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MeWtz-MW Amtsblatt für die Königliche Umtshauptmarmschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die HtadLWe zu Dippoldiswalde und Irauenstein „Wekßeritz-Ztttung" erscheint wöchentlich dxei- wal: DimStag, Donners tag und Sonnabend. — > Preis »ierteljShrlich t M. Sb Pfg-, zwümonatlich 84 Pfg-, einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern - 10 Pfg. — Alle Postan- stalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. Inserate, welche bei der bedeutenden Auslage des Blattes eilt« sehr wirl- , . some Verbreitung finden, werden mit 10 Psg. die Spaltenzeile oder deren ' 8iaum berechnet, — Ta bellarische und complicirte f Inserate mit entsprechm- dem Aufschlag.— Eiitge» sandt, im redaktionell«« ' Theile, die Spaltenzeil« , MM. Verantwortlicher Redacteur: Carl Irhnt in Dippoldiswalde. Nr. 127. Zum Ausgang der Wahlkampagne in Frankreich. Das Resultat der zum ersten Mal aus Grund des Listensystems vollzogenen Neuwahlen zur französischen Deputirtenkammer liegt jetzt vollständig vor, nachdem auch die 270 Stichwahlen, welche sich nach dem ersten Wahlgange vom 4. Oktober nöthig machten, am vorigen Sonntag vollzogen worden sind. Es sind hiernach 203 Monarchisten — Bonapartisten wie Royalisten — sowie 381 Republikaner aller Schatti- rungen gewählt worden; etwaige Berichtigungen können an diesem Resultate keine wesentlichen Veränderungen mehr vornehmen. Nach dem glänzenden Siege, den die vereinigten Monarchisten über ihre uneinigen republikanischen Gegner am 4. Oktober davontrugen, indem 177 konservative Kandidaten gegenüber 127 republikanischen Kandidaten als gewählt erschienen, haben die Konservativen am 18. Oktober desto schlechtere Geschäfte gemacht, da von den 270 engeren Wahlen nur 26 zu ihren Gunsten ausgefallen sind. Trium- phirend weist denn auch die Pariser republikanische Presse auf diesen Umstand hin und namentlich die opportunistischen Organe, voran die »Uöpubliguo ib-rmhuiso", werden nicht müde, angesichts des für die Konservativen so wenig ersprießlichen Ausganges der Stichwahlen die wiederhergestellte Einigkeit unter den Republikanern in den siebenten Himmel zu erheben. Nun, es ist ja richtig, die Republikaner werden auch in der neuen Kammer die Mehrheit haben — aber wie ist diese Mehrheit beschaffen? Noch läßt sich das gegenseitige Stärkeverhältniß der einzelnen Fraktionen in der neuen Kammer nicht genau überblicken; das aber läßt sich wohl ohne Uebertreibung behaupten, daß die Radikalen, also die Vertreter der Farbe Clemenceau-Lockroy, in einer Stärke von mindestens 120 Mann erscheinen werden und dies bedeutet in erster Linie, daß die Opportunisten, also die ehemaligen Gambettisten, aufgehört haben, die ausschließlich leitende Rolle im neuen französischen Parlamente zu spielen und daß sie jetzt darauf angewiesen sind, sich mit den radikalen Republikanern in möglichst freund schaftlicher Weise auseinanderzusetzen. Ob nun diese Freundschaft, welche doch angesichts des drohend an schwellenden monarcbistischcn Elementes in der Kammer so dringend geboten ist, lange anhalten wird, kann man jetzt allerdings noch nicht beurtheilen. Sehr wahrscheinlich ist es aber, daß die Radikalen, deren Führer, Herrn Clemenceau, man wohl nicht mit Un recht besondere ehrgeizige Pläne nachsagt, zur Er reichung derselben sich nicht scheuen werden, eventuell auch eine Allianz mit der Rechten einzugehen und daß ein solches Bündniß, selbst wenn es nur für einzelne Fälle geschlossen werden sollte, die Stellung des ge mäßigten Nepublikanismus in Frankreich aufs Tiefste erschüttern müßte, liegt auf der Hand. — Jedenfalls hat das heutige im Wesentlichen opportunistische Kabinet Brisson-Freycinet an der neuen Kammer keinen zuverlässigen Hinterhalt mehr und dies wird und muß alle seine künftigen Unternehmungen mehr oder weniger lähmen, wenn es sich nicht zum blinden Handlanger der radikal-republikanischen Partei machen will. Letztere selbst aber wird, auf ihre Wahlerfolge pochend, vor Allem einen Platz im Ministerium be anspruchen, und in der That heißt es bereits, daß ein oder zwei Mitglieder des Kabinets Brisson aus scheiden würden oder sogar schon ausgeschieden sind und ihre Ersatzmänner würden alsdann wohl zweifel los der radikalen Partei angehören. Dann jedoch läge auch kein Grund mehr vor, weshalb nicht bei der im nächsten Jahre erfolgenden Neuwahl des Prä sidenten der französischen Republik Herr Grevy ein mal durch Herrn Clemenceau ersetzt werden sollte, denn jenseits der Vogesen ist bekanntlich in politicis kein Ding unmöglich. Den Monarchisten in ihrem verblendeten Hasse gegen das gemäßigt-republikanische Dienstag, den 27. Oktober 1885 Element märe es schon zuzutrauen, daß sie „aus purer Bosheit" eine derartige Kandidatur unterstützen würden, kann doch ein radikales Regiment — nach ihrer Berechnung — den monarchistischen Projekten die Wege ebnen; an Beispielen hierfür fehlt es wenig stens in der Geschichte Frankreichs nicht. Wie freilich Europa eine französische Republik unter der Aegide der Firma Clemenceau u. Co. aufnehmen würde, steht auf einem anderen Blatte; vielleicht findet indessen der besonnenere Theil des französischen Volkes noch genug Energie, um die Etablirung einer radikalen Negierung im Lande zu verhindern. Kirchliches. Dem Vernehmen nach soll die im Ausbau be griffene neue Kirche zu Fürstenau, für welche im ge summten Bereich der evangelischen Landeskirche am 15. Sonntag nach Trinitatis eine Kollekte gesammelt worden ist, die alte von dem bigottgläubigen Theil der katholischen Nachbarbevölkerung als wunderkräftig an gesehene und einmal im Jahr unter großen, Andrang öffentlich angebetete Mariensigur wieder, und zwar am AUarplatz, einverleibt erhalten. Es ist nicht bekannt, ob und aus welchem Grunde zu solcher Abnormität eine dringende Veranlassung oder Berechtigung vorliegt. Jedenfalls ist es nicht unrecht, über den Grund, aus welchem und über den Sinn, in welchem dies geschehen soll, sich zu befragen, denn die Benützung einer evangelischen Kirche in einem ihr vollständig fremden, unserem ganzen Glaubensstand widersprechenden Sinn ist nicht Sache der Einzelge meinde, sondern die gemeinsame Angelegenheit unserer Landeskirche, zumal der Bau dieser Kirche nur durch die gemeinsame liebesthätige Betheiligung sämmllicher Gemeinden ermöglicht worden ist, — und wenn auch nur Einer aus ihrer Mitte gegen solchen Gebrauch Bedenken hat, so ist er berechtigt, sie zu äußern. Was Luther und die übrigen erleuchteten Mit arbeiter am Werk der Reformation gegen die Bilder verehrung, wie sie in der päpstlichen Kirche geübt wird, geredet und geschrieben hat, darf als bekannt voraus gesetzt werden. Es ist nicht Zufall, sondern weise Er- kenntniß und Uebung einer des allvollkommenen Gottes würdigen Anbetung im Geist und in der Wahrheit, daß weder unsre evangelischen Väter ihre Kirchen zu Verehrungsstätten rohgeschnitzter Marienbilder für zu strömende Wallfahrer gemacht und dargeboten haben, noch auch jetzt, die sich mit Recht und im vollen Be wußtsein des Werthes und der Wahrheit ihrer ge reinigten Lehren evangelisch-lutherische Christen nennen, es thun. Die Anbetung einM aus irgend einer Materie ge formten und mit allemi Schmuck versehenen Bildes, gleich denen, die man an Kreuzwegen und in Kapellen röm.-kath. Länder sieht, in einer evangel.-luth. Kirche unseres Landes steht einzig da! Nur in Fürstenau ist dies bis zum Abbruch der alten Kirche traditionell ge wesen und als herkömmlich, obwohl zum Aergerniß vieler ernster Christen, geduldet worden. Was würde unser Luther, — nicht nur unser geistiger Wohlthäter, sondern überhaupt einer der größten Wohlthäter der ganzen Menschheit — wenn er seine Stimme jetzt erheben könnte, dazu sagen, daß eine neugebaute evangel.-luth. Kirche dem oberflächlichsten und gedankenlosesten Marien- Kultus für aus dem Ausland zuströmende Wallfahrer zugerüstet und dann alljährlich einmal zum Gebrauche nach römisch-katholischer Art geöffnet werden soll! Dergleichen Abnormitäten würden als beklagenswerthe Konzessionen, nicht eigentlich an die vom Wunderwahn erfüllte Menge, sondern an die als geistige Urheber solchen Wahns wirkende» jesuitischen Hintermänner zu beurtheilen sein, und wer sie gut heißt oder gar fördert, kann nur als bewußter oder unbewußter Freund und Förderer des Ultramontanismus betrachtet werden, er sei wer er sei, und es ist kaum denkbar, daß Jemand am Ort selbst so unevangelisch denken 51. Jahrgang. und empfinden sollte, daß er da des schnöden kleinen materiellen Gewinns willen, den einige Verkaufsbuden, Krämenaden und Schenken an dem betreffenden Tage von den Wallfahrern ziehen, die Fortsetzung der ge nannten Unzuträglichkeit durch Wiederaufstellung der übrigens an sich unschönen und nun gar unscheinbar gewordenen Holzfigur wünsche oder mit Worten und Thaten fördere. Möchten doch die maßgebenden Be hörden dagegen entschiedene Maßregeln ergreifen, so lange es noch Zeit ist, und möchte Jeder unserer Konfessionsverwandten in unserem engeren Vaterland sich seiner evangelischen Pflichten bewußt sein und sein freudiges Bekenntniß zu dem durch das unvergleichlich verdienstvolle und gottesgesegnete Wirken unseres theuern Luther gewonnenen Glaubenssätzen und Schätzen eben so offenkundig erweisen, als es in An knüpfung an die 400jährige Geburtstagsfeier Luthers der Kirchenvorstand zu Leipzig gethan hat, welcher dem neuerbauten Gotteshaus den schönen Namen „Luther- Kirche" beigelegt hat und in der Wahl dieses Namens einen Ausdruck ebensowohl seiner Dankbarkeit für die rettenden Thaten des großen Mannes, als seiner un entwegten Bekenntnißtreue kundgegeben hat. 8. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde, 26. Oktober. Es liegt uns ein offenes Sendschreiben vor, bas Herr Superintendent Opitz unter dem 20. September d. I. an den Kirchen vorstand der Lutherkirche zu Dresden gerichtet hat und in welchem derselbe sein Bedenken gegen die Be zeichnung der im Baue begriffenen Kirche als „Luther kirche" ausspricht. Es erscheinen uns diese Bedenken bedeutsam genug, um dem erwähnten Sendschreiben eine gröbere Oeffentlichkeit zu geben. Jedenfalls, sagt der Verfasser, sei es nicht unrecht, über den Sinn, in welchem dieser Name gelten soll, sich zu befragen. Denn die Benennung einer Kirche sei nicht Sache der Einzelgemeinde, sondern die gemeinsame Sache unserer Landeskirche, und wenn auch nur Einer in ihr gegen den erwählten Namen Bedenken habe, so sei er be rechtigt, sie zur Erwägung zu äußern. Luther selbst habe sich gegen den Gebrauch seines Namens bestimmt ausgesprochen, und es sei nicht Zufall, sondern weise Zurückhaltung, daß weder unsere Väter ihre Kirchen nach ihm benannt hätten, noch daß Die, die sich in einem besonderen Sinne „lutherisch" nennen, dies thäten. Der Name „Lutherkirche" komme nur in Sachsen vor. Ein Zivilname sei früher nie einer Kirche beigelegt worden. Die Namen für katholische Kirchen seien nie von den Päpsten, sondern immer von Wohlthäter» der Kirche genommen, die über den Streit erhaben sind. Uni Luther aber sei der Streit am heißesten. Was die Einen an ihm loben, werde von den Andern verworfen. Der Name „Lutherkirche" könne nicht sammeln, sondern zerstreuen. Man weise für die Benennung „Lutherkirche" auf das Lutherfest 1883 zurück. Es dürfe aber den Sondermeinungen Einzelner und der bei jenem Feste zu Tage getretenen Begriffsverwirrung nicht Vorschub geleistet werden. Wer wolle es dann hindern, daß Huß-, Wiklef-, Calvin- und andere Kirchen erstände». Dadurch werde der Kirchenstreit den Kirchen an die Stirn geschrieben, während sie doch Stätten seien, wo wir Gott im Geiste und in der Wahrheit verehren sollten. So werde das Ewige verzeitlicht und verpersönlicht, den Christen anderen Bekenntnisses erschwert, mit uns dieselbe An dachtstätte zu besuchen und das Bewußtsein der Ge meinsamkeit, des Höchsten im Glauben, verdunkelt. Der Verfasser bitte deshalb, die angeregten Bedenken, welche Viele theilten, im Sinne und zur Ehre der Wahrheit geneigtest zu erwägen. — Wir sind begierig zu erfahren, ob und was der Kirchenvorstand der Lutherkirche auf das an ihn gerichtete Sendschreiben antworten wird, meinen aber, dqß er auf eine Aende- rung des beschlossenen Namens sich kaum einlassen werde. Denn wenn auch in gelehrten Kreisen, die