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„Weißeritz. Zeitung" «scheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis »ierteljährlich 1 M. 25 Pfg-, zweimonatlich 84 Psg-, einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Alle Postan stalten, Postboten, sowie Vie Agenten nehmen Be stellungen an. Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage d«S Blattes eine sehr wirk same Verbreitung finden, werden mit 1l) Pfg. die Spaltenzeile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirt« Inserate mit entsprechen dem Ausschlag. -- Einge sandt, im redaktionellen Theile, die Spaltenzeile SO Pfg- Verantwortlicher Redacteur: Carl Ahne in Dippoldiswalde. Nr. 70. Dienstag, den 16. Juni 1885. 51. Jahrgang. Die Niederlage des Kabinets Gladstone. Keinen Politiker wird es Wunder nehmen, daß der englische leitende Minister Gladstone letzten Diens tag eine schwere Niederlage erlitten hat. Mußte man sich doch schon seit geraumer Zeit in allen politischen Kreisen darüber wundern, daß nach so viel Fehlern, Mißgriffen und politischen Niederlagen auf dem aus wärtigen Gebiete das Ministerium Gladstone noch immer an der Spitze der Regierung stehe. Wahr haftig, größere Demüthigungen als Gladstones Politik auf dem auswärtigen Gebiete hat wohl kaum diejenige eines leitenden Ministers je erlitten. Allen maß gebenden Großmächten gegenüber hat Gladstone Miß griffe begangen, so gegen Frankreich, Rußland, Deutsch land, und in Egypten sind die Erfolge der englischen Politik theils haarsträubend, theils lächerlich. Nach gewaltigen Anstrengungen, zahlreichen Wüstenmärschen und blutigen Schlachten zieht sich England aus Egypten und dem Sudan zurück, um dieses unglückliche Land in einem Wirrsal ohne Gleichen zu lassen. Hätte die Opposition im englischen Parlament größere Führer gehabt, Gladstone wäre schon vor vier Wochen gestürzt worden. Endlich war aber auch einem Theile seiner Anhänger das Maß seiner Fehler übervoll und man benutzte die Frage der Erhöhung der Bier- und Brannt weinsteuer, um Gladstone von der Regierung zu ent fernen. Es ist klar, daß diese Budgetfrage nur ein bequemer Vorwand war, um Gladstone ein Bein zu stellen, denn die viel höheren Kredite für Heer und Flotte hatte man ja vor sechs Wochen Gladstone noch bewilligt. Immerhin ist die Niederlage Gladstones im Unterhause ziemlich überraschend gekommen und die politischen Kreise Englands befinden sich in großer Aufregung. Die Frage spitzt sich daraufhin zu: wer die Nachfolgerschaft Gladstones antreten wird. Es ist als sicher zu betrachten, daß Gladstone seine und seiner Kollegen Entlassung von der Königin erbitten und daß er ihr, wie üblich, den Rath ertheilen wird, den anerkannten Führer der Opposition, Lord Salisbury, mit der Bildung des neuen Ministeriums zu beauf tragen. In den Reihen der Tories bestehen indessen manche Bedenken gegen die Uebernahme der Negierung Angesichts der Schwierigkeiten der auswärtigen Lage und im Hinblick auf Neuwahlen, bei denen die von Gladstone soeben mit dem Wahlrecht ausgestatteten Klaffen zum ersten Mal davon Gebrauch zu machen haben. Es bleibt indessen der Oppositionspartei kaum eine Wahl, sie muß die Regierung übernehmen, wenn sie ihr von der Königin angeträgen wird, denn eine Weigerung würde in den Augen der englischen Nation als Schwäche der Tories erscheinen und ihnen viel schaden. Neben Lord Salisbury, der Ministerpräsident werden soll, werden auch schon Northcote und Churchill als Mitglieder des neuen Kabinets genannt. Die Parlamentsverhandlungen sind aus Gladstones An suchen bis zum Freitag vertagt worden. Bis dahin dürfte sich die Königin, zu welcher sich Gladstone nach Balmoral begeben hat, über die Lage entscheiden. Im Aebrigen darf man nicht unterlassen zu erwähnen, daß auch die Liberalen ihre Sache noch nicht ganz für verloren erachten, indem der Minister Dille bei einem Bankett des liberalen Klub die Hoffnung aussprach, daß die Liberalen bei den nächsten Wahlen siegen würden. -Lokales und Sächstsches. Dippoldiswalde, 15. Juni. Die Sommerfrequenz unserer Eisenbahn legt so manche Wünsche nahe, deren Gewährung theils von der kal. Generaldirektion, theils von privater Seite her erfüllt werben könnte. Ausfällig muß es auf unserer Bahnstrecke erscheinen, daß an keiner Station und Haltestelle der Name der selben ersichtlich ist. Während z. B. entweder ans querstehenden Tafeln oder an den Stationsgebäuden der Ortsname deutlich zu lesen ist, fehlt bei uns jede Bezeichnung. Ein Grund dafür ist schwer zu finden. Wir möchten eine Gleichstellung unserer Bahnstrecke mit anderen in dieser Hinsicht dringend befürworten. Daß es auf den Hauptstationen keine Bahnhofsuhren giebt, deren Kosten doch wahrlich nicht so bedeutend sein können, ist ein Uebelstand, der gleichfalls leicht beseitigt werden könnte. Warum sollen Schmalspur bahnen, deren Ertrag theilweise den gewißer Primär bahnen übertrifft, diese für den Verkehr jedenfalls nützliche Ausstattung entbehren? — Wenn in Hains berg in der Bahnhofsrestauration der Abgang eines Zuges durch einen Bahnbediensteten angesagt wird, bei uns in Dippoldiswalde nicht, so wird dies jeden falls damit motivirt, daß unser Bahnhofsrestaurant im Privatbesitz ist. Da dem Reisenden dieser Umstand aber in der Regel unbekannt ist, und er in Erwartung einer Ankündigung des Abgangs leicht sitzen bleiben kann, so wäre es jedenfalls erwünscht, daß der Bahn hofsrestaurateur durch Anbringung einer Klingel, durch welche vom Bahnhofe ein Signal gegeben werden könnte, diesem Uebelstande abhülfe. In seinem eignen Interesse möchten wir demselben anheimgeben, ob es sich nicht empfehlen möchte, namentlich Sonntags, durch eine Bierambulanz den Reisenden, ohne aus steigen zu müßen, zu einem frischen Trünke zu ver helfen. Dies wären vorläufig einige Wünsche; wir haben deren noch mehr auf dem Herzen, es mag für heute aber genug sein. — Am Sonntag Nachmittag fand das Begräbniß des in Reinberg wohnhaft gewesenen 91jährigen Veteranen Enderlein statt, welcher zu den wenigen zählte, die den Freiheitskrieg mit durchgekämpft und in Rußlands Fluren unsägliches Elend erduldet haben. Der hiesige Militärverein gab dem alten Kameraden das letzte Geleite und der Schützenzug des Vereins unter Kommando seines Vorstandes erwies ihm durch das Abgeben einer dreifachen Ehrensalve über das Grab die letzte militärische Ehre. — Zum 6. allgemeinen deutschen Turnfeste haben sich, nachdem am gestrigen Sonntage der letzte Anmeldetermin abgelaufen, aus hiesigem Turnverein 45 Mann zur Theilnahme gemeldet. Dippoldiswalde. Anfang Mat hat die geolo gische Aufnahme der Gegend zwischen Freiberg, Roßen, Langhennersdorf, Lengefeld, Sayda und Dip poldiswalde begonnen. Die betreffenden Unter suchungen und Aufnahmen haben zum Zweck: 1. die Herstellung einer geologischen Spezialkarte der genannten Gegend im Maßstab 1 : 25 OOO; 2. die Herstellung einer Anzahl geologischer Profile durch die Forma tionen des genannten Kartengebietes; 3. die Zusammen stellung einer erläuternden Beschreibung der auf den Kartenblättern und in den Profilen graphisch darge stellten Verhältnisse. Bei diesen sämmtlichen Unter suchungen und Darstellungen wird im Jntereße des Ackerbaues und der Forstkultur den oberflächlichen Ablagerungen und Verwitterungsprodukten besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Die Arbeitsresultate werden auf Kosten des Staates veröffentlicht und dem Publikum für einen außergewöhnlich niedrigen Preis zugänglich gemacht werden. Die Ausführung der oben aufgezählten Arbeiten ist den königl. Sektionsgeologen I)r. Dalmer, vr. Schalch, Hazard und vr. Beck über tragen worden. — Die Besitzer der unterm 11. Juli 1874 aus gefertigten deutschen Neichskassen scheine seien wiederholt daran erinnert, daß dieselben nur noch bis Ende Juni d. I. bei einer der Neichskassen und an der Kaffe eiues Bundesstaates in Zahlung ange nommen, oder bei der Reichshauptkaffe gegen baares Geld eingelöst werden. Vom I. Juli d. I. ab ist nur noch die königl. preuß. Kontrole der Staatspapiere in Berlin ermächtigt, solche Scheine anzunehmen. Reinhardtsgrimma. Während am I I. d. Mts., Nachmittags gegen 3 Uhr, Braumeister Kühn mit seinem Stiefsohn, dem Braugehilfen Oswald Böhme, noch mit den nöthigen Vorarbeiten zum Pichen be schäftigt sind, haben sich in dem zur fraglichen Brauerei gehörigen Pichhaus hoch oben am Dache einige um die Eße gelegene Sparren entzündet und ist unbeachtet des thatkräftigen Einschreitens der durch die freiwillige Feuerwehr bedienten Gemeindespritze von Reinhardts grimma das Pichhaus bis auf das Umfassungsmauer werk zerstört worden. Besitzerin des gedachten Brau hauses ist Frau verehel. Braumeister Kühn. Irgend welchen Mobiliarschaden hat dieselbe nicht zu beklagen. Auch sind auswärtige Spritzen am Brandplatze nicht erschienen. Ulberndorf. Am Sonnabend, den 13. d. M., Nachmittags zwischen 2 und 3 Uhr, ist in den Ab- theilungen 121 und 122 des Staatsforstrevieres Schmiedeberg ein Waldbrand entstanden, welcher sich über eine meist mit 20—30jährigen Fichten be steckte Fläche von ca. 2 Hektar Größe erstreckt hat. Das Wipfelfeuer ist noch vor Sonnenuntergang durch Ausschlagen gelöscht worden, während an der Be kämpfung des Bodenfeuers die Nacht hindurch und auch Sonntag Vormittag hat gearbeitet werden müssen. Die Entstehungsursache ist unbekannt; jedenfalls liegt unvorsichtiges Gebahreu mit Streichhölzchen Seitens eines Spaziergängers vor, denn Waldarbeiter haben in der Nähe des Brandortes nicht gearbeitet. Seiferödorf. (Verspätigt.) Das am voryer- gangenen Sonntag (7. Juni) in der Barbarakapelle gehaltene Kirchenfest ward unter sehr zahlreicher Betheiligung aus nah und fern auf eine anziehende und erbauliche Weise abgehalten. Es war ein Bibel- und Gotteskaffenfest. Die Predigt des Pastor vr. Fernbacher aus Dorf Wehlen behandelte die allum fassende Wirksamkeit der h. Schrift: für die noch fern Stehenden; für die, so nach Jesus fragen; für die, so an ihn glauben — mit einem Weckruf zur Unter stützung des lutherischen Königgrätzer Seminars für Studirende und Lehrer, in Beschaffung von Bibeln, Katechismen und Gesangbüchern. Eröffnung und Schlußwort des Ortspfarrers, die Ansprache des Ephorus über die Speisung der 5000 in der Wüste und die allgemeine heilige christliche Kirche und eine Ansprache vom Pastor Lindner aus Fürstenwalde über rechten Gebrauch und Verbrauch der Bibel, sammt den so feierlich im Walde klingenden Gesängen verstärkten und erhöhten den Eindruck von Andacht und Erbauung, dem sich gewiß Niemand entziehen konnte. 2. Possendorf. Sonnabend, den 13. d. M., Nach mittags 2 Uhr, brach in der Scheune des Gutsbe sitzers und Gemeindevorstandes Zschüttig in Golbe- roda Feuer aus, welches nicht nur das aus Wohn haus, Seitengebäude und Scheune bestehende Gehöft desselben, sondern auch das gleiche des Gutsbesitzers Müller und die Scheune und das Seitengebäude des Gutsbesitzers Pietzsch zerstörte. Den angestrengten Bemühungen der zahlreich herbeigeeilten Feuerwehr mannschaften gelang es, dem weiteren Vordringen des Feuers Einhalt zu thun. Dresden. Aus unserer zweiten sächsischen Kammer scheiden in diesem Jahre von den 4 Sozialdemo kraten Bebel, v. Vollmar, Puttrich und Liebknecht die beiden Letztgenannten verfassungsmäßig aus. Rechts anwalt Puttrich-Leipzig dürfte kaum wieder kandidiren, da sich zu seinem Heiserkeits-Leiden neuerdings auch fast vollständige Erblindung gefügt hat; andererseits glaubt man aber auch nicht, daß Liebknecht in seinem Bezirke Leipzig-Land wieder die erforderliche Majorität zu erlangen vermag. — Am 8. d. Mts. und folgende Tage hat eine abermalige Ausloosung Königlich Sächsischer Staats papiere statt gesunden, von welcher die 4proz. Staats- schulden-Kassenscheine von den Jahren 1852, 1855, 1858, 1859, 1862, 1866 und 1868, 4proz. (oorm.