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MsmiWritiiW Sonnabend, den 27. September 1884. Nr. 115 49». Jahrgang n»! oäs äuü Abonnements - Einladung. Mit Nr. 116 schließt das 3. Quartal und bitten wir unsere geehrten Leser, damit in der Zusendung der einzelnen Nummern keine Unterbrechung eintritt, das Abonnement auf das 4. Quartal möglichst ungesäumt zu erneuern. Dippoldiswalde. Die Expedition der „Weifierih-Zeilung". .Welßeritz-Zritung jchentlich drei- tag, Dom,««- omabend. — ^jährlich 1 M. zweimonatlich 84 Pf«, «nnwnatlich 48 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. — All« Postan stalten, Postboten, sowie die Aaenten nehmen B«- sttllungen an. Inserate, welch« der der bedeutenden Auflage del Bl»tt«S «in« wirk» same Verbreitung finden, »erden Wit 10 Pfg. di« SpaltenzM oder derey R«tin ^rechnet. — Ta» belllirische und complicirt- JHirate mit entsprechen dem Ausschlag. — Einge sandt, im redaktionellen Theile, di- Spaltenzeil« Lokales und SächstscheS. Dippoldiswalde, 27. September. Wir werden morgen die Freude haben, die Vertreter der sächsischen Erzgebirgsvereine bei uns zu sehen. Sie werden ihre Jahresversammlung bei uns abhalten. So gesellt sich denn in diesem Jahre zur Turnerei und Försterei auch noch die Wanderei. Zwar, zur Wanderei halten sie alle: Turner, Förster, Schützen, Sänger, und wie sie sonst Namen haben, die bald hier, bald da im deutschen Vaterlande ihr Zelt aufschlagen zu kurzer, festlicher Rast. „Das Wandern ist des Müllers Lust," — ja gewiß, aber, wo wäre ein Stand, auf den sich dieses Lied, mututis mutrwäis, nicht anwenden ließe? Nichts stehet still. Alles wandert, die belebte, wie die unbelebte Schöpfung. „Die Sonne, sie macht den weiten Nitt um die Welt, und die Sternlein, sie reiten mit um die Welt" —; der Fels, der Strom, der Pflanzensamen, Fische, Vögel und jegliche Thierart wechseln den Wohnort: sie wandern. Aber nur die eiserne Nothwendigkeit, der Kampf um's Dasein, das Naturgesetz, der Instinkt, reißen sie los von der Scholle und treiben sie in neue. Kreise. Nur der Mensch ver mag den Wanderdrang in sich zu regeln, zu zügeln, auf ein bestimmtes Ziel zu richten. Er ist der freie Wanderer! In alle Zonen lenkt er seinen Fuß: er wandert über, er wandert in die Erde; er durchfliegt die Lüste, er durchfährt die Meere. Jean Paul hat die Wanderer, wie die Indier, in vier Kasten getheilt. Die jämmerlichsten sind ihm Die, die aus Eitelkeit und Mode laufen; in der zweiten Kaste rennen die Ge lehrten und Fetten, die nicht genießen, sondern ver dauen wollen, was sie genoßen haben; die dritte Kaste nehmen die Wenigen ein, in deren Kopfe die Augen des Landschaftsmalers stehen und die der unermeßlichen Schönheitslinie »achspüren, die mit Epheufasern um alle Wesen fließt; und die Vierten endlich sind ihm Die, die unter dem Rauschen des tausendzweigigen Lebensbaumes niederknien, die den tiefen Tempel der Natur nicht als eine Villa voll Gemälden und Statuen, sondern als eine heilige Stätte der Andacht gebrauchen, die nicht blos mit dem Auge, sondern auch mit dem Herzen wandern. Und zu Denen gehören dann auch die, die das große Wohnhaus, das uns die Vorsehung als Heim angewiesen, bei ihrem Wandern kennen und lieben lernen und darin heimisch werden wollen; die da kommen, um den anderen Hausbewohnern in's Auge zu schauen, ihnen die Hand zu reichen und ihnen ihr Herz zu erschließen, denen die Erde nicht als ein Jammerthal, sondern als der Schauplatz edler Freude und sich mitfreuender Genossen erscheint. — Schon in beschränktem Kreise kann das Wandern diesem Zwecke dienen. Unser sächsisches Erzgebirge ist solch' ein Kreis, Amtsblatt bricht, die Errichtung eines Cholerahospitals im Va tikan und die Spendung einer Million Lire beschlossen hat. Für dieses Vorgeben wünscht der römische Ge meinderath dem Papste den Dank der Bevölkerung zu votiren, und hat sich Leo XIII. bereit erklärt, diese Kundgebung entgegenzunehmen. Egypten. Die sudanesischen Wirren scheinen jetzt einen für die anglo-egyptische Regierung recht gün stigen Ausgang nehmen zu wollen. Aus eigener Kraft hat General Gordon die Scharen des Mahdi zerstreut und selbst die Aufhebung der Belagerung von Khartum erzwungen. Die englische Nilexpedition ist deshalb überflüssig geworden, und wird General Wolseley am 27. d. M. mit dem Generalstabe nilaufwärts gehen, ohne ditMnmNft weiterer Expeditionstruppen abzu- warten. Daa^gsn scheint zur Zett die egyptische Finanz frage zu diplomatischen Weiterungen zu führen. Der Beschluß der egyptischen Regierung, die Ämortisirung der Staatsschuldentilgung zu suspendiren, hat bereits einen Protest des französischen Vertreters in Kairo zur Folge gehabt, welchem Schritte sich nunmehr auch Deutschland und Oesterreich angeschlossen haben; ein Gleiches erwartet man von Rußland und Italien. bahn hat sich zu einem glänzenden Feste österreichischer Arbeit und Schaffenskraft gestaltet, welches von den Vertretern der Nachbarstaats« mit gefeiert wurde« Die Feier erhielt dadurch eine besondere Weihe, daß ihr Kaiser Franz Josef beiwohnte, dessen Fahrt auf der neuen Eisenstraße einem einzigen Triumphzuge glich, welcher seinen würdigen AhschWMider.Bodenseefahrt des österreichischen Herrschers-und besten Begegnung mit dem badischen und wlirttembergischen Herrscher paare fand. — In der Dienstagssitzung des böhmischen Landtages beantwortete Statthalter Baron Kraus die Interpellation des Abgeordneten Mattusch Über die Vorgänge in Reichenberg und Trautenau und erklärte im Laufe seiner Rede, daß er es als seine wichtigste Ausgabe betrachte, die Ruhe und Ordnung im Lande ohne Unterschied der Nationalität streng ausrecht zu erhalten. Diese Antwort des Statthalters, welche in deutscher und czechischer Sprache erfplgte, wurde wieder holt durch stürmische Zurufe unterbrochen. Frankreich. Die französischen Kammern dürften von allen europäischen Parlamenten zuerst wieder an die Arbeit gehen, da ihr Zusammentritt für den 21. Oktober signalisirt ist. Ein endgiltiger Beschluß dar über ist jedoch noch nicht gefaßt, da der Conseilpräsi dent, Herr Fern), erst Ende dieser Woche von seinem Landaufenthalte zurüäerwartet wird. Die militärischen Operationen gegen China werden jedenfalls sogleich nach der Wiedereröffnung der Kammern den Gegen stand einer Interpellation bilden. Inzwischen fehlt es noch immer an Nachrichten über eine bevorstehende Aktion des Admirals Courbet, was den Gerüchten über neuerliche Verhandlungen zwischen Frankreich und China neue Nahrung giebt, ohne daß aber diese Ge rüchte bis jetzt irgend welche Bestätigung gefunden hätten. Belgien. In Belgien bekunden die Massen noch immer einen Hang zu Straßendemonstrgtionen. Anlaß zu einer solchen bot der 23. September, der Jahrestag der belgischen Revolution von 1830, welcher in Brüssel von einer großen Volksmenge dazu benutzt wurde, eine Manifestation in Scene zu setzen. Wie alljährlich, begaben sich auch diesmal die Kämpfer von 1830 in geordnetem Zuge nach dem zum Andenken an die Ge fallenen errichteten Denkmal, wo verschiedene anti klerikale Reden gehalten wurden. Allmählich scheint aber die Demonstration zu einer republikanischen Kund gebung ausgeartet zu sein, denn die Volksmenge sang die Marseillaise und die Braban?onne, und republi kanische Flugblätter, von denen eins zum Beitritt zu der jüngst gegründeten republikanischen Liga aufforderte, wurden in äußerst zahlreichen Exemplaren vertheilt. Zwei Redakteure eines republikanischen Blattes wurden verhaftet und ein anderer Journalist, der in seinem Blatte heftige Artikel zu Gunsten der republikanischen Negierungsform veröffentlichte, ist sogar Knall und Fall des Landes verwiesen worden. Alle diese Vor gänge deuten darauf hin, daß Belgien die schwere, politische Krisis, welche es gegenwärtig durchmacht, noch lange nicht überwunden hat. Italien. Italien steht noch immer unter dem Schreckensregimente der Cholera, wenn auch die neueren Choleraberichte des offiziösen italienischen Telegraphen eine kleine Abnahme der Seuche erkennen lassen. Um so erfreulicher ist es, daß Alles in der Bekämpfung des furchtbaren Feindes wetteifert, und daß sich diesem Wettkampfe nun auch der Papst angeschloffen, welcher für den Fall, daß die Epidemie auch in Rom aus- Politische Wochenschau. Deutsches Reich. Der Kaiser, welcher alle Stra pazen der Reise nach Skierniewice mit bewunderns- werther Rüstigkeit überstanden hat, zeigt auch, allen Nachrichten zufolge, die vom Rheine her zu uns ge langen, bei den dortigen Manöver- und Festtagen eine erfreuliche Frische. Es hat sonach das Programm an läßlich des Aufenthaltes der kaiserlichen Majestäten in Rheinland und Westphalen strikte durchgeführt werden können, und auch das Galadiner, welches die Stadt Münster am Mittwoch den allerhöchsten und höchsten Herrschaften gegeben hat, ist in der wünschenswerthesten Weise verlaufen. Die Kaisermanöver selbst haben mit dem am Dienstag bei Derkum stattgefundenen Corps manöver ihr Ende erreicht. Wie verlautet, wird der Kaiser erst in der zweiten Oktoberhälfte nach Berlin zurückkehren, da er der am 25. Oktober stattfindenden Feier der goldenen Hochzeit des fürstlich Hohenzollern" schen Ehepaares auf Schloß Sigmaringen beizuwohnen gedenkt. Im Uebrigen ist aus deni jetzigen Aufent halte des Kaisers am Rhein ein recht bemerkenswerther Zwischenfall zu verzeichnen. Während es der hohe Herr abgelehnt hat, eine Adresse kirchenpolitischen In halts, die ihm der münsterländtsche Adel zu überreichen gedachte, anzunehmen, wurde von ihm eine Arbeiter adresse huldvollst entgegengenommen. — Die Drei kaiserzusammenkunst von Skierniewice hat eine gewisse politische Windstille über ganz Europa verbreitet, was die Fragen der hohen Politik anbelangt, und es haben daher die Völker mehr denn je Zeit und Gelegenheit, sich mit ihren inneren Angelegenheiten zu beschäftigen. Speziell bei uns treten jetzt die Fragen der auswär tigen Politik, abgesehen von der Kolonialfrage, vor den, namentlich Angesichts der bevorstehenden Reichs lagswahlen, wieder in stärkeren Fluß gerathenden Fragen der inneren Politik zurück. Zwar hat der Reichskanzler den Aufenthalt in Berlin wieder mit der ländlichen Stille in Friedrichsruhe vertauscht, doch wird dies den Gang der politischen Geschäfte in keiner Weise beeinflussen, da der Kanzler dieselben ja von Friedrichs ruhe oder von Varzin aus eben so gut leiten kann, wie von Berlin. Die eigentliche politische Wintersaison wird durch den Zusammentritt des preußischen Staats- rathes eingeleitet werden, welcher auf alle Fälle noch vor dem des neuen Reichstages erfolgen soll. Ueber den Zusammentritt des Letzteren ist zwar noch kein definitiver Beschluß gefaßt, doch wird als höchstwahr scheinlicher Termin der I I. November bezeichnet. Der Etat soll möglichst früh vorgelegt werden, gleichzeitig mit ihm die neue Dampfersubventionsvorlage, welche von einer ausführlichen Denkschrift über die neuesten Vorgänge in Westafrika begleitet sein wird; auch soll eine Reihe von Aktenstücken, welche zwischen Deutsch land und England ausgetauscht worden sind, beigesügt werden. — Das neueste Ereigniß ans dem Gebiete der Wahlbewegung ist der freikonservative Wahlaufruf, welcher von den Blättern der verschiedenen Partei richtungen meist ohne alle weitere Erklärung abgedruckt wird. Mehr Aufmerksamkeit hat dagegen die General versammlung des deutschen Kolonialvereins in Eisenach erregt, und man kann wohl sagen, daß die von der Versammlung gefaßten NMutionen, die ganz im Sinne der Bismarck'schen Aolonialpolitik gehalten sind, ein freudiges Echo in der großen Mehrzahl unserer Nation gefunden haben. Oesterreich-Ungarn. Die Eröffnung der Arlberg-