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320 — Die in der Generalversammlung des LandeS- vereinS für innere Mission beschlossene Bertheilung der BußtagSkollekte des (ersten) Bußtages 1893 hatte über 16,500 Mk. zu befinden, d. i. beträchtlich weniger als die Bußtagskollekte des Jahres 1892, wo 18,400 Mk. zur Bertheilung an 28 Anstalten und Vereine der inneren Mission Sachsens gelangen konnten. Dieses Jahr wurden deren 27 betheiligt be dacht und zwar in Prozentantheilen (je 165 Mk.) zu 20 Proz. der Landesverein, zu je 6 Proz. die Diako- niffenanstalt Dresden, das Brüderhaas Obergorbitz, das Leipziger Frauenheim und Martinstift, zu 5 Proz. die Anstalt Kleinwachau, das Diakonissenhaus Leipzig, die Schriftenverbreilung der Kreis- und Stadtvereine, zu je 4 Proz. der Schristenverein, die Magdalenen- vereine Leipzig und Dresden, die Dienstbotenlehran statt Dresden, die Herberge „zur Heimath" in Dippoldiswalde, das Jünglingshaus Groitzsch, das Bethlehemstift Hüttengrund, zu 3V» Proz. die Herberge „zur Heimath" in Lichtenstein, zu je 2 Proz. dergl. zu Zschopau, Neustadt und die Zufluchtstätte Dresden, je 1 Proz. (demnach 165 M.) die Herberge „zur Heimath" in Lausigk, die Kleinkinderpflege Leis nig und die Gemeinvediakonien Marienthal, Reichen brand, Neustädte!, Döbeln und Cunewalde. — Der Maurer Klingler aus Terpitz bei Oschatz, welcher wegen Verdachts der Ermordung des Maurers Fratle in Seidnitz verhaftet war, aber wieder entlassen wurde, da der Schuldbeweis nicht zu er bringen war und K. beharrlich leugnete, hat sich am Freitag in seiner Wohnung erhängt, nachdem er am Abend vorher geäußert hatte, man werde ihn doch wieder ins Gefängniß stecken. — Das kgl. Landgericht Dresden beschäftigte sich am 25. April mit einer Berufung des in Ditters dorf bei Glashütte wohnenden Gutsbesitzers Karl Ernst Aulhorn gegen ein Urtheil des königl. Amts gerichts Lauenstein, wonach er wegen Beamtenbeleidigung eine Geldstrafe von 75 Mark zuerkannt erhalten, an deren Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit 2 Wochen Gefängniß zu treten haben. Als Vertheidiger wirkte Rechtsanwalt Türk. Im Jahre 1891 waren in Dittersdorf und Umgegend gelegentlich des Manövers verschiedene Truppen einquartiert und mußten die hierbei nöthigen Fuhren von den dortigen Bewohnern aufgebracht werden. Der Gemeindenorstand Mende in Dittersdorf beraumte wegen Feststellung des Preises für die Fuhren einen Termin an. Der Preis schwankte hierbei zwischen 12 und 16 Mark für die einzelne Fuhre. Am Tage des Abmarsches der Truppen ver langte der Zahlmeister Janke noch eine Fuhre für die dritte Ablheilung der Artillerie. Da der Gemeinde vorstand Mende wegen Kürze der Zeit diese Fuhre nicht mehr ausbieten konnte, so führte er sie selbst aus, lieferte jedoch den dafür erhaltenen Betrag vor schriftsmäßig an die Gemeindekasse ab und ließ sich später das Geld für die Fuhre daselbst zahlen. Der Angeklagte Aulhorn hat sich nun in Bezug hierauf gegen mehrere Zeugen dahin ausgesprochen, der Vor stand Mende habe die Gemeinde betrogen, indem er den Betrag für jene Fuhre zweimal angenommen, und zwar erst von dem Zahlmeister Jänke, sowie später aus der Gemeindekasse. Der Zeuge Mende erstattete hierüber Anzeige bei der kgl. Amtshauptmannschast Dippoldis walde und wurde daraufhin von der genannten Be hörde bei der kgl. Staatsanwaltschaft gegen Aulhorn Strafantrag wegen Beleidigung des Gemeindevorstandes Mende gestellt und von dem kgl. Amtsgerichte Lauen stein in der oben angeführten Weise erkannt. Nach einer umfänglichen Beweisaufnahme in der Sitzung bestätigte die Kammer das erstinstanzliche Urtheil und wurde deshalb das von Aulhorn eingelegte Rechts mittel kostenpflichtig verworfen. — In dem in dichtem Nadelwalde gelegenen, wenige Minuten vom Bahnhofe Klingenberg ent fernten Sommerheime des Gemeinnützigen Vereins können vom Mai ab schwächliche und kränkliche, über haupt der Erholung bedürftige Kinder im Alter von 8—14 Jahren gegen Entrichtung einer Verpflegungs vergütung von 10 Mark für die Woche Aufnahme finden. Die Kinder erhalten in dem Sommerheime zuverlässige erziehliche Beaufsichtigung und Anleitung zu passender Unterhaltung und Beschäftigung, ferner volle Verpflegung, sowie Bettwäsche. Im vor. Jahre diente bereits dasselbe einer Anzahl von Kindern als Sommerfrische mit großem Erfolge. Königstein. Der hiesige „Anzeiger" schreibt: „Wie uns von zuverlässiger Seite mitgetheilt wird, hat sich die vor einiger Zeit durch verschiedene Zei tungen gelaufene Nachricht, daß die Festung Königstein für den Fremdenverkehr gänzlich abgeschlossen sei, als nicht richtig erwiesen. Das betreffende Verbot erstreckt sich nur auf den großen Fremdenverkehr (größere Gesellschaften u. s. w.) Der Besuch der Festung ist nicht durchaus verboten, sondern wird von der Geneh migung des Herrn Festungskommandanten abhängig gemacht. Es empfiehlt sich, die Erlaubniß vorher schriftlich einzuholen. Nur einzelnen Personen nebst deren Angehörigen kann die Besichtigung der Festung d inglich in der Zeit von Mittags 12 Uhr bis Abends 5 Uhr, nach vorheriger kurzer schriftlicher Anmeldung beim Festungskommandanten, gestattet werden. Ein Eintrittsgeld wird nicht mehr erhoben. Zittau. Als Mörder des am 15. April in der Jeschkenwaldung erschossenen fürstlich Rohan'schen Neoiersörsters Placht wurde der Gemeindevorsteher Bittner—Drausendorf, ein geachteter wohlhabender Mann, verhaftet. Die Entdeckung erfolgte durch den Arzt bei Untersuchung einer entzündeten Schußwunde am Arm, die der Wilddieb vom Reviersörster er halten hat. — Trotz der harten Strafen, die darauf stehen, wird das Spielen im österreichischen Lotto doch nicht unterlassen. So wurden am 20. d. Mts. in Zittau wegen dieses Vergehens wieder ein Schuhmacher und eine Schneiderswittwe gefänglich eingezogen. Waldheim. Daß Zeitschriften in den Restau rationen wohl zum Lesen, nicht aber zum Mitnehmen da sind, sollte doch füglich Jedermann wissen, dennoch kommt es mitunter vor, daß ein oder der andere Gast ohne Skrupel eine Zeitung mttnimmt, woraus er sich dann eventuell aber auch gefallen lassen muß, wegen Diebstahls unter Anklage gestellt zu werden. Dieses unerwartete Geschick widerfuhr dem Damen schneider Mierisch in Waldheim, der aus dem dortigen Bahnhofs - Restaurant drei Nummern einer illustrirten Zeitung mit fortnahm, um sie im Bahnwagen zu lesen. Vom Schöffengericht in Waldheim erhielt Mierisch wegen Diebstahls 2 Tage Gefängniß zuerkannt, gegen welches Urtheil er mit der Begründung Berufung einlegte, die betreffenden Zeitungen bei einem Ex porteur gekauft zu haben. Die in Frage kommenden Zeitungsexemplare waren aber so abgegriffen und „zerlesen", daß der Chemnitzer Gerichtshof seinen Worten keinen Glauben schenkte und die Berufung verwarf. Aus dem Vogtlande. Im Vogtlands befinden sich noch viele kleine, aber auch mehrere sehr große Gerbereien, die besonders ihre Erzeugnisse zur Messe in Leipzig verkaufen. Diese Gerbereien haben schon seit Jahren einen harten Kampf ums Dasein geführt und sind mit jedem Jahre weniger gewinnbringend geworden. Die im vergangenen Jahre durch die Handelsverträge aufgehobenen Zölle auf österreichisch - ungarische Gerberlohe wurde von den Gerbern hier mit großer Freude begrüßt; aber dennoch ist der Wett bewerb derjenigen Gerbereien, die am Meere liegen und den Bezug ausländischer Häute und Gerbstoffe noch billiger haben, als die hiesigen, sehr fühlbar. Der Grund dafür ist auch mit darin zu suchen, daß jetzt viel mit Gerbstoff-Extrakten, Quebrachoholz rc. gegerbt wird, statt mit Eichenlohe. Wenn auch dadurch das Erzeugniß minderwerthig ausfällt, so ist doch das Publikum, das billig kaufen will, eher geneigt, die billigen Leder zu nehmen, als die theuren. Jedenfalls werden sich auch die kleinen Gerbereien nach und nach der neuen Gerbmethode zuwenden müssen. Mylau. Der 17 Jahre alte Fabrikweber Oskar Bernhard Zeidler von hier, welcher Sonntag Nach mittag zu Königs Geburtstag im Freien Freuden- schüsse abseuern wollte, ließ hierbei die brennende Cigarre ins Pulver fallen. Als er diese wieder heraus nehmen wollte, entzündete sich das Pulver und ver brannte diesem unvorsichtigen Menschen die Kleider, sowie beide Hände, die Brust und das Gesicht derart, daß sofort ärztliche Hilfe herbeigeholt werden mußte und er unter gräßlichen Schmerzen krank darnieder- liegt. Ob er wieder hergestellt werden wird, kann man jetzt noch nicht voraussagen. Glücklicher Weise haben die Augen hierbei nicht gelitten. Pausa. Die hiesige Feuerwehr hat eine Rad- fahr-Abtheilung eingerichtet, welche bei eintreten den Brandfällen Hilfe aus Ortschaften, nach denen nicht telephonirt werden kann, Herbeirusen soll. Schellenberg. Dem vorläufigen Ausspruch des Brandkaffeninspektors zufolge sind die Mauern der abgebrannten Stadtkirche und des Thurmes noch sehr gut erhalten, so daß wohl nur Weniges von diesem Mauerwerke wird abgetragen werden müssen, falls der neue Bauplan sich auf das Bestehende und Erhaltene gründet. Das Mauerwerk der Kirche ist seiner Zeit in einer Solidität und Stärke hergestellt, wie es jetzt bei Neubauten wohl selten geschieht. Ver sichert ist das Bauwerk mit Glocken, Orgel, Tausstein, Altar u. s. w., sowie allen hölzernen Sitzplätzen bei der Landesbrandkaffe mit 105,000 M. Die geretteten Gegenstände waren nicht versichert. Mitverbrannt sind u. A. die bei der Orgel befindlich gewesenen Pulte, einige Noten und eine Anzahl dort und in den Kapellen gelegener Gesangbücher. Oschatz. Auch hier beschäftigt man sich gegen wärtig mit der Gründung einer Düngerabfuhr gesellschaft. Das Grundkapital wurde auf 24,000 Mark normirt. Leipzig. Die 5. Klaffe d-r 123. Königl. sächs. Landeslotterie wird vom 8. bis mit 30. Mai, mit Ausnahme des 11., 14., 21., 22. und 28. Mai ge zogen werden. Die Erneuerung der Loose hat bis zum 29. April zu geschehen. (Fortsetzung deS Sächsischen in der Beilage.) Tagesgefchichte. Berlin. Von dem Vorsitzenden der Militärkom mission wurde in der Sitzung derselben am 24. April, in welcher der Bericht über die Vorlage sestgestcllt wurde, mitgetheilt, daß der Präsident des Reichstages beabsichtige, die zweite Lesung der Militär Vorlage im Plenum am Dlenstag, den 2. Mai, auf die Tages ordnung zu setzen. — Die Gewerbeordnungs-Kommission des Reichs tages hat den Antrag des Zentrums, betreffend die Beschränkung des Hausirhandels, unverändert an genommen. — Das „Marine-Verordnungs-Blati" veröffent licht nachstehende kaiserliche Kabinetsordre: „Ich be stimme, daß die von Theilen der Schutztruppe für Deutsch-Oftasrika im Jahre 1892 gelieferten Gefechte, und zwar: 1) das Gefecht bei Jpuli bei Tabora am I. April 1892, — 2) der Angriff aus Quikura qua Siki bei Tabora am 6. Juni 1892, — 3) das Ge fecht bei Moschi am Kilimandjaro am 10. Juni 1892, 4) das Gefecht bei Mhunzi gegen die Mafiti am 27. August 1892, — 5) das Gefecht bei Kondoa am 6. Oktober 1892, — 6) das Gefecht bei Munisagara gegen die Wahehe am 8. Dezember 1892 — im Sinne des tz 23 des Gesetzes, betreff, die Pensionirung und Versorgung der Militärpersonen des Reichsheeres und der Kaiserlichen Marine vom 27. Juni 1871 als ein Feldzng gelten, für welchen den daran betheiligt ge wesenen Deutschen ein Kriegsjahr zur Anrechnung zu bringen ist. — In demselben Sinne ist die von dem Kompagnieführer Ramsay in der Zeil vom 2t. Jan. bis zum ö. Juli 1892 geleitete Expedition in das süd liche Hinterland des Schutzgebiets von Kamerun als ein Feldzug anzusehen." — Offiziös wird geschrieben, es bestehe in amt lichen Kreisen der Wunsch, daß die auf der Dresdner Sanitäts-Konferenz vereinbarten Grundsätze >m Hin blick auf die nahe Gefahr einer Choleraepidemie schon vor der Ratifikation durch die betheiligten Regierungen thatsächlich gehandhabt würden. Die deutsche Regie rung wird bei der Unterzeichnung der Konzession eine hierauf bezügliche Erklärung abgeben und hofft, daß sich die anderen Regierungen anschließen. — Das „Milit.-Wochenbl." enthält in einem zu Gunsten der Militärvorlage geschriebenen Artikel Mit- theilunqen über dieVerluste im Kriege von 1870/74, wie diese in solcher Vollständigkeit bisher noch niemals in die Oeffentlichkeit gekommen sind. ES fielen auf dem Schlachtselde und starben an ihren Wunden auf deutscher Seite 1881 Offiziere und 26,397 Mann; verwundet wurden 4239 Offiziere und 84,304 Mann. Vermißt wurden 127 Offiziere und 12,257 Mann. Der Gesammtrerlust beträgt also 6247 Offiziere und 123,453 Mann. Unter den Vermißten müssen die sog. „Noch-Ver- mißten", d. h. Diejenigen, über deren Schicksal bis zum Jahre 1882 keinerlei bestimmte Nachricht einge gangen war, zu den Tobten gerechnet werden; ihre Zahl belief sich auf rund 4000. Unter Zurechnung dieser, sowie der 17,105 Köpfe, welche die Armee während des Krieges an Krankheiten verloren hat, sind rund 49,400 Deutsche für das Vaterland ge storben. Die Franzosen dagegen verloren rund 2900 Offiziere und 136,000 Mann durch den Tod, wovon 17,633 in deutschen Lazarethen starben. Berechnet man den Antheil der durch feindliche Gewalt Getödteten in den einzelnen Truppengattungen, so ergiebt sich, daß die Infanterie ganz unverhältnißmäßig mehr zu leiden hatte, als die anderen Waffengattungen. Es fielen von der Infanterie, wenn man die Durchschnitts stärke zu Grunde legt, 4,47 Proz., von der Kavallerie 1,40 Proz., von der Artillerie 1,28 Proz. und von den Pionieren 0,37 Proz. Sondert man die einzelnen Kontingente von einander, so ergiebt sich, daß die Hessen für die Herstellung der Einigung des deutschen Reichs das meiste Blut bezahlt haben; es fielen von ihnen 5,97 Proz., von den Bayern 5,58 Proz., von den Sachsen 5,40 Prozent, von den Preußen 4,85 Proz., von den Badensern 3,76 Proz. und von den Württembergern 3,51 Proz. Eine sehr große Anzahl deutscher Soldaten mußte nach dem Kriege als invalid erklärt werden. Bis Ende 1884 wurden 69,895 Unter offiziere und Mannschaften im mobilen deutschen Heere von 1870/71 als Kriegsinvalide anerkannt. Es sind dies 6,28 Proz. aller überhaupt mobil gewordenen deutschen Soldaten. — Wie eS heißt, soll die Insel Helgoland dem nächst ein eigenes Schöffengericht erhalten. Bisher wurde jeden Monat einmal vom Altonaer Amtsgericht ein Termin abgehalten. Es hat sich indessen bereits