich drei mal : DienStag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 25 Psg., zweimonatlich 84 Pfg., einmonatlich 42 Psg. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Alle Postan- stalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. MHeritz -Jeitmz. Amtsblatt Inserate, welche dei de» bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr nur?- same Verbreitung finden, werden mit 10 Pfg. di« Spaltenzeile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirt« Inserate mit entsprechen dem Ausschlag. — Eirme« sandt, im redaktionellen Theile, die Spaltsnzeile» 20 Pfg. für die Königliche Umlshauptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Verantwortlicher Redakteur: Paul Ithne in Dippoldiswalde. Mit «chtseitigtm „Nustrirten tluterh-ltungsblatt". * Mit humoristischer tvochkndeilage „Skifenblsskn". qc Mit lsud- und hlluowirthschustticher Monotsbeilsge. Nr. 58. Donnerstag, den 18. Mai 1893. 59. Jahrgang. Die Wahlbeweguug. Obwohl wir erst in der zweiten Woche seit der Auflösung des Reichtages stehen, weist die Agitation für die Neuwahlen doch schon einen ziemlich lebhaften Charakter auf, was sich durch die verhältnißmäßige Nähe des Wahltermins hinlänglich erklärt. Sämmt- liche Parteien sind mit ihren Wahlaufrufen bereits vor die Wählermassen getreten, in den meisten der 397 Neichstagswahlkreise ist die Kandidatensrage schon gelöst und größere wie kleinere Wahlversammlungen der einzelnen Parteien finven in den verschiedensten Gegenden des Reiches in sich immer steigerndem Maße statt. Die gegenwärtige Wahlbewegung im Reiche trägt im Gegensätze zu den Agitationen früherer Wahl zeiten insofern einen speziell hervorragenden Zug an sich, als diesmal eine ungewöhnlich große Zahl der bisherigen Reichstagsmitglieder für die neue Volks vertretung nicht mehr kandidiren. Es mag zugegeben werden, daß ein Theil dieser mandatsmüden Parla mentarier durch dringende geschäftliche oder private Angelegenheiten oder auch durch Gesundheitsrücksichten zu dem freiwilligen Verzicht auf eine abermalige Kandidatur bewogen worden ist. Vielleicht für die Mehrheit der betreffenden Herren dürften indessen wohl andere Gründe für ihre Paclamentsmündigkeit ausschlaggebend gewesen sein, die zweifellos in der zunehmenden Verbitterung unseres politischen und parlamentarischen Lebens wurzeln. Jedenfalls wird der kommende Reichstag besonders viele „neue Männer", die zum ersten Male in die parlamentarische Laufbahn «intreten, enthalten und somit wird es an dem jetzt häufiger denn je verlangten „frischen Blut" für die Parlamentarische Vertretung der deutschen Nation nicht fehlen; hoffentlich steht dann aber auch von der Zu führung so vieler frischer Kräfte eine ersprießliche Be lebung und Befruchtung der Reichstagsthätigkeit zu erwarten. Im Uebrigen weist der Stand der Wahl bewegung noch ein recht zerfahrenes Bild aus; jede unserer Parteien und Parteichen scheint zunächst aus eigene Faust operiren zu wollen, weshalb es denn zahlreiche Wahlkreise giebt, welche sich der Auswahl unter 4 und sogar noch mehr Kandidaten erfreuen. In dieser Zersplitterung spiegelt sich eben das alte Elend unserer politischen Parteiverhältniffe in Deutsch land wieder, dieselben können in irgend einem anderen konstitutionellen Staate schwerlich verworrener und bunter sein. Nun machen sich im Volke allerdings Anzeichen geltend, daß man in weiten Kreisen der Wählerschaft der Parteizerstückelung, die überdies ge rade in jüngster Zeit durch die Spaltung der freisin nigen Partei sich aus'S Neue gezeigt hat, allmählich überdrüssig wird, womit eine wachsende Abneigung gegen das gesammte bisherige Fraktionswesens Hand in Hand geht. Immer lauter ertönt daher der Ruf nach einer gänzlichen Umgestaltung unseres gesammten Parteiwesens, uno zwar dahin, daß dasselbe künftighin weniger auf politischen, als vielmehr auf wirthschaft- lichen Grundlagen ausgebaut werden soll. Dieser Forderung kann ein berechtigter Kern kaum abge sprochen werden; aber die meisten unserer bisherigen Parteien bestehen schon seit längeren Jahren, sie werden trotz aller modernen Gegenströmungen noch immer von der Anhänglichkeit bestimmter Schichten in der Wählerschaft getragen, so daß der Versuch, an ihre Stelle ganz neue Parteiformationen zu setzen, zunächst schwerlich besondere Erfolge aufweisen wird. Darum muß es zum Mindesten dahingestellt bleiben, ob die verschiedenen neuen Parteien wirthschaftspoli- tischen Charakters, welche sich jetzt anschicken, durch Ausstellung eigener Kandidaten mit in die Wahlbe wegung einzugreifen, größere Erfolge erzielen werden; einstweilen scheint ihr Vorgehen die herrschende Par teiverwirrung nur zu vermehren. Eine gewisse Klärung in dem herrschenden Wahltreiben dürfte überhaupt erst der letzte Abschnitt der Agitation, der Höhepunkt des Wahlkampfes bringen; dann wird sich vielleicht einiger maßen erkennen lassen, in welcher Ordnung und mit welchen Aussichten die einzelnen Parteien in die Schlachtlinie des 15. Juni einschwenken. Doch wird die Hauptwahl vom genannten Datum aller Voraus sicht nach keineswegs ausschlaggebend für den Aus gang des Wahlfeldzuges sein, dies steht vielmehr erst von den Stichwahlen zu erwarten, welche sich diesmal höchst wahrscheinlich in noch weit umfassenderem Maße, als bei früheren Reichstagswahlen, nöthig machen werden. -Lokales und Sächstsches. Dippoldiswalde. In vier Tagen ist Pfingsten und in vier Wochen sind erst die Neuwahlen zum Reichstage. Kein Wunder, wenn trotz aller Wahlauf rufe und Parteibewegung die Bewegung für eine würdige und richtige Pfingstfeier doch noch eine viel größere ist, als die für die Reichstagswahlen. Es wäre auch Unrecht, durch die arge Politik sich die reine, herzerquickende Freude am schönen Pfingstfest verkümmern zu lassen, nur einmal ist Pfingsten im Jahr, und wie lange wird es noch dauern, dann be ginnen sich die heute noch so wundervoll lichtgrünen jungen Blätter zu verdunkeln und aus dem frischen Lenz geht es in den heißen Sommer. Pfingsten will nun einmal im Freien und Grünen gefeiert sein, und wenn Haus und Heim mit frischen Maien einfach, aber sinnig geschmückt sind, dann gehts hinaus in die weite Gotteswelt, so weit die Füße oder die Zeit reichen. Verschieden ist die Ablage des Pfingst- programms, das Budget für die Festfeier von wesent lichen Unterschied. Die Einen halten es mit dem Dichterwort: „Warum in die Ferne schweifen, sieh, das Gute liegt so nah!" und richten ihr Augenmerk aus gediegenen Festbraten, gediegenen Festkuchen und einen frohen Festspaziergang, vielleicht schon in aller Morgenfrühe, wenn es im Wald so herrlich, so einzig ist. Die Anderen tragen sich mit größeren Plänen, Eisenbahn- und Dampsschifffahrpläne werden studirt, gemessen, berechnet und zusammengezählt. Zum Glück ist das Gepäck für eine Pfingstreise nicht schwer und waltet nur frischer Muth und froher Sinn, dann kommt man auch leicht über einige kleine Verdrieß lichkeiten fort, die ja nie ausbleiben, wenn ein Massen sturm auf die Verkehrsmittel erfolgt. Aber auch ab gesehen von dem Neiseplan, giebts noch so unendlich viele Festvorbereitungen, und in Hangen und Bangen werden die letzten Tage verbracht, wenn Toilettefragen, neben welchen in diesen Feiertagen selbst die Militär frage von höchster „Wurschtigkeit" ist, in Betracht kommen. Hoffnungen und Wünsche tausendfach richten sich auch auf ein günstiges Pfingstwetter, ohne welches keine richtige Feier möglich. Restaurateure und andere Geschäftsleute haben für die Festtage große Ausgaben, sie rechnen auf einen lieblichen Gewinn am lieblichen Feste, der ihnen auch zu gönnen ist. Und kommt dann Regen — stehts schlimm! Also gut Wetter, und kein Malheur zu Lande wie zu Wasser! — Zum Pfingstfeste gelten die am Sonnabend vor Pfingsten bis zur nächsten Mittwoch gelösten drei tägigen Rückfahrkarten für den Lokalverkehr der Sächsischen Staatsbahnen, ferner die dreitägigen Rund reisekarten von Altenburg durch das Muldenthal, von Chemnitz über Oberrittersgrün und Cranzahl, von Dresden-Altstadt über Geising-Altenberg und Kipsdorf, von Neumark durch das Elsterthal und von Schleiz über Gera bis mit Freitag nach Pfingsten. — Die warme Witterung hat auch den schlimm sten Feind der Apfelbäume, die Blutlaus, bereits rege gemacht. Hier und da zeigen sich schon kleine neue Wollfläuschen. Wer mit diesem Ungeziefer zu thun hat, handelt verständig, wenn er jetzt die Bäume durchgeht und etwaige neue Stellen, aber auch die alten, mit erhitztem Leinöl oder Schweineschmalz be streicht. Gerade bei der Blutlaus gilt der Satz: „Vorbeugen ist besser als heilen." Hat man befallene Bäume aufgefunden, so kennzeichne man sie mit einem Kreidestrich und versäume nicht, nach vierzehn Tagen wieder eine Revision vorzunehmen. — Der Goldregen (Ozstioiw I^burnum) steht gegenwärtig in Blüthe. Da dieser Strauch in allen seinen Theilen, namentlich aber in den gelben Blüthen und den Fruchlschoten, stark gifthaltige Stoffe hat, sei davor dringend gewarnt. — Beim Nahen der heißen Jahreszeit seien die Hundebesitzer darauf aufmerksam gemacht, ihren Hunden, welche den ganzen Tag an der Kette liegen müssen, ordentliche Pflege angedeihen zu lassen, sie mehrere Male am Tage mit frischem Wasser zu ver sehen und die Hundehütten gründlich zu reinigen. Namentlich die Landbewohner seien zur Befolgung dieser Matzregeln ermahnt, denn es ist nachgewiesen, daß in den meisten Fällen die Tollwuth durch Ver nachlässigung der Hunde entsteht und dadurch die von Besitzern sowohl, als auch von Behörden sehr lästig empfundenen Hundesperren nöthig gemacht werden. Glashütte. Der hies. Militär-Verein unternahm am vergangenen Sonntag seinen Frühjahrsausstug mit Damen nach Börnchen und hatte hierzu auch die Militär-Vereine von Lauenkein, Bärenstein, Ditters dorf und Johnsbach eingeladen, die dieser Einladung auch äußerst zahlreich Folge leisteten. Ein regrs kameradschaftliches Leben und Treiben entwickelte sich und bei Tanz, Gesangs- und humoristischen Vorträgen verfloß die Zeit nur zu rasch, bei Allen den Wunsch hinterlassend, recht bald wieder ein solches Fest zu verleben. — Am Montag Abend, kurz nach 7 Uhr, kletterte ein Zögling der deutschen Uhrmacherschule an dem Felsen der Königshöhe, dem sog. Pilz, herum, um, wie so viele andre vor ihm, seinen Namen anzumalen, stürzte jedoch etwa 6 m hoch vom Felsen herunter. Ein Knabe sah den Absturz und machte einige im Thal« vorübergehende Schüler aufmerksam, die nun den Verunglückten schleunigst aussuchten und in seine Wohnung trugen, wo der sofort herzugerufene Arzt einen Oberschenkelbruch und verschiedene kleinere Ver letzungen konstatirte. Liebenau. In dem Gräflich Hohenthalschen Teiche wurde der Leichnam des 41 Jahre alten Gutsbesitzer« Haaser von hier aufgesunden. Der Unglückliche hat zweifellos in einem Anfall von Schwermuth freiwilligen Tod gesucht. Ruppendorf. Am vergangenen Sonntage feierte der Dippoldiswalder Zweigverein für Heidenmission hierorts sciv Jahressest. Die Feier begann mit einem Festgottesdienste, zu welchem nicht nur aus der hiesigen Parochie, sondern auch aus den benachbarten Gemeinden sehr viele Missionsfreunde sich eingefunden hatten, so daß das im herrlichsten Festschmucke prangende, schöne Gotteshaus die Menge der Andächtigen kaum zu fassen vermochte. Die Festpredigt, welche Herr 1?. Keil aus Burkhardtswalde über Joh. 4, 31—38 hielt, ergriff die Herzen der Zuhörer mächtig, und zeugte von des Predigers Begeisterung für die große Sache der Heiden bekehrung. Er forderte die Festgemeinde zur Mitarbeit am Werke der Mission auf und rief ihr zu: „Missions gemeinde, wir wollen in treuer Arbeit stehen!" Denn 1. Des Herrn Feld ist weiß zur Ernte. S. Zur Schnitterarbeit ruft er auch uns. 3. Dem treuen Knecht wird großer Lohn. Dem Hauptliede ging die Ausführung einer Motette durch den hiesigen Manner gesangverein voran, die zur Erhöhung der festlichen Stimmung nicht wenig beitrug. Auf ven Gottesdienst folgte alsbald die Missionsversammlung im Saale deL hiesigen Gasthofes, die gleichfalls sehr zahlreich besucht