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» Weißklitz-ZcitUS Verantwortlicher Redacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde Dienstag, den 2. März 1886 52. Jahrgang Nr. 24. -,N Lokales und Sächstsches. Dippoldiswalde, 26. Februar. Wir müssen noch einmal das Wort nehmen in Sachen der nunmehr öffentlich als gegründet bezeichneten „Fortbildungs schule für Mädchen." In der in letzter Nummer dieses Blattes enthaltenen Bekanntmachung sind als Gegenstände des Unterrichts: Literatur mit Aufsatz, Buchführung mit Rechnen und Briefstyl, Nadelarbeiten mit Schnitt- und Musterzeichnen aufgeführt und die Bemerkung beigefügt: Auswahl unter diesen ist den Eltern sreigestellt. Dieser letztere Punkt ist es, der uns veranlaßt, im Interesse der neuen Anstalt und der betheiligten Eltern und Schülerinnen einige Be merkungen zu machen. „Wer die Wahl hat, hat die Qual," sagt das Sprichwort, das sich auch hier be stätigen dürfte. Es leuchtet ein, daß die größte Be theiligung den Nadelarbeiten zufallen wird, weil bei diesen das unmittelbare Bedürfniß und ein sichtbarer Vortheil vorhanden ist; Buchführung mit Rechnen und Briefstyl dürfte man wohl dann für angezeigt halten, wenn die Absicht vorliegt, der Schülerin in der kauf männischen Branche ein Unterkommen zu suchen; Literatur mit Aussatz möchte wohl von den meisten Seiten für entbehrlich erachtet werden. Es wird also die Auswahl durch mancherlei Vorurtheile, die über den Zweck der Unterrichtsgegenstände verbreitet sind, hier und da beeinflußt werden, und wir halten es für Pflicht, des halb ein aufklärendes Wort zu reden. Die Fortbildungs schule und die in ihr vertretenen Unterrichtsgegenstände haben, wie auch in der betr. Bekanntmachung gesagt ist, den doppelten Zweck, die weitere geistige Aus bildung zu fördern und die Erwerbsfähigkeit zu er höhen. Nun ist aber zur Erreichung des allgemeinen Bildungszwecks nichts so sehr geeignet als der geistige Berkehr mit höher gebildeten Personen. Die Schrift werke unseres Volkes vermitteln einen solchen Ver kehr, und die namentlich bei der reiferen Jugend her vortretende Leselust (die leider oft in Lesesucht aus artet) kommt demselben fördernd entgegen. Ohne An leitung, was und wie gelesen werden soll, ohne Hin weis auf den bildenden Inhalt, ohne Erklärung des Minderverständlichen rc. wird das Lesen leider oft nur zu einem Mittel, die Geister und Gemüther, sowie die Sittlichkeit zu verwirren und zu gefährden. Der Unterricht in der Literatur soll diesen Ausartungen der Leselust begegnen, indem er die Bekanntschaft mit den edelsten Werken unseres Schriftthnms vermittelt und durch selbständige Niederschrift einzelner Gedanken, Darstellungen, Nachbildung von Musteraussätzen rc. das Gelesene vertieft und zum bleibenden Eigenthum macht. Selbstverständlich läßt sich in Jahresfrist bei einer Stunde wöchentlich nur wenig behandeln, aber wenn nur Sinn und Geschmack auf das Edle gerichtet und von dem Unedlen abgelenkt werden, so ist der Gewinn für Geistes-, Gemüths- und Herzensbildung der Mädchen immerhin ein bcachtenswerther. — Daß Rechnen, Buchführung und Briefstyl nicht blos Denen, welche auf eine Verkäuferinstelle oder dergleichen reflektiren, zu empfehlen, sondern im eigenen Hause ebensogut zu verwerthen seien, wird man sich bei einiger Ueberlegung selbst sagen. Wir hoffen also, daß die gegründete Fortbildungsschule zunächst nicht blos als höhere Näh-, Stick- und Strickschule, sondern auch als eine Anstalt zur weiteren geistigen Ausbildung erkannt und benutzt werden möge. » Dippoldiswalde. Bei der hiesigen Sparkasse wurden im Monate Februar 488 Einzahlungen im Betrage von 37,124 M. 86 Pf. gemacht, dagegen er folgten 396 Nückzahlnngen im Betrage von 48,157 Mark 39 Pf. Sparmarken ä 5 Pf. sind 350 Stück verkauft worden. Dippoldiswalde, 1. März. Der 1. März im schönsten Schmucke des Winters. Und erst der gestrige Sonntag! Wer da nicht hinter dem Ofen vorge kommen ist, der kann Einem leid thun. Während die vielversprechende Schneehülle des vorletzten Sonntags im Laufe der Woche bis auf einige Ueberreste ver schwunden und der Boden zu Koth geworden war, stellte sich am Sonnabend Mittag ein leichtes Schnee rieseln ein, das aber durch seine Ausdauer — die ganze Sonnabendnacht hindurch — am Morgen des Sonntags einen so kompleten Wintermantel für Flur und Wald fertig gebracht hatte, daß der bereits wieder in Ruhestand gesetzte Schlitten einen lebhaften Sonn tagsverkehr vermitteln konnte. Gestern war das Schlittenfahren eine Lust. Und auch das Schlittschuh fahren würde inmitten der herrlichen Landtschaft doppelt angelockt haben, wenn die Bahn nicht durch den Schneefall fast unfahrbar geworden wäre. Wenigstens konnte unter bewandten Umständen von dem projek- tirten Wettfahren nicht die Rede sein. Die Temperatur war gestern bis —10° k. gesunken, und Fenster nach der Nordseite thauten schwer oder doch nicht völlig auf. — Ueberhaupt war die Nacht zu heute die kälteste des ganzen Winters. Das Thermometer zeigte an einigen besonders der Kälte ausgesetzten Stellen mitten in der Stadt heute früh 7 Uhr — 19 ° U. — Wie uns von Herrn Landtagsabgeordneten Steycr mitgetheilt wird, ist die von uns kürzlich ge brachte Notiz, daß der Landtag am 15. März ge schloffen werde, nicht zutreffend, vielmehr sei der Schluß der gegenwärtigen Session nicht vor dem 20. und nicht nach dem 31. März zu erwarten. — Da am 20. März Königin Karola Dresden verläßt, um sich nach Meran zu begeben, wird König Albert, der den Landtag in Person schließen wird, erst einige Tage später seiner Gemahlin nachfolgen können. — Im Jahre 1884 haben die Strohflechtschulen zu Altenberg 250 M., Dippoldiswalde 150 M. und Geising 350 M. Staatsbei hülfe erhalten, während der Uhrmacherschule zu Glashütte 5000 M. zufloffen. — Wegebauunterstützungen hat die Amtshauptmann schaft Dippoldiswalde im Jahre 1882 in Höhe von 8000 Mark erhalten, 1883 betrugen sie 6625 Mark, 1874 6750 M. und 1885 7200 M. Hartmannsdorf. In hiesigem Orte trat vorige Woche ein sogenannter Wunverdoktor, der Haus besitzer Joh. Handschick aus Stacha b. Bischofswerda auf, der sich einer so großen Kundschaft aus Patienten kreisen von hier und umliegenden Dörfern erfreute, daß ihn wohl mancher berühmte und gesuchte Professor der Medizin noch beneidet hätte. Genannter Wunder mann heilte nach seiner Aussage jegliche Krankheiten durch Abstreichen und Massage und verlangte pro Patient 7 Mark. Verschiedene, in das Bereich der Wunder gehörende Erfolge seiner Thäligkeil wurden hier geflissentlich im Volke kolportirt. So z. B. hätte ein 5jähriges Kind, das nicht reden konnte, durch diesen Heilsmaun binnen '»stündlicher Behandlung > sprechen gelernt. Einem Mädchen, das ein Mal wie eine Erdbeere an der Stirn hatte, brachte er es durch Berührung hinweg! Daß sich eine Frau allerdings schon 3 Mal von ihm abstreichen lassen und also 21 Mark dafür ausgegeben, ohne daß es geholfen, darf man wohl auch erwähnen. Uebrigens ist das Ge schäft dieses Herrn ein selten rentables, denn derselbe Hal täglich das nette Sümmchen von ca. 200 Mark eingenommen. Fürstenwalde. Vorige Woche wurde auf hie sigem Forstreviere unweit Müglitz in den Abendstun den auf einen mit Jagdkarte versehenen Einwohner aus Fürstenau, der sich auf der Fuchsjagd befand, ein starker Schrotschuß abgefeuert. Dem Manne wurde glücklicherweise nur der eine Stiefelschaft bis an das Knie zerschossen, der Schuß durfte aber nur ein wenig höher sitzen, so wäre er wohl kaum mit dem Leben davon gekommen. — An demselben Abende wurde auch in Vorder-Zinnwald von außen durch ein Fenster in eine Stube geschaffen, wodurch erfreulicherweise Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage deS Blattes eine sehr wirk same Verbreitung finde«, werden mit 10 Pfg. die Spaltenzeile oder deren Nam» berechnet. — Ta bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen dem Ausschlag. — Eiiige- sandt, im redaktionellen Theile, die Spaltenzeile LOPfg. Die Polenfrage im preußischen Abgeordnetenhause. Fast die ganze vorige Woche hindurch hat sich das preußische Abgeordnetenhaus mit der Polenfrage und den vier darauf bezüglichen Gesetzentwürfen beschäftigt, - welche bekanntlich den Zweck verfolgen, durch An siedelung deutscher Kolonisten das in den Ostprovinzen bedrängte Deutschthum zu schützen. Man darf sagen, daß wohl noch niemals Gesetzentwürfe in irgend einem Parlamente mehr ungerechten Angriffen, Verdäch tigungen und schiefen Beurtheilungen ausgesetzt wor den sind, als jene Vorlagen im preußischen Abgeord netenhause. Die Polenführer zeterten von einem wahren Vertilgungsplan, den die preußische Negierung gegen die Polen im Schilde führe, während es eine Thatsache ist, daß in die Besitzverhältnisse der pol nischen Bauern wie Großgrundbesitzer nicht mit Ge walt eingegriffen, sondern nur deren Grundbesitz, so weit er im Wege des Konkurses oder des freiwilligen Verkaufs veräußert wird, angekauft und zur An siedelung deutscher Bauern benutzt werden soll. Ueber dieses Gezeter der Polen darf man also nur lachen, da dem Jammergeschrei jeder ernste Grund fehlt, denn Niemand denkt daran, den Polen ihre staats bürgerlichen Rechte zu schmälern. Recht betrübend ist es dagegen, wenn sowohl die Führer der Centrums partei als auch diejenigen der Deutschfreisinnigen in den Vorlagen eine Art Verfassungsverletzung erblicken, indem dadurch doch ein gewisser Eingriff in die Rechte der Polen als deutsche, resp. preußische Bürger statt finde, denn die Negierung bezwecke mit den Vortagen, den Polen allmählig ihre Sprache und Nationalität zu nehmen. Der Abgeordnete vr. Windthorst gab auch dem Gedanken Raum, daß es der Regierung weniger an Germanisirung als an Protestanisirung der östlichen Provinzen liege und brachte damit das Kul turkampsthema glücklich wieder in die Debatte. Weiter führten die Abgeordneten vr. Windthorst und vr. Hänel auch aus, daß durch die Kolonisationsvorlage der innere Friede gefährdet und außerdem das dafür nöthige Geld zum Fenster hinausgeworfen werde, denn man werde mit der Kolonisirung weder wirth- schaftlich noch politisch das erwünschte Ziel erreichen. Ueber die Wirksamkeit der Kolonisationen muß nun allerdings erst die Praxis entscheiden und wollen wir über dieselbe deshalb jetzt kein Urtheil fällen, daß diese Kolonisationen aber den inneren Frieden ge fährden sollen, zeigt eine ganz wunderbare Schluß folgerung der Centrumsmänner und Freisinnigen und außerdem eine Verkennung oder Vertuschung der Sach lage. Denn wenn eine deutsche Negierung in ihren Landestheilen, in denen sie das deutsche Element durch eine fremde Nationalität bedroht sieht, dadurch, daß sie Maßregeln zur Stärkung der deutschen Elemente ergreift, den inneren Frieden bedrohen soll, hätte die Negierung in ihrem eigenen Hause kein Recht mehr. Die Bedrohung des inneren Friedens geht vielmehr von den Polen in Posen und Westpreußen aus, denn es besteht dort seit langen Jahren die polnische Agi tation fort und fort und hat sich gerade in der Gegen wart eine bedenkliche Spannung zwischen der deut schen und polnischen Bevölkerung jener Provinzen ausgebildet. Den von der preußischen Regierung be absichtigten Maßregeln eine friedensstörende Wirkung anzudichten, ist also lediglich eine Verdrehung, eine Verwechselung von Ursache und Wirkung. Keinem deutschen Unterthan polnischer Abkunft wird ein Härchen gekrümmt, noch eine Krume seiner Ackerscholle genommen, Recht und Gesetz bleibt für sie und für jeden Staatsbürger in Kraft, aber von ihrem Haus rechte, das Deutschthum gegen das Polenthum durch gesetzliche Maßregeln in Posen und Westpreußen zu schützen, macht die preußische Regierung voll und ganz Gebrauch. Dies ist der klare Zweck der betreffenden Gesetzentwürfe, welche der Landtag genehmigen wird. Die „Weißer^ Zeitung" erscheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 2b Pfg-, zweimonatlich 84 Pfg., einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummer« 10 Pfg. - Alle Postan stalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be- , . E' " Amtsblatt für die Königliche Uintshauplinannschaft Dippoldiswalde, sowie für di- Königlichen Umt-gerichte und di- StadtMe zu Dippoldiswalde und Irauenstein