Volltext Seite (XML)
Zum Tage von Sedan. In Arbeit und rüstigem Schaffen verlebt das deutsche Volk, um mit Göthe zu reden, „sein tüchtig Jahr". Es ist im Großen nicht mit Reichthümern gesegnet und darf nicht aufhören, zu streben und zu ringen, wenn es die Mission erfüllen soll, ein stets an Bedeutung wachsender Träger der Kultur, ein Hort des Friedens der Völker zu sein. Deshalb muß es unentwegt an sich selbst arbeiten, damit es sich stärke und kräftig werde. Aber inmitten der Tage rastloser Mühe und strenger Selbstzucht ragen andere gleich hohen Merk zeichen empor, die zur Ruhe mahnen, die uns auf fordern, den Blick emporzuheben von der gewohnten alltäglichen Beschäftigung und auf weitere Kreise in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft das Auge zu richten. Dazu gehören neben den kirchlichen Festen, die wir als religiöse Menschen feiern, jene Tage, welche uns stärker als sonst mit dem Gefühl des Stolzes er füllen, Deutsche zu sein. Wie wir am 22. März em porschauen zu dem greisen Herrscher auf dem deutschen Kaiserthron und das Gelübde der Treue und Vaterlands liebe in unserm Herzen erneuern, so fühlen wir in der Erinnerung der Thaten, die uns der 2. September, der Tag von Sedan, wieder in das Gedächtniß zurück ruft, daß wir Glieder einer starken Nation sind, deren Stimme überall auf dem Erdenrunde wuchtigen Klang hat, und die auch da, wo sie keine Sympathie und Freundschaft sich erringen konnte, gewiß sein darf, Achtung vor ihrer Machtstellung zu finden. Und daß unsere Nation zu dieser Höhe gelangt, das verdanken wir den weltgeschichtlichen Ereignissen der Jahre 1870 und 1871, die ein einiges deutsches Reich geschaffen und den Traum so vieler Vaterlandsfreunde verwirk licht haben, welche für dieses hehre Gebilde lebten, wirkten und litten. Im Lande des damals so sieges gewissen, so übermüthigen Feindes, auf dem Boden Frankreichs, wuchs das einige deutsche Volk empor, eine köstliche Frucht an jenem Stamme unvergänglicher Siegesthaten, der mit dem Blute von Tausenden deutscher Brüder begossen wurde. Als eine der glän zendsten unter jenen Thaten aber wird für alle Zeit die Schlacht bei Sedan, die Gefangennahme eines großen französischen Heeres und selbst des Kaisers der Franzosen in den Büchern der Weltgeschichte verzeichnet stehen. Jetzt, nachdem sechszehn Jahre seit jenen großen Ereignissen verflossen sind und ein ruhigerer, geklärter Patriotismus an die Stelle der damaligen hinreißenden Kampfbegeisterung getreten ist, erscheint zwar die hier und da aufgeworfene Frage begreiflich, ob es nicht besser sei, anstatt des Tages von Sedan, dessen Er innerung durch manche Thränen der Wittwen und Waisen getrübt werde, den Tag der Kaiserproklamation oder des Friedensschluffes zum patriotischen Gedenk feste zu machen, aber dennoch wird man diese Frage verneinen müssen. Das Sedanfest ist keine von oben angesetzte Feser, es ist mit elementarer Gewalt aus dem Drange des Volkes selbst entstanden, und das mit gutem Grunde. Die Kaiserproklamation mag eine tiefere, innigere Freude im deutschen Herzen erregt, der Friedensschluß einen drückenden Alp endlich von der deutschen Brust genommen haben, der ob der Fort setzung des Krieges bangte — den Höhepunkt stürmischer Empfindung aber, den Gipfel patriotischer Freude brachte uns der Tag von Sedan mit seiner gewaltigen Botschaft: „Der Kaiser, der Kaiser gefangen!" Den Tag von Sedan wird auch diesmal das deutsche Volk, das sich so lange schon der Segnungen des Friedens erfreut, mit Dank gegen den Höchsten, mit Dank gegen alle Diejenigen feiern, die an dem großen Werke mitgearbeitet, die Steine zu dem stolzen Bau des deutschen Reiches herbeigetragen und geschichtet haben, in erster Reihe gegen Kaiser Wilhelm, den Friedensfürsten und ersten Träger der neuen deutschen Krone. „Herr Gott im Himmel, welche Wunderblume Wird dann vor Allen dieses Deutschland sein" sang Ferdinand Freiligrath schon vor vielen Jahren, als der Gedanke an die Einigung unseres deutschen Volkes noch als ein Verbrechen angesehen, als seine mannhaften Vorkämpfer verfolgt und eingekerkert wurden; und es ist eine Wunderblume geworden, an der wir unser Herz ergötzen müssen, wenn auch nicht Alles so gekommen ist, wie unsere Väter träumten, wie wir selbst vielleicht es gewünscht und gehofft haben. Die Gegensätze der Parteien verstummen an diesem Tage, die Fahnen wehen von den Häusern der Liberalen wie der Konservativen. Der Ruf des obersten Kriegs herrn, des allverehrten Kaisers, hat Alle in gleicher Begeisterung zu den Fahnen geführt, mit gleicher Tapferkeit haben sie Alle gekämpft, und der unerbittliche Tod, wenn er seine Sichel schwang, hat nicht gefragt, welcher Partei, welchen Glaubens der sei, den er fällte. Darum muß bei dem Gedanken an den ruhmreichen Tag des großen Krieges alle Deutschen der Wunsch beseelen, zu sein „ein einig Volk von Brüdern." Und wenn Diejenigen, deren Lieben die kühle Erde deckt, gerade an diesem Tage den alten Schmerz über den Verlust neu hervorbrechen fühlen, so wird das Bewußt sein sie aufrichten, daß ihre Gatten, Söhne und Brüder nicht umsonst den Tod für das Vaterland erlitten haben. Dann werden sie mit ruhigerem Herzen die Bilder der Gefallenen mit Blumen schmücken und Kränze niederlegen können an den Denkmälern, die der Er- innerung der todten Helden geweiht sind. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde, am 1. September. Das mili tärische Leben dauert bei uns fort. Alle Morgen 7 Uhr Ausmarsch, dem immer eine Anzahl Wißbegierige folgen, dann bisweilen Proviantfuhren, Ordonnanzen, Rückkehr der Ausgerückten mit Trommelschall und Hörnerklang, in der Regel Tafelmusik auf dem Markte, Aufstellungen, Nachexercieren rc., rc.; es wird recht still bei uns sein, wenn die Kantonnements ihr Ende er reicht haben werden. Während am Montag Gefechts übungen zwischen Steinbrückmühle, Hennersdorf und Sadisdorf stattgefunden hatten, wurden dieselben gestern, am, Dienstag, näher der Stadt, zwischen Sadis dorf und Reichstädt vorgenommen, natürlich stets mit Verantwortlicher Redacteur: Cärl Ichne in Dippoldiswalde» Inserate, «Äche dek bedeutenden Auflage de« Blattes eine sehr wirk same Verbreitung finden, «erden mit 1V Pfg. di« Spalten,eile oder oeren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirt« Inserate mit entsprechen dem Ausschlag. — Einge sandt, nn redaktionelle» Theile, die Spaltenzeil» 80 Pfg. „Wek-erltz-Zeitung" «scheint uOchentfich drei- Mgl: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 DI rs Pfg-, zweimonatlich 84 Pfg-, einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummer« 10 Pfg. — Alle Postan fialten, Postboten, sowie Vie Agenten nehmen Be stellungen an. Wntz-MiiH Amtsblatt für die Königliche Amtshauptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Nr. 101. Donnerstag, den 2. September 1886. 52. Jahrgang. Gegrüßt in Deinem Strahkenzrichen, Fest aller Deutschen — Sedantag, An dem auf blutgetränkten Fluren des Erbfeinds Macht in Trümmer brach; O Tag, aus dessen Schlachtendonner die deutsche Einheit uns erstand, An dem im wilden Kampfgewühle der Deutsche sich zum Deutschen fand! Wohl war'S ein grimmig.heißeS Ringen dort einst bei Sedan auf dem Plan, Wo Tausende von Deutschlands Söhnen zum letzten Mal die Sonne sah n, Doch all' die braven deutschen Krieger, die dort dem Schlachtentod geweiht, Sie kämpften und sie sind gestorben für ihres Volkes Einigkeit! D rum klingt's von ihren Ruhestätten zu uns wie leiser Mahnruf her: „Was wir mit unser'm Blut errungen, für das gekämpft wir treu und schwer, O, deutsches Volk, daS halt' in Ehren, o, deutsches Volk, das halte fest, Wenn neue Stürme Dich umbrausen, sei eS von Osten, sei's von West!" Wohlan, so sei zum heut'gen Tage aufs neu geweiht der Einheit Band, Von dem umschlungen Deutschland's Stämme vom Alpenfuß zum Meeresstrand, Wohlan, Ihr, Einer Mutter Söhne, erneuert heut' den heiligen Eid: Zu sein ein einig Volk von Brüdern, dem ferne inn'rer Zwist und Streit! Run aber laßt die deutschen Fahnen zum „Tag der Deutschen" lustig weh'n — Nun laßt die Freudenfeuer glühen vom Meer bis zu der Alpen Höh'n; Und von den Häuptern der Vogesen bis hin zum fernen Ostseestrand Soll brausend heut' der Ruf ertönen: Magst ruhig sein, lieb Vaterland! markirtem Feinde. Auch Bivouaks haben fiattgefunden. Bei dem erfreulicherweise bis jetzt aushaltendem trockenem, wenn auch für Manöverübungen wohl zu warmem Wetter, dürften diese Feldlager mehr als eine ange nehme Abwechselung, denn als Strapaze anzusehen sein, und so waren dieselben denn von Schaulustigen fast ebenso zahlreich besucht als die vormittägigen Manöver. — Auf die in der heutigen Nummer wiederholte Einladung zum Schulactus am National festtage, den 2. September, möchten wir schließlich noch aufmerksam machen. Dem Vernehmen nach wird die Festrede von Herrn Schuldirektor Engelmann gehalten werden. — Nachdem Prinz Georg und Prinz Leopold von Bayern den Manövern am Dienstag beigewohnt haben, wird auch König Albert am 3., 4. und 6. September denselben in hiesiger Gegend anwohnen. — Am späteren Abend des vergangenen Montag ist in der Wendischcarsdorfer Haide ein harmloser Reisender von zwei Strolchen angefallen, am Halse gewürgt, niedergeworfen und ihm mehrere Schnitt wunden beigebracht worden. Der Angefallene hat so dann einige Stunden ohnmächtig gelegen, doch ist eS ihm nach Erwachen möglich gewesen, sich nach der Stadt zu schleppen, die er gegen 11 Uhr erreicht hat. Hoffentlich wird es gelingen, die Wegelagerer dingfest zu machen. — Am 30. August wurde das Pferd eines nach, Reinholdshain fahrenden Geschirres, in dem ein Offizier ' saß, scheu, warf den Wagen im Umdrehen um und ging durch. Beide Insassen, Offizier und Kutscher, wurden etwas geschleift, da sich aber glücklicher Weise bald die Deichsel loslöste, kamen sie ohne nennens- werthe Beschädigung davon. — Wie schon seit vielen Jahren, wollen wir auch Heuer unsere Mitbürger auffordern, zum Sedantage ihre Häuser festlich mit Fahnen und Flaggen zu schmücken. — Die Sonntage werden jetzt sehr oft und gern dazu benützt, nach Haselnüssen und Pilzen zu suchen, auf welch' beiden Fruchtgattungen in diesem Jahre ein besonderer Segen zu ruhen scheint. Ist es nun an und für sich unstatthaft, ohne Genehmigung in den Büschen und Forsten umherzufuchen, so ist es geradezu ein Frevel, sich bei der trockenen Jahreszeit mit brennender Cigarre oder Pfeife in den Gesträuchen aufzuhalten und dürfen sich etwa zur Anzeige Gebrachte. strengster Strafe gewärtigen. — Unter der jetzt herrschenden enormen Hitze lei den entschieden am meisten unsere Säuglinge. Leider können sie noch nicht sprechen, sonst würden sie gewiß laute Klagen über ihre unzweckmäßige Kleidung und namentlich über die dicken Betten, in denen sie, fest eingehüllt, den heißen Sonnenstrahlen im durchglühten Kinderwagen ausgesetzt sind, von sich stoßen. Die armen Kinder liegen förmlich in einem chronischen Schwitzbad; eingewickelt und festgebunden in dicken Federbetten, angezogen mit dicken Jäckchen und Häub chen, so sieht man sie täglich jetzt den heißen Sonnen-