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Nr. 33. 59. Jahrgang. DU- „Weißeritz-Zettun^' «scheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 25 Pfg., zweimonatlich 84 Psq-, eimnonatlich 44 Via. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Alle Postan- statten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. Inserate, welche dei ve» bedeutenden Auflage deS Blattes «ine sehr wirk- same Verbreitung finden, werden mit 10 Pfg- die Spaltenzeile oder Seren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirte Inserats mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge sandt, im redaktionellen Thüle, die Spaltenzeit» 20 Pfg. Wchmtz-Zkitmg Amtsblatt für die Königliche Amtshauptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichm Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Verantwortlicher Redakteur: Daul Ithne in Dippoldiswalde. Mit achtskitigem „Nustrirte» Ilntkrhültuiizsblatt". Mit humoristischer Mochklldeilsge „Stifendlrsen". » Mit lind- »lld hourwirthschostlicher Mouotrbeilrze. Sonnabend, den 18. März 1893. Der Schutz des Friedens durch die Fortschritte -es Kriegswesens. Die hervorragendsten Kulturstaaten Europas stehen seit Jahren unter dem beängstigenden Drucke der ge steigerten Kriegsrüstungen und der leider auch nicht selten austauchenden Kriegsbefürchtungen, für Deutsch land ist die Frage der zu steigernden Kriegsrüstungen und der Vermehrung des Heeres sogar in der letzten Zeit zu der wichtigsten geworden, welche seit der Grün dung des deutschen Reiches zu lösen war. Einer sol chen großen militärischen, in alle bürgerlichen Verhält nisse tief eingreifenden Bewegung gegenüber sehnt sich das Herz jedes Patrioten und Menschenfreundes nach einem Lichtblick, nach einer Befreiung von dem furcht baren Gedanken an Vernichtungskriege und Blutmeere, wie sie die Welt noch nicht gesehen haben würde, wenn die Massenheere der Neuzeit mit ihren schnellfeuernden Gewehren und Kanonen sich einmal im Riesenkampfe messen sollten. Der Idealist, der edle Schwärmer und viele gutherzige Menschen haben nun immer Neigung, von der fortschreitenden Bildung und Gesittung der Menschheit eine wachsende Friedensliebe und einen Verzicht auf kriegerische Auseinandersetzung zwischen streitenden Völkern und Parteien zu erwarten, der realistische Staatsmann, der Geschichtsforscher und der die Entwickelungsgeschichte der Völker richtig beurtei lende Philosoph, Schriftsteller, Dichter oder Denker kann diese Hoffnung aber nicht theilen, denn die Welt geschichte lehrt ganz klar und deutlich,daß bei jeder Staaten bildung und Herrschervolksentwickelung der Krieg das treibende und entscheidende Mittel war, und daß ferner selbst der Untergang von ausgelebten, schwachen Staaten, die in naturgesetzlicher Weise anderen kräftigen Staats wesen Platz machen müssen, meist nur durch Kriege herbeigeführt werden kann. Die ideale, edle Friedens liebe kann daher die Menschheit nicht vor Kriegen schützen, weil diese Friedensliebe noch niemals ein treibender Faktor bei der Staatenbildung, bei der Er werbung einer Grobmachtstellung oder bei dem noth- wendigen Untergange eines morschen Staatswesens gewesen ist und wahrscheinlich auch niemals werden wird. In Bezug auf die Kriegs- und Friedensfrage muß eben jeder Grund und Gegengrund realistisch, nach der Natur des Volks- und Staatslebens aufge faßt werden, und da ist wohl soviel sicher, daß immer derjenige Staat, vorausgesetzt, daß er selbst friedliebend ist, stets dann am längsten vor Kriegen bewahrt bleiben wird, je stärker und gefürchteter seine Kriegsrüstung bei den Nachbarvölkern ist. Dieser in der Stärke der eigenen Rüstung liegenden Friedensficherheit ist nun aber in der Neuzeit mit ihren gewaltigen technischen Forschritten noch ein mächtiger Bundesgenosse durch die neuen und sich immer mehr vervollkommnenden Errungenschaften des Kriegswesens erwachsen, denn jeder Staat, welcher einen großen waffentechnischen Fortschritt durchführt, schlägt damit zugleich aus Jahre die Kriegslust seiner Gegner zurück, ja, man kann sagen, daß die gesteigerte Leistungsfähigkeit der Waffen die Kriege, wenn nicht unmöglich, so doch immer sel tener machen wird. So scheint das neuerdings er fundene und von dem Grusonwerke bei Magdeburg gebaute System der Panzerbefestigungen eine Art Re volution im Kriegswesen herbeizusühren, denn diese Panzerbesestigungen, Panzerthürme und Panzerkanonen ermöglichen eine derartig erfolgreiche Vertheidigung wichtiger Plätze und Punkte, daß mit den bisherigen Kriegsmitteln fast nichts dagegen ausgerichtct werden kann. Aus einem enorm starken und festen Stahl- panzerthurme feuert ein Geschütz von furchtbarer Trag weite riesige Granaten dem Feinde auf solche Entfer nungen entgegen, daß er dem Panzerthürme gar nichts anhaben kann. Dabei zeigt dieser neue kriegstechnische Fortschritt den Vorzug, daß er durch Ersparung an Areal, Scha—n und Artilleristen die billigste Befestigung wird. Lsüates und Sächsisches. Dippoldiswalde. Bei den Post- und Eisenbahn behörden wird bekanntlich vom 1. April an auch für den äußeren Dienst die mitteleuropäische Zeit eingeführt und wird alsdann auch an die Staats- und die Ge meindebehörden die Frage der gleichzeitigen Einführung derselben herantreten. Wie wir hören, hat der hiesige Stadtrath beschlossen, vom 1. April an ebenfalls sich dem Vorgehen der Reichsbehörden anzuschließen und die Ll. L. 2. einzusühren. — Die diesjährige Fohlenschau findet am 3. Mai Vormittags auf hiesiger Aue statt, diesmal ohne Prämiirung. — In der Behandlung der Postanweisungen bei den Postämtern treten, wie aus Berlin berichtet wird, vom 1. April d. I. ab einige sehr vortheilhafte Veränderungen in Kraft. Diese bezwecken durch Ver einfachung det Eintragung rc. in die Postbücher seitens der Beamten eine vermehrte Beschleunigung des Geld verkehrs. So werden in den Annahmebüchern für Postanweisungen dann nicht mehr die Namen der Empfänger vermerkt, auch einige weitere Bezeichnungen fortgelassen und bei mehreren nothwendigen Angaben, wie laufenden Nummern und dergl. das Niederschreiben durch Vordrucke erspart werden. DeS Weiteren sollen im Postvermerk der Postanweisungen Aufgabe-Bezirk und -Ort nicht mehr handschriftlich, sondern mittels Stempels angegeben werden. Vorstehende Aenderungen beziehen sich vor Allem auf eine beschleunigtere Ab fertigung des Publikums bei Geldeinzahlungen an dem Schalter. — Der Uebertritt zum Landsturm aller im Jahre 1854 geborenen Landwehrleute 2. Aufgebots erfolgt mit dem 31. d. M. ohne Weiteres; mithin ist eine Einsendung oder persönliche Vorlegung des Militär passes an das Bezirks-Kommando nicht erforderlich. — Die Königl. Brandversicherungs-Kammer hat den Spritzen der Gemeinden Döbra und Börnchen bei Glashütte Prämien nach Höhe von 30 Mk. und beziehentlich von 25. Mk. bewilligt. Dieselben waren gelegentlich des am Abend des 5. Februar bei dem Gutsbesitzer Donat in Waltersdorf entstandenen Brandes rechtzeitig am Brandplatz erschienen und hatten mit Erfolg zur Dämpfung des Feuers beigetragen. Ulberndorf. Vergangenen Dienstag Nachmittag fiel das dreijährige Söhnchen des Fabrikarbeiters Oehme in den zur Karnahlmühle gehörigen Mühl graben und wurde von der beherzten 11jährigen Olga Buschmann mit eigener Lebensgefahr dem sicheren Tode des Ertrinkens entrissen. PaulSdorf. Die hiesige Jagd, die bisher mit 100 Mark verpachtet war, ist dieser Tage für 410 M. an Herrn Seck aus Dresden verpachtet worden. Dresden. Unter Entfaltung aller königlichen Pracht fand am Nachmittag des 15. März das vom König gegebene Galadiner für die Mitglieder der internationalen Sanitätskonferenz statt, an welchem 75 Personen theilnahmen. Die Tafel war auf das Fürstlichste ausgestattet. In der Mitte derselben prangte eins der schönsten Kunstwerke der königlichen Hofsilberkammer, die große silberne, mit sellenen tro pischen Gewächsen gefüllte polnische Epargne, die einen Adler mit dem königlichen polnischen und dem könig lichen sächsischen Wappen zeigt. Auf dem in zahlreiche Falten gelegten purpurrothen, mit zarten Blumen- und Blätterranken decorirten Plüsch kam dieses herrliche Tafelstück äußerst wirkungsvoll zur Geltung. Die beiden Tafelzungen zierten als Hanptstücke einerseits eine mächtige silberne Vase mit dem sächsisch-schwedi schen Allianzwappen, andererseits ein hoher silberner Aussatz, die Saxonia darstellend. Seitlich dieser Meisterwerke der Silberschmiedekunst gewahrte man große Porzellanvasen im Rococostil, Kunsterzengnisse der königlichen Porzellanmanufactur Meißen, die von kleineren, mit lebenden Blumen decorirten Porzellan figuren verschiedenen Genres umgeben waren und reizende Gruppen bildeten. Daran reihten sich kost bare silberne Kandelaber, Frucht- und Blumenkörbe von selten schöner Arbeit, zwischen denen Terrinen u. s. w. von Watteau-Porzellan, kleine Porzellan statuetten aus der griechischen Mythologie und duftende Blumenarrangements gruppirt waren, die dem Ganzen eine außerordentliche reiche Abwechslung verliehen. Im Hintergründe des Banketsaales erhob sich ein großer, mit rothem Plüsch ausgeschlagener Aufbau, auf dem kostbare goldene Geräthschaften, als Schüsseln, Terrinen, Kessel, Figuren u. s. w. aus der königlichen Hofstlberkammer und dem königlichen grünen Gewölbe sich zu einem Sortiment der auserlesensten Erzeug nisse der alten Goldschmiedekunst etagenförmig grup- pirten und der mit einem Kolossaltablett in getriebener Arbeit gekrönt war. Das ganze Arrangement war ein höchst geschmackvolles und vornehmes. Die vielen Kerzenflammen erzeugten bei dem Glanze der herr lichen Gold-, Silber- und Porzellanschätze, sowie des feinen Kristallglaswerkes tausendfache Reflexe, so daß sich dem Auge ein entzückendes Bild bot. Bei dem internationalen Character, den die vornehme Tafel runde durch die Anwesenheit von Vertretern aller europäischen Staaten trug, gestaltete sich das Hoffest zu einem höchst interessanten. - V«8 Uhr wurde die Tafel aufgehoben. —- Aus Dresden schreibt man der „Nationalzeitung": In einigen Einzellandtagen hat die Sozialdemokratie bekanntlich Terrain gewonnen; in diesem Jahre stehen uns nun die Wahlen zur zweiten sächs. Kammer bevor. In der II. Kammer sitzen schon seit Jahren Sozial demokraten unv deren Schaar hat sich bei jeder Er gänzungswahl vermehrt, so daß sie heute relativ stärker in der zweiten sächs. Kammer als im Reichstage sind. Nach dem sächs. Wahlgesetz scheidet alle 2 Jahre ein Drittel aus der Kammer aus. Dieselbe zählte bisher 80 Abgeordnete; jetzt ist diese Zahl um 2 vermehrt, da Leipzig so gewaltig gewachsen, daß es nunmehr 5 statt 3 Abgeordnete zu wählen hat. Im Ganzen sind diesmal 30 Abgeordnete zu wählen; davon waren 20 konservativ, 3 nationalliberal, 3 fortschrittlich und 2 sozialdemokratisch; hierzu kommen die neugeschaffenen Wahlkreise Leipzig IV und V. Die Sozialdemokratie wird in allen 30 Wahlkreisen Kandidaten ausstellen und hofft nicht nur, wie ihre Wortführer verkünden, ihre beiden Wahlkreise (Chemnitz II. und 23. ländlicher Wahlkreis Leipzig) zu behaupten, sondern auch noch eine Anzahl neu zu gewinnen, so daß sie 15 Mann stark in der zweiten Kammer zu erscheinen gedenkt. Das sächsische Wahlgesetz ist für die Sozialdemokratie günstig. Es entscheidet nicht die absolute, sondern die relative Majorität, der Zensus ist ein so geringer, daß es wohl nur wenige Arbeiter giebt, die in Folge dessen von der Wahl ausgeschlossen wären. Nothwendig ist selbstverständlich zur Ausübung des Wahlrechts die sächs. Staatsangehörigkeit. Seit Wochen hat nun die Sozialdemokratie Aufforderungen an die „Genossen" ergehen lassen, dieselbe zu erwerben; und Tausende sind dieser Aufforderung nachgekommen. Die beiden ausscheidenden Sozialdemokraten sind Liebknecht (Chem nitz II) und Goldstein (Leipzig-Land). Diesmal wird die Sozialdemokratie ganz besonders lebhaft agitiren in Dresden V, Leipzig III, IV, V, Zwickau, Meißen, Meerane und im 37. ländlichen Wahlkreise (Hartenstein). Da die Antisemiten ebenfalls eigcne Kandidaten auf stellen werden, so könnte es sich ereignen, daß einzelne Wahlkreise 5 Kandidaten aufweisen werden (Konser vativ, Nationalliberal, Antisemit, Freisinnig, Sozial demokrat) ; die größten Ueberraschungen sind also nicht ausgeschlossen, und in das Gebiet der Unmöglichkeiten gehört es nicht, wenn sich die Sozialdemokraten mit der Hoffnung tragen, die zweitstärkste Partei in der zweiten sächs. Kammer zu werden.