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Wchmh-IeitW Verantwortlicher Redacteur: Carl Ahne in Dippoldiswalde. 49. Jahrgang. Nr. 30. Sonnabend, den 8. März 1884. Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage deS Blattes «ine sehr wirk same Verbreitunei finden, werden mit 10 Psg. di« Spaltenzeile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirt« Inserate mit entsprechen dem Ausschlag. — Eiiige- sandt, im redaktionellen Theile, die Spaltenzeile 20 Pfg. „Weißer^Zeitung" ««scheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis »ierteljlfhrlich 1 M. 25 Pfg., zweimonatlich 8t Pfg-, einmonatlich tS Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. — AU- Postan- «alten, Postboten, sowie di« Agenten nehmen Be- """ Amtsblatt für die Königliche Amtshauptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Politische Wochenschau. Deutsches Reich. Im Schooße der kaiserlichen Familie hat sich dieser Tage ein bemerkenswerthes Er- eigniß abgespielt, die Rückkehr der Frau Prinzessin Friedrich Karl nach Berlin. Es war eine offenkundige Thatsache, daß zwischen dem Prinzen Friedrich Karl und seiner erlauchten Gemahlin seit längerer Zeit Dif ferenzen bestanden, die eine öftere Trennung ver beiden Gatten zur Folge hatten; während der letzten Monate weilte die Prinzessin an ihrem heimathlichen Hofe, in Dessau. Infolge neuerlicher Verhandlungen zwischen den beiderseitigen Bevollmächtigten, hauptsächlich aber wohl infolge bestimmter Wünsche seitens des greisen Oberhauptes der kaiserlichen Familie hat eine vollstän dige Aussöhnung stattgefunden, und ist die fürstliche Frau am Montag an die Seite ihres Gemahls nach Berlin zurückgekehrt. Die Begrüßung zwischen beiden Gatten auf dem Bahnhofe war eine äußerst herzliche, wobei auch Prinz Wilhelm und mehrere andere Mit glieder des Königshauses anwesend waren. Am Dienstag stattete die Prinzessin den kaiserlichen Majestäten einen Besuch ab. — Mit der Eröffnung des Reichstages hat die parlamentarische Saison ihren Höhepunkt erreicht, und da neben dem obersten Parlamente auch das preu- ßische Abgeordnetenhaus und die Landtage verschiedener Mittelstaaten, wie die von Bayern, Sachsen, Hessen, sowie einiger kleinerer Staaten noch geraume Zeit fort lagen werden, so wird es an Abwechslung in der in ner» Politik nicht fehlen. Selbstverständlich werden die Verhandlungen des Reichstages bei Weitem das meiste Interesse in Anspruch nebmen, um so mehr, als gerade in dieser seiner letzten Session der gegenwärtigen Legislaturperiode so bedeutungsvolle Vorlagen zur Berathung gelangen. Das Unfalloersicherungsgesetz und die Novelle zum Aktiengesetz, welche Gesetzentwürfe der Bundesrath noch in voriger Woche angenommen hat, werden den Reichstag gleich in der ersten Zeit seines Beisammenseins beschäftigen. (Dem Unsallver- ficherungsgesetze hat der Bundesrath im Großen und Ganzen dem Negierungsentwurse gemäß zugestimmt, mit Hinzufügung des Ausschußantrages, daß besondere Berufsgenossenschaften auch für einzelne Theile des Reiches zugelassen werden sollen.) Eine wichtige Frage, die den Reichstag ebenfalls demnächst beschäftigen wird, ist diejenige der Verlängerung des Sozialistengesetzes. Dem Bundesrathe ist nunmehr der Antrag Preußens auf Verlängerung des Gesetzes bis zum 3<X September 1886 zugegangen und von einer kurzen Begründung begleitet; man darf gespannt sein, ob der Reichstag auch diesmal demselben zustimmen wird; allzugünstig stehen hier die Aktien für die Annahme des Gesetzes resp. der Verlängerung desselben nicht. — Die Gerüchte von der bevorstehenden Demission des preußischen Kultusministers v. Goßler treten mit wachsender Be stimmtheit auf. Einerseits führt man diese Absicht des Ministers auf den Umstand zurück, daß die Negierung ernstlich die Begnadigung des früheren Kölner Erz bischofs Melchers in Aussicht genommen habe, anderseits heißt es, die Meinungsverschiedenheiten zwischen Fürst Bismarck und Herrn v. Goßler über das Schuldotations gesetz hätten letzterem den Entschluß nahegelegt, zu de- missioniren. Als Nachfolger Herrn v. Gosslers nennt man bereits den Obcrpräsidenten von Westphalen, v. Hagemeister; vorläufig sind indessen alle diese Ge rüchte noch unverbürgt. — Der sächsische Landtag soll dem Vernehmen nach am 20. März geschloffen werden. Oesterreich-Ungarn. Die internationale revolu tionär-sozialistische Propaganda hebt wieder einmal an verschiedenen Punkten Europas gleichzeitig ihr Haupt. Die fluchwürdigen jüngsten Experimente der Fenier mit den Höllenmaschinen auf den Londoner Bahnhöfen, die anarchistischen Ausschreitungen in Wien , die lär menden Anarchisten-Versammlungen in Paris und der Schweiz weisen auf den Zusammenhang und die weite Verbreitung des modernen Verschwörerthums hin. In neuester Zeit wird besonders der österreichische Staat mit in die revolutionären Zuckungen hineingezogen, es beweisen dies die jüngsten Vorgänge und Verhaftungen in Wien und Pest und neuerdings auch in der kroa tischen Hauptstadt. Es wurden hier bei verschiedenen Arbeitern Schriftstücke mit Beschlag belegt, aus denen hervorgeht, daß die Agramer Sozialisten mit dem ver hafteten Redakteur Prager in Pest und mit den sozia listischen Vereinen in Luzern und Zürich in enger Fühlung stehen. Infolge dessen sind in Agram meh rere Verhaftungen vorgenommen worSen. England. Das englische Prestige in Egypten, welches durch das siegreiche Vorwärtsschreiten der Re bellion im Sudan bedenklich in's Hintertreffen zu kommen drohte, ist durch den englischen Sieg bei El Teb wieder „gerettet" worden. In England herrscht denn auch großer Jubel über diese neueste britische Waffenthat und die Londoner Blätter feiern den Erfolg General Grahams in noch überschwenglicherer Weise als seinerzeit den be—rühmten „Sieg" Wolseleys bei Tel el Kebir. Nun, diesmal haben sie nicht so unrecht, die ausständischen Söhne der Wüste haben mit ver zweifelter Tapferkeit gekämpft und den Rothröcken stark zu schaffen gemacht, wofür die nicht unerheblichen Ver luste der Engländer zeugen. Was aber nun werden soll, darüber scheint man sich im englischen Ministerium durchaus noch nicht klar zu sein und die widersprechenden Gerüchte über die dem General Graham zugegangenen Instruktionen vermehren nur die Ungewißheit der Si tuation. Einmal heißt es, er habe Befehl erhalten, mit seinen Truppen nach Kairo zurückzukehren, dann wieder, er sei nach Trinkitat zurückbeordert, nach einer dritten Version sei er beauftragt, Tokar zu halten, und so bringt jeder Tag neue Gerüchte. Wahrscheinlich ist, daß die englische Negierung, bevor sie neue Schritte thut, die Wirkung des Sieges von El Teb auf die Bewohner des Westsudans abwarten will, wo General Gordon mit seiner Mission in eine ziemlich bedenkliche Lage gerathen sein soll. Italien. Jenseits der Alpen beschäftigt sich die allgemeine Aufmerksamkeit mit der noch immer ihrer Lösung harrenden Krisis im Schooße des Kabinets Depretis. Bekanntlich hat der Unterrichts-Minister Baccelli seine Demission eingereicht, da die Deputirten- kammer den Gesetzentwurf über die Reform des höheren Unterrichtswesens nur mit geringer Majorität unv mit zahlreichen Modifikationen acceptirte. Herr Depretis hat aber die Demission seines Kollegen einstweilen zurückgewiesen und das Kabinet für solidarisch mit Baccelli erklärt. Es heißt nun, daß Depretis in diesen Tagen ein Vertrauens-Votum von der Kammer ver langen werde. Egypten. Die neuesten aus Egypten vorliegenden Depeschen melden, daß General Graham die Garnison und die Einwohner von Tokkar, sowie alle Verwun deten nach Trinkitat geschickt habe. In den arabischer. Dörfern südlich von Tokkar seien zwei verlaßene Ka nonen, viel Munition und tausend Gewehre gefunden worden. Die Aufständischen hätten sich in's Gebirge zurückgezogen; General Graham befinde sich ebenfalls ans dem Rückmärsche von Tokkar nach Trinkitat. China. Die Erregung in den chinesischen Küsten städten gegen die Fremden scheint noch immer nicht geschwunden zu sein. In Shanghai kam es zu einem Zusammenstoß zwischen Europäern und chinesischen Soldaten, wobei zwei der ersteren mit Bajonetten ver wundet wurden. Wer den Streit provocirt hat, wird in der betreffenden Depesche nicht gesagt. Die Geister der Zerstörung. Unheimliche Attentate und Dynamitverschwörungen, über welche uns fast jede Woche aus dieser oder jener Hauptstadt und selbst aus kleineren Orten berichtet wird, geben mehr und mehr dem begründeten Verdachte Raum, daß die Geister der Zerstörung, der Unordnung und Revolution von Tag zu Tag frecher und toll kühner werden und ihr Teufelsreich der Bosheit und Vernichtung mit verzweifelten Mitteln in Scene setzen wollen. Hat man nun auch in letzter Zeit manches schreckliche Verbrechen der Sozialrevolutionäre und ihrer fanatischen Helfershelfer gesehen, so stand doch die Wirkung dieser Unthaten nicht entfernt in einem Verhältniß zu den angewandten Zerstörungsmitteln, zumal wenn man bedenkt, daß es unter Unterständen einem halben Dutzend gottvergessener Lumpen -mit Hilfe des Dynamits, des Pulvers, des Petroleums und der sechsläufigen Revolver gelingen könnte, irgend eine Hauptstadt in eine Stätte des Grauens und Schreckens zu verwandeln. Der verhältnißmäßig glückliche Verlauf der Dynamit- und Pulverattentate darf indessen weder den Staat, noch die Gesellschaft in ein schlechtbegründetes Sicherheitsgefühl wiegen, denn der Fanatismus der revolutionären Geister ist selbst ein Zündstoff, der überall ähnliche Geister er wecken kann, wo Menschen existiren, die sich mit der gesellschaftlichen Ordnung im Kampfe befinden. Und in welcher Stadt, ob groß oder klein, sollte es solche Elemente nicht geben, die der segensreichen Ordnung und guten Sitte schon längst den Rücken gekehrt und mit Gott und den Menschen zerfallen, nur Lastern und Leidenschaften fröhnend, sich im schrecklichen Wahne keinen Augenblick besinnen würden, wie die wilden Thiere auf ihre Mitmenschen zu stürzen? Viele Ursachen stir das Emporwachsen revolutio närer Geister mögen nun allerdings an Einer schlechten Jugenderziehung, in unglücklichen Familienverhältnissen und dem verzweifelten Kampfe um das Dasein zahl reicher Menschen liegen, aber die brennende Schärfe und fanatische Wuth hat erst die sozialdemokratische und sozialdemagogische Agitation in die Massen ge bracht. Dies können nur noch Diejenigen bestreiten, welche nie mit eigenen Augen verfolgt haben, in welcher Weise die Sozialdemokraten Propaganda machen und Klassenhaß zu schüren wissen. Ihre ganze Diskussion bestand bis jetzt nur in Verleumdung und Ablehnung und ihre Forderungen steuerten direkt auf die Revo lution Aller gegen Alle los. Denn wenn die Sozia- listensührer in Deutschland frech folgende vier Forde rungen : Auf wirthschaftlichem Gebiete Gütergeniein schaft, auf sozialem Aufhebung der Ehen und Familien, auf dem politischen die Republik und auf dem reli giösen Gebiete den Atheismus und die Religionslosig keit aufstellen, was soll dann das anders heißen als ein Sprung in eine vierfache Revolution? Hier helfen auch keine Deklamationen von den Rechten und Frei heiten der Menschen, hier gilt es die Wölfe von den Schafen zu trennen und die Führer der Sozialdemo kratie von ihren Hauptagitationsheerden, wie es durch das Sozialistengesetz geschehen ist, fern zu halten. Wie verbissen und fanatisch die alten sozialistischen Führer sind, lehrt ja auch der Umstand, daß sie und ihre An hänger die Wohlthaten der Arbeiter-Versicherungen für Unfälle und Krankheit als eine Vergewaltigung der Arbeiterrechte hinstellen und bis jetzt nur in ganz kleine Kreise verhetzter Arbeiter die Einsicht gedrungen ist, daß sie die Brücke, die sie mit Staat und Gesell schaft verbindet, nicht abbrechen dürfen. Wohl bedarf die soziale Frage ihre hauptsächlichsten Heilmittel auf dem Gebiete der Nächstenliebe, aber für die unver besserlichen Demagogen auch die Strenge des Gesetzes, wie die Negierung dem Reichstage wieder vorge schlagen hat. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Im Februar d. I. wurden an hier durchreisende Fremde 340 Marken gegen 362 im gleichen Monat des Jahres 1883 verabreicht. K Frauenstein. (König!. Schöffengericht.) Hauptverhandlungen am 12. Februar. Gegen den Dienstkiiccht Earl August Lohse in Randeck liegt die