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Wchmtz-MW Verantwortlicher Redacteur: Cäk! IkhNt in Dippoldiswalde. Donnerstag, den 20. März 1884. Nr. 35. Inserate, welche bet de» bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirt« saine Verbreitung finden, werden mit 10 Psg. di« Spaltenzeile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirt« Inserate mit entsprechen den, Ausschlag. — Einge sandt, im redaktionellen Theile, die Spaltenzeile LO Psg. Dt» „rSelßeritz-Zeitung« «scheint wöchentlich drei- mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Breis »irrteljührlich 1 M. 2b Psg-, zweimonatlich 84 Psg-, einmonatlich 42 Psg. Einzelne Nummern 10 Psg. — All« Postan ¬ stalten, Postboten, sowie di« Agenten nehmen Be< , , , ft-llungen an. AU sür di- Königlich- Umtshanpimannschast Dippoldiswalde sowie dmtsgmchte «nd die Stadkithe ' zu Dippoldiswalde und Irauenstem Die Sozialreformen und das Unfallverficherungsgesetz. Die Frage der Sozialreformen zieht immer weitere Kreise, und seitdem die jüngste Thronrede des Kaisers wiederum das Festhalten an den sozialen Nesormplänen für die Arbeiter betont hat und der Reichstag die Be- rathung des Gesetzentwurfs für die Unfallversicherung der Arbeiter begann, ist man lebhafter als je in die Diskussion für und wider diese Reformen eingetreten. Wir müssen offen bekennen, daß wir, abgesehen von diesem oder jenem praktischen oder finanziellen Bedenken, für alle diejenigen Sozialreformen eintreten, welche den Zweck verfolgen, die Lage der Arbeiter und des untersten Standes überhaupt zu bessern, und erblicken in dem betreffenden Vorgehen des Fürsten Bismarck weder Staatsomnipotenz noch Staatssozialismus in dem von der Opposition dargelegten Sinne. Akte der Klugheit, der Sicherung, aber auch der Humanität sind die vom Staate in Angriff genommenen Sozial reformen, aber keine bedenklichen, Unheil aussäenden Experimente, wie die fortschrittliche, demokratische-und sozialdemokratische Agitation glauben machen will. Wohl meinen die Gegner, die Arbeiter seien auch freie Menschen und die Menschenwürde verlange, daß der Mensch sich selbst oder durch freigewählte Vereinigungen, aber nicht durch vom Staate erzwungene helfe. Dieses Argument klingt sehr edel und gilt auch in unserem Staats- und Wirthschaftsleben sehr viel, hat aber bei MillionenMenschen, die durch Charakterschwäche, Gleich giltigkeit, Leichtsinn oder auch Nothstände, es nie in ihrem Leben dahin bringen, einen Sparpfennig zurück zulegen, gar keinen praktischen Werth. Die Millionen im Alter und in der Invalidität unversorgten Arbeiter sind in Deutschland doch da und nur Schwärmer oder Heuchler können es unternehmen, zu lehren, daß ohne jeden Staatszwang, ohne jede Staatshilfe eine durch greifende Besserung für die Versorgung kranker oder invalider Arbeiter eintreten werde. Dann doziren die Gegner auch, diese Unterstützungen und Staatshilfen machten den Arbeiter erst recht gleichgiltig, denn er wisse nun ja, daß er versorgt werden müsse. Ja, versorgt soll er werden,- aber wie die betreffenden Ge setze vorschreiben, nur infolge seiner Eigenschaft als ehrlicher Arbeiter, der in seinem Berufe krank oder invalid wurde und nicht als Bummler und Tagedieb. Tagediebe und Landstreicher darf man übrigens auch in reiner hilflosen Lage lassen, sondern sie sind der Armenpflege und den Besserungsanstalten zu übergeben, es muß also aus Humanität auch für diese Menschen klasse gesorgt werden. Man thäte aber wohl dem deutschen Arbeiterstande ein großes Unrecht, wenn man annehmen wollte, daß viele seiner Angehörigen über haupt die Alters-und Jnvalidenversorgung mißbrauchen würhen, auch schieben, wie schon erwähnt, diebetreffenden Gesetze hier schon einen Riegel vor. Eine vollständige Verkehrtheit ist es auch, der Negierung vorzuwerfen, sie treibe bedenklichin, der Sozialdemokratie Vorschub leistenden Staatssozialismus mit ihren Sozialreformen. EtaatssozialiSnius wäre doch wohl jene Staatsform, welche die ganze wirthschastliche Freiheit der Bürger aufhebt. Kann aber nicht jeder deutsche Bürger und Arbeiter auch neben den sozialreformatorischen Gesetzen wirthschastlich noch treiben, was er will, Gewerbe und Stelle wechseln, wie es ihm paßt, auch selbst sparen und sich selbst helfen und für seine Person die Theil- nahme an der Kranken- und Jnvalidenversorgung als überflüssig nachweisen. Nicht gegen die bestehenden staatlichen und wirthschaftlichen Prinzipien wenden sich daher die Sozialreformen, sondern nur gegen gewiße Unzulänglichkeiten und Mißstände. So ist auch das nur im Reichstage zur Berathung gelangte Unfall- versicherungSgesetz in der Hauptsache nur eine noth- wendig gewordene Ergänzung des Haftpflichtgesetzes, und hält sich streng innerhalb der Grenzen, die durch haftpflichtige Betriebe gegeben sind. Auch enthält dieses Unfallversicherungsgesetz nicht nur Wohlthaten für die Arbeiter, sondern auch für die betreffenden Urbeltgeber, indem dieselben nicht wie bisher allein haftbar für einen verunglückten Arbeiter sind, sondern m Gemein schaft mit Staat und Arbeiter die Kosten der Unfall versicherung tragen sollen. Lokales «nd Sächsisches. Dippoldiswalde. Nach einer Mittheilung des königl. Landstallamtes wird die diesjährige Stuten- musterung und Fohlenschau sür das Zuchtgelnet Dippoldiswalde mit Prämirung am 30. Mai, Vor mittags 9 Uhr, daselbst statlfinden. Unter den Zucht gebieten Moritzburg, Kesselsdorf, Dippoldiswalde und Copitz ist Dippoldiswalde das einzige, mit dessen Fohlen schau eine Prämirung verknüpft ist. — 18. März. In richtiger Würdigung der Mah nung: „Willst Du immer weiter schweifen? Sieh, das Schöne liegt so nah!" hatte der Gewerbever ein für den gestrigen Tag (seinem Stiftungstag) einen Besuch hiesiger Werkstätten geplant und führte den selben zur großen Befriedigung der allerdings nicht sehr zahlreich erschienenen (25) Theilnehmer auch aus. Zunächst galt der Besuch der Strohhutsabrik von H. H. Reichel, welche gerade jetzt vollauf zu thun hat, um den Bedürfnissen der mit Macht hereinbrechenden warmen Saison zu genügen. Nach Besichtigung der großartigen Geflechtvorräthe verschiedenen Ursprunges (deutsche, italienische, chinesische u. s. w.) begab man sich in den Näherinnensaal, wo an 30 Maschinen mit Dampfbetrieb fleißig gearbeitet und die Entstehung der Fa^ons mit besonderem Interesse verfolgt wurde. Trotz des schnurrenden Geräusches der Maschinen ließen sich die Näherinnen in, der Ausführung heilerer Gesänge nicht stören, und gewann man die Ueber- zeugung, daß die Arbeit in diesem hohen, luftigen und gut ventilirten Raume der Gesundheit gewiß weniger schädlich sei, als manche andere Fabrikarbeit. Hierauf wurde noch das Steifen und Pressen, das Lackiren und Etikettiren, sowie das Repariren beim Nähen schadhaft gewordener Hüte betrachtet und mit Dank gegen den einen Alles persönlich genau erläuternden Chef verließ der Verein das Etablissement, um den Walk steig hinaus nach der Pappfabrik von Herm. Rost zu wandern. Unterwegs nahm der allzeit bereite Photo graph Kögel ein Gruppenbild, mit dem Steinbruche als Hintergrund auf. Herr Rost empfing den Verein mit großer Aufmerksamkeit, hatte auch durch verschie dene kranzumfaßte Inschriften seiner Freundlichkeit sichtbaren Ausdruck gegeben. Die neuen Einrichtungen der aus bescheidenen Anfängen sehr erfreulich ent wickelten Fabrik wurden eingehend besichtigt und er fuhr man bei dieser Gelegenheit, daß dieselbe jetzt unter andern Aufträgen auch die Lieferung der zur Herstellung der Patronenhülsen des deutschen Heeres nöthigen Pappen auszizführen hat. Die Fabrik ar beitet jetzt meist mit Wasserkraft, was durch die mit 40 Pferdekräften arbeitende Turbine ermöglicht wird. Nächster Tage wird auch mit der Herstellung von Papier (Packpapier) begonnen werden. Schließlich nahm Hr. Kögel auch hier ein Gruppenbild auf. Nach kurzer Erfrischung in der Trägerschen Restauration traten die Mitglieder den Rückweg an. Nächstens soll ein ähnlicher Ausflug in hiesige größere Werkstätten unternommen werden. — Die im hiesigen Steinbruche befindliche eiserne Brücke, die jetzt einem regelrechten Steinebrechen sehr hinderlich ist, wird in nächster Zeit entfernt werden und wird der über sie führende Weg, der jetzt schon fast kaum mehr von Spaziergängern benutzt wird, weiter zurückgelegt. Der Felskegel, auf dem die Brücke aber steht, bietet für viele Jahre gutes Straßen material. — Nächsten Freitag (Nachts verkehrt bekanntlich ein Extrazug von Hainsberg nach Kipsdorf) wird im Altstädter Hoftheater das Schauspiel: „Das Leben ein Traun," gespielt, während das Neustädter Hoftheater geschloffen bleibt. — Wie wir hören, wird mit Ostern d. I. in Schmiedeberg ein Hilfslehrer angestellt werden, da die Zahl der schulpflichtigen Kinder daselbst jetzt über 160 beträgt. — Der dringend nothwendige Bau eines neuen Schulgebäudes soll ebenfalls noch in diesem Jahre ausgesührt werden; die Wahl zwischen zwei dazu in Aussicht genommenen Plätzen ist bis jetzt definitiv noch nicht erfolgt. Geising. Bei der Postverwaltung ist Otto Ml- helm Matthes, seither Postverwalter in Löbtau, als solcher in Geising ernannt worden. Dresden. Die erste Kammer genehmigte am 17. März einstimmig und ohne Debatte die Erbauung einer Eisenbahn von Schönberg nach Schleiz. — Die Finanzdeputation der zweiten Kammer hat die Bewilligung von 2567700 Mark zur Erbauung eines neuen Kunstakademie- und Kunstausstellungs- Gebäudes auf der Brühl'schen Terrasse in Dresden beantragt. — Die zweite Kammer lehnte am 18. März mit 38 gegen 36 Stimmen die Ermäßigung der Grund steuer ab und genehmigte nach dem Deputationsvorschlag die Mittel zum Neubau der Kunstakademie. — Auch in unserem Sachsen scheint man jetzt die Errichtung einer Arbeiter-Kolonie in Verbindung mit einer zweckmäßigen Organisation der Verpfleg stationen ernstlich in's Auge zu saffen. Der Landes verein für innere Mission wird auf seiner diesjährigen Hauptversammlung am 29. April über diese Frage berathen. Gleichzeitig steht auch die Frage, welche besondere Aufgabe der inneren Mission in dem neu erwachten Kampfe gegen die Trunksncht erwächst, zur Verhandlung. — Mit dem 1. April d. I. werden die Fabrik- und Dampfkessel-Inspektoren Sachsens die Bezeichnung Gewerbe-Inspektoren führen. Zu den bisherigen fünf Bezirken derselben tritt der neu zu errichtende Bezirk Meißen, so daß nunmehr in Sachsen sechs der gleichen Bezirke bestehen werden. — Infolge der vor Kurzem stattgehabten Verloosung sächsischer Staatspapiere kommen 980200 Mark Nennwerth der Staatsschuld zur Rückzahlung. Von der vierprozentigen Staatsschuld von 1847 kommen 543000 Mark (in Stücken von 1500 Mark) am l. Oktober zur Rückzahlung. Aus früheren Aus- loosungen sind noch rückständig 177000 Mark. Von der dreiprozentigen Schuld vou 1855 kommen 52 800 Mark (in Stücken von 300 Mark) ebenfalls am 1. Ok tober zur Rückzahlung, während 16 800 Mark aus früheren Verloosungen rückständig sind. Der Nennwerth der jetzt ausgeloosten vormaligen sächsisch-schlesischen Eisenbahnaktien, welche bereits am I.Juli fällig werden, beträgt 374400 Mark, jedoch ist dem Nennwerth noch ein Prämienzuschlag von 8 Prozent im Gesammtbetrage von 29952 Mark zuzuschlagen. Der Nennwerth der aus früheren Verloosungen rückständigen Stücke dieser Gattung beträgt 14700 Mark. — Der einen Werth von 357060500 Mark re- präsentirende Grundbesitz Dresdens ist nach den Mittheilungen, welche am Sonnabend Abend in der einberufenen Mietherversammlung gemacht wurden, mit 311 Millionen Hypotheken bedacht, so daß sich nur ein reines Vermögen von 45 Millionen ergiebt. Das Gesainmteinkommen von Dresden betrug 1880 139,» Millionen. Davon versteuerten die Grundbesitzer 7,» Millionen aus Grundwerth, die Miether 132,-Millionen. Vei gleichem Zuschlag zur Einkommensteuer würden die Grundbesitzer '/>» gegen ' ^/>»der Miether beitragen, wahrend sie jetzt > gegen */» der Miether beizutragen verpflichtet sind. Dieser Beitrag erhöht sich zwar noch um tue Summe, welche die Hauswirthe durch unbe»