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Der Kampf gtgru dm Koulaugismus io /raokreich. Durch das Anwachsen der Anhänger des Generals Boulanger ist die Lage der republikanischen Regierung in Frankreich eine ungemein schwierige geworden, denn eS giebt jetzt in der Deputirtenkammer nicht nur eine, sondern zwei und drei Wahrscheinlichkeiten für regie rungsfeindliche Mehrheiten, es ist, falls Boulangers Stern noch weiter steigt, nämlich geradezu zu befürch ten, daß eine Anzahl intransigenter Republikaner in der Deputirtenkammer direkt zu Boulanger übergehen, wie es z. B. die Deputirten Laisant und Laguerre bereits gethan haben. Nach dem Borgange von theils berühmten, theils berüchtigten Mustern möchten näm lich viele Politiker Frankreichs und am sehnsüchtigsten ein gewisser Theil republikanischer Chauvinisten zur Herrschaft, zur Macht, zu Ehren und Einfluß, was ja in Frankreich gleichbedeutend ist mit „großen Ein künften", gelangen, und da schließlich doch nicht jeder ehrgeizige Streber selbst Minister oder leitender Staats mann werden kann, so schließen sich diejenigen, bei welchen der Ehrgeiz und die Habsucht stärker ist als der Patriotismus und der ehrenhafte Charakter, aus eigennützigen Gründen einem Manne an, der an die Spitze Frankreichs gelangen könnte und seinen Helfers helfern Ruhm, Ehre und Gold verspricht. In diesem Umstande liegt das ganze für die Franzosen so un rühmliche Geheimniß hinsichtlich der Erfolge Boulangers. Die Hunderte und abermals Hunderte von distinguirten Personen, welche Boulanger, sich dabei bereits als der Herr Frankreichs geberdend, täglich in seinem Saldn empfängt, sind eben lauter Leute, welche sich unter Boulangers Regierung irgend einen persönlichen Vor teil, eine Ernennung, eine Ordensverleihung, eine rentable „Lieferung an den Staat" u. s. w. erhoffen und da die Habsucht und der Ehrgeiz leider ganz ge waltige Faktoren im politischen Leben Frankreichs ge worden sind, so kann man sich denken, welche Schaaren wackerer und überzeugter Anhänger dem „braven" General Boulanger zuströmen. Es ist eine Art Tanz um das goldene Kalb, ausgeführt von Schwindlern, Narren und Gimpeln, der gegenwärtig um Boulanger ausgesührt wird und schwer ist es für die Regierung, dem Schwindel beizukommen, da einestheils Boulanger ebenso dreist in seinem Auftreten als vorsichtig in seinen Worien und Handlungen ist, anderntheils die wankelmüthigen, phantastischen und urtheilslosen fran zösischen Volksmassen förmlich einen Nationalgötzen zu verlangen scheinen. Aber noch wäre es möglich, den Boulangismus erfolgreich zu bekämpfen oder doch seiner staats- und friedensgefährlichen Entwickelung eine an dere Richtung zu geben, wenn die französischen Re publikaner einigermaßen zusammengehalten werden könnten oder wenn, falls dies nicht durchführbar ist, die gemäßigten Republikaner einigermaßen eine gewiss« taktische Annäherung an die alten monarchistischen Parteien Frankreichs vollzögen. Dadurch könnte der Boulangismus gewissermaßen in Schranken gehalten werden und man könnte dann in Frankreich von einem gewissen Gleichgewichte der Parteien reden, welches dazu diente, um ein einseitiges Parteiregiment zu ver hindern. Theoretisch betrachtet, könnte ja eine An näherung der gemäßigten Republikaner an die alten monarchistischen Parteien, z. B. an die Bonapartisten, als ein Versuch erscheinen, den Teufel durch Beelzebub auszutreiben, aber praktisch liegt die Sache doch ganz anders. Gegenüber den Boulangisten sind heute die Bonapartisten und auch die Legitimisten viel weniger in der Lage, der französischen Nation gefährlich zu werden und eine Verständigung der Republikaner mit den alten monarchistischen Parteien zu dem Zwecke, dem staatsgefährlichen Boulangismus einen Damm ent gegenzusetzen, wäre jedenfalls eine politische That, die von staatsmännischer, über den Parteien stehender Ein sicht zhlgte. Naheliegend ist es ja auch, daß die Auf- Hebung des Verbannungsdekrets gegen den Herzog von Aumale, den beliebten Prinzen aus dem Hause Orleans, eine Einleitung zu einer gewissen Annäherung an die rechte Seite der Kammern seitens der Regierung be zwecken soll. Von einer grundsätzlichen Verständigung zwischen Monarchisten und gemäßigten Republikanern in Frankreich kann natürlich nicht die Rede sein, son dern es könnte sich eben nur um ein zeitweiliges prak tisches Zusammenwirken gegen Boulanger handeln. Bei den ganz unberechenbaren Zuständen kann natür lich dieser Versuch nur ein bloßes Phantom sein und dafür der Boulangismus, trotzdem man seinen An hängern mit dem Strafgesetze auf den Leib rücken will, desto mehr feste Gestalt erhalten. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Das Concert, welches die hiesige freiwillige Feuerwehr zum Besten ihrer Unter stützungskaffe veranstaltet, verspricht für die Besucher, da das Programm ein sehr reiches und abwechslungs volles ist, in jeder Hinsicht ein genußreiches zu werden. Ein zahlreicher Besuch ist umsomehr zu wünschen, als die Unterstützungskaffe »och nicht diejenige Höhe er reicht hat, um ihre Thätigkeit zu einer fruchtbringenden zu machen; hoffentlich wird ihr aber diesmal ein be deutender Ueberschuß zugeführt werden können. — Die Zeit, in welcher der hiesige Geflügelzüchter- Verein seine 4. große Geflügel-Ausstellung zu halten gedenkt, rückt immer näher, die Anmeldungen und übrigen Vorbereitungen sind bereits geschehen. Der Verein hat sich für die Ausstellung neue Käfige machen lassen, welche praktisch zusammenlegbar sind und sehr elegantes Aussehen haben. Die Ausstellung bringt fast sämmtliche Arten Hühner und Tauben zur Anschauung und ist es für Kenner wie Laien inter essant, die verschiedenen Spielarten der Farben sowie die Größen zu beobachten und kennen zu lernen. Mit der Ausstellung ist eine Prämirung und Verloosung verbunden und ist der größte Theil der Loose bereits abgesetzt. Zur Verloosung gelangen nur aus der Aus stellung angekaufte Hühner, Tauben, Kanarien rc. Auf die Dekoration der Ausstellungsräume hat der Verein jederzeit viel Fleiß verwandt, doch soll die Aus schmückung des Saales Heuer ganz besonders schön werden. — In Bezug auf das Hühnerhalten braucht man nicht zu glauben, daß große Räume und Fluren dazu nöthig sind; die schweren asiatischen Rassen nehmen mit sehr kleinem Laufraum vorlieb und sind zeitige Winterleger, und manche Abfälle aus der Küche und Reste vom Mittagstisch, welche in die Schlott- und Aschegruben wandern, würden zum Unterhalt eines Stammes Hühner ausreichen. Auch an dieser Stelle wollen wir das Voructheil unserer Landbevölkerung gegen Rassenzucht entschieden zurückweisen und billigen den Grundsatz durchaus nicht, woran noch so viele Landwirthe halten, indem sie sagen, unsere Landhühner sind die besten. Hat Jemand gute Leghühner und sind darunter schlechte Brüter, so sind dies gewöhnlich schon Kreuzungen fremder Rassen mit Landhuhn. Am geeignetsten für unsere Gegend sind die Kreuzungen von Italienern oder Spaniern mit Landhühnern, da beide Rassen nicht brütlustig und dabei gute Eier leger sind. — Im Monat Februar trat von ansteckenden Thierkrankheiten innerhalb der Amtshauptmannschaft Dippoldiswalde der Milzbrand mehr als sonst, näm lich an 3 Orten in je einem Gehöfte, auf. In Ober cunnersdorf waren 21 Rinder gefährdet, von denen 2 erkrankten, 1 derselben verendet, während 1 genas; in Friedersdorf waren 9 Rinder gefährdet, 1 erkrankte und wurde vom Besitzer getödtet, und in Reinholds hain waren 8 Rinder gefährdet, von denen 1 erkrankte und verendete. -s- Frauenstein, 13. März. Am vorigen Sonn abende hat der in Wetzlar verhaftete und an das kgl. UWnh-MiW Verantwortlicher Redacteur: Carl Ithnt in Dippoldiswalde. Nr. 33 55. Jahrgang Sonnabend, den 16. März 1889 Landgericht zu Freiberg abgelieferte Emil Richter aus Hartmannsdorf, unserm Gendarm Balzer gestan den, der Urheber der seit einem Jahre bei den Guts besitzern Friedrich Julius Schneider, Wittwe Kaden, Wittwe Hänel, Louis Zimmermann und Samuel Lempe in Hartmannsdorf stattgefundenen Brände zu. sein. Desgleichen hat er eingerüumt, die Brandstiftung-, versuche beim Gutsbesitzer Göhler in Reichenau und beim Hausbesitzer Kästner in Hartmannsdorf verübt zu haben. — Sonntag, den 24. März, wird im Gasthause zum goldenen Löwen ein Preis-Skat-Spiel statt finden. Einladungen hierzu werden in den nächsten Tagen ergehen. Kipsdorf. Nach einer an den hiesigen Gemeinde rath gelangten Verordnung der kgl. Amtshauptmann schaft Dippoldiswalde, hat auf Bericht derselben die kgl. Brandversicherungskammer genehmigt, mit Rück sicht darauf, daß die sämmtlichen, von dem vormaligen Bärenburger Staatsforstreviere zum Zwecke der Be bauung mit Wohnhäusern abgetrennten Parzellen, ein schließlich der fiskalischen Bahngebäude an der hiesigen Haltestelle, in Bezug auf Schulwesen, Polizei und Armenversorgung bereits nach Kipsdorf gewiesen sind, und was die in Privatbesitz gelangten Parzellen be- , trifft, solche auch in gemeinderechtlicher Beziehung der hiesigen Gemeinde zugehören, nunmehr auch die fis kalischen, zeither in das Brandversicherungskataster von Bärenburg eingetragenen Bahngebäude unter den vor gedachten Umständen in das Kataster für hiesigen Ort zu übertragen. S Glashütte. Zu Ehren eines ihrer Arbeiter, welcher länger als 10 Jahre in der Fabrik arbeitete, gab die Firma Strasser L Rohde, Werkstatt für Prä zisions-Instrumente, hier, ihren sämmtlichen Arbeitern ein Fest, an welchem sich auch die Frauen betheiligten. War dieses Fest auch einfach, so legt es immerhin ehrendes Zeugniß ab für Arbeitgeber und Arbeiter. 4 Poffendorf. Vor einer zahlreichen Zuhörer schaft hielt am vergangenen Mittwoch Abend Herr Sup. Opitz-Dippoldiswalde im hiesigen landwirthschaft- lichen Verein einen hochinteressanten Vortrag: „Julius Cäsar nach Shakespeare." Mit sichtlichem Interesse und größter Spannung folgte die Versammlung den Worten des geistvollen, geschätzten Herr« Redners und lohnte am Schluffe des Vortrags die Mühe desselben durch reich gespendeten Beifall und herzlichen Dank. Dresden. Dem am 16. Juni stattfindenden Wettin- Jubiläum wird dem Vernehmen nach eine außerordent liche Sitzung der sächsischen Ständeversammlung vorangehen, für welche der 12. Juni in Aussicht ge nommen ist. Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um Beschlußfassung über ein in Form einer Landes stiftung zu gewährendes Huldigungsgeschenk. — Gegenüber der durch die Blätter gehenden Mit- tyeilung, daß die diesjährigen Herbstmanöoer des sächsischen Armeekorps in Anwesenheit des Kaisers in der Lommatzscher Gegend stattfänden, verlautet jetzt von militär-amtlicher Seite, daß über Zeit und Ort der diesjährigen Hebungen irgendwelche Bestimmungen noch nicht getroffen worden seien. — In dem bekannten Heller'schen Millionen-Pro- zeß (die Getreidehändler Gebrüder Heller in Dresden waren wegen Steuerhinterziehung bekanntlich zu einer Gesammt - Geldstrafe von über 500,000 Mark und Tragung der Prozeßkosten verurtheilt worden) hatten die Beklagten den Gnadenweg beschritten. Nach der den Genannten zugegangenen Eröffnung hat hierbei eine Aenderung der Strafe aber nicht erfolgen können. — Die diesjährige Versammlung der deutschen Forstmänner wird im Monat August in Dresden stattsinden. Dohna. Unter den den Fuhrwerksbesitzern Her berg und Zschöcköl gehörigen Pferden ist die Rotz krankheit zum Ausbruch gekommen, weshalb dieser Amtsblatt für die Königliche Umtshauptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Inserat«, welche bei de» bedeutenden Auflage dH S Blattes ttne fahr wirt' ö- same Berbrettungstnde«, U «erden mit 1V Psg. dia Spaltenzeile oder oere» Raum berechnet. — Ta- . bellarische und complicirt» , , j Inserate mit entsprechen- dem Aufschlag. — Eina»- K sandt, im redaktionell«» Theile, die Spaltenzeile . 8 M Pfg. - Die „Wei-eritz-Ieitung" «scheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. W Pfg., zweimonatlich 81 Pfg., einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Alle Postan- stalten, Postboten, sonne die Agenten nehmen Be stellungen an.