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„Wel-eritz-Zeitung" «scheint wöchentlich drei mal: DienStag, Donners tag und Sonnabend. — Preis Vierteljährlich 1 M. 2b Psg., zweimonatlich 84 Pfg-, eimnonatlich 42 »jfg. Einzeln« Nummern iv Pfg. — All« Postan- Italien, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. WeWH-ZkitilW. Amtsblatt AyrlshauptmannschafL Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte zu Dippoldiswalde und Irauenstein Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage de» Blattes eine sehr wirk sam« Verbreitung finden, werden mit 10 Psa. di« Spaltenzeile oder vere« Itaum berechnet. — Ta bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge sandt, im redaktionellen Theiie, die Spaltenzeile »oPfg. und die Stadträthe Verantwortlicher Redacteur: Carl Ahne in Dippoldiswalde. Nr. 39. Politische Wochenschau. Deutsches Reich. Der diesmalige Gratulations empfang zu Kaisers Geburtstag charakterisiere sich durch eine ungewöhnliche Kundgebung des Kaisers zugleich als ein bedeutsamer politischer Moment. Es ist dies - die bereits bekannte Anrede, welche der kaiserliche Herr an die Präsidien des Reichstages, sowie beider Häuser des preußischen Landtages bezüglich der Reichstags verhandlungen über das Sozialistengesetz gerichtet hat, und zwar in Gegenwart des gesammten Bundesrathes und welche wörtlich lautet, wenigstens in ihrem hervor ragendsten Passus: „Die Verhandlungen waren sehr lebhaft in den letzten Tagen. Der Beginn der Be- rathungen im Reichstage hat mir nicht gefallen. Daß der Verlängerung des Sozialistengesetzes Schwierig keiten gemacht werden, ist mir auffällig. Man vergißt, was zum Erlasse dieses Gesetzes geführt hat. Ich habe bluten müssen. Ich betrachte es daher als gegen mich persönlich gerichtet, wenn die Mittel gegen solche Aus schreitungen verweigert werden. Wir stehen an einem Wendepunkte; gewisse Bestrebungen führen in ihren letzten Konsequenzen zum Sturze der Monarchie. Sorgen Sie, daß sich noch Alles zum Besten wende." Diese schwerwiegenden kaiserlichen Worte haben nicht nur auf alle bei jenem Anlasse Anwesenden, sondern auch im ganzen Lande den tiefsten Eindruck gemacht, und diesen Eindruck werden sicherlich die bevorstehenden weiteren Verhandlungen über das Sozialistengesetz wiederspiegeln. — Der „Reichs- und Staats-Anzeiger" veröffentlicht einen kaiserlichen Erlaß an den Reichs kanzler, in welchem der Kaiser anläßlich der ihm auch zu seinem diesmaligen Geburtsfeste zugegangenen zahl reichen Beweise freudiger Theilnahme in warmen Worten seinen Dank ausspricht. Besonders hervorgehoben zu werden verdient die Stelle, in welcher der Kaiser die Ueberzeugung ausspricht, daß die ganze Nation, ohne Rücksicht auf politisches und religiöses Bekenntniß, in aufrichtiger Vaterlandsliebe und Treue zu ihm und zum Reich fest und einig zusammenstehe. — Die Ar beiten in den beiden zurZeit tagendenparlamentarischen Körperschaften, im Reichstage und im preußischen Ab geordnetenhause, nehmen einen verhältnißmäßig raschen Fortgang. Man kann daher annehmen, daß beide Häuser einen großen Theil ihrer laufenden Geschäfte bis zum Beginne der parlamentarischen Osterpause er ledigt haben werden, und soll dieselbe bezüglich des Reichstages sogar noch in dieser Woche eintreten. Allerdings haben im Reichstage sämmtliche wichtigeren Vorlagen bereits die erste Lesung passirt, und es kann daher der Reichstag seinen Kommissionen nunmehr eine größere Pause zu ihren Arbeiten gönnen. Oesterreich-Ungarn. Im österreichischen Abge ordnetenhause bietet die Spezialdebatte über das Budget, mit welcher sich das Haus seit beinahe zwei Wochen beschäftigt, das Bild einer rhetorischen Steeple - Chase dar. Die einzelnen Positionen werden von der Ma jorität wie im Sturmlauf durchgenommen, ohne daß sich doch das Ende derDebatte mit Bestimmtheit voraus sagen läßt. Interessanter ist ein Einblick in das Treiben der österreichischen Sozialisten und Anarchisten. Es ist erwiesen, daß dieselben mit gemeinen Verbrechern in Verbindung stehen, denn dem verhafteten Kammerer ist die Theilnahme am Eisert'schen Raubmord nachge wiesen, und aus Pest wird jetzt die Verhaftung des Buchhalters Fried, eines der gefährlichsten Agitatoren der Pester Anarchisten, gemeldet, da selbiger verdächtig ist, bei der erwähnten Affaire betheiligt gewesen zu sein. Sonnabend, den 29. März 1884. Frankreich. Die französische Kolonialpolitik wird nach dem vorläufigen glücklichen Ende der Tonkin- Expedition eine weitere Ausdehnung erfahren. Die Madagaskar-Angelegenheit soll nunmehr mit aller Energie ausgenommen werden. In der Deputirten- kammer waren alle Redner, ohne Unterschied der Par teien, darin einig, daß die „unbestreitbaren" Rechte Frankreichs in Madagaskar energisch gewahrt werden müßten, und zur Unterstützung dieser Rechte soll ein Theil der in Tonkin verwendeten Truppen demnächst nach Madagaskar abgehen. England. Dem Jubel der englischen Blätter über die Erfolge General Grahams haben die aus dem Westsudan über General Gordon einlaufenden bedenk lichen Nachrichten einen raschen Dämpfer ausgesetzt. Diese Nachrichten kaffen über das Scheitern der Friedens mission Gordons keinen Zweifel mehr zu; General Gordon ist in Chartum nebst den dort befindlichen egyptischen Truppe» von den Aufständischen vollständig eingeschloffen, und in Anbetracht der bisherigen bar barischen Kriegsführung im Sudan kann man nur mit Schaudern an das Loos denken, welches den Be lagerten zu Theil werden würde, falls die Stadt in die Hände des Mahdi fiele. Nur von Osten her, vom General Graham, kann Gordon Rettung werden, und es wird denn auch gemeldet, daß das Korps Grahams mit zahlreichen Mannschaften der befreundeten Stämme Suakin in der Richtung auf Tamanieb verlassen hat. Es ist dies jedenfalls als ein Versuch Grahams zu betrachten, Chartum über Berber (nordöstlich von Chartum am Nil gelegen) zu entsetzen. Da der Weg von Suakin nach Berber größtentheils durch Wüsteneien führt, so wird der Marsch Grahams auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen. Dem französischen General konsul in Kairo zugcgangene Meldungen vom 20. März bestätigen, daß Chartum fast vollständig von den Auf ständischen eingeschloffen ist und daß auf beiden Seiten des Nil südlich von Shendy sich große Haufen Auf ständischer befinden. Spanien. Durch das Entgegenkommen der spa nischen Regierung ist Deutschland ein, wenn auch nur winziger Anfang eines Kolonialbesitzes ermöglicht worden. Die spanische Negierung hat der deutschen Negierung die Anlegung einer Proviant- und Kohlen station für die deutschen Kriegsschiffe in der Bai von St. Isabella auf Fernando-Po gestattet. (Fernando-Po ist eine an der Westküste von Afrika gelegene und den Spaniern gehörige Insel. Sie bildet ein 43 Kilometer langes und 27 Kilometer breites Viereck, ist äußerst fruchtbar und ein höchst wichtiger Stationsort für die westafrikanischen Dampfer und für die zahlreichen Handelsschiffe an den Nigermündungen. Die Zahl der Eingeborenen wird auf ca. 20000 Köpfe geschätzt.) Die Thronrede vom 27. März. Meine Herren Stände! Am Schluffe dieser arbeitsvollen Sitzungsperiode habe Ich Sie nochmals um Mich versammelt, um Ihnen Meinen Königlichen Dank für die Hingebung auszusprechen, mit welcher Sie sich der Erledigung der Ihrer verfassungsmäßigen Mitwirkung unterliegenden Angelegeicheiten des Landes gewidmet haben. Vor Allem gedenke Ich Ihrer Sorgfalt bei der Prüfung des Staatshaushalts und Ihrer Bereitwillig keit zur Bewilligung der für eine gedeihliche Verwal tung des Staates erforderlichen Mittel. Sicherlich wird es mit Dank und Anerkennung vernommen werden. 49. Jahrgang. daß der Abschluß des Etats mit einer erheblichen Ab minderung der Steuern erfolgen konnte. Wenn Sie die Mittel zum weiteren Ausbau des Eisenbahnnetzes bewilligt und Ihre Zustimmung zur künftigen Aufhebung des Chauffeegeldes ertheilt haben, so wird dies in Verbindung mit einer Ermäßigung der Gütertarife nicht ohne wohlthätige Wirkungen auf die Hebung und Erleichterung des Verkehrs bleiben. Ich gedenke ferner Ihrer Bewilligungen zur Er werbung und zur Errichtung von Gebäuden für Zwecke der Verwaltung und für Zwecke der Wissenschaft und Kunst. Es werden dadurch lange gehegte und berech tigte Wünsche zur Erfüllung gebracht und bedeutenden Instituten der Raum zu weiterer Entfaltung gewährt. Das Gesetz wegen Abänderung einiger Bestim mungen des allgemeinen Berggesetzes wird, wie Ich hoffe, im Anschluß an die reichsgesetzlichen Vorschriften über die Krankenversicherung von günstigem Einflüsse auf die Verhältnisse der bergmännischen Bevölkerung sein und einer weiteren zweckmäßigen Reform der Knappschaftskaffen die Wege ebnen. Von dem Gesetze über die Zwangsversteigerungen von Grundstücken darf eine vortheilhafte Einwirkung auf die wirthschaft- lichen Verhältnisse des Grundbesitzes erwartet werden. Durch das Gesetz wegen Veränderung einiger Bestim mungen über die Realschulen wird die Entwickelung dieser wichtigen Bildungsanstälten zum Abschluß ge bracht. So kann Ich auf die nun abgeschlossene Periode Ihrer verfassungsmäßigen Thätigkeit als auf eine Zeit ersprießlicher Erfolge für die Interessen des Landes mit Befriedigung zurückblicken. Für Mein Haus frei lich ist sie nach Gottes Rathschluß eine Zeit des tiefsten Schmerzes gewesen. Meinem Herzen ist es Bedürf- niß, Ihnen und dem ganzen Lande auch an dieser Stelle von Neuem für die warme und innige Theil nahme zu danken, die Unsere Trauer an allen Orten gefunden hat. Ich entlasse Sie, Meine Herren Stände, mit dem innigen Wunsche, daß Gottes schützende Hand auch ferner über Unserem theueren Lande walten möge. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde, 28. März. In der am gestrigen Abend abgehaltenen Versammlung des Gebirgs- Vereins wurden meist Angelegenheiten untergeord neter Bedeutung zur Erledigung gebracht, auch wurde beschlossen, erneute Schritte zu thun, daß der Luch bergthurm in die Landesbrandkaffe ausgenommen werde und verspricht man sich einen günstigen Erfolg des Gesuchs, da sämmtliche Thurmbauten des westlichen Gebirges versichert sind. — Herr Direktor Lamer be sprach sodann in ausführlicher anregender Weise die Arbeiten, deren sich die Gebirgsvereine zu unterziehen haben, um Ersprießliches für die Gesammtheit zn er reichen. — Bei den diesjährigen Frühjahrs-Kontrol- Versammlungen findet die Versetzung des ältesten Jahrganges der Reserve zur Landwehr und die Ueber- sührung des letzten Jahrganges der Landwehr zum Landsturm statt; zugleich erfolgt die Vertheilung der Landwehr-Dienst-Auszeichnung 2. Klaffe an die Be treffenden. — Wir können daher die betheiligten Mann schaften nur ausfordern, sich pünktlich auf deg-Kontrol- plätzen einzufinden, da das Nichterscheinen zur Kontrol- versmmnlung eben so streng bestraft wird, als die Nichtbefolgung einer Einberufungsordre zur Usbung. Gleichzeitig bemerken wir noch, daß auch sämmtliche Landwehrleute der anderen Jahresklassen, sowie sämmt liche Reservisten, Dispositionsurlauber und zur Dispo sition der Ersatzbehörden Beurlaubte zur Kontrole zu erscheinen haben. — Die Kontrolversammlungen im Landwehrbezirk Pirna finden in der Zeit vom I. bis 8. und vom IS. bis mit 17. April 1884 statt, und zwar bei der 4. Bezirks-Kompagnie „Dippoldiswalde" Dienstag, den 15. April, Vormittags S und I I Uhr, Abonnements - Einladung. Mit der heutigen Nummer schließt das I. Quartal, und bitten wir unsere geehrten Leser, das Abonnement auf das 2. sofort erneuern zu wollen, damit in der Zusendung der einzelnen Nummern eine Unterbrechung nicht eintritt. Dippoldiswalde. Expedition der „Wcißcrih-Zeilung".