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DK „Wei-eri-Zeitung" «scheint wöchentlich drei- «al: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis »ierteljShrlich 1 M. AS Pfg., zweimonatlich St Pfg., einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. — All« Postan- «alten, Postboten, sowie »ie Agenten nehmen Be stellungen an. WkWtz-MilW. Amtsblatt Inserate, welch« bei der bedeutenden Auflage de» Blattes eine sehr wirl- saine Verbreitunafinden, werden mit 10 Pfg. di« Spaltenzeile oder oeren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirt« Inserate mit entsprechen dem Aufschlaa. — Einge sandt, ,m redaktionellen Theile, die Spaltenzeile A) Pfg. für die Königliche Amtshauptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen "Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Verantwortlicher Redacteur: Carl Ikhnt in Dippoldiswalde. Nr. 52. Donnerstag, den 1. Mai 1884. 49. Jahrgang. Abonnements auf die Monate Mai nnd Juni nehmen zum Preise von 84 Pfennigen alle Postanstalten und die unterzeichnete Expedition entgegen. Dippoldiswalde. Expedition der „WeißeriH-Zeitung". Die innere Krifis. Keinem Politiker, ob Freund, ob Gegner der Negie rung, kann es entgangen sein, daß das deutsche Reich, und zumal auch dessen Präsidialstaat Preußen, sich in einer inneren Krisis befinden, welche für das Reich eine parlamentarische und für Preußen eine Art Regie rungskrisis ist. Auf dem politischen Gebiete des Reichs hat der Kampf um die Verlängerung des Sozialisten gesetzes und die verstärkte Opposition der jetzt ver schmolzenen Fortschrittler und Sezessionisten die parla mentarische Krisis gezeitigt und auf demjenigen Preußens giebt der beabsichtigte Rücktritt des Reichskanzlers von den preußischen Negierungsgeschäften und die Wieder herstellung des Staatsrathes auf veränderten Grund lagen Anlaß zu einer Regierungskrisis, bei welcher es sich allerdings weniger um wesentliche Aenderungen im Bestände des preußischen Ministeriums, als viel mehr um eine Loslösung desselben in seiner Spitze von dem Reichskanzleramt und einer noch im Projekte befindlichen Beeinflussung der Regierungsgeschäfte durch den reaktivitirten Staatsrath handeln dürfte. Einzelheiten und Lösungen dieser Krisen sind in dessen zur Zeit nur von dem Gebiete der Vermuthungen aus zu beurtheilen. Akut wird die parlamentarische Krisis erst dann werden, wenn der Reichstag seine Entscheidung über die Verlängerung des Sozialisten gesetzes zu fällen Hal, was nächste Woche stattfinden dürste. Bei der bekannten Stellung der Neichsregie- rung zu der Verlängerung dieses Gesetzes handelt es sich jetzt um Annahme oder Ablehnung dieses Gesetz entwurfs schlechtweg und nicht etwa um eine ver schleppende Aenderung des nur auf zwei Jahre zu verlängernden Sozialistengesetzes. Innerhalb der zwei Jahre wird man dann prüfen und entscheiden können, ob das Sozialistengesetz geändert oder durch einige neue Paragraphen des Strafgesetzbuches ersetzt werden soll, jetzt kann sich aber die Negierung nicht darauf einlassen, in einem wesentlich veränderten Sozialisten gesetze eine stnmpfe Waffe gegen das zweifellos ge fährliche Wühlen der Sozialdemokraten gegen Staat und Gesellschaft zu acceptiren, daran können die Dekla mationen der Fortschrittler und Zentrumsparlei von der Verwerflichkeit aller Ausnahmegesetze nichts ändern. Höchst wahrscheinlich dürfte daher der Ablehnung des Sozialistengesetzes die Auflösung des Reichstages auf dem Fuße folgen und wir können schon in wenigen Wochen uns mitten in einem heißen politischen Kampfe befinden. Was die sogenannte Kanzlerkrisis und den Rück tritt des Fürsten Bismarck von den preußischen Regie rungsgeschäften und die Einschränkung seiner Tätig keit auf die Leitung des Reichskanzleramtes anbetrisft, so darf wohl darauf hingewiesen werden, daß Fürst Bismarck sein siebenzigstes Lebensjahr angetreten hat und sich länger als zwei Jahrzehnte auf dem auf reibenden Posten des leitenden Ministers von Preußen und später Deutschland befindet, also ein von der Klugheit gebotenes Schonen der Kräfte des Reichs kanzlers wohl die natürlichste Erklärung für seinen Wunsch ist, von den preußischen Geschäften zurückzu treten und fick ferner nur noch dem Neichsdienste zu widmen. Die Unterstellungen der dreisten Oppositions presse, daß Fürst Bismarck es mit seinem Rücktritte vom preußischen Ministerium nicht ernst nehme, sind daher wohl eben so willkürliche, als frivole Erfindun gen. Ein siebenzigjähriger Minister, der dem Kaiser und dem Vaterlande in schweren Zeiten und nahezu ein Menschenalter diente, soll, nachdem ihn in den letzten Jahren mancherlei Krankheits- und Schwäche zustände geplagt haben, nicht das Bedürfniß fühlen. seine Arbeitslast vereinfacht zu sehen? — Jeder Ein sichtige wird wohl zugeben müssen, daß man mit diesen Wünschen des Fürsten Bismarck ernsthaft rechnen muß. Inwiefern diese Eventualität auch die Entwickelung unserer inneren Politik beeinflussen wird, muß freilich noch abgewartet werden, da über die Ministerverände rung und die Neubildung des Staatsrathes noch nicht Definitives bekannt ist. -Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Das diesjährige große Vogel- und Scheibenschießen der hiesigen Schützengesell- schaft findet Heuer am 13., 14. und 15. Juli statt. — Die Anmeldungen von Sommerwohnungen beim hiesigen Erzgebirgsverein sind nunmehr sofort zu bewirken, nach einem Formulare, das bei Herrn Kaufmann Lincke und in unserer Expedition zu er halten ist, wenn dieselben noch in das demnächst aus zugebende Verzeichniß Aufnahme finden sollen. — Da der Verdacht vorliegt, daß der in Henners dorf gctödtete und der Tollwuth verdächtige Hund sich vom 11. bis 13. April auch in hiesiger Stadt auf gehalten hat, ist ebenfalls für die Stadt Dippoldis walde die H und esperre auf die Dauer von 12 Wochen, bis zuni 5. Juli, angeordnet worden. — Herr Photograph Kögel hier hat Sr. Majestät dem König zu dessen Geburtstage die Photographie des königl. Jagdschlosses Nehefeld übersendet und hat derselbe das Kämmereiamt beauftragt, genanntem Herrn seinen Dank auszusprechen. — Der am Sonnabend Morgen aufgetretene Frost hat namentlich in den Tieslagen unseres Elbthales auf die Baumblüthe schädigend eingewirkt; so sind um Niederwartha, Cossebaude, Kemnitz, Brießnitz, Plauen, Lockwitz u. s. w. die Blüthen mindestens zum dritten Theile völlig erfroren, da dieselben hier über all trotz der Ungunst der Witterung schon seit mehreren Tagen zu voller Entfaltung gelangt waren; in den Höhenlagen dagegen, wie um Altfranken, Merbitz, Oberwartha, Röhrsdorf rc., wo die Blüthen noch wenig entwickelt waren, ist ein Schaden erfreulicher weise uicht zu konstatiren. Dresden. Im Befinden der Königin Carola ist zwar insofern eine Besserung eingetreten, als das Fieber vollständig verschwunden ist und dieselbe auch den größten Theil des Tages außer Bett verbringt; gleichwohl ist aber der Katarrh noch sehr lästig, der Appetit gering und fühlt sich die hohe Patientin immer noch sehr schwach und angegriffen. — Die Zeichnungen auf die neue 5»/o russische Anleihe haben einen kolossalen Umfang angenommen; in Dresden sind allein gegen 40 Millionen gezeichnet worden. (Schade um das schöne Geld.) — Die deutsche Reichsanleihe bei Beginn des Krieges 1870 wurde bekanntlich vor den siegreichen Schlachten von Wörth und Spichern nur zu einem kaum nennenswerthen Betrage gedeckt. — Das seitherige Finanzvermessungsbureau wird mit Ablauf dieses Monats ausgelöst. Die Geschäfte desselben gehen, soweit sie die Landesvermessung und die Grundsteuer betreffen, auf das Centralbureau für Steucrvermessung, im Uebrigen auf das Domänen- vcrmeffungsbureau über. Beide Bureaus haben ihren Sitz im Kanzleigebäude des Finanzministeriums. — Die streikenden Steinmetzgehilfen haben das von den Meistern gemachte Angebot nicht ange nommen und haben fast sämnitlich ihre Werkzeuge von den verschiedenen Arbeitsplätzen abgeholt, resp. an die Meister abgegeben. Nur einige wenige Gehilfen haben in den Werkstätten die Arbeit wieder ausgenommen. Bienenmühle. Am 39. April, Vormittags 10 Uhr, hat unmittelbar hinter dem Bahnhof Bienenmühle der erste Spatenstich zum Bau der Eisenbahn Bienenmühle - Moldau stattgefunden. Leipzig. Am 28. April kamen zur Ausfüllung der Lücken etwa 40 böhmische Maurer in Leipzig an und wurden von den Meistern in der Windmühlen straße einquartiert. Diesen Anlaß benutzten die Strei kenden zu einer Demonstration, indem sie die Zu gezogenen zum Verlassen der Arbeit aufzuwiegeln suchten. Dadurch wurde in der Straße der ganze Verkehr gesperrt, sodaß ein starkes Contingent Polizei mannschaft die Ruhe wieder Herstellen und auch Ver haftungen vornehmen mußte. Chemnitz. Unterm I I. August 1881 wurde Herrn Eduard Beyer die Konzession zur Herstellung einer Straßeneisenbahn in Chemnitz innerhalb der auf Grund der Konzessionsurkunde verlautbarten Frist ertheilt. Da nun die beregten Strecken innerhalb der gesetzt gewesenen Frist nicht zur Ausführung gelangt sind, so hat der Rath beschlossen, die Konzession nunmehr für aufgehoben und die seiner Zeit eingezahlte Kaution von 20000 Mk. als für die Stadt verfallen zu er klären. — Die vom Commerzienrath Keller zu Chemnitz geplante Arbeiterkolonie, zunächst für die Beamten und Arbeiter der Sächsischen Maschinenfabrik bestimmt, zeigt sich jetzt in ihren ersten Anfängen. Vorerst sind 3 kleine Häuser mit je 3 Stuben, Kammern, kleinem Stall und sonstigem Zubehör so weit fertig gestellt worden, daß sie jedenfalls noch im Laufe dieses Som mers bezogen werden können. Da für dieselben unter den festgesetzten Bedingungen rasch Liebhaber gefunden, so werden nunmehr weitere ähnliche bez. gleiche Bauten in Angriff genommen und dürfte somit der Kolonie eine gedeihliche Entwickelung und rasches Wachsthum gesichert sein. Tagesgeschichte. Berlin. Am 27. April fand ein Ministerrath statt, worauf Fürst Bismarck eine einstündige Audienz beim Kaiser hatte; wie es heißt, handelte es sich dabei um die Lage des Sozialistengesetzes, bez. um die Frage eines Gesetzes über die Sprengstoffe. Köln. Der Um- und Neubau des Zentral- Vahnhofs hat begonnen. Circa 130 Häuser mit 1600 Insassen müssen dem Riesenbau das Feld räumen, und es wird namentlich dem Mittelstände schwer fallen, neue passende Wohnungen zu finden. Die Arbeiten am Zentral Bahnhof sollen demnächst in zwei Schichten Tags nnd Nachts gefördert werden, und zwar soll elektrisches Licht während der Dunkelstunden die Tages helle ersetzen. Lothringen. Die Fortschritte, welche dasDeutsch - thum in Metz in den letzten dreizehn Jahren zu ver zeichnen hat, sinv, wie neuerdings selbst von der fran zösischen Presse zugegeben werden muß, ganz bedeutend. Diese Stadt zählt nämlich nach den statistischen Fest stellungen bereits eine deutsch redende Militär- und Civilbevölkerung von 24514 Seelen, wozu noch 5146 Ausländer verschiedener Nationalität kommen. Diesen stehen blos 23571 französisch redende Einwohner ent gegen, so daß also heute schon über die Hälfte der Bevölkerung der deutschen Zunge angehört. Da vor dem Kriege in Metz nur eine verschwindend kleine deutsch redende Kolonie bestand, so trägt an der in zwischen zu Gunsten des Deutschthums eingetretenen Verschiebung des Mischungsverhältnisses in erster Linie die bei der Option erfolgte starke Auswanderung nach Frankreich die Schuld. Die dadurch entstandenen Lücken wurden alsbald durch Einwanderung aus Alt deutschland gedeckt. Außerdem wirkt dabei der beson-