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UWrih-AitW eren «I» Sonnabend, den 28. November 1885 Politische Wochenschau >tadt «Lokales «nd Sächsisches Verantwortlicher Redacteur: Carl Ithnr in Dippoldiswalde. Amtsblatt für die Königliche Umtshauptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Dippoldiswalde, 27. November. Bei der am gestrigen Tage stattgefundenen Stadtverordneten- Ergänzungswahl haben von 333 stimmberechtigten Bürgern 209 von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht. Bei der Auszählung ergab sich, daß 98 verschiedene Bürger Stimmen erhalten hatten; von den Angesessenen wurden die Herren Apotheker Rottmann mit 105 und Weißgerber Th. Müller mit 97 Stimmen als Stadt verordnete gewählt. Da Herr Vorwerksbesitzer Jäckel, der 78 Stimmen erhielt, als Ersatzmann dem Kollegium bereits angehört, haben Herr Mühlenbesitzer Heise, 66 Stimmen, und Herr Bezirksthierarzt Lehnert, 60 Stimmen, in dasselbe einzutreten. Weitere Stimmen erhielten noch die Herren Kaufmann Jäppelt 51, Bäckermeister Wallter 48, Bäckermeister Berger 44, Schneidermeister Heinrich oon. 30. — Als unange sessene Stadtverordnete erhielten Herr Kfm. O. Näser 110 St. und Herr Baumeister Schmidt 102 St., als Ersatzmann wurde Herr amtshauptmannschaftlicher Expedient Ludwig mit 68 Stimmen gewählt. So dann erhielten in dieser Abtheilung noch Stimmen die Herren Buchdruckereimitbesitzer Jehne jun. 66, Ge richtsamtsrendant Ulbricht 58, Schneidermeister Henke 36, Lohgerber W. Müller 26. für den Chef der liberalen Partei also gerade kein Kompliment. — Die Nachrichten über den Fortgang der englischen Expedition gegen Birma lauten nach wie vor günstig. Das englische Expeditionskorps dringt unaufhaltsam gegen die feindliche Hauptstadt Mandalage vor, und erweisen sich die birmanischen Truppen als in jeder Beziehung erbärmlich. Balkan-Halbinsel. Auf dem bulgarischen Ak tionsschauplatze hat sich seit den serbischen Niederlagen vor Slivnica ein völliger Nollenwechsel zwischen den kriegführenden Parteien vollzogen. Jetzt haben die Bulgaren die Offensive ergriffen, und die Serben sind auf die Defensive beschränkt; ja, Fürst Alexander ist bereits so zuversichtlich geworden, daß er von Friedens vorschlägen erst dann etwas hören will, wenn er mit seinen Truppen auf serbischem Gebiete steht. Diese stolze Zuversicht des Bulgarenfürsten erscheint aller dings nicht ganz ungerechtfertigt, denn eine offizielle Belgrader Depesche selbst sieht sich gezwungen, zu melden, daß die serbische Armee, welche am Montag die bulgarischen Stellungen angriff, nach erbittertem Kampfe in ihre Stellungen bei Zaribrod und Trn zurückgeworfen wurde; abermals eine serbische Nieder lage. — Trotz der obigen Erklärung des FüOen Alexander scheinen aber die europäischen Mächte Uhre Friedensvermittelungsversuche sortsetzen zu wollen, venu es heißt, die Pforte hätte die Vermittelung zwischen Bulgarien und Serbien im Auftrage der Mächte übernommen. Letzte Nachrichten: Die „Times" bringt das noch unbeglaubigte Sensationstelegramm, König Milan habe beschlossen, abzudanken und sich mit seiner Familie nach Frankreich zurückzuziehen. Zur Verhinderung der Thronbesteigung des Präten denten Karageorgevics solle die Besetzung Serbiens durch Oesterreich bevorstehen. — Die Serben räumten Trn, während die bulgarischen Vorposten die serbische Grenze erreichten. — Auf die Veranstaltung des Herrn Rathskeller- wirth Starke in den Rathhaussaallokalitäten nächsten Sonnabend und Sonntag — siehe Annonce — wollen wir hier noch ganz besonders aufmerksam machen. Herr Starke bietet damit etwas ganz Besonderes, in dem er neben dem Engagement einer Singspielgesell schaft den Saal und die große Saalstube durch den hier von srüherher in günstigem Rufe stehenden De korateur Andreas aus Freiberg in orientalischem Style aufs prächtigste hat dekoriren lassen. Der Saal gleicht einem Palmenhain mit täuschend nachgeahmten Felsengrotten, und die Saalstube ist in einen Kloster- DeutscheS Reich. Im Reichstage hat der erste Tag der Generaldebatte über den Etat, der Dienstag, zur Erörterung der verschiedensten Fragen auf dem Gebiete der inneren wie äußeren Politik geführt, wie dies nun einmal bei der ersten Lesung des Etats her kömmlich ist. Die Diskussion wurde vom Staats sekretär des Reichsschatzamtes, von Burchard, mit der üblichen Uebersicht über die Finanzlage des Reiches eröffnet. Die Zahlen, welche Herr von Burchard vorführte, sind schon früher bekannt geworden, und können wir uns daher hier daraus beschränken, zu wiederholen, daß sie ein im Allgemeinen günstiges Bild von der finanziellen Lage des Reiches darstellen. Wenn sich trotzdem gegenüber dem letzten Etat wieder ein Anwachsen der von den einzelnen Bundesstaaten an das Reich zu zahlenden Matrikularbeiträge be merklich macht, so trägt hieran, wie Herr von Bur chard weiter ausführte, in erster Linie der Fehlbetrag der Rübenzuckersteuer die Schuld. Der Schatzsekretär nahm hierbei Veranlassung, die Einbringung der Zuckersteuernovelle für nächste Woche in sichere Aus sicht zu stellen. Als zweiten Grund für das Wieder anwachsen der Matrikularbeiträge führte Herr von Burchard die nothwendig gewordene Erhöhung der Ausgaben an, die sich namentlich in den Etats des Reichsheeres, der Marine und der Eisenbahnverwaltung ergeben. Die hierbei erforderlichen Mehrbeträge seien im Interesse der Sicherheit Deutschlands, wie der He bung seiner Industrie, nöthig, und hoffte der Staats sekretär, daß der Reichstag dem gegenüber alle finan ziellen Bedenken fallen lasten werde. Der erste Redner aus dem Hause, der Zentrumsabgeordnete Freiherr von Huene, fand an den einzelnen Etatspositionen Verschiedenes zu bemängeln, behielt sich aber eine ge nauere Orientirung vor einem abschließenden Urtheil über den Etat vor. Charakteristisch ist, daß der Redner die weitere Unterstützung der Kolonialpolitik durch das Zentrum von der Regelung des Missionswesens im Sinne des Zentrums abhängig machte. Herr Richter, der Führer der Freisinnigen, übte, wie dies von ihm nicht anders zu erwarten war, eine vernich tende Kritik an der finanziellen Darlegung des Herrn von Burchard, wandte sich dann gegen die Mehrfor derungen im Militär- und Marine-Etat, suchte die Kolonialpolitik in's Lächerliche zu ziehen und gab schließlich sein Urtheil über die gegenwärtige Finanz politik des Reiches dahin ab, daß dieselbe am Ein maleins scheitern müsse. Wesentlich freundlicher stellten sich die Redner der Konservativen und der National liberalen, Abg. Freiherr von Maltzahn-Gültz resp. Abg. von Benda, zu den Ausführungen des Schatzsekretärs, obgleich auch sie bezüglich der Mehrforderungen für Heer und Marine ihre.finanziellen Bedenken nicht ganz unterdrücken konnten. Den Beschluß in der Reihe der Redner machte der sozialdemokratische Ab geordnete Liebknecht, der Herrn Richter im „Herunter reißen" unserer Kolonialpolitik womöglich noch über bot, und besonders deren Kostspieligkeit hervorhob. Weiter eiferte der Redner gegen die Miiitärlasten, gegen die Ausweisungen polnischer Unterthanen, und »erstieg sich dann sogar in das Gebiet der hohen Po litik, indem er behauptete, ein freies Polen sei ein besserer Friedensschutz als alle Kaiserbündniste. Die Fragen der Kornzölle, der Sonntagsruhe, des Normal arbeitstages rc. erörterte Herr Liebknecht selbstver ständlich vom sozialdemokratischen Standpunkte aus. Auch die Stellung des Deutschthums in Rußland und in Oesterreich, ja selbst die Balkanfrage zog Herr Liebknecht noch in den Kreis seiner Betrachtungen, und gelangte dann zu dem Schluß, daß unsere innere wie äußere Politik nichts als Fiasko gemacht habe, ein Urtheil, das allseitig mit spöttischem Bravo aus genommen wurde. Die Generaldebatte über den Etat dürfte am Mittwoch oder spätestens am Donnerstag DU „Weißeritz. Zeitung" «-scheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis »ierteljährlich 1 M. -5 Pfg., zweimonatlich 84 Pfg-, einnwnatlich 42 Pfg. Einzelne Nummer« 10 Pfg. — Alle Postan- ftalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. beendigt worden sein. — Der von den Konservativen im Reichstage eingebrachte Antrag auf Einführung fünfjähriger Legislaturperioden gilt schon jetzt als ge scheitert, da sich das Zentrum gegen ihn erklärt hat. — In Berlin sind bei den am Dienstage in der dritten Abtheilung vorgenommenen 14 Ergänzungs wahlen zum Stadtverordnetenkollegium nur 6 Abge ordnete, von denen 3 der Fortschritts-, 2 der Ar beiter- und 1 der Bürgerpartei angehören, definitiv gewählt worden. Es haben demnach noch 8 Stich wahlen stattzufinden, von denen sich 6 zwischen der liberalen und der Bürgerpartei und je eine zwischen letzterer und der Arbeiterpartei, sowie zwischen dieser und der liberalen Partei vollziehen werden. Die Stimmen für die Arbeiterpartei sind ganz bedeutend gewachsen. Oesterreich-Ungarn. Am Mittwoch sind gleich zeitig 16 österreichische Einzellandtage zusammen ge treten, wahrlich ein vielstimmiger Chorus! Wie in den früheren Jahren, so wird sich auch Heuer das Hauptinteresse den gemischt-nationalen Landesvertre tungen von Böhmen und Mähren zuwenden, zumal da sich in der Brünner Landstube ein gewaltiger Sturm vorbereitet. Hier haben die Deutschen gegen über den mährischen Czechen .noch die knappe Majo rität, und diese wollen nun einem so „schandbaren Zustande" ein Ende machen, indem sie eine erneuerte Wahlordnung einzubringen beabsichtigen, durch welche auch das mährische Landtagswahlsystem, wie schon vorher das böhmische, im Sinne der Czechen „re- fvrmirt" werden soll. Letztere hoffen dies durch eine Pression auf die Vertreter des allerdings nicht ganz zuverlässigen Großgrundbesitzes zu bewerkstelligen. Auch die Landtagssession in Böhmen wird jedenfalls heiße Kämpfe bringen, sind doch auf dem Prager Landtage, vielleicht mit Ausnahme des kroatischen, die nationalen Gegensätze immer am schärfsten aufeinander geprallt. Frankreich. In Frankreich beschäftigt die bevor stehende Kammerdebatte über die Tonkin-Kreditvorlage der Negierung lebhaft die Gemüther. Am Dienstag wurde die Kommission zur Vorberathung der Vorlage gewählt; von ihren 33 Mitgliedern gehören 10 der Rechten und 23 der Linken an. Die Mehrheit der Kommission, nämlich die Mitglieder der Rechten und 16 republikanische Abgeordnete, ist,für eine unbedingte Räumung Tonkins, während die Minorität eine be schränkte Okkupation befürwortet. Da sich die Ne gierung durch den Minister Goblet dahin ausgesprochen hat, daß sie nie in eine Räumung Tonkin's willigen werde, so kann man ihre Niederlage in der Kom mission, falls kein Kompromiß zu Stande kommt, als ziemlich sicher betrachten. Dann läßt sich aber auch die Ablehnung der Tonkin-Kreditvorlage im Kammer plenum mit einiger Gewißheit voraussagen, woraus sich wiederum die Demission des Kabinets Briffon- Freycinet ergeben würde, ein Resultat übrigens, das auf keiner Seite weiter überraschen könnte. England. In England wird die politische Si tuation gegenwärtig durch die Parlamentswahlen be herrscht, welche, wie bekannt, am Dienstag ihren An fang genommen haben. Die Wahlen in den größeren Städten finden mit diesem Sonnabend ihren Abschluß, und werden sich demnach alsdann die Resultate zum Theil wenigstens schon überblicken lasten. Nachdem Parnell nunmehr positiv allen irische» Wählern Eng lands befohlen hat, für die Konservativen zu stimmen, hängt die Möglichkeit der Bildung einer liberalen Parlamentsmehrheit einzig nur noch von dem Votum der zwei Millionen neuer Wähler ab, welche jetzt zum ersten Male infolge der Wahlreformbill an der Urne erscheinen. Die letzte Rede, welche Gladstone in Edin- burg vor seinen Wählern gehalten hat, und in welcher er vor Allem zur Einigkeit unter der liberalen Wähler schaft aufsorderte, ist übrigens auch von anerkannt liberalen Blättern als schwächlich verurtheilt worden, Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage de» Blattes eine sehr wirk same Verbreitung finden, werden mit 10 P Spaltenteile oder Raum berechnet. - bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Eiiige- sandt, im redaktionellen Theile, die Spaltenteile 20 Pfg.