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scheint, als sei er durch das Laster der Genußsucht auf die Diebesbahn geführt worden. — Durch den am Freitag den ganzen Tag und die Nacht anhaltenden Regen sind die Gimmlitz und Bobritzsch dermaßen angeschwollen, daß sie aus ihren Ufern herausgetreten sind und die anliegenden Wiesen überschwemmt haben. Hierbei ist leider von der Wasser- sluth viel Heu mit fortgerissen, und das noch stehende Gras sehr verschlämmt worden. Dresden. Der im Bureau des königl. sächsischen Landeskulturraths überden Saaten st and im König reich Sachsen im Monat Juni d. I. gegebenen allge meinen Uebersicht zufolge ist der Stand der Feld früchte im Allgemeinen ein sehr schöner; es wird nur wenig über dünnen Stand oder schlechten Körneran satz geklagt, nur die begonnene Napsernte weist ein schlechtes Resultat auf, da nach dem Glanzkäfer noch stellenweise die Schotenmade sich einstellte. Frühe Flachssaat steht schöner als späte, auch machte sich der Anbau nach belgischer Methode dadurch günstig bemerk bar, daß die Felder viel weniger Unkraut zeigen als früher. Die Kartoffelfelder zeigen mit sehr wenig Aus nahme schönen Stand, doch ist in zwei Bezirken Kräuselkrankheit bemerkt worden, und in mehreren Bezirken sind die Felder durch starke Regengüsse ver schlämmt. Wenig Gutes ist über den Kleestand zu berichten, dessen erster Schnitt bis auf einzelne Bezirke sehr spärlich ausfiel, während der Nachwuchs infolge der kühlen Witterung nicht vom Flecke kommt. Reicher ist die Heuernte, doch hat die unbeständige nasse Witterung dieselbe sehr verzögert und die Qualität des Futters beeinträchtigt. In einzelnen Zuckerrüben feldern haben sich massenhaft Engerlinge bemerkbar gemacht. Obstansatz und -Ernte sind geringer als vorher angenommen. — Die sächsische Dampfschifffahrts-Gesell schaft beging am 8. Juli festlich die Feier ihres 50jährigen Bestehens durch eine Festfahrt mit dem Schiffe von Pirna nach Schandau und einer Tafel in letzterer Stadt. — Den leitenden Organen der Gesell schaft wurden Ordensauszeichnungen während der Fahrt überreicht. Pirna. Infolge der Regengüsse der letzten Tage lösten sich in der Nacht zum Sonnabend unterhalb der Haltestelle Vogelgesang Fels- und Schuttmassen los und verschütteten beide Gleise der sächs.-böhm. Staatsbahn. Gegen >/»3 Uhr Nachts raste der Wien- Dresdner Schnellzug daher und gerade in die Mafien hinein. Selbstverständlich entgleiste der Zug sofort und wenn auch Lokomotive, Tender und mehrere Waggons theils zertrümmert, theils stark beschädigt wurden, ist glücklicherweise ein Verlust von Menschen leben nicht zu beklagen. An der Freimachung der Strecke wurde sofort rüstig „gearbeitet. — Auch die Gottleuba hat viel Verheerungen angerichtet; nach Rottwerndorf wurde die Feuerwehr zur Hülfe gerufen. Brand. Anfang voriger Woche verfuhren im Erzbergbau Himmelsfürst Fundgrube zwei Häuer eine reichgesegnete Schicht, indem sie beim Abtreiben eine von außen ganz unscheinbare, aber desto reichere Stufe auffanden. Dieselbe mißt in der Länge 56 Centi- meter, 35 Centimeter breit und hat einen Durchmesser von IO Centimeter, ist ellypsenartig geformt und wiegt 98 Kilo, was trotz der leider so tief gesunkenen Silber preise den ansehnlichen Werth von etwa 10,000 Mark ergiebt. Außer dieser edlen Stufe wurden aber noch einige Tröge zersplitterte Theile aufgesäubert und er giebt der gesammte Fund einen Werth von ungefähr 16,000 Mark. AuS dem oberen Voigtlande. Jetzt haben unsre Handweber wieder einmal so viel zu lhun, daß sie kaum genug fertig bringen können. Nach der langen arbeitslosen Zeit im vergangenen Winter ist dies sehr erfreulich. In erster Linie wird viel Flanell für Reichenbacher Fabrikanten gefertigt, doch auch Beige und halbwollener Jacquardstoff scheint wieder Anklang zu finden. Ein gleich lebhafter Geschäftsgang ist bei den Webwaarenfabrikanten in Asch und Roßbach zu bemerken. Die Weber könnten jetzt das Doppelte liefern, sie würden damit den Fabrikanten nur einen Gefallen erweisen. Diejenigen Fabrikanten, welche Wollartikel fabriziren, bei ihrer Berechnung im Früh jahre aber die damals billigen Wollpreise als Unter lage genommen haben, werden freilich dabei wenig verdienen, weil inzwischen die Preise für wollene Garne sehr bedeutend gestiegen sind. Chemnitz. Der sächsische Gemeindetag wurde am 10. Juli vom hiesigen Oberbürgermeister Andrö eröffnet. Auf der Tagesordnung standen Fragen über die Städtereinigung, über den Ausschank von Getränken und über das Krankenversicherungsgesctz. Als nächster Versammlungsort wurde Leipzig gewählt. (Von Dip poldiswalde hatten sich Herr Bürgermeister Voigt und Herr Kaufmann Dreßler, stellvertretender Stadtver- ordnetenvorstcher, nach Chemnitz zur Theilnahme an den Verhandlungen begeben.) — 390 — Anuaberg. Bei einer Vergnügungstour ward hier kürzlich ein junges Mädchen ohnmächtig und verstarb bald darauf am Gehirnschlag; wie sich herausstellte, war infolge zu starken Schnürens des Korsetts eine Hemmung der Blutcirkulation und so der traurige Fall veranlaßt worden. Riesa. Auch das fünfte Opfer der Katastrophe in Leute witz, wobei bereits beim Einsteigen in eine mit Gasen gefüllte Grube vier Menschen sofort todt waren, hat sich von seiner Betäubung nicht erholt, sondern ist am Donnerstag verstorben. Leipzig. Das kgl. Schwurgericht verhandelte am Mittwoch über den Schriftsetzer Melzer aus Volkmars dorf und den Handarbeiter Zehne aus Lindnaundorf, welche im Januar d. I. den Aufsehen erregenden Naubmordversuch in der Dähne'schen Weinhandlung verübten, und verurtheilte ersteren Angeklagten zu 15 Jahren Zuchthaus, den letzteren zu 13 Jahren Zucht haus, Beide überdies zu je 10'Jahren Ehrenrechts verlust und Stellung unter Polizeiaufsicht. Tagesgeschichte. Berlin. Nächste Mittwoch, den 14. Juli, wird wiederum eine Sitzung des Bundesrath es stattfin den, wenn die Ausschüsse bis dahin die Ausführungs bestimmungen zum Zuckersteuergesetze durchberathen haben. Alsdann tritt in den Sitzungen des Bundes- rathes eine längere Ruhepause ein. — Kaiser Wilhelm hat am 10. Juli, Nach mittags, Ems verlassen und sich, nach einem Besuche bei der Kaiserin in Koblenz, nach der Insel Mainau im Bodensee begeben. — Die aufgetauchten Nachrichten, daß eine Spät sommersession des Reichstages in Aussicht stehe, wird feiten der Regierung auf das bestimmteste widersprochen. — Ein neuer Thronfolgestreit scheint der kaum geregelten bayerischen Negentschaftsfrage auf dem Fuße folgen zu wollen. Und zwar handelt es sich diesmal um die Erbfolge im Fürstenthum Lippe. Die Lage der Dinge ist diese: der regierende Fürst Woldemar, der bereits im 63. Lebensjahre steht, hat keine direkten Leibeserben, während der Erbprinz Alexander sich seit Jahren unter Vormundschaft befindet und die den beiden erbherrlichen Linien angehörigen Agnaten über alle Welt zertreut und ohne jede Fühlung mit dem Hof in Lippe sind. Angesichts der Eventualität nun, die den Thron von Lippe über kurz oder lang frei machen könnte, hat sich der Chef der älteren erbherr lichen Familie, ein Rittergutsbesitzer in Posen, an den Bundesrath mit der Eingabe um Regelung der Lippe- schen Erbfolge gewandt. Der Bundesrath hat jedoch dieses voreilige Gesuch, das übrigens auch Protesten des Fürsten von Schaumburg-Lippe begegnet, rund weg abgelehnt. — Das neue Exerzier-Reglement für die Ka vallerie, zu dessen Abfassung eine Kommission in Berlin unter dem Vorsitze des kommandirenden Gene rals des 11. Armeekorps, v. Schlotheim, zusammen getreten war, ist den Truppen bereits zugegangen. Dasselbe läßt erkennen, daß man immer mehr bestrebt ist, in Bezug auf die Gefechtsverwendung der Reiterei zu der alten ruhmreichen Ueberlieferung Friedrich's des Großen znrückzukehren, welche damals der preu ßischen Reiterei ihre unerreichten Erfolge verschaffte. Die Abänderungen, die für die eigentliche Exerzier technik vorgenommen sind, zeigen überall das Bestreben der Vereinfachung. Es ist deshalb auch eine Verein fachung der Kommandos und Signale eingetreten, ebenso eine Verkürzung des Weges zum Aufmärsche. Ein neuer Paragraph enthält Bestimmungen über das lautlose Nachreiten und das Exerzieren nach Säbel winken ohne Kommandos. Eingreifender noch als die Schwadron wird das Regiment durch die neuen Bestimmungen betroffen. Das Ausführungssignal ist überall in Wegfall gekommen. Aus der Regiments tiefe wird nach beiden Seiten aufmarschirt, ebenso ge schieht die Entwickelung der nach der ganzen Flanke abgeschwenkten Regimentskolonne ebenfalls nach beiden Seiten, die beiden der Tete folgenden Schwadronen nach rechts, die übrigen nach links. Der Regiments kommandeur giebt seine Kommandos künftig nur in der Forni von Avertissements ab. Die Formation der Schwadronskolonnen in Halbkolonnen besteht nicht mehr, ebenso ist das Einschwenken nach der ganzen Flanke aus Schwadronskolonnen fortgefallen. Wichtig ist ferner die Bestimmung, daß ein einzelnes Regiment sich nicht in Treffen gliedern soll, und erfreulich die neue Bestimmung, daß der altpreußische Kriegsruf „Hurrah" nunmehr auch seitens der Kavallerie bei dem Einbruch in den Feind in Anwendung kommt. — Die in Solingen für die englische Armee ge fertigten Säbelklingen müssen folgende Probe be stehen: Die Klingt muß zuerst eine Belastung von 16 Kilogramm auf die Spitze gelegt ertragen, ohne eine Durchbiegung erkennen zu lassen. Alsdann wird dieser Druck so vermehrt, daß die Klinge, sich durch biegend, sich um 16 Centimeter verkürzt und trotzdem wieder gerade springt. Nach einem mit der Schneide unter Anwendung voller Manneskraft auf einen Eisen block ausgeführten Hieb und einem gleichen mit der Rückseite, wonach durch Einlegen in eine vertiefte Schablone die genau vorgeschriebene Krümmung kon- trolirt wird, folgt die Biegeprobe. Zu diesem Behufs wird die Klinge in einer besonderen Vorrichtung flach einer Biegung von SO Grad ausgesetzt und muß wieder genau gerade springen. Darauf wird das Gewicht derselben und endlich die Lage des Schwerpunktes untersucht und nun erst schlägt der Beamte seinen Abnahmestempel darauf. In der That, die deutsche Industrie kann sehr stolz darauf sein, daß sie solchen Anforderungen zu genügen vermag! Stettin. Am 10. Juli Mittags fand auf der Werft des „Vulkan" der Stapellauf des ersten großen Reichspostdampfers statt. Der Taufakt wurde von der Gemahlin des Oberpräsidenten der Provinz Pommern, Gräfin Behr-Negendank, vollzogen. Der Dampfer erhielt den Namen „Preußen". Der Feierlichkeit wohn ten bei: die Staatsminister von Puttkamer und von Bötticher, die Unlerstaatssekretäre Eck und Herrfurth, der Direktor im Neichspostamt Sachse, mehrere höhere sächsische, württembergische, badische, hessische, sowie hanseatische Würdenträger, mehrere Räthe der Ad miralität, der chinesische Gesandte, der Konsul H. H. Meier vom Norddeutschen Lloyd, die Spitzen der Provinzial-, Militär- und städtischen Behörden, sowie zahlreiche Zuschauer. Bayern. Im Bahnhofe zu Würzburg stießen am 9. Juli beim Nangiren mehrere Waggons zusammen, von denen 3 total zertrümmert, mehrere stark be schädigt wurden. Ein Arbeiter wurde verletzt ins Spital gebracht, 2 andere retteten sich durch recht zeitiges Abspringen. Oesterreich. Der Unterrichts-Minister vr. von Gautsch, welcher augenblicklich in Böhmen die Schulen inspiziit, fand in den czechischen Mittelschulen eine er schreckende Unkenntniß der deutschen Sprache. All gemein werden, um derselben abzuhelfen, energische Maßnahmen seitens der Negierung erwartet. Der Minister empfahl sofort dringend den czechischen Mittel schulen den Unterricht in der deutschen Sprache. — Das sind die Folgen des Taaffe'schen Systems! Oesterreich-Ungarn. Der „Pester Lloyd" bringt an erster Stelle einen sachlich gehaltenen Artikel über die Einführung der Gold-Währung in Oesterreich- Ungarn, worin die Frage, ob der Franc oder die Mark als Münzeinheit adoptirt werden soll, wie folgt be antwortet ist: „Für uns ist die Mark als die Münz einheit Deutschlands — mit welchem Staate uns innige, politische, kommerzielle und industrielle In teressen verbinden — unstreitig die in jeder Beziehung geeignetste Münzeinheit; die Mark würde dann einem Areale nahezu gleich einem Achtel Europas mit circa 85 Millionen Seelen, sonach mehr als einem Viertel der europäischen Bevölkerung als Münze dienen, also eine sehr bedeutende Nolle im Geldverkehr Europas spielen. Mit Berücksichtigung der besonderen Ver hältnisse unserer Monarchie würde es sich empfehlen, die kleinste Goldmünze mit zehn Mark auszuprägen." — Im Hinblick darauf, daß die Gleichheit des Münz wesens eine Hauptförderung des Gedankens eines deutsch - österreichisch - ungarischen Zollbundes bilden würde, ist diese Kundgebung de^ „Pester Lloyd" von besonderer Wichtigkeit. — Das österreichische Kaiserpaar wird Kaiser Wilhelm in Gastein einen 2 tägigen Besuch abstatten und daselbst an« 7. August eintreffen. Schweiz. In der Schweiz beging man in vo riger Woche die 500jährige Erinnerungsfeier an die Schlacht bei Sempach. Am 9. Juli 1386 war es, daß bei dem Städtchen Sempach im heutigen Kanton Luzern 1400 Schweizer Bürger 6000 Mann Oesterreicher, unter denen sich 4000 geharnischte Ritter befanden, die von dem ritterlichen Herzog Leopold von Oesterreich persönlich geführt wurden, vollständig schlu gen, durch welche Niederlage die Herrschaft der Habs burger in Helvetien gebrochen wurde, wenngleich die selbe erst mit der Schlacht bei Näsels (9. April 1388) ihr vollständiges Ende erreichte. Mit Fug und Recht können daher die heutigen Eidgenoffen das Andenken dieses Tages, an welchem die glänzende Tapferkeit ihrer Vorfahken das Land von drückender Fremd herrschaft befreite, feiern, und auch in Oesterreich selbst wird man schwerlich Anstoß an der Sempach-Feier ge nommen haben. An die Sempacher Schlacht knüpft sich die bekannte Erzählung von dem Opfertode Arnold von Winkelrieds, doch haben ernste historische For schungen längst ergeben, daß man es hier nur mit einer Sage zu thun hat, denn die eidgenössischen Chro niken wissen nichts von dem poetisch so oft verherr lichten Opfertode Arnold von Winkelrieds. — In der Westschweiz hat sich ein Eisenbahnunfall ereignet. Der am Abend des 8. Juli von Chaux de Fonds nach